BGE 110 IV 91 vom 19. Dezember 1984

Datum: 19. Dezember 1984

Artikelreferenzen:  Art. 285 StGB, Art. 312 StGB

BGE referenzen:  108 IV 50

Quelle: bger.ch

Urteilskopf

110 IV 91


28. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 19. Dezember 1984 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich gegen Frau R. (Nichtigkeitsbeschwerde)

Regeste

Art. 285 StGB .
Der diensttuende Polizeibeamte ist durch diese Bestimmung nicht geschützt gegen Angriffe aus persönlichen Gründen, die nicht der Hinderung einer Amtshandlung dienen.

Erwägungen ab Seite 91

BGE 110 IV 91 S. 91
Aus den Erwägungen:

1. Nach den für den Kassationshof verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz ist folgender Sachverhalt zu beurteilen: Der Polizeibeamte W. machte zur Beschwerdegegnerin eine abschätzige Bemerkung über ihre Erziehungsmethoden. Sinngemäss sagte er, 17 Jahre habe sie als Mutter jetzt Zeit gehabt, ihre Söhne zu erziehen; jetzt sehe man, was daraus geworden sei. (Nach den Angaben von Polizist W. lautete seine Äusserung: Er würde sich schämen, wenn er solche Kinder auf die Welt gesetzt hätte.) Wegen dieser Bemerkung wurde Frau R. zornig, bezeichnete W. als jungen "Schnuderi" und holte zu einem Schlag aus. Andere Polizeifunktionäre verhinderten, dass es zu einer tätlichen Auseinandersetzung kam.
BGE 110 IV 91 S. 92

2. Art. 285 StGB dient dem Schutz der öffentlichen Gewalt. Der tatbestandsmässige Angriff richtet sich gegen eine Amtshandlung. Angriffe gegen einen im Dienst befindlichen Beamten, die ihn aber nicht in seiner amtlichen Funktion treffen und seine Tätigkeit als Träger öffentlicher Gewalt nicht tangieren, sondern aus persönlichen Gründen erfolgen, fallen nicht unter diese Strafnorm.
Der hier zu beurteilende Sachverhalt ereignete sich zwar während der Dienstzeit des Polizeibeamten W., aber der Anlass für das Ausholen zum Schlag war nicht eine amtliche Handlung des Bedrohten, sondern eine persönliche Bemerkung, welche die Beschwerdegegnerin als beleidigend empfand. Es besteht auch nicht der geringste Anhaltspunkt dafür, dass ihr Vorgehen gegen den sie durch eine abschätzige Bemerkung provozierenden Polizisten dessen amtliche Tätigkeit behindern oder beeinträchtigen sollte. Gegen eine solche Retorsion eines Betroffenen auf eine unsachliche persönliche Bemerkung ist ein Polizeibeamter durch Art. 285 StGB nicht geschützt, wie umgekehrt Tätlichkeiten oder Ehrverletzungen durch einen Beamten nicht als Amtsmissbrauch ( Art. 312 StGB ) zu ahnden sind, soweit jener zwar während der Dienstzeit, aber nicht in Form einer Amtshandlung solche Verfehlungen begeht ( BGE 108 IV 50 ).
Das Obergericht sprach daher richtigerweise die Beschwerdegegnerin von der Anklage der Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte frei.

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