Urteilskopf
98 II 148
22. Urteil der II. Zivilabteilung vom 13. Juli 1972 i.S. Erbengemeinschaft Saladin gegen Weiland.
Regeste
Einlieferung letztwilliger Verfügungen (
Art. 556 ZGB
). Zivilrechtsstreitigkeit (Art. 44/46 OG).
Ein behördlicher Entscheid, der die Einlieferung der letztwilligen Verfügungen anordnet, bildet eine blosse Sicherungsmassregel, die in den Bereich der nicht streitigen Gerichtsbarkeit fällt und somit nicht zu den Zivilrechtsstreitigkeiten im Sinne von
Art. 44 ff. OG
gehört.
Die Eheleute Paul und Eva Weiland-Saladin leben getrennt, seit die Ehefrau im Jahre 1963 vergeblich die Scheidung der Ehe zu erreichen versucht hat. Trotz richterlichen Aufforderungen weigerte sich die Ehefrau, zu ihrem Ehegatten zurück zukehren.
Am 11. August 1969 verfügte der Vater der Frau Weiland, Hans Benno Saladin, in einem Testamentsnachtrag, dass seiner Tochter, die auf ihre gesetzlichen Pflichtteilsansprüche verzichtet habe, der Drittel seines Nachlasses, der ihr als Erbin zustehe, als Sondergut zuzuwenden sei. Am 12. August 1969 verzichtete Eva Weiland-Saladin erbvertraglich auf ihren gesetzlichen Pflichtteilsschutz an den dereinstigen Nachlässen ihrer Eltern.
Hans Benno Saladin starb am 31. Mai 1970.
Am 24. August 1971 hat Paul Weiland beim Bezirksgericht Zürich das Begehren gestellt, die Erben des Hans Saladin seien
BGE 98 II 148 S. 149
zu verpflichten, gemäss
Art. 556 ZGB
sämtliche letztwilligen Verfügungen des Verstorbenen zur amtlichen Eröffnung dem Bezirksgericht Zürich einzureichen. Das Bezirksgericht hat die Klage gutgeheissen.
Das Obergericht des Kantons Zürich, an das die Beklagten appelliert haben, hat das erstinstanzliche Urteil bestätigt. In seinen Erwägungen weist es darauf hin, dass jeder Interessierte durch privatrechtliche Klage die Erfüllung der Ablieferungspflicht nach
Art. 556 ZGB
erzwingen könne. Unter dem Güterstand der Güterverbindung sei ein Interesse des Ehegatten der Erbin an der Einreichung und Eröffnung der letztwilligen Verfügungen zu bejahen. Die beiden Rechtsgeschäfte - der Erbverzicht und die Zuwendung des Pflichtteils zu Sondergut -, die einzig den Zweck verfolgten, das Verbot des
Art. 190 Abs. 2 ZGB
zu umgehen, seien ungültig und daher ohne Einfluss auf das Interesse des Ehemannes.
Gegen dieses Urteil hat die Erbengemeinschaft Saladin Berufung an das Bundesgericht erklärt. Sie beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Klage sei abzuweisen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Die Berufung an das Bundesgericht ist, von den hier nicht zutreffenden Ausnahmen der Art. 44 lit. a-c und
Art. 45 lit. b OG
abgesehen, gemäss
Art. 44 OG
nur in Zivilrechtsstreitigkeiten zulässig. Unter Zivilrechtsstreitigkeit versteht man ein kontradiktorisches Verfahren, das auf die endgültige, dauernde Regelung zivilrechtlicher Verhältnisse durch behördlichen Entscheid abzielt (
BGE 78 II 180
/181,
BGE 81 II 251
/252,
BGE 84 II 326
,
BGE 85 II 279
,
BGE 91 II 396
,
BGE 94 II 57
).
Art. 556 ZGB
, der die unverzügliche Einlieferung der beim Tode des Erblassers vorgefundenen letztwilligen Verfügungen vorschreibt, steht im Abschnitt über die Massnahmen zur Sicherung des Erbganges. Die Einlieferung soll die ordnungsgemässe Abwicklung des Erbganges vorbereiten, insbesondere dafür sorgen, dass die letztwilligen Verfügungen des Erblassers erhalten bleiben. Ein behördlicher Entscheid, der die Einlieferung anordnet, hat daher nicht die endgültige, dauernde Regelung zivilrechtlicher Verhältnisse zum Gegenstand. Vielmehr handelt es sich dabei um eine blosse Sicherungsmassregel, die in den Bereich der nicht streitigen Gerichtsbarkeit fällt (vgl.
BGE 98 II 148 S. 150
BGE 70 II 166
). Die Anordnung der Einlieferung ist ein blosser Vorläufer der in
Art. 557 ZGB
vorgeschriebenen Testamentseröffnung, die ihrerseits ein Akt der nicht streitigen Gerichtsbarkeit ist (
BGE 75 II 194
Erw. 3 am Ende). Angelegenheiten der nicht streitigen Gerichtsbarkeit sind keine Zivilrechtsstreitigkeiten im Sinne von
Art. 44 OG
(vgl.
BGE 91 II 397
Erw. 1 mit Hinweisen und
BGE 94 II 58
). Die vorliegende Berufung ist daher nicht zulässig.
Demnach erkennt das Bundesgericht
Auf die Berufung wird nicht eingetreten.