Federal court decision 116 III 107 from Nov. 27, 1990

Date: Nov. 27, 1990

Related articles:  Art. 1 VVAG, Art. 2 ZGB, Art. 884 ZGB, Art. 17 SchKG, Art. 91 SchKG, Art. 109 SchKG, Art. 274 SchKG, Art. 275 SchKG , Art. 98 Abs. 1 SchKG, Art. 275 SchKG, Art. 91-109 SchKG, Art. 1 VVAG, Art. 274 SchKG, Art. 17 Abs. 2 SchKG, Art. 884 Abs. 1 und 868 ZGB

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Source: bger.ch

Urteilskopf

116 III 107


22. Auszug aus dem Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 27. November 1990 i.S. David Zaidner (Rekurs)

Regeste

Rechtsmissbräuchliche Beschwerde gegen den Arrestvollzug.
Es ist offensichtlich, dass die Rekursgegnerin, die ein Pfandrecht an dem mit Arrest zu belegenden Inhaberschuldbrief geltend macht, ohne weiteres in der Lage wäre, Auskunft darüber zu geben, wo sich das Wertpapier im Augenblick des Arrestvollzugs befunden hat. Die Nichtigkeitsbeschwerde, womit die Rekursgegnerin die örtliche Zuständigkeit des Betreibungsamtes in Frage gestellt hat, erweist sich daher als rechtsmissbräuchlich.

Sachverhalt ab Seite 107

BGE 116 III 107 S. 107

A.- In einer von David Zaidner verlangten Arrestnahme ist unter anderem ein Miteigentumsanteil von 50 Prozent des Schuldners an einem Inhaberschuldbrief lautend über Fr. 2'150'000.-- mit Arrest belegt worden. Der Gläubiger ging davon aus, dass sich dieser Inhaberschuldbrief im Gewahrsam der Zeuxis Immobilien AG in Zürich 8 befinde; und deren einzigem Verwaltungsrat wurde denn auch am 13. Juli 1989 die Anzeige von der Verarrestierung eines Anteilsrechts (im Sinne von Art. 104 in Verbindung mit Art. 275 SchKG ) angezeigt. Am selben Tag erfolgte der Arrestvollzug am Sitz der Zeuxis Immobilien AG.
BGE 116 III 107 S. 108

B.- Auf eine erst am 27. November 1989 eingereichte Beschwerde der Zeuxis Immobilien AG, womit diese im wesentlichen die Feststellung der Ungültigkeit des Arrestvollzugs verlangte, trat das Bezirksgericht Zürich als untere kantonale Aufsichtsbehörde über die Betreibungs- und Konkursämter wegen verspäteter Beschwerdeführung mit Beschluss vom 29. Juni 1990 nicht ein.
Demgegenüber hiess das Obergericht des Kantons Zürich als obere kantonale Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs den Rekurs der Zeuxis Immobilien AG mit Beschluss vom 4. Oktober 1990 gut und hob den Arrestvollzug durch die Betreibungsämter Zürich 2 und 8 in bezug auf den Miteigentumsanteil am Inhaberschuldbrief auf. Das Obergericht hielt im wesentlichen dafür, dass die Verordnung des Bundesgerichts vom 17. Januar 1923 über die Pfändung und Verwertung von Anteilen an Gemeinschaftsvermögen (VVAG; SR 281.41) auf den vorliegenden Arrestgegenstand entgegen der Meinung der unteren kantonalen Aufsichtsbehörde nicht anwendbar sei; demzufolge gälten die Regeln über die Pfändung bzw. Verarrestierung von Wertpapieren und sei - da der Arrest von einem örtlich nicht zuständigen Betreibungsamt durchgeführt worden sei - der Arrestvollzug nichtig und somit aufzuheben.

C.- David Zaidner rekurrierte gegen diesen Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts. Diese hiess den Rekurs gut, hob den obergerichtlichen Beschluss auf und stellte fest, dass in Bestätigung des Beschlusses der unteren kantonalen Aufsichtsbehörde vom 29. Juni 1990 auf die Beschwerde der Zeuxis Immobilien AG nicht einzutreten sei.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

5. Hier ist nur zu prüfen, ob das Obergericht des Kantons Zürich nach Bundesrecht den Arrestvollzug, weil von einem örtlich unzuständigen Betreibungsamt ausgeführt, als nichtig hat betrachten und ihn deshalb - mehrere Monate, nachdem der Zeuxis Immobilien AG die Anzeige von der Verarrestierung zugegangen war - hat aufheben dürfen.
a) Gemäss Art. 275 SchKG wird der Arrest nach den in den Art. 91-109 SchKG für die Pfändung geltenden Vorschriften vollzogen. Dies hat unter anderem zur Folge, dass einzig das Betreibungsamt des Ortes, wo die Arrestgegenstände liegen, zu deren
BGE 116 III 107 S. 109
Beschlagnahme befugt ist. Es steht dem Betreibungsamt zwar nicht zu, die Grundlagen eines Arrestbefehls nachzuprüfen; doch hat es anderseits auch nicht jeden ihm von der Arrestbehörde erteilten Arrestbefehl ohne weiteres zu vollziehen. Vielmehr hat es den Arrestvollzug abzulehnen, wenn dadurch gegen gesetzliche Vorschriften verstossen würde. Letzteres trifft unter anderem zu, wenn Vermögenswerte mit Arrest belegt werden sollten, die nicht im Amtskreis des mit dem Vollzug beauftragten Betreibungsamtes liegen. Wird dem Arrestbefehl in einem solchen Fall dennoch stattgegeben, kann der Arrestvollzug jederzeit von Amtes wegen aufgehoben werden ( BGE 114 III 36 E. 2, BGE 112 III 117 E. 2 mit weiteren Hinweisen).
b) Wäre nun der Miteigentumsanteil von 50 Prozent des Erich Lasowsky nach Massgabe von Art. 1 VVAG Gegenstand des Arrestes, so müsste er am Wohnort des Schuldners verarrestiert werden ( BGE 56 III 230 ; FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, Band I, § 23 Rz. 62); und dasselbe gälte, wenn es sich um eine nicht durch Wertpapiere verkörperte, unversicherte Forderung handelte ( BGE 107 III 149 E. 4a, BGE 76 III 19 mit Hinweisen; FRITZSCHE/WALDER, a.a.O., § 23 Rz. 42).
Forderungen, die durch Wertpapiere verkörpert sind, werden demgegenüber wie körperliche Gegenstände gepfändet (FRITZSCHE/WALDER, a.a.O., § 23 Rz. 40), also - wie das Obergericht des Kantons Zürich richtig festgestellt hat - am Ort, wo sie sich befinden ( BGE 112 III 118 E. 3a, BGE 92 III 24 ff. E. 3, BGE 88 III 144 f. E. 3; JAEGER, Schuldbetreibung und Konkurs, II. Band, N. 3 zu Art. 274 SchKG ; BLUMENSTEIN, Handbuch des Schweizerischen Schuldbetreibungsrechtes, S. 838 Ziff. 1). Nicht wesentlich ist dabei, dass es lediglich um die Verarrestierung eines hälftigen Miteigentumsanteils an dem Inhaberschuldbrief geht. Desgleichen spielt es für die Beurteilung des vorliegenden Falles grundsätzlich keine Rolle, dass sich das Wertpapier wegen der Weigerung der Rekursgegnerin, über seine Lage Auskunft zu geben, vom Betreibungsamt nicht nach Massgabe von Art. 98 Abs. 1 SchKG in Verwahrung nehmen lässt.

6. a) Im vorliegenden Fall befand sich der Inhaberschuldbrief zur Zeit des Arrestvollzugs am 13. Juli 1989 nach Auffassung des Gläubigers im Gewahrsam der Zeuxis Immobilien AG in Zürich. Diese weigerte sich gegenüber dem Betreibungsamt, Auskunft über die Lage des Wertpapiers zu geben. Dem Betreibungsamt
BGE 116 III 107 S. 110
war daher die Verwahrung nach der Vorschrift von Art. 98 Abs. 1 SchKG nicht möglich. Es hat aber dennoch, gestützt auf die Angaben des Gläubigers, den Inhaberschuldbrief am Sitz der Rekursgegnerin mit Arrest belegt.
Die Zeuxis Immobilien AG hat gegen diesen Arrestvollzug nicht innert der zehntägigen Frist von Art. 17 Abs. 2 SchKG Beschwerde erhoben, sondern sich erst vier Monate später mit einer Nichtigkeitsbeschwerde dagegen zur Wehr gesetzt. Dieses Vorgehen ist an sich schon fragwürdig, wenngleich tatsächlich die Nichtigkeit einer Betreibungshandlung - wozu die Arrestnahme durch ein örtlich unzuständiges Betreibungsamt in der Regel führt - jederzeit geltend gemacht werden kann. Das Obergericht des Kantons Zürich hat die Nichtigkeit des Arrestvollzugs denn auch im wesentlichen nur damit begründet, dass der Lageort "gemäss den nicht widerlegbaren Angaben des Verwaltungsrates der Beschwerdeführerin" sich nicht in Zürich befinde.
b) Entgangen sind der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde indessen die besonderen Umstände des vorliegenden Falles: Die Rekursgegnerin macht ein Pfandrecht am Inhaberschuldbrief geltend und muss sich daher die Vermutung des Besitzes entgegenhalten lassen ( Art. 884 Abs. 1 und 868 ZGB ). Hat sie nicht unmittelbaren Besitz am Wertpapier, so muss sie dieses selber einem Dritten in Verwahrung gegeben haben. Offensichtlich ist jedenfalls, dass die Zeuxis Immobilien AG ohne weiteres in der Lage wäre, Auskunft darüber zu geben, wo sich der Inhaberschuldbrief im Augenblick des Arrestvollzugs befunden hat.
Im Hinblick auf Art. 98 Abs. 1 SchKG erscheint es geradezu als mutwillig, wenn die Rekursgegnerin behauptet, die bundesgerichtliche Rechtsprechung verlange von Dritten nur gerade Auskunft über Bestand und Umfang von Vermögenswerten des betriebenen Schuldners. In der Auskunft über den Bestand ist auch die Mitteilung darüber enthalten, dass sich der genannte Vermögenswert an diesem oder jenem Ort befinde. Mit der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde ist deshalb davon auszugehen, dass die Zeuxis Immobilien AG in widerrechtlicher Weise ihrer Auskunftspflicht über die Lage des Inhaberschuldbriefes nicht nachgekommen ist ( BGE 111 III 52 ff., BGE 100 III 28 ff. E. 2). Schützenswerte Interessen am Verschweigen des Ortes, wo sich der Inhaberschuldbrief befindet, sind nicht zu erkennen und werden von der Rekursgegnerin auch nicht in einleuchtender Weise dargelegt. Es kann insbesondere keine Rede davon sein, dass der Rekurrent einen (verpönten)
BGE 116 III 107 S. 111
Sucharrest anstrebe, ist doch der Miteigentumsanteil des Schuldners Erich Lasowsky an dem Inhaberschuldbrief längst bekannt und unbestritten.
Die Handlungsweise der Zeuxis Immobilien AG lässt sich nur dadurch erklären, dass sie im Hinblick auf eine Verwertung des dem Schuldner zustehenden Eigentumsanteils am Inhaberschuldbrief die Rechtsstellung des Rekurrenten, durch welche sie ihre eigenen Ansprüche gefährdet sieht, zu schwächen versucht. Für ihre Befürchtungen hat sie indessen keinen ersichtlichen Anlass, erwachsen ihr doch weder durch den Arrest noch dadurch, dass das Betreibungsamt den Inhaberschuldbrief in Gewahrsam nimmt, Nachteile.
c) Bestehen aber auf seiten der Rekursgegnerin ganz offensichtlich keine schützenswerten Interessen, welche die Weigerung, Auskunft über die Lage des Inhaberschuldbriefes zu geben, zu rechtfertigen vermöchten, so kann ihr Verhalten nicht anders denn als rechtsmissbräuchlich bezeichnet werden. Dem Vorwurf des Rechtsmissbrauchs setzt sich die Zeuxis Immobilien AG insbesondere auch deshalb aus, weil sie erst stark verspätet den Arrestvollzug beanstandet hat und, um die Klippe der verspäteten Beschwerdeführung zu umschiffen, mit der Rüge der örtlichen Unzuständigkeit des Betreibungsamtes Zuflucht zur jederzeit geltend zu machenden Nichtigkeitsbeschwerde genommen hat.
Rechtsmissbrauch - eine Verletzung des in Art. 2 ZGB verankerten Grundsatzes von Treu und Glauben - verdient auch im Zwangsvollstreckungsverfahren keinen Schutz ( BGE 113 III 3 E. 2a). Er kann von der betroffenen Gegenpartei in jedem Stadium des Verfahrens geltend gemacht werden und ist überdies von Amtes wegen zu ahnden. Dem Rekurrenten kann es deshalb nicht schaden, dass er die Verletzung von Art. 2 ZGB nicht ausdrücklich, wohl aber sinngemäss geltend gemacht hat.

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