Urteilskopf
98 IV 245
49. Urteil des Kassationshofes vom 21. Dezember 1972 i.S. Imfeld gegen von Däniken.
Regeste
Art. 29 StGB
. Strafantragsfrist.
1. Im Verfahren, in welchem nach obwaldnerischem Recht Ehrverletzungen verfolgt werden, ist die Antragsfrist gewahrt, wenn vor ihrem Ablauf beim Kantonsgericht die Klage und zugleich der im vorauszugehenden Vermittlungsversuch vom Friedensrichter ausgestellte Weisungsschein eingereicht werden (Erw. 1).
2. Die Frage, ob der rechtzeitig bei einer unzuständigen Behörde gestellte, aber erst nach Ablauf der Frist an die zuständige Behörde weitergeleitete Strafantrag gültig sei, bestimmt sich nach kantonalem Recht (Erw. 2).
A.-
Am 18. Juli 1969 verfügte das Untersuchungsrichteramt Davos den Abschluss einer gegen von Däniken geführten Strafuntersuchung. In der Folge erfuhr dieser von Äusserungen, die Imfeld im Zusammenhang mit der Strafuntersuchung gemacht hatte. Wegen dieser Äusserungen, die er als ehrverletzend betrachtete, reichte von Däniken am 17. September 1969 schriftliche Strafklage beim Verhöramt des Kantons Obwalden gegen Imfeld ein.
Mit Schreiben vom 19. September 1969 teilte diese Behörde dem Strafantragsteller folgendes mit:
"In Obwalden sind private Ehrverletzungsklagen beim Zivilgericht anhängig zu machen. Der Einreichung der Klage beim Kantonsgericht Obwalden hat eine Sühneverhandlung vorauszugehen, in Lungern, dem Wohnort Imfelds, beim dortigen Friedensrichter."
Auf Grund dieser Rechtsbelehrung suchte von Däniken am 8. Oktober 1969 beim Friedensrichteramt Lungern um einen Sühnevorstand nach. Die entsprechende Verhandlung fand jedoch erst am 20. April 1971 statt, da die Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden dem damals in Untersuchungshaft weilenden von Däniken eine Vorladung des Friedensrichters auf den 4. November 1969 nicht zugestellt und ihm eine Teilnahme an der Verhandlung nicht bewilligt hatte.
Am 14. Juni 1971 stellte der Friedensrichter von Lungern den Weisungsschein aus. Mit Klage vom 17. Juni 1971 beantragte von Däniken dem Kantonsgericht Obwalden, es sei Imfeld wegen Verleumdung, evt. übler Nachrede schuldig zu sprechen und zu bestrafen.
Mit Entscheid vom 3. Februar 1972 wies das angerufene Gericht die Klage ab mit der Begründung, das Strafantragsrecht sei infolge Ablaufs der 3-monatigen Frist verwirkt.
Am 5. Juli 1972 hiess das Obergericht des Kantons Obwalden eine vom Strafkläger eingereichte Appellation gut und wies die Klage zur Beurteilung der rechtzeitig gestellten Begehren an das Kantonsgericht zurück.
B.-
Imfeld führt eidg. Nichtigkeitsbeschwerde. Er beantragt, es sei das Urteil des Obergerichtes aufzuheben und auf die Strafklage nicht einzutreten.
C.-
Von Däniken beantragt Abweisung der Beschwerde.
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.
Der Beschwerdeführer anerkennt, dass der Kläger innerhalb von drei Monaten, nachdem ihm der Täter bekannt geworden ist, Strafantrag gestellt hat. Er bestreitet jedoch die Wahrung dieser Frist, da die Klage verspätet beim Kantonsgericht eingereicht worden sei.
Die Willenserklärung des Verletzten, dass ein Strafverfahren aufgenommen werden solle, ist nach der Rechtsprechung dann Strafantrag im Sinne von
Art. 28 StGB
, wenn sie nach dem anwendbaren Prozessrecht die Strafverfolgung in Gang setzt und das Verfahren ohne weitere Erklärung des Antragstellers seinen Lauf nehmen lässt (
BGE 69 IV 198
,
BGE 71 IV 66
und 227,
BGE 74 IV 10
). Findet die Strafverfolgung im Zivilprozess statt, so gilt in der Regel die Klage als Strafantrag, das Sühnebegehren dagegen nur dann, wenn es nach kantonalem Prozessrecht den Streit rechtshängig macht (
BGE 69 IV 198
,
BGE 71 IV 66
und 228,
BGE 74 IV 10
).
Nach
Art. 56 Abs. 1 ZPO
des Kantons Obwalden ist dann ein Verzicht auf den Rechtsstreit anzunehmen, wenn der vom Friedensrichter ausgestellte Weisungsschein nicht innert 60 Tagen nach stattgefundenem Vermittlungsversuch beim Kantonsgericht eingereicht wird. Aus dieser Bestimmung ergibt sich, dass die Einreichung des Vermittlungsbegehrens keine Rechtshängigkeit bewirkt; denn es führt nicht dazu, dass das Verfahren im Sinne der angeführten Rechtsprechung ohne weitere Erklärung des Klägers seinen Lauf nimmt. Nach dem Zivilprozessrecht des Kantons Obwalden stellt somit eine beim Friedensrichter eingereichte Ehrverletzungsklage keinen Strafantrag im Sinne des
Art. 28 StGB
dar.
Entgegen den Ausführungen im angefochtenen Urteil kommt dem durch Bundesrecht bestimmten Begriff der Klageerhebung in diesem Zusammenhang keine Bedeutung zu. Von der Klageanhebung hängt ausschliesslich der Eintritt privatrechtlicher Wirkungen ab (vgl.
BGE 49 II 41
,
BGE 74 II 69
).
2.
Nachdem von Däniken die Klage vom 17. Juni 1971 zusammen mit dem Weisungsschein erst nach Ablauf der 3-monatigen Antragsfrist beim Kantonsgericht Obwalden eingereicht hat, bleibt zu prüfen, ob die gesetzliche Verwirkungsfrist allenfalls trotzdem gewahrt wurde, da die erste, fristgerechte Klageerhebung vom 17. September 1969 bei einer unzuständigen Gerichtsbehörde erfolgt ist.
Die Frage, ob der rechtzeitig bei einer unzuständigen Behörde gestellte, aber erst nach Ablauf der Frist an die zuständige Behörde weitergeleitete Strafantrag gültig und von der unzuständigen Behörde von Amtes wegen unverzüglich an die zuständige Instanz weiterzuleiten sei, beurteilt sich nach kantonalem Recht (
BGE 86 IV 225
Erw. 2,
BGE 87 IV 112
).
Nach der verbindlichen Feststellung des Obergerichts ist die Eingabe vom 17. September 1969 bei einer unzuständigen Behörde, nämlich beim Verhöramt des Kantons Obwalden, eingereicht worden. Nach der in diesem Kanton gehandhabten Praxis wäre diese Behörde jedoch von Amtes wegen gehalten gewesen, die Strafklage an das dafür zuständige Kantonsgericht weiterzuleiten. Aus dem Umstand, dass das nicht geschehen ist, darf dem Kläger kein Nachteil erwachsen. Das Obergericht schliesst aus diesen Feststellungen, dass die Rückweisung der Strafklage an den Kläger unzulässig war und die Streitsache spätestens mit Einreichung der Strafklage vom 17. September 1969 beim Verhöramt, d.h. am 19. September 1969 rechtshängig geworden ist.
Ist aber die Eingabe vom 17. September 1969 gemäss kantonaler Praxis so zu behandeln, wie wenn sie am 19. September 1969 beim Kantonsgericht rechtsgültig eingereicht worden wäre, so stellt sie ohne Zweifel einen Strafantrag im Sinne des Gesetzes dar. Dadurch, dass das Obergericht die innerhalb der 3-monatigen Frist eingereichte Rechtsschrift nicht als verspätet betrachtete, hat es
Art. 29 StGB
nicht verletzt.
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.