Urteilskopf
99 Ia 417
49. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 27. November 1973 i.S. X gegen Firma A.
Regeste
Art. 20 Abs. 1 und
Art. 66 OR
.
1. Die Überweisung von Geld, das für Bestechungszwecke bestimmt ist, von einer Gesellschaft auf eine andere mit der Weisung, es einem Dritten zur Verfügung zu halten, macht den Auftrag weder rechtswidrig noch unsittlich.
2. Verstösst der Beauftragte gegen die Weisung, so kann er sich nicht auf
Art. 66 OR
berufen, um der Schadenersatzforderung des Auftraggebers aus Vertrag oder aus unerlaubter Handlung zu entgehen.
A.-
Die Firma Farsura hatte der Regierung von Nigeria ein Projekt für den Bau eines Hafens unterbreitet. Am 19. Januar 1963 überwies sie der Firma A. in Zürich £ 5000, welche die Farsura in Nigeria zur Zahlung von Schmiergeldern zu verwenden beabsichtigte. Die Firma A. liess den Betrag dem Geschäftsführer X. ihrer Tochtergesellschaft B. in Nigeria zukommen mit der Weisung, ihn daselbst der Farsura zur Verfügung zu halten. X. tat das nicht. Obschon er nicht ermächtigt war, ohne Zustimmung der Farsura über das Geld zu
BGE 99 Ia 417 S. 418
verfügen, behauptet er, es einem bestimmten Minister in Nigeria ausbezahlt zu haben. Die Farsura belastete den nicht erhaltenen Betrag der Firma A. Diese forderte ihn von X. zurück und bezog ihre Forderung in einen Prozess ein, den sie in Zürich vor einem Schiedsrichter gegen X. führte.
B.-
Der Schiedsrichter sprach der Klägerin am 15. März 1972 in teilweiser Gutheissung der Klage Fr. 78'917.-- nebst Zins zu. Darin sind Fr. 60'662.50 inbegriffen, weil er die Pflicht des Beklagten zur Rückerstattung der £ 5000 bejahte.
Der Beklagte beschwerte sich beim Obergericht und beim KassationsgerichtdesKantonsZürich insbesondere wegen Verletzung klarer gesetzlicher Bestimmungen, hatte aber keinen Erfolg.
Gegen den Entscheid des Kassationsgerichtes vom 14. Februar 1973 führte X. staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von
Art. 4 BV
. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Aus den Erwägungen:
2.
Der Schiedsrichter hat die Auffassung des Beschwerdeführers,
Art. 66 OR
stehe einer Rückforderung der £ 5000 entgegen, mit dem Satz abgelehnt: "Dass das Geld allenfalls auf Anweisung der Farsura für unlautere Zwecke hätte verwendet werden sollen, schliesst eine Rückgabepflicht des Beklagten nicht aus (GAUTSCHI, 3. Aufl. S. 323
Art. 397 OR
N. 15 b)." Der Schiedsrichter ist also mit Gautschi der Meinung, der unsittliche Zweck, den ein Beauftragter mit zugewendetem Vermögen verfolgen sollte, schliesse die Rückerstattungspflicht nicht aus, wenn er die erhaltene Weisung nicht befolgte.
Das Obergericht widerlegt zunächst den Einwand des Beschwerdeführers, Gautschi sage an der angeführten Stelle gerade das Gegenteil (Erw. 4 Abs. 1), und führt dann aus (Erw. 4 Abs. 2), die Auffassung des Schiedsrichters stehe auch sonst mit einer verbreiteten Meinung zu
Art. 66 OR
in Lehre und Rechtsprechung im Einklang, nämlich mit VON TUHR/SIEGWART § 52 VI S. 413/14, VON BÜREN, SJZ 58 S. 225, einem Urteil des Obergerichtes des Kantons Zürich in ZR 45 Nr. 142 Erw. 6 und
BGE 53 II 40
/41, während freilich RUSCH, SJZ 47 S. 369 für eine ausdehnende Anwendung des
Art. 66 OR
eineintrete und das auch im wesentlichen der neueren Praxis des Bundesgerichtes (
BGE 74 II 26
,
BGE 84 II 184
,
BGE 95 II 40
ff.) zu entsprechen scheine.
BGE 99 Ia 417 S. 419
Das Kassationsgericht hält dafür, die Auffassung des Obergerichtes verstosse nicht gegen klares Recht; es habe schon in seinem in SJZ 68 S. 312 Nr. 179 veröffentlichten Urteil ausgeführt, über die Auslegung des
Art. 66 OR
seien in guten Treuen verschiedene Meinungen möglich und
BGE 74 II 27
und
BGE 95 II 41
schafften nicht im Sinne von
§ 344 Ziff. 9 ZPO
Klarheit. Die Erwägungen dieses Urteils gälten auch im vorliegenden Falle. Die Beschwerde setze sich mit der beachtlichen Arbeit VON BÜRENS nicht auseinander. Dieser habe insbesondere die Entstehungsgeschichte dafür anführen können, dass
Art. 66 OR
sich nicht auf das rechts- oder sittenwidrige Geschäft überhaupt, sondern nur auf jenes beziehe, bei dem die eine Leistung den Charakter einer Belohnung für ein rechts- oder sittenwidriges Handeln des Gegners habe. Solange das Bundesgericht nicht dazu Stellung genommen habe, könne nicht gesagt werden, die Bedeutung des
Art. 66 OR
sei schon durch ihren Wortlaut und durch die bundesgerichtliche Praxis klargestellt. Wenn die Beschwerde geltend mache, der Tatbestand des in ZR 45 Nr. 142 veröffentlichten Urteils sei ein anderer gewesen als im vorliegenden Falle, so sei zu sagen, dass es auch bei der Zurverfügungstellung der £ 5000 an den Beschwerdeführer keine andere Meinung gehabt haben könne, als dass der Betrag der Beschwerdegegnerin zurückzugeben sei, wenn er nicht weisungsgemäss verwendet werde. Nach dem vom Schiedsrichter festgestellten Sachverhalt, von dem auszugehen sei, habe der Beschwerdeführer sich durch die nicht weisungsgemässe Verwendung des Betrages einer Veruntreuung schuldig gemacht (
BGE 73 IV 173
). Die Weisung, den Betrag der Farsura zu Bestechungszwecken zur Verfügung zu halten, möge nichtig gewesen sein. Der Beschwerdeführer habe aber nicht nur diese Weisung nicht ausgeführt, sondern auch der stillschweigenden Abrede zuwidergehandelt, dass im Falle der Nichtausführung der Weisung der Betrag zurückzuerstatten sei. Warum diese Abrede nur strafrechtlich, nicht auch zivilrechtlich von Bedeutung sein sollte, sei nicht einzusehen.
3.
Der Beschwerdeführer macht geltend, der klare Wortlaut, der Sinn und der Zweck des
Art. 66 OR
, auf die in
BGE 74 II 27
und
BGE 95 II 41
abgestellt werde und gegen die der Aufsatz VON BÜRENS nicht aufzukommen vermöge, machten die kassationsgerichtliche Auslegung dieser Bestimmung willkürlich.
a) Es fragt sich indessen in erster Linie, ob
Art. 66 OR
im vorliegenden Falle überhaupt anwendbar ist. Diese Bestimmung befindet sich im Abschnitt über die Entstehung der Obligationen aus ungerechtfertigter Bereicherung. Sie sagt nur, unter welchen Voraussetzungen entgegen den in diesem Abschnitt aufgestellten Regeln eine Forderung aus ungerechtfertigter Bereicherung nicht entstehe. Es liegt ihr fern, auch Rückforderungen aus Vertrag und Schadenersatzforderungen aus unerlaubter Handlung auszuschliessen, wenn jemand eine Zuwendung in der Absicht gemacht hat, einen rechtswidrigen oder unsittlichen Erfolg herbeizuführen. Das Bundesgericht hat denn auch im Entscheide 74 II 29/30 z.B. den Fall vorbehalten, wo der Empfänger die Übergabe der Leistung durch eine unerlaubte Handlung, namentlich durch Betrug, herbeigeführt oder mitverursacht hat. Allerdings dachte es dabei, die Verweigerung der Rückgabe könnte alsdann rechtsmissbräuchlich sein. Es äusserte sich darüber aber nicht abschliessend. In Wirklichkeit ist von Fall zu Fall zu prüfen, ob der Rückfordernde überhaupt auf die Anwendung der Bestimmungen über ungerechtfertigte Bereicherung angewiesen ist oder seine Forderung aus einem gültig gebliebenen Vertrag oder aus unerlaubter Handlung (oder aus beiden Rechtsgründen zugleich) abzuleiten vermag. Wenn das zutrifft, kann er aus diesen Rechtsgründen klagen und kann sich die Frage, ob die Berufung der Gegenpartei auf
Art. 66 OR
rechtsmissbräuchlich sei, nicht stellen.
b) Der Beschwerdeführer war Geschäftsführer der Firma B. Sein Arbeitsvertrag war in deren Namen von der Beschwerdegegnerin abgeschlossen worden. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese ihn in seiner Eigenschaft als Arbeitnehmer der Tochtergesellschaft in Anspruch nahm oder ihm einen selbständigen Auftrag erteilte, als sie ihm £ 5000 zukommen liess mit der Weisung, den Betrag der Farsura zur Verfügung zu halten. So oder so erhielt der Beschwerdeführer das Geld auf Grund eines Vertrages, aus dem die Beschwerdegegnerin zu klagen legitimiert ist, denn die Firma B. hat ihr ihre Ansprüche abgetreten.
c) Die weitere Frage, ob eine vertragliche Forderung der Beschwerdegegnerin oder ihrer Tochtergesellschaft gemäss
Art. 20 Abs. 1 OR
gar nicht habe entstehen können, weil die Farsura beabsichtigte, den Betrag zu Schmierzwecken zu verwenden, ist zu verneinen. Mit der Verschiebung des Betrages auf den Beschwerdeführer nach Nigeria verstiess noch niemand
BGE 99 Ia 417 S. 421
gegen das Recht oder die guten Sitten, weder die Farsura, noch die Beschwerdegegnerin, noch deren Tochtergesellschaft, noch der Beschwerdeführer. Auch die Weisung an diesen, den Betrag zur Verfügung der Farsura zu halten, war trotz der erwähnten Absicht der Farsura nicht rechtswidrig oder unsittlich. Erst wenn die Farsura den Beschwerdeführer angewiesen hätte, mit dem Gelde jemanden zu bestechen, hätte der Verstoss gegen das Recht oder die guten Sitten begonnen. So weit gedieh das Vorhaben aber nicht. Wäre der Beschwerdeführer der vertraglichen Pflicht enthoben, der Beschwerdegegnerin das empfangene Geld zu ersetzen, so brauchte auch jeder andere Vermögensverwalter, z.B. eine Bank oder ein Bankangestellter, dem Gelder durch die Hände gehen, die nach der Absicht des Auftraggebers für rechtswidrige oder unsittliche Zwecke bereitgestellt werden, nichts zurückzuleisten. Das wäre untragbar und widerspräche
Art. 140 StGB
, wonach man anvertrautes Gut nicht unrechtmässig in seinem oder eines andern Nutzen verwenden darf. Das Vertragsverhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und der Beschwerdegegnerin oder ihrer Tochtergesellschaft war gültig.
d) Dadurch unterscheidet sich der vorliegende Fall von
BGE 37 II 66
ff. Erw. 3 und 4,
BGE 74 II 23
ff. und
BGE 95 II 38
ff. Im ersten dieser drei Urteile war zu entscheiden, ob ein vom Konkurs bedrohter Schuldner, der seinem Schwiegervater Geld übergeben hatte, um es den Gläubigern zu entziehen, den Betrag zurückfordern könne. Das Bundesgericht verneinte dies, weil die Hingabe des Geldes als Vorbereitung betrügerischen Bankerottes strafrechtlich unerlaubt und daher nach Art. 17 aoR ungültig sei und ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäss Art. 75 aoR (= 66 OR) nicht bestehe.
Auch im zweiten Präjudiz erachtete das Bundesgericht das Rechtsgeschäft (Hingabe eines Betrages zur Beschaffung gemünzten Goldes) als nichtig, und zwar gemäss ausdrücklicher Bestimmung des Art. 6 des BRB vom 7. Dezember 1942 über die Überwachung des Handels mit Gold.
Im dritten Präjudiz war zunächst die Auszahlung eines Schmiergeldes an einen Vormund zu würdigen. Das Versprechen, das ihr zugrunde lag, betraf einen typischen Fall des Gaunerlohnes und war gemäss
Art. 20 Abs. 1 OR
nichtig. Daher wurde auch die Übernahme der Schmiergeldschuld durch Dritte als nichtig erachtet und den ursprünglichen Schmiergeldschuldnern
BGE 99 Ia 417 S. 422
versagt, die Gegenleistung zurückzufordern, die sie für die Schuldübernahme erbracht hatten.
e) Weitere Urteile, in denen das Bundesgericht zu
Art. 20 und 66 OR
Stellung nahm, führen ebenfalls nicht zum Schluss, der Vertrag zwischen dem Beschwerdeführer und der Beschwerdegegnerin oder ihrer Tochtergesellschaft sei nichtig.
In
BGE 53 II 41
war es der Auffassung,
Art. 20 und 66 OR
seien nur auf Leistungen anzuwenden, die zur Belohnung einer zugesagten oder in Aussicht gestellten verbotenen oder unsittlichen Handlung gemacht werden, nicht auch auf Zuwendungen, die nach der Verabredung der Parteien an den Leistenden zurückgegeben werden sollen.
Im Entscheid 75 II 294 erachtete das Bundesgericht wiederum auf Grund des Art. 6 BRB vom 7. Dezember 1942 ein Goldhandelsgeschäft als nichtig und ging es wie im Entscheid 74 II 23 ff. davon aus,
Art. 66 OR
schliesse die Bereicherungsklage nicht nur gegen den Empfänger von Gaunerlohn, sondern auch gegen den Empfänger anderer zur Erreichung des rechtswidrigen Erfolges gemachter Zuwendungen aus. Dennoch erklärte es den Empfänger des Geldes zur Rückerstattung verpflichtet, weil er dem Geber im Verlaufe der Auseinandersetzung Ersatz des Schadens versprochen hatte.
In
BGE 76 II 369
f. Erw. 5 wurde ein Schweigegeldvertrag als sittenwidrig und nichtig erachtet, die Rückforderung aber trotz
Art. 66 OR
geschützt mit der Begründung, die Berufung auf diese Bestimmung sei rechtsmissbräuchlich, weil das Geld unter dem Einfluss einer vom Empfänger zu vertretenden Drohung versprochen und gezahlt worden sei.
In
BGE 79 II 204
f. wurde die Klage auf Rückgabe eines Darlehens, das den Käufern eines landwirtschaftlichen Heimwesens die Zahlung eines dem BRB über Massnahmen gegen die Bodenspekulation widersprechenden Überpreises ermöglicht hatte, mit der Begründung geschützt, Art. 42 Abs. 2 dieses Beschlusses lasse die Rückforderung des Überpreises ausdrücklich zu und die Handlung des Darleihers wiege weniger schwer, könne also ebenfalls nicht unter
Art. 66 OR
fallen.
BGE 82 II 75
lautet dahin, der entgeltliche Verzicht auf das bäuerliche Vorkaufsrecht falle nicht unter
Art. 20 OR
. Das Bundesgericht fügte unter Hinweis auf den Entscheid
BGE 74 II 23
ff. bei, selbst wenn es anders wäre, könnte der Kläger gemäss
Art. 66 OR
die Abfindungssumme nicht zurückfordern.
BGE 99 Ia 417 S. 423
Im Entscheid 84 II 179 ff. schützte das Bundesgericht gemäss Art. 42 Abs. 2 BMB die Rückforderung einer für ein landwirtschaftliches Heimwesen geleisteten Schwarzzahlung. Die Ausführungen zu
Art. 66 OR
befinden sich nur in den Erwägungen über die intertemporale Geltung des Art. 42 Abs. 2 BMB und enthalten nichts Neues.
f) Bleibt es dabei, dass das Vertragsverhältnis mit dem Beschwerdeführer gültig ist, so ist dieser der Beschwerdegegnerin aus Vertrag verpflichtet, die anvertrauten £ 5000 zu ersetzen, da er sie weisungswidrig nicht der Farsura zur Verfügung gehalten, sondern eigenmächtig anderweitig verwendet hat. Der Anspruch der Beschwerdegegnerin beruht nicht auf ungerechtfertigter Bereicherung. Die Frage, ob
Art. 66 OR
nur die Rückforderung von sog. Gaunerlohn oder auch die Rückforderung anderer nichtiger Zuwendungen ausschliesse, stellt sich daher nicht.
Das Urteil des Schiedsrichters ist somit im Ergebnis richtig. Da es nicht im Sinne von § 344 Ziff. 9 zürch. ZPO klares Recht verletzt, erfüllt auch der Entscheid des Obergerichtes diesen Nichtigkeitsgrund nicht und verletzte das Kassationsgericht
Art. 4 BV
nicht, indem es die Nichtigkeitsbeschwerde abwies.
Dem Bundesgericht ist nicht verboten, einen mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Willkür angefochtenen Entscheid mit Erwägungen als haltbar zu erklären, die von denen der kantonalen Instanz abweichen (
BGE 86 I 269
). Anders verhält es sich nur, wenn kantonales Recht auszulegen ist und die zu substituierenden Erwägungen von der kantonalen Instanz ausdrücklich abgelehnt wurden oder an Willkür grenzen (
BGE 91 I 38
,
BGE 94 I 311
Erw. 4). Diese Voraussetzungen treffen hier nicht zu.