Urteilskopf
103 Ia 356
56. Auszug aus dem Urteil vom 28. September 1977 i.S. Franz Haniel AG gegen Miniera AG, Minostra Öl- und Benzinlager AG und Appellationsgericht (Ausschuss) des Kantons Basel-Stadt
Regeste
Schiedsgerichtsbarkeit.
1. Schiedsgerichtsurteile sind keine kantonalen Entscheide im Sinne von
Art. 84 Abs. 1 OG
und können weder unmittelbar noch im Anschluss an einen kantonalen Rechtsmittelentscheid mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden (E. 1b).
2. Kognition des Bundesgerichts bei Überprüfung des kantonalen Rechtsmittelentscheids (E. 2).
3. Umfang der Begründungspflicht der kantonalen Rechtsmittelinstanz, die eine Nichtigkeitsbeschwerde gemäss Art. 36 lit. f des Konkordats über die Schiedsgerichtsbarkeit zu beurteilen hat (E. 3).
Die Miniera AG und die Minostra Öl- und Benzinlager AG einerseits sowie die Franz Haniel AG anderseits bestellten im Zusammenhang mit der vorzeitigen Auflösung eines zwischen ihnen geschlossenen Dienstbarkeitsvertrags ein Schiedsgericht zur Festsetzung der gegenseitigen Ansprüche. Gegen das Urteil des Schiedsgerichts führte die Franz Haniel AG beim Ausschuss des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt Nichtigkeitsbeschwerde, die im wesentlichen abgewiesen wurde. Die Franz Haniel AG erhebt staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von
Art. 4 BV
, im wesentlichen mit den Anträgen, die Urteile des Schiedsgerichts und des Appellationsgerichts (Ausschuss) des Kantons Basel-Stadt seien aufzuheben.
Aus den Erwägungen:
1.
b) Die Beschwerdeführerin glaubt, zugleich mit dem Urteil des Appellationsgerichtes dasjenige des Schiedsgerichtes anfechten zu können, weil das Appellationsgericht dieses nur mit einer auf Willkür beschränkten Kognition überprüfen konnte. Die Mitanfechtung von Urteilen unterer Instanzen ist jedoch nur zulässig, wenn diese Urteile ebenfalls von einer kantonalen Behörde gefällt worden sind (vgl.
BGE 100 Ia 123
E. 1 und 267 E. 2 mit Hinweisen). Auf Schiedsgerichtsurteile trifft dies nicht zu. Sie sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtes keine "kantonalen Entscheide" im Sinne von
Art. 84 Abs. 1 OG
und können demgemäss weder unmittelbar noch im Anschluss an einen kantonalen Rechtsmittelentscheid mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden (
BGE 102 Ia 507
E. 13;
BGE 71 I 35
mit Hinweisen; nicht veröffentlichtes Urteil vom 8. März 1974 i.S. Th. g. N., E. 2; BIRCHMEIER, Bundesrechtspflege, S. 311). Zwar ist diese Praxis von verschiedenen Autoren angefochten worden (W. BURCKHARDT in ZBJV 75/1939, S. 510; GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 2. Auflage, II. Supplement, S. 111; MARTI, Die staatsrechtliche Beschwerde, 3. Auflage, S. 97), doch genügen die von diesen Autoren angeführten Gründe nicht, um Urteile privater Schiedsgerichte entgegen dem Wortlaut von
Art. 84 OG
kantonalen Entscheiden gleichzustellen, gegen die staatsrechtliche Beschwerde geführt werden kann. Der von BURCKHARDT und MARTI in den Vordergrund gerückte Gesichtspunkt
BGE 103 Ia 356 S. 358
des Rechtsschutzinteresses der Parteien darf das Bundesgericht nicht veranlassen, vom klaren Gesetzestext abzuweichen. Im übrigen erscheint es als fraglich, ob das Rechtsschutzbedürfnis von Parteien, die sich aus freiem Willen einer privaten Gerichtsbarkeit unterworfen haben, demjenigen anderer Parteien, die den staatlichen Gerichten unterstellt sind, gleichzusetzen sei. Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass die Rechtskontrolle gegenüber Schiedssprüchen im letzten Jahrzehnt stark ausgebaut worden ist, indem heute 15 Kantone und Halbkantone dem Konkordat über die Schiedsgerichtsbarkeit (im folgenden als "Konkordat" bezeichnet) angehören, nach dessen Art. 36 lit. f jeder Schiedsspruch unter anderem wegen Willkür bei einer kantonalen Instanz angefochten werden kann. Eine praktisch gleichwertige Anfechtungsmöglichkeit kennen mit einer einzigen Ausnahme (Zug) auch die dem Konkordat nicht angehörenden Kantone (W. WENGER, Die Rechtsmittel gegen schiedsrichterliche Entscheidungen, in: L'Arbitrage international privé et la Suisse, Kolloquium der Universität Genf, 1976, S. 18). Auch dieser praktische Gesichtspunkt spricht gegen eine Änderung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung. Auf die Beschwerde ist daher nicht einzutreten, soweit sie sich gegen das Urteil des Schiedsgerichtes vom 16. September 1976 richtet.
2.
Die Beschwerdeschrift weist den völlig ungewöhnlichen, mit der Vorschrift von
Art. 90 Abs. 1 lit. b OG
schwer zu vereinbarenden Umfang von 89 Seiten auf und enthält über weite Strecken eine appellatorische Kritik am Urteil des Appellationsgerichtes und mittelbar an demjenigen des Schiedsgerichtes. Die Beschwerdeführerin argumentiert so, wie wenn das Bundesgericht das Urteil frei überprüfen könnte. Tatsächlich ist aber die Prüfungsbefugnis des Bundesgerichtes in einem solchen Falle doppelt beschränkt. War schon die kantonale Instanz nur befugt, den Schiedsspruch auf Willkür hin zu überprüfen, so kann das Bundesgericht lediglich noch untersuchen, ob sie bei dieser Prüfung ihrerseits in Willkür verfallen sei, d.h. mit anderen Worten, ob sie sich ihrer Aufgabe in schlechthin nicht zu vertretender Art und Weise entledigt habe.
3.
Die Beschwerdeführerin macht unter Ziffer II ihrer Beschwerdeschrift in allgemeiner Form geltend, das Appellationsgericht habe sein Urteil ungenügend begründet, indem es
BGE 103 Ia 356 S. 359
in den meisten Punkten lediglich festgestellt habe, dasjenige des Schiedsgerichtes sei vertretbar und daher nicht willkürlich. Sie erblickt darin eine Verweigerung des rechtlichen Gehörs. Allein gerade diese Rüge zeigt, dass die Beschwerdeführerin die Funktion der in Art. 36 des Konkordates vorgesehenen Nichtigkeitsbeschwerde verkennt. Es kann nicht Aufgabe der zur Behandlung dieser Beschwerde eingesetzten richterlichen Behörde sein, einen Schiedsspruch nach allen Richtungen zu überprüfen und ihr Urteil an Stelle desjenigen des Schiedsgerichtes zu setzen, sondern sie hat - wenn man von der hier keine oder doch nur eine völlig untergeordnete Rolle spielenden Frage von Verfahrensmängeln absieht - lediglich die klar umrissene Funktion, festzustellen, ob der Schiedsspruch an Willkür leide. Willkür liegt gemäss Art. 36 lit. f des Konkordates dann vor, wenn der Schiedsspruch auf offensichtlich aktenwidrigen tatsächlichen Feststellungen beruht oder eine offenbare Verletzung des Rechtes oder der Billigkeit enthält. Der Beschwerdeführerin ist darin beizupflichten, dass sich diese Formulierung im Ergebnis mit derjenigen deckt, die das Bundesgericht bei der Anwendung von
Art. 4 BV
entwickelt hat ("... wenn der angefochtene Entscheid eine Norm oder einen klaren und unumstrittenen Rechtsgrundsatz offensichtlich verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgefühl zuwiderläuft ..."
BGE 102 Ia 3
/4 E. 3b mit Hinweisen). Willkür darf aber nicht mit Gesetzesverletzung verwechselt werden; dass andere Lösungen ebenfalls vertretbar oder vielleicht sogar vorzuziehen gewesen wären, lässt die Willkürrüge noch nicht als stichhaltig erscheinen. Die auf Willkürkognition beschränkte Instanz hat vielmehr den angefochtenen Entscheid nur aufzuheben, wenn er als offensichtlich unhaltbar, d.h. mit sachlichen Gründen schlechthin nicht mehr vertretbar erscheint (
BGE 99 Ia 346
E. 1
;
96 I 627
E. 3). Hieraus folgt für das Verfahren, dass die Nichtigkeitsinstanz dann, wenn sie ein sorgfältig begründetes Urteil zu überprüfen hat, ihre eigenen Erwägungen durchaus kurz halten darf, dies umso mehr, als selbst für kantonale Appellationsurteile die blosse Verweisung auf Erwägungen der unteren kantonalen Instanz nicht gegen Bundesrecht verstösst. Wäre die Nichtigkeitsinstanz, wie die Beschwerdeführerin annimmt, gehalten, sich mit deren abweichenden Rechtsauffassungen auch insoweit einlässlich auseinanderzusetzen, als sie die Erwägungen des Schiedsgerichtes
BGE 103 Ia 356 S. 360
teilt oder als zum mindesten vertretbar erachtet, so verlöre die Schiedsabrede ihren Sinn, der ja unter anderem gerade darin besteht, den oft langwierigen Rechtsweg über verschiedene ordentliche Instanzen zu vermeiden. Eine Kombination der Vorteile des schiedsgerichtlichen und des ordentlichen Prozesses, wie sie der Beschwerdeführerin vorzuschweben scheint, gibt es nicht. Daraus folgt, dass die Art des Vorgehens des Appellationsgerichtes bei der Überprüfung des angefochtenen Urteils nicht zu beanstanden und dass auf die Rüge der Verweigerung des rechtlichen Gehörs nur einzutreten ist, soweit sie zu einzelnen Punkten genau substantiiert wird.