Urteilskopf
105 Ib 126
20. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 22. Juni 1979 i.S. Fédération laitière vaudoise-fribourgeoise und Buri gegen Bundesamt für Landwirtschaft (Verwaltungsgerichtsbeschwerden)
Regeste
Milchbeschluss vom 29. September 1953.
1. Legitimation eines regionalen Milchverbandes zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde (E. 2c).
2. Verpflichtung der regionalen Milchverbände, sich der Ausübung ihrer öffentlichrechtlichen Funktionen zu enthalten, wenn eine unmittelbare und offenkundige Interessenkollision besteht; Heilung des Mangels (E. 3).
3. Inwieweit sind die regionalen Milchverbände verpflichtet, den Inhabern von Anlagen zur Herstellung und Abfüllung von Pastmilch die benötigte Rohmilch zu liefern? (E. 4-6).
Fritz Buri übernahm im Jahre 1967 einen Käserei- und Molkereibetrieb in Avenches, in welchem unter anderem eine Anlage für die Herstellung und Abfüllung von Pastmilch vorhanden war. Buri ersetzte diese Anlage im Jahre 1970 durch eine neuere, mit der er pro Tag 2000 kg Pastmilch herstellen und abfüllen konnte. Im Jahre 1975 kaufte er eine Anlage, die für eine tägliche Pastmilchmenge von 12'000-15'000 kg ausreichte. Buri lieferte die Pastmilch einerseits in das Gebiet der heutigen Fédération laitière vaudoise-fribourgeoise (FLVF) und anderseits in die im Gebiet der Fédération laitière Zone de la Montagne gelegene Stadt Freiburg. Mit Verfügung vom 10. März 1975 verbot ihm das Bundesamt für Landwirtschaft, weiterhin Pastmilch nach Freiburg zu liefern. Buri erhob gegen diese Verfügung Beschwerde an das Eidg. Volkswirtschaftsdepartment (EVD), mit welcher er unter anderem geltend machte, dass die in Freiburg domizilierte Crémo S.A. ihrerseits nach Avenches liefere und sich demnach ebenfalls nicht an die Verbandsgrenzen halte. Das Departement wies die Beschwerde mit Entscheid vom 30. Juni 1975 ab, unter anderem mit dem Hinweis darauf, dass auch die Crémo S.A. zur Einhaltung ihres Verbandsgebietes aufgefordert worden sei. Dieser Entscheid blieb unangefochten und erwuchs in Rechtskraft. In der Folge hielten sich jedoch weder Buri noch die Crémo S.A. an die erwähnten Beschränkungen. Buri lieferte weiterhin Pastmilch nach Freiburg, während die Crémo S.A. ihre Lieferungen nach Avenches aufrechterhielt.
Im Jahre 1977 standen Buri ca. 1'519'000 kg Rohmilch zur Verfügung, was durchschnittlich 4160 kg pro Tag entspricht.
BGE 105 Ib 126 S. 128
Von dieser Milchmenge stammten ca. 820'000 kg (durchschnittlich 2246 kg pro Tag) von der Milchgenossenschaft Avenches, ca. 44'000 kg aus Zukäufen aus der Umgebung und ca. 655'000 kg (durchschnittlich 1800 kg pro Tag) vom Milchverband Bern, der Buri diese Milch aufgrund eines bis Ende 1977 befristeten Kaufvertrages lieferte. Der Vertrag wurde nach Ablauf seiner Geltungsdauer vom Milchverband Bern aufgrund einer Intervention der FLVF nicht erneuert.
Im Jahre 1977 verkaufte Buri Pastmilch und M-Drink im Umfang von durchschnittlich ca. 3500 kg pro Tag. Davon entfielen ca. 2000 kg auf die Stadt Freiburg, ca. 250 kg auf Avenches und der Rest auf Payerne, Moudon, Yverdon und Lausanne.
Nach dem Ausbau der Pasteurisierungsanlage ersuchte Buri den zuständigen regionalen Milchverband um zusätzliche Lieferungen von Rohmilch. Die FLVF unterbreitete ihm in der Folge einen Vertragsentwurf, nach welchem sich Buri unter anderem verpflichten sollte, für die Pasteurisation nur die Milch der Genossenschaft Avenches zu verwenden und auf den Zukauf anderer Milch zu verzichten. Ferner sollte er nur noch in Avenches, im Gebiet des Mont Vully und im Sommer am Strand von Avenches Pastmilch verkaufen. Buri erklärte, diesen Vertrag nicht annehmen zu können, und forderte vom Verband die Lieferung von Aushilfsmilch. Mit Schreiben vom 15. September 1977 teilte ihm die FLVF mit, es sei ihr nicht möglich, ein Angebot für Aushilfsmilch zu machen, solange er, Buri, nicht bereit sei, den Vertragsentwurf zu akzeptieren.
Buri erhob im Anschluss an dieses Schreiben Beschwerde an das Bundesamt für Landwirtschaft, mit dem Rechtsbegehren, es seien Veranstaltungen zu treffen, damit er zusätzliche Milchmengen von ca. 4000 kg pro Tag beziehen könne. Mit Entscheid vom 23. Februar 1978 hiess das Bundesamt für Landwirtschaft die Beschwerde teilweise gut und wies die FLVF an, dafür zu sorgen, dass Buri zusätzliche Rohmilch im Umfang der früheren Lieferungen des Milchverbandes Bern (durchschnittlich 1200 kg pro Tag) beziehen könne.
Gegen diesen Entscheid erheben sowohl Fritz Buri als auch die FLVF Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Buri beantragt, der angefochtene Entscheid sei dahingehend abzuändern, dass die FLVF angewiesen werde, ihm Rohmilch in der Menge von durchschnittlich 4000 kg pro Tag zuzuteilen; Die FLVF beantragt, es sei überhaupt von jeder Verpflichtung zur Lieferung von Rohmilch abzusehen.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde Buris ab und heisst jene der FLVF gut.
Aus den Erwägungen:
2.
c) Die FLVF ist als Sektion des Zentralverbandes Schweizerischer Milchproduzenten (ZVSM) mit der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben auf dem Gebiet der Konsummilchversorgung betraut (Art. 10 des Milchbeschlusses vom 29. September 1953, MB; Art. 1 und 2 der Verordnung über die Verwertung der Verkehrsmilch vom 30. April 1957, VVV). Das Gesuch um Lieferung zusätzlicher Rohmilch wurde ihr mit Hinblick auf diese Funktion eingereicht und die FLVF befasste sich damit nicht als private Organisation, sondern in ihrer Eigenschaft als Trägerin mittelbarer Staatsverwaltung. Wenn das Bundesamt für Landwirtschaft die FLVF in der Folge verpflichtete, Buri täglich eine bestimmte Rohmilchmenge zu liefern, so berührte das die FLVF aber nicht einzig in der erwähnten öffentlichrechtlichen Stellung. Die ihr auferlegte Lieferpflicht bewirkte nämlich, dass die entsprechende Milchmenge der Verwertung im verbandseigenen Molkereibetrieb entzogen wurde. Der Entscheid des Bundesamtes für Landwirtschaft berührte die FLVF damit auch in ihrer privatwirtschaftlichen Interessenwahrung und traf sie insoweit in gleicher Weise wie eine Privatperson. Bei dieser Sachlage ist die FLVF zur Beschwerdeführung gemäss
Art. 103 lit. a OG
befugt (vgl. auch die nicht publ. E. 1 von
BGE 98 Ib 30
ff., wo das Bundesgericht die Befugnis eines regionalen Milchverbandes bejahte, aufgrund von
Art. 103 lit. a OG
eine für sein Verbandsgebiet erteilte Bewilligung zur Herstellung von Pastmilch anzufechten; vgl. auch
BGE 99 Ib 213
E. 3;
BGE 97 I 607
sowie GYGI, Verwaltungsrechtspflege und Verwaltungsverfahren im Bund, 2. A., S. 106). Auf die Beschwerde der FLVF ist daher ebenfalls einzutreten.
Eine andere, zur materiellen Beurteilung gehörende Frage ist die, ob es richtig war, dass sich die FLVF selber mit dem Gesuch des Beschwerdeführers Buri um Lieferung zusätzlicher Rohmilch befasste, oder ob sie es mit Rücksicht auf ihre privatwirtschaftlichen Interessen nicht richtigerweise dem Zentralverband zum Entscheid hätte übermitteln sollen. Darauf ist im folgenden näher einzugehen.
3.
Wie das Bundesgericht in
BGE 97 I 864
E. 4 dargelegt hat, sind die Milchverbände aufgrund einer ungeschriebenen
BGE 105 Ib 126 S. 130
Regel des Bundesrechts verpflichtet, sich der Ausübung ihrer öffentlichrechtlichen Funktionen zu enthalten, wenn ihre privaten Interessen unmittelbar und offenkundig denen anderer Beteiligter entgegenstehen. Das heisst aber nicht, dass ihnen eine solche Verpflichtung schon immer dann obliege, wenn an der zu treffenden Verfügung sowohl verbandseigene als auch verbandsfremde Personen interessiert sind. Das würde die ganze gegenwärtige Organisation der Konsummilchversorgung und Milchverwertung in Frage stellen, denn diese führt ihrer Natur nach immer wieder zu solchen Interessenkonflikten. An den Milchverbänden liegt es dann jeweils, sich ihrer öffentlichrechtlichen Aufgaben würdig zu zeigen und unter Hintanstellung von Privat- oder Verbandsinteressen objektiv zu entscheiden. Ausserdem hat das Bundesamt für Landwirtschaft als Aufsichts- oder gegebenenfalls als Beschwerdeinstanz darüber zu wachen, dass keine Missbräuche vorkommen.
Im vorliegenden Fall teilte die FLVF Buri in einem einfachen Brief mit, dass sie seinem Begehren um Zuteilung zusätzlicher Rohmilch nicht entsprechen könne, solange er den Vertragsentwurf über seine anderweitigen Milchkäufe und sein Verkaufsgebiet nicht akzeptiere. Es ist nicht zu verkennen, dass für die FLVF ein erheblicher Konflikt zwischen ihren eigenen wirtschaftlichen Interessen und denjenigen Buris bestand, war sie doch als Trägerin eines eigenen Molkereibetriebs und als gewichtigte Aktionärin der Crémo S.A. daran interessiert, dass Buri seine Tätigkeit nicht ausweite, sondern im Gegenteil beschränke. Bei dieser Sachlage wäre es richtig gewesen, wenn der Zentralverband Schweizerischer Milchproduzenten gemäss
Art. 22 Abs. 2 VVV
als unabhängige Instanz über die streitige Angelegenheit entschieden hätte. Diese Unterlassung führt aber nicht zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids, da der Mangel im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesamt für Landwirtschaft geheilt wurde. Dieses besass in der streitigen Angelegenheit volle Überprüfungsbefugnis, und zwar sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht. Der Beschwerdeführer Buri verlangt denn auch selber nicht, dass der Entscheid vom 23. Februar 1978 wegen der erwähnten Interessenkollision aufgehoben werde, sondern beanstandet lediglich in mehr beiläufiger Weise, dass die FLVF in der Streitsache gleichzeitig Richter und Partei gewesen sei. Das Bundesamt für Landwirtschaft dürfte indes gut tun, künftig in ähnlichen Fällen einen
BGE 105 Ib 126 S. 131
formellen Entscheid des ZVSM einzuholen, bevor es die erhobene Beschwerde in der Sache selbst behandelt.
4.
a) Nach
Art. 21 Abs. 1 MB
bedarf es zur gewerbsmässigen Abgabe von Konsummilch jeder Art einer Bewilligung der gemäss Art. 22 Abs. 1 und 3 bezeichneten Stelle. Der Verkauf von Pastmilch in Läden, aus Kiosken, Automaten usw. wurde im Jahre 1964 von dieser Bewilligungspflicht ausgenommen (Einfügung von Art. 21bis in den Milchbeschluss). Hinsichtlich des Bezugs der Pastmilch durch Verkäufer, welche diese nicht selber herstellen, und hinsichtlich der Einrichtung neuer Anlagen der Pastmilchherstellung enthält
Art. 21bis Abs. 2 und 4 MB
folgende Regelung:
"2.- Die Verkäufer haben die Pastmilch, sofern sie diese nicht selbst herstellen, beim Milchhändler oder oder beim örtlichen bzw. regionalen Herstellungsbetrieb zu beziehen. Der Zentralverband schweizerischer Milchproduzenten und seine Sektionen sind verpflichtet, dafür zu sorgen, dass den Verkäufern die erforderliche Pastmilch zu einem angemessenen Preis in einwandfreier Qualität zur Verfügung steht.
3.- ...
4.- Die Erstellung und der Betrieb neuer Anlagen für die Herstellung und Abfüllung von Pastmilch sind bewilligungspflichtig. Bewilligungen sind nur zu erteilen, wenn dadurch gesamthaft die geordnete und kostensparende Konsummilchversorgung und die zweckmässige Milchverarbeitung nicht gestört werden und eine einwandfreie Qualität gewährleistet wird.
Bewilligungsstelle ist die Abteilung für Landwirtschaft."
Während
Art. 21bis Abs. 2 MB
ausdrücklich bestimmt, wie die Verkäufer, welche Pastmilch nicht selber herstellen, die zum Verkauf benötigte Milchmenge beziehen können, regelt Abs. 4 nicht näher, welche Möglichkeit die Inhaber von Herstellungs- und Abfüllungsanlagen besitzen, um sich die benötigte Rohmilch zu beschaffen. Die Frage kam aber in der Botschaft zur Ergänzung des Milchbeschlusses zur Sprache (BBl. 1964 I, S. 706). Der Bundesrat führte aus, dass als Milchlieferanten grundsätzlich die Sektionen des ZVSM in Betracht kämen und dass sich die Rohmilchmenge, die verlangt werden könne, in gleicher Weise wie die Bewilligung der Anlage nach dem Grundsatz der geordneten Konsummilchversorgung und der zweckmässigen Milchverwertung richte. Soweit die Beachtung dieser Grundsätze gewährleistet sei, bestehe ein Anspruch auf die Lieferung von Rohmilch, andernfalls sei er nicht gegeben. In diesem Zusammenhang wurde zusätzlich auf
Art. 4 VVV
verwiesen, nach dessen Abs. 2 den Konsummilchverkäufern die
BGE 105 Ib 126 S. 132
erforderliche Konsummilch von der zuständigen regionalen Sektion des ZVSM zur Verfügung zu halten ist, wenn diese ihren Milchbedarf nicht mit direkten Bezügen von angestammten Sammelstellen oder Einzellieferanten des Einzugsgebietes decken können.
b) Diese Auslegung erweist sich als zutreffend. Sie entspricht den in
Art. 10 und 11 MB
aufgestellten Richtlinien für die Milchverwertung und trägt insbesondere dem Umstand Rechnung, dass die Erteilung der in
Art. 21 bis Abs. 4 MB
vorgesehenen Bewilligung nur dann einen Sinn hat, wenn der Inhaber der Anlage die zur Herstellung von Pastmilch erforderliche Rohmilch auch tatsächlich beziehen kann. Es ist bekannt, dass Nichtverbandsbetriebe oft Mühe haben, freiwerdende Milchen zu erwerben, weil an diesen häufig Vorkaufs- oder Kaufsrechte der regionalen Milchverbände bestehen (vgl. Gutachten über die kartellrechtliche Zulässigkeit des Vorkaufsrechtes der Milchverbände und der Auslösungssummen der Milchproduzentengenossenschaften - "Milchgutachten", Veröffentlichungen der Schweiz. Kartellkommission, 1969, S. 57 ff.). Als Korrektiv drängt es sich deshalb auf, den Milchverbänden die Pflicht zur Lieferung von Rohmilch an die gemäss
Art. 21 bis Abs. 4 MB
bewilligten Betriebe zu übertragen, soweit diese Betriebe die Milch zur Befriedigung der Nachfrage des ihnen zugewiesenen Kundenkreises benötigen und soweit durch ihre Tätigkeit die geordnete und kostensparende Konsummilchversorgung und die zweckmässige Milchverarbeitung nicht gestört werden. Eine solche Störung ist nicht schon dann gegeben, wenn die Tätigkeit eines verbandsfremden Pastmilchherstellers den Reingewinn des regionalen Milchverbandes schmälert. Die in
Art. 21bis MB
getroffene Ordnung geht vielmehr davon aus, dass zwischen Verbands- und Nichtverbandsbetrieben Wettbewerb bestehen darf und bestehen soll. Sofern die zweckmässige Konsummilchversorgung und Milchverwertung nicht gestört wird, ist deshalb der Grundsatz zu beachten, dass die verbandseigenen Unternehmungen nicht gegenüber verbandsfremden Milchkäuferbetrieben bevorzugt werden dürfen. Dieser Grundsatz ist in
Art. 5 Abs. 2 Satz 2 VVV
für den Spezialfall der Umstellung von der Käseproduktion auf die Konsummilchversorgung ausdrücklich formuliert; er muss auf dem Gebiet der Konsummilchversorgung aber ganz allgemein gelten (vgl. auch "Milchgutachten", S. 69).
Der Auffassung des Bundesamtes für Landwirtschaft, dass ein Anspruch auf die Zuteilung von Rohmilch nicht für das gesamte bewilligte Vertriebsgebiet gelte, sondern gemäss
Art. 11 MB
und
Art. 4 Abs. 1 VVV
nur für diejenigen Ortschaften, zu deren Versorgung der Pastmilchhersteller nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet sei, kann nach dem Gesagten nicht beigepflichtet werden.
5.
a) Der Beschwerdeführer Buri legte im vorliegenden Verfahren keine Bewilligung für die von ihm betriebene Anlage ins Recht. Es verhält sich offenbar so, dass die Anlage, die er im Jahre 1967 übernahm, von seinem Rechtsvorgänger noch vor der Revision des Milchbeschlusses vom 2. Oktober 1964 erstellt worden war. Bei dieser Sachlage war für jene erste Anlage keine Bewilligung gemäss
Art. 21bis Abs. 4 MB
erforderlich. Das Bundesamt für Landwirtschaft ist der Auffassung, dass Buri auch für die späteren Anlagen keine solche Bewilligung habe einholen müssen, da jeweils nur die bestehende Anlage modernisiert, nicht jedoch eine neue erstellt worden sei. So sei auch von den Unternehmungen der Milchverbände keine neue Bewilligung verlangt worden, wenn diese ihre alten Anlagen durch neue mit erheblich grösseren Produktionsleistungen ersetzt hätten. Ob diese Handhabung von
Art. 21bis Abs. 4 MB
richtig ist, erscheint zweifelhaft. Die Frage kann aber dahingestellt bleiben, da dem Beschwerdeführer Buri mit Entscheid des EVD vom 30. Juni 1975 gestattet wurde, das ganze Gebiet der FLVF mit Pastmilch zu beliefern. Untersagt wurde ihm einzig, Pastmilch auch in der Stadt Freiburg zu vertreiben. In diesem Entscheid kann die Bewilligung erblickt werden, eine Anlage mit einer Kapazität von 12'000-15'000 kg pro Tag zu betreiben.
b) In diesem Rahmen besitzt Buri demnach Anspruch auf die Zuteilung von Rohmilch, sofern die Zuteilung für die Deckung der Nachfrage im bewilligten Kundenkreis, d.h. im Gebiet der FLVF, benötigt wird, und sofern seine Tätigkeit der geordneten und kostensparenden Konsummilchversorgung und der zweckmässigen Milchverarbeitung nicht abträglich ist. Was die erste dieser beiden Voraussetzungen anbelangt, so geht aus den im Instruktionsverfahren ermittelten Zahlen hervor, dass Buri im Jahre 1978 den weitaus grössten Teil der von ihm hergestellten Pastmilch in die Stadt Freiburg lieferte, die nicht zu seinem bewilligten Vertriebsgebiet gehört. Für die Belieferung seiner
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Kundschaft im Gebiet der FLVF genügen die derzeitigen Bezugsquellen vollauf. Geht man davon aus, so erweist sich die Beschwerde ohne weiteres als unbegründet. Buri bestreitet das an sich auch gar nicht. Er ist aber der Auffassung, dass ihm ein Anspruch auf die Zuteilung zusätzlicher Rohmilch zustehe, weil die fragliche Gebietsbeschränkung völlig unzweckmässig sei und weil sich die Crémo S.A. ihrerseits nicht an ihr Verbandsgebiet halte. Auf diese Einwendungen ist im folgenden näher einzugehen.
6.
a) Was den ersten Einwand anbelangt, so macht der Beschwerdeführer Buri geltend, er könne von Avenches aus tagesfrische Pastmilch in die nahegelegene Stadt Freiburg liefern, während die Crémo S.A. dort ein bis zwei Tage alte, in Neuenburg bezogene Pastmilch absetze. Angesichts der besonderen Umstände des vorliegenden Falles müsse seine Molkerei für die Stadt Freiburg richtigerweise als "regionaler Herstellungsbetrieb" im Sinne von
Art. 21bis Abs. 2 MB
erachtet werden. Es sei nicht haltbar, ihm die Lieferung von Pastmilch nach Freiburg verwehren zu wollen, obwohl die Stadt auf diese Weise vom nächstgelegenen Ort aus versorgt werden könnte.
Diesem Einwand ist eine gewisse Berechtigung nicht abzusprechen. Das geht insbesondere daraus hervor, dass der Bundesrat den eidg. Räten vor kurzem die Aufhebung von Art. 21bis Abs. 2 (Bezug der Pastmilch beim Milchhändler oder beim örtlichen bzw. regionalen Milchhändler) und Abs. 4 MB (Bewilligungspflicht) vorgeschlagen hat, mit der Begründung, dass die Beschränkung auf das Gebiet des jeweiligen Milchverbandes unter den heutigen Verhältnissen nicht mehr zu befriedigen vermöge. Die Grenzen der Milchverbände stimmten nämlich nicht immer mit jenen der wirtschaftlich-geographischen Einzugsgebiete überein. So könnten die Distanzen innerhalb eines Verbandsgebietes wesentlich grösser sein als die Entfernung zum Herstellungsbetrieb in einer angrenzenden Region. Ferner sei die Beachtung der Verbandsgrenzen gegenüber den Grossverteilerorganisationen bereits in der bisherigen Praxis nicht mehr durchgesetzt worden (BBl. 1977 I, S. 168).
Ob die eidg. Räte dem Antrag des Bundesrates folgen werden, steht im heutigen Zeitpunkt freilich noch nicht fest; der Ständerat hat die Beibehaltung der bisherigen Ordnung beschlossen. Immerhin könnten die dargelegten Erwägungen bereits unter der Herrschaft des jetzigen Rechts Anlass geben, für bestimmte
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Ortschaften auch solche Produzenten von Pastmilch als "regionale Herstellungsbetriebe" zu erachten, die zwar ausserhalb der Grenzen des zuständigen regionalen Milchverbandes liegen, die aber dennoch zum wirtschaftlich-geographischen Einzugsgebiet der betreffenden Ortschaften gehören. Wie es sich damit verhält, braucht hier indes nicht weiter erörtert zu werden, da die Gebietszuteilung für den Beschwerdeführer Buri im Entscheid des EVD vom 30. Juni 1975 rechtskräftig festgelegt worden ist. Dieser Entscheid ist der Überprüfung im vorliegenden bundesgerichtlichen Verfahren entzogen. Dem Beschwerdeführer ist es jedoch unbenommen, beim Bundesamt für Landwirtschaft die Behandlung des hinsichtlich der Gebietszuteilung bereits seit längerer Zeit anhängigen Wiedererwägungsgesuches zu verlangen und dabei jene Gründe vorzubringen, auf die er sich in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde stützt. Er wird sich namentlich auf die Ausführungen in der erwähnten bundesrätlichen Botschaft berufen und darauf hinweisen können, dass auch die FLVF selber die fragliche Gebietszuteilung beanstandet habe. Kommen die Bundesbehörden zum Ergebnis, dass die Revision zu bewilligen und die in Avenches gelegene Molkerei des Beschwerdeführers für die Stadt Freiburg als "regionaler Herstellungsbetrieb" zu betrachten sei, so werden sie die Ausdehnung des zulässigen Vertriebsgebiets in Erwägung zu ziehen und namentlich zu prüfen haben, ob Buri mit zusätzlicher Rohmilch zu beliefern sei. Dabei wird überdies zu untersuchen sein, welchem Milchverband diese Pflicht auferlegt werden solle. Im vorliegenden Verfahren können diese Fragen, wie bereits erwähnt, aber dahingestellt bleiben.
b) Was den zweiten Einwand des Beschwerdeführers anbelangt, dass sich die Crémo S.A. ihrerseits nicht an ihr Verbandsgebiet halte, so wird Buri im Wiedererwägungsverfahren auch auf diesen Umstand hinweisen und geltend machen können, dass sich die dem Entscheid vom 30. Juni 1975 zugrunde liegende Annahme, die Crémo S.A. werde ihre Lieferungen nach Avenches einstellen, nicht bewahrheitet habe. Sofern die gemäss den Ausführungen in lit. a vorzunehmende Prüfung für den Beschwerdeführer positiv ausfällt, und sofern sich die allseitige Einhaltung der Verbandsgrenzen auch künftig nicht durchsetzen lässt, werden die Bundesbehörden zu prüfen haben, ob Buri die Bewilligung zum Vertrieb von Pastmilch in der Stadt Freiburg insoweit zu erteilen sei, als sich die Crémo S.A. ihrerseits
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nicht an ihr Verbandsgebiet hält. Unter Umständen könnte Buri gestützt auf diese Bewilligung Anspruch auf die Zuteilung zusätzlicher Rohmilch erheben, doch braucht im vorliegenden Verfahren auch diese Frage nicht abschliessend erörtert zu werden.
Bei dieser Sachlage ist die gegen den Entscheid von 23. Februar 1978 gerichtete Beschwerde Buris abzuweisen.
7.
(Es folgen Ausführungen zur Beschwerde der FLVF).