Urteilskopf
107 Ia 135
26. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 23. Juli 1981 i.S. Diener und Mitbeteiligte gegen Gemeinde Buch am Irchel und Regierungsrat des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste
Art. 58 Abs. 1 BV
; Ausstandspflicht des Beamten und des Mitglieds einer Behörde.
- Die Garantie von
Art. 58 Abs. 1 BV
bezieht sich nur auf das gerichtliche Verfahren. Die Ausstandspflicht von Mitgliedern einer Verwaltungsbehörde bestimmt sich nach dem kantonalen Recht sowie
Art. 4 BV
(E. 2a)
- Eine Ausstandspflicht aufgrund von
Art. 4 BV
besteht nur, wenn der Betreffende ein persönliches Interesse an dem zu behandelnden Geschäft hat (E. 2b)
Die Stimmberechtigten der Gemeinde Buch am Irchel stimmten in der Gemeindeversammlung vom 15. Dezember 1978 einem Kredit von Fr. 335 000.-- für den Bau eines kombinierten Aussichts- und Funkturmes zu und genehmigten den Vertrag zwischen der Gemeinde und den Elektrizitätswerken des Kantons Zürich (EKZ) über die Neuerstellung, Benützung sowie den Unterhalt des Turmes.
Caspar Diener-Aeppli und Konsorten rekurrierten gegen diesen Beschluss beim Bezirksrat Andelfingen. Dieser wies den Rekurs am 26. März 1979 ab.
Der Regierungsrat des Kantons Zürich bestätigte diesen Entscheid am 18. Juli 1979.
Mit staatsrechtlicher Beschwerde gestützt auf
Art. 4, 43 und 58 BV
sowie
Art. 85 lit. a OG
beantragen Caspar Diener-Aeppli und Konsorten, den Entscheid des Regierungsrates aufzuheben.
Die Gemeinde Buch am Irchel und der Regierungsrat des Kantons Zürich schliessen auf Abweisung der Beschwerde.
Aus den Erwägungen:
1.
Vorab ist zu prüfen, ob der angefochtene Beschluss des Regierungsrates schon allein deshalb aufzuheben ist, weil die Regierungsräte Dr. A. Bachmann und Prof. H. Künzi am Entscheid mitwirkten. Wäre dies der Fall, müssten die weiteren Rügen der Beschwerdeführer nicht geprüft werden.
2.
Die beiden genannten Regierungsräte sind unbestrittenermassen Mitglieder des Verwaltungsrates der EKZ und wirkten am Beschluss der Vorinstanz mit. Die Beschwerdeführer machen geltend, beide Magistraten seien am Ausgang des Verfahrens interessiert und deshalb befangen gewesen. Der Regierungsrat übe in der
BGE 107 Ia 135 S. 137
Verwaltungsrechtspflege richterliche Funktionen aus. Nach
Art. 58 Abs. 1 BV
dürfe niemand seinem verfassungsmässigen Richter entzogen werden. Die Unbefangenheit und die von der Rechtsgleichheit verlangte Sachbezogenheit sei hinsichtlich der beiden Regierungsräte im vorliegenden Fall nicht gewährleistet.
a)
Art. 58 BV
gibt dem Bürger einen verfassungsmässigen Anspruch auf Beurteilung seiner Streitsache durch einen unabhängigen und unparteiischen Richter. Dieser besondere verfassungsmässige Schutz bezieht sich jedoch nur auf die Beurteilung durch Gerichte. Die Frage, unter welchen Umständen die Mitglieder einer Verwaltungsbehörde in Ausstand zu treten haben, beurteilt sich ausschliesslich nach den anwendbaren kantonalen Verfahrensvorschriften, sowie nach
Art. 4 BV
(unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichtes vom 2. Mai 1979, in ZBl 80/1979, S. 485). An dieser Rechtsprechung ist trotz der am zitierten Entscheid geäusserten Kritik (a.a.O., S. 488) festzuhalten. Da die Beschwerdeführer keine Bestimmungen des kantonalen Rechts anrufen, aus denen sich die Ausstandspflicht ergibt, ist nur zu prüfen, ob der aus
Art. 4 BV
abzuleitende Mindestanspruch des Bürgers auf Unbefangenheit einer Verwaltungsinstanz verletzt ist.
b) Die Rechtsprechung anerkennt auch im verwaltungsinternen Verfahren eine Ausstandspflicht gestützt auf
Art. 4 BV
, wenn das betreffende Behördemitglied oder der Beamte ein persönliches Interesse an dem zu behandelnden Geschäft hat (
BGE 103 Ib 137
/8, ZBl 68/1967 S. 55). Nimmt der Betreffende jedoch öffentliche Interessen wahr, besteht grundsätzlich keine Ausstandspflicht, selbst wenn er bei seinem Entscheid gegensätzliche Interessen zu berücksichtigen hat (
BGE 97 I 862
/3; vgl. auch
BGE 103 Ib 137
/8, LEVI, Bemerkungen zum Rechtsschutz des Privaten im Verwaltungsverfahren, Festschrift zum 100jährigen Jubiläum des Schweiz. Juristenvereins, S. 223/4). Eine Magistratsperson, welche das Gemeinwesen in einem öffentlichen oder gemischtwirtschaftlichen Unternehmen vertritt, übt diese Funktion im öffentlichen Interesse aus und nimmt regelmässig keine privaten Belange wahr. Gleiches gilt für seine übrige Mandatstätigkeit. Unter diesen Umständen besteht kein Anlass, die beiden Regierungsräte als befangen zu betrachten. Sie waren demnach nicht verpflichtet, den Ausstand zu beachten. Die Rügen der Beschwerdeführer erweisen sich daher auch materiell als unbegründet.