BGE 108 IB 389 vom 3. November 1982

Datum: 3. November 1982

Artikelreferenzen:  Art. 10 VG, Art. 19 VG , Art. 19 Abs. 1 VG, Art. 123 Abs. 2 StV, Art. 116 lit. k OG, Art. 123 Abs. 3 StV, Art. 120ter StV, Art. 123 Abs. 5 StV, Art. 26 ElG

BGE referenzen:  115 II 237, 133 V 488 , 94 I 637, 94 I 638

Quelle: bger.ch

Urteilskopf

108 Ib 389


68. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 3. November 1982 i.S. Küng AG gegen den Schweizerischen Elektrotechnischen Verein (verwaltungsrechtliche Klage)

Regeste

Eintretensfrage; Art. 19 Verantwortlichkeitsgesetz.
Das Bundesgericht kann im verwaltungsrechtlichen Klageverfahren nur dann auf eine gegen den Schweizerischen Elektrotechnischen Verein gerichtete Schadenersatzklage eintreten, wenn der Verein den behaupteten Schaden in Ausübung einer ihm übertragenen öffentlichrechtlichen Aufgabe zufügte.

Sachverhalt ab Seite 389

BGE 108 Ib 389 S. 389
Die Küng AG mit Sitz in Horgen lieferte der VITA-Versicherungsgesellschaft für deren neues Verwaltungsgebäude an der Austrasse 46 in Zürich Saunaöfen, Temperatur-Steuergeräte und Temperatur-Begrenzer. Inspektor Iseli, Angestellter des Schweizerischen Elektrotechnischen Vereins (SEV), glaubte bei der Abnahmekontrolle der von der Küng AG gelieferten Apparate verschiedene Mängel festgestellt zu haben. Nach Angaben der Küng AG beruhen die angeblichen Mängel aber auf "Falschmessungen" Iselis; anderseits habe Iseli die angeblichen Mängel unbefugtermassen der VITA-Versicherungsgesellschaft mitgeteilt. Da
BGE 108 Ib 389 S. 390
die Küng AG auf Drängen der Bauherrschaft in der Folge die Anlagen habe auswechseln müssen, sei ihr ein Schaden von Fr. 3'076.55 entstanden, für den der SEV einzustehen habe.
Mit verwaltungsrechtlicher Klage vom 29. September 1981 gegen den Schweizerischen Elektrotechnischen Verein beantragt die Küng AG dem Bundesgericht:
"Es sei der Beklagte zu verpflichten, der Klägerin Fr. 3'076.55 nebst 5% Zins seit 1. Januar 1981 zu bezahlen, alles unter Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten des Beklagten."
Die Klägerin stützt ihren Anspruch auf Art. 19 des BG über die Verantwortlichkeit des Bundes sowie seiner Behördemitglieder und Beamten vom 14. März 1958 (Verantwortlichkeitsgesetz; VG; SR 170.32). Auf die einzelnen Vorbringen der Klägerin wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen eingegangen.
Der Schweizerische Elektrotechnische Verein beantragt, es sei auf die Klage nicht einzutreten, eventuell sei sie abzuweisen.

Erwägungen

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Gemäss Art. 116 lit. k OG beurteilt das Bundesgericht als einzige Instanz Klagen in Streitigkeiten aus dem Verwaltungsrecht des Bundes über "andere Angelegenheiten", soweit ein Bundesgesetz die verwaltungsrechtliche Klage vorsieht. Obwohl Art. 10 VG die verwaltungsrechtliche Klage für die Geltendmachung von Ansprüchen wegen Schädigungen eines Organes oder eines Angestellten einer mit öffentlichrechtlichen Aufgaben des Bundes betrauten und ausserhalb der ordentlichen Bundesverwaltung stehenden Organisation im Sinne von Art. 19 Abs. 1 VG nicht vorsieht, geht die Praxis des Bundesgerichtes dennoch in Ausfüllung einer Gesetzeslücke davon aus, dass diese Ansprüche mit verwaltungsrechtlicher Klage beim Bundesgericht geltend zu machen sind ( BGE 94 I 637 E. 1); nach Art. 19 Abs. 1 VG haftet die Organisation und subsidiär der Bund dem Dritten für den ihm von einem Organ oder Angestellten der Organisation widerrechtlich zugefügten Schaden jedoch nur dann, wenn dies in Ausübung der der Organisation übertragenen öffentlichrechtlichen Aufgaben geschah. Nur wenn auch diese letztere Voraussetzung gegeben ist, vermag das Bundesgericht auf die verwaltungsrechtliche Klage einzutreten. Zu prüfen ist daher zunächst, ob der behauptete Schaden der Klägerin in Ausübung einer dem Schweizerischen Elektrotechnischen Verein übertragenen öffentlichrechtlichen Aufgabe zugefügt wurde.
BGE 108 Ib 389 S. 391

2. Inspektor Iseli hat im Verwaltungsgebäude der VITA-Versicherungsgesellschaft eine Hausinstallationskontrolle durchgeführt, die auch von fachkundigen Privatpersonen hätte vorgenommen werden können. Tatsächlich ist die gemäss Art. 123 Abs. 1 der VO über die Erstellung, den Betrieb und den Unterhalt von elektrischen Stromanlagen vom 7. Juli 1933 (Starkstromverordnung; StV; SR 734.2) nach Vollendung der Hausinstallation vorzunehmende Kontrolle nicht vom Eidgenössischen Starkstrominspektorat vorzunehmen, welches eine öffentlichrechtliche Organisation ist und amtliche Funktionen ausübt, sondern vom "Betriebsinhaber der elektrischen Anlage, an welche die Hausinstallation angeschlossen ist" (Art. 26 BG betreffend die elektrischen Schwach- und Starkstromanlagen vom 24. Juni 1902; ElG; SR 734.0 in Verbindung mit Art. 123 Abs. 2 StV ). Die Kontrolle hat der Betriebsinhaber mit Personen zu bewerkstelligen, die an der Errichtung der zu kontrollierenden Hausinstallation nicht beteiligt waren ( Art. 123 Abs. 3 StV : Grundsatz, dass niemand sich selber kontrollieren soll), die fachkundig sind ( Art. 120ter StV ) oder eine Kontrolleurprüfung beim Eidgenössischen Starkstrominspektorat bestanden haben. Letzteres führt lediglich die Oberaufsicht über die Kontrolle der Hausinstallationen ( Art. 123 Abs. 5 StV ); ihm gegenüber hat sich der kontrollpflichtige Betriebsinhaber über die Vornahme der Kontrolle auszuweisen ( Art. 26 ElG , Art. 123 Abs. 2 StV ). Art. 21 der VO über die Hausinstallationskontrolle vom 9. September 1975 (SR 734.221) präzisiert denn auch unter dem Randtitel "Kontrollbefugnis/Recht der Ausübung", dass die Kontrolle nur Fachleuten übertragen werden dürfe, welche die nötige Sachkunde aufwiesen, einen Ausweis des Eidgenössischen Starkstrominspektorats über die bestandene Kontrolleurprüfung besitzen oder schon vor dem 1. Januar 1950 vom Starkstrominspektorat anerkannte Hausinstallationen durchführten. Wesentlich ist somit die Fachkunde des Kontrolleurs; von vorliegend nicht zutreffenden Fällen abgesehen ist aber nicht vorgeschrieben, dass die Hausinstallationskontrolle nur durch Funktionäre einer mit öffentlichrechtlichen Aufgaben betrauten Organisation durchgeführt werden können. So hat denn auch der Schweizerische Elektrotechnische Verein den Auftrag zur Durchführung der Abnahmekontrolle der Hausinstallationen im Verwaltungsgebäude der VITA-Versicherungsgesellschaft nicht in seiner Funktion als Inhaber des Eidgenössischen Starkstrominspektorates übernommen, sondern im Rahmen
BGE 108 Ib 389 S. 392
eines privatrechtlichen Vertrages: denn der Verein betreibt neben dem Eidgenössischen Starkstrominspektorat mit seinem öffentlichrechtlichen Charakter noch ein eigenes Starkstrominspektorat als technische Prüfanstalt im Sinne von Art. 2 Ziffer 3 und 19 Ziffer 1 der Vereinsstatuten und führt im Rahmen dieses vereinseigenen Inspektorats private Kontrollarbeiten aus.
Somit können die von der Klägerin im Zusammenhang mit der strittigen Hausinstallationskontrolle gegen den Schweizerischen Elektrotechnischen Verein geltend gemachten Ansprüche nicht gestützt auf dessen Eigenschaft als Träger des Eidgenössischen Starkstrominspektorates, sondern - wenn überhaupt - nur gegen den Elektrotechnischen Verein als private Kontrollfirma durchgesetzt werden. Damit entfällt aber die Zuständigkeit des Bundesgerichts für die Beurteilung des geltend gemachten Anspruches im verwaltungsrechtlichen Klageverfahren (vgl. dazu auch BGE 94 I 638 ff.). Der Anspruch ist vielmehr beim zuständigen Zivilrichter geltend zu machen.
Auf die Klage ist somit nicht einzutreten.

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