BGE 102 IB 8 vom 6. Mai 1976

Datum: 6. Mai 1976

Artikelreferenzen:  Art. 958 ZGB, Art. 965 ZGB, Art. 17 GBV , Art. 958 ff. ZGB, Art. 1 Abs. 2 SchGG

BGE referenzen:  84 I 126, 95 I 97, 120 II 321 , 95 I 97, 98 IA 186, 84 I 126, 95 I 101

Quelle: bger.ch

Urteilskopf

102 Ib 8


2. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 6. Mai 1976 i.S. Hans Hodel AG gegen Staat Luzern und Justizkommission des Obergerichts des Kantons Luzern

Regeste

Grundbuch.
1. Eintragung.
Prüfungsbefugnis des Grundbuchverwalters bei einer sich auf einen richterlichen Entscheid stützenden Anmeldung:
a) im allgemeinen (Erw. 2b und 2c);
b) hinsichtlich eines Entscheides, mit dem eine - vom Grundbuchamt bereits vollzogene - superprovisorische Verfügung bestätigt wird (Erw. 3).
2. Löschung.
Ein bestehender Grundbucheintrag kann nicht auf dem Beschwerdeweg beseitigt werden (Erw. 3 a.E.).

Sachverhalt ab Seite 9

BGE 102 Ib 8 S. 9

A.- Mit Gesuch vom 16. April 1975 stellte die Hans Hodel AG in Konolfingen beim Amtsgerichtspräsidenten von Sursee das Begehren, es sei das Grundbuchamt Sursee anzuweisen, auf der (im Eigentum des Staates Luzern stehenden) Parzelle Sursee Nr. 754 (Bezirksspital Sursee) zu ihren Gunsten ein Bauhandwerkerpfandrecht für einen Betrag von Fr. 10'272.40 nebst Zins zu 7 1/2% seit 15. Februar 1975 vorläufig einzutragen. Dem Gesuch wurde mit Verfügung vom 22. April 1975 superprovisorisch entsprochen. Nach durchgeführtem Verfahren bestätigte der Amtsgerichtspräsident diesen Entscheid - abgesehen vom Zinsfuss, den er auf 5% herabsetzte - mit Verfügung vom 7. August 1975, wobei er der Hans Hodel AG gleichzeitig Frist zur Klageeinleitung ansetzte und die vorläufige Eintragung entsprechend befristete.

B.- Die gestützt auf die richterliche Verfügung vom 7. August 1975 eingereichte Anmeldung zur vorläufigen Eintragung wies das Grundbuchamt Sursee am 25. August 1975 ab. Zur Begründung führte es unter Hinweis auf BGE 95 I 97 ff. aus, das fragliche Grundstück könne nicht belastet werden, da es zum staatlichen Verwaltungsvermögen gehöre; demzufolge sei aber auch die vorläufige Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts unmöglich.
Gegen diesen Entscheid beschwerte sich die Hans Hodel AG bei der Justizkommission des Kantons Luzern, welche die Beschwerde abwies und ausserdem die Löschung der bestehenden vorläufigen Eintragung anordnete.

C.- Den Entscheid der Aufsichtsbehörde vom 3. Oktober 1975 hat die Hans Hodel AG mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde
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beim Bundesgericht angefochten. Sie beantragt, es sei der Entscheid der Justizkommission aufzuheben und das Grundbuchamt Sursee anzuweisen, das richterlich zuerkannte Bauhandwerkerpfandrecht in Bestätigung des rechtskräftigen früheren Eintrages vorläufig im Grundbuch einzutragen.
Im Namen des Staates Luzern stellte das kantonale Baudepartement den Antrag, auf die Beschwerde nicht einzutreten, sie allenfalls abzuweisen.
Das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement schliesst in seiner Vernehmlassung von 16. März 1976 auf Gutheissung der Beschwerde.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2. a) Die Beschwerdeführerin macht im wesentlichen geltend, die Justizkommission habe dem Grundbuchamt zu weit gehende Befugnisse zugestanden, indem sie dessen Abweisungsverfügung samt Begründung geschützt habe. Gemäss Art. 17 GBV habe der Grundbuchverwalter im Falle der Anmeldung durch eine Gerichtsbehörde lediglich deren Zuständigkeit zu prüfen. Darüber hinaus könne er den Vollzug eines Gerichtsentscheides höchstens dann verweigern, wenn dieser die Vornahme einer Handlung anordne, die einen grundbuchrechtlich unmöglichen Inhalt habe. Dass dies hier der Fall sei, werde jedoch auch vom Grundbuchamt Sursee nicht angenommen. Es sei denn auch nicht einzusehen, auf welche grundbuchrechtliche Vorschriften sich das Amt berufen könnte, um die vorläufige Eintragung eines gesetzlichen Pfandrechts zu verweigern. Die Frage, ob ein Bauhandwerkerpfandrecht zu Lasten eines dem Verwaltungsvermögen zuzuordnenden Grundstückes überhaupt möglich sei, habe allein der ordentliche Richter im Hauptprozess zu prüfen.
b) Die Rechte und Rechtsverhältnisse, die ins Grundbuch aufgenommen werden können, sind im Gesetz (vgl. Art. 958 ff. ZGB ) abschliessend aufgezählt (vgl. HOMBERGER, N. 39 zu Art. 965 ZGB ; AUER, Die Prüfungspflicht des Grundbuchverwalters, Diss. Bern 1932, S. 59/60; SCHATZMANN, Eintragungsfähigkeit der dinglichen Rechte und Prüfungspflicht des Grundbuchverwalters, Diss. Bern 1939, S. 96). Dem Grundbuchverwalter kommt daher im Rahmen seiner Kontrollpflicht (Vorhandensein eines genügenden Rechtsgrundes, Verfügungsrecht
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des Anmeldenden u.a.m.) in jedem Fall von Amtes wegen auch die Aufgabe zu, die Eintragungsfähigkeit der angemeldeten Rechte und Rechtsverhältnisse zu prüfen.
Stützt sich die Anmeldung - wie im vorliegenden Fall - auf einen richterlichen Entscheid, so hat das Grundbuchamt lediglich zu untersuchen, ob der betreffende Richter zuständig war und die Massnahme gegen die gemäss Grundbuch legitimierte Person ergriffen wurde, nicht aber, ob der Entscheid materiell stichhaltig sei. Eine Prüfungsbefugnis unter dem Gesichtspunkt des materiellen Rechts ist dem Grundbuchverwalter immerhin insofern zuzugestehen, als er zur Verweigerung des Grundbucheintrages befugt sein muss, wenn sich aus dem Urteil eindeutig ergibt, dass gesetzliche Voraussetzungen des einzutragenden Rechts offensichtlich nicht erfüllt sind, oder wenn die richterliche Massnahme zur Rechtsordnung offensichtlich im Widerspruch steht (vgl. JENNY, Das Legalitätsprinzip im schweizerischen Grundbuchrecht, in ZBGR 11/1930, S. 235 Anm. 48 am Ende; dazu auch BGE 84 I 126 ff. = Pr. 1959 Nr. 36 S. 108 ff.). In jedem Fall hat der Grundbuchverwalter sodann auch bei der sich auf einen Gerichtsentscheid stützenden Anmeldung die grundbuchrechtlichen Voraussetzungen insoweit zu prüfen, als er die Eintragung eines nicht eintragungsfähigen Rechts zu verweigern hat (HOMBERGER, N. 39 zu Art. 965 ZGB ; AUER, a.a.O. S. 32/33; SCHATZMANN, a.a.O. S. 97; JENNY, a.a.O. S. 235; DESCHENAUX, SJK 1278, S. 5; vgl. dazu auch das Kreisschreiben der Justizdirektion des Kantons Bern an die Grundbuchverwalter über Urteil und Urteilssurrogat als Rechtsgrundausweis für Eintragungen im Grundbuch vom 29. November 1968, abgedruckt in ZBGR 51/1970, S. 126 ff.).
c) In seiner Abweisungsverfügung führte das Grundbuchamt Sursee unter Hinweis auf BGE 95 I 97 ff. aus, das mit dem Bauhandwerkerpfandrecht zu belastende Grundstück stelle Verwaltungsvermögen des Staates Luzern dar; da solches nicht pfandrechtlich belastet werden könne, sei auch die vorläufige Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts nicht zulässig.
Es trifft zwar zu, dass sich das Bundesgericht in dem von Grundbuchamt und Vorinstanz angeführten Entscheid - allerdings nur unter dem Gesichtspunkt der willkürlichen Rechtsanwendung - mit der grundpfandrechtlichen Belastung
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eines zum Verwaltungsvermögen einer Gemeinde gehörenden Grundstückes auseinanderzusetzen hatte. Das Gericht schützte dabei die Auffassung des solothurnischen Obergerichts, wonach in Anbetracht von Art. 9 des Bundesgesetzes über die Schuldbetreibung gegen Gemeinden und andere Körperschaften des kantonalen öffentlichen Rechts (SchGG) Verwaltungsvermögen einer Gemeinde auch nicht mit einem (gesetzlichen) Bauhandwerkerpfandrecht belastet werden könne ( BGE 95 I 101 oben). Damit wurde indessen nicht eine grundbuchrechtliche Frage entschieden, sondern - in Anwendung vollstreckungsrechtlicher Bestimmungen - eine solche des materiellen Grundpfandrechts. Auch wenn nun die Verfügung des Amtsgerichtspräsidenten jenem Entscheid widersprach, war das Grundbuchamt daher nicht berechtigt, deren Vollzug zu verweigern. Grundbuchtechnisch gesehen steht denn auch der vorläufigen Eintragung des der Beschwerdeführerin einstweilen zugesprochenen Bauhandwerkerpfandrechts nichts entgegen. Es kann aber andererseits auch nicht gesagt werden, dieses Pfandrecht stehe offensichtlich im Widerspruch zum Vollstreckungs- bzw. zum materiellen Grundpfandrecht, zumal das zu verpfändende Grundstück nicht zum Verwaltungsvermögen einer Gemeinde, sondern zu jenem des Kantons gehört, so dass weder § 102 des luzernischen EG zum ZGB noch die Bestimmungen des SchGG ohne weiteres Anwendung finden (vgl. namentlich Art. 1 Abs. 2 SchGG ). Grundbuchamt und Vorinstanz haben somit die ihnen im Rahmen der Prüfungspflicht zustehenden Befugnisse überschritten.

3. Der angefochtene Entscheid ist sodann aber auch verfahrensrechtlich unhaltbar. Gestützt auf die superprovisorische Verfügung des Amtsgerichtspräsidenten trug das Grundbuchamt das Bauhandwerkerpfandrecht am 20. Mai 1975 vorläufig ein. Nach Durchführung des Verfahrens, in welchem der Beschwerdegegner die Frist zur Stellungnahme ungenützt hatte verstreichen lassen, bestätigte der Gerichtspräsident die superprovisorische Anweisung an das Grundbuchamt mit Entscheid vom 7. August 1975. Die auf dieser Verfügung beruhende Grundbuch-Anmeldung wies der Grundbuchverwalter am 25. August 1975 ab.
Mit Ausnahme der zusätzlichen Fristansetzung zur Klageanhebung und der entsprechenden zeitlichen Begrenzung der vorläufigen Eintragung enthielt die zweite richterliche Verfügung
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(abgesehen von der Herabsetzung des Zinsfusses) nichts anderes als die erste. Daraus ergibt sich aber, dass dem Grundbuchamt bei der zweiten Anmeldung hinsichtlich der Eintragungsfähigkeit des Pfandrechts keine selbständige Prüfungsbefugnis mehr zukommen konnte. Hatte das Amt das vom Richter durch die superprovisorische Verfügung zuerkannte Pfandrecht nach pflichtgemässer Prüfung als eintragungsfähig erachtet und die richterliche Anordnung einmal vollzogen, so konnte es nach Erhalt der zweiten Verfügung nicht mehr auf die Vormerkung zurückkommen. Ohne gleichzeitige Löschung des vorläufig eingetragenen Pfandrechts, die das Grundbuchamt ohnehin nicht von sich aus hätte vornehmen können, musste dessen Entscheid denn auch wirkungslos bleiben.
Diese Löschung hat nun aber die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid angeordnet. Ein bestehender Grundbucheintrag - wozu in diesem Zusammenhang auch die vorläufige Eintragung zu zählen ist (vgl. BGE 98 Ia 186 ) - kann indessen nur mit Zustimmung des daraus Berechtigten oder - gestützt auf eine entsprechende Klage - durch gerichtliches Urteil in einem Grundbuchberichtigungsprozess beseitigt werden. Als Aufsichtsbehörde über die Grundbuchämter hat die mit Grundbuchbeschwerde angerufene Vorinstanz somit in die allein dem Richter vorbehaltenen Befugnisse übergegriffen (vgl. BGE 98 Ia 186 mit Hinweisen). Sie hat aber auch insofern Bundesrecht verletzt, als sie die Löschung von Amtes wegen anordnete, obschon das vorläufig eingetragene Pfandrecht nicht etwa als nichtig zu betrachten ist. Der angefochtene Entscheid ist demnach auch aus diesem Grunde aufzuheben.

Dispositiv

Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid der Justizkommission des Obergerichts des Kantons Luzern vom 3. Oktober 1975 aufgehoben. Das Grundbuchamt Sursee wird angewiesen, die vorläufige Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts für den Betrag von Fr. 10'272.40 nebst Zins seit 15. Februar 1975 zu Gunsten der Hans Hodel AG und zu Lasten des Grundstückes Nr. 754 in Sursee unter Abänderung des Zinsfusses auf 5% bestehen zu
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lassen und ihr die sich aus der Verfügung des Amtsgerichtspräsidenten von Sursee vom 7. August 1975 ergebende zeitliche Befristung beizufügen. Im übrigen wird die Sache zur neuen Entscheidung über die Kosten- und Entschädigungsfolgen im kantonalen Verfahren an die Vorinstanz zurückgewiesen.

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