BGE 118 V 26 vom 22. Januar 1992

Datum: 22. Januar 1992

Artikelreferenzen:  Art. 2 ELG, Art. 3 ELG, Art. 4 ELG, Art. 19 ELV , Art. 11 Abs. 4 ELKV, Art. 4 Abs. 1 lit. d ELG, Art. 2 Abs. 1 ELG, Art. 19 Abs. 2 ELV, Art. 2 Abs. 1bis ELG, § 2 Abs. 2 ELG, Art. 3 Abs. 4 lit. e und 4bis ELG, Art. 5 Abs. 1 ELG, Art. 3 Abs. 4 lit. e ELG, Art. 3 Abs. 4bis ELG, Art. 11 ELKV, Art. 11 Abs. 1 und 2 ELKV, Art. 11 Abs. 3 ELKV

BGE referenzen:  120 II 137, 133 V 598 , 109 V 169

Quelle: bger.ch

Urteilskopf

118 V 26


4. Urteil vom 22. Januar 1992 i.S. N. gegen Ausgleichskasse des Kantons Thurgau und AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau

Regeste

Art. 2 Abs. 1 und 1bis, Art. 4 Abs. 1 lit. d ELG . Berücksichtigung von Krankheitskosten: Berechnungsarten (Erw. 3a und 5).
Art. 3 Abs. 4 lit. e und 4bis ELG , Art. 19 Abs. 2 ELV , Art. 11 Abs. 4 ELKV .
Abzug von Hauspflegekosten: zur Einschränkung des Abzuges der aus der Hauspflege durch Familienangehörige entstehenden Kosten (Erw. 4).

Sachverhalt ab Seite 26

BGE 118 V 26 S. 26

A.- Die 1909 geborene Anna N. bezieht zu ihrer Altersrente seit 1987 eine Ergänzungsleistung. Sie wohnt zusammen mit ihrer Tochter, Hedi N., von der sie gepflegt wird.
Am 14. März 1990 bat die Pro Senectute die Gemeindezweigstelle um Anpassung der laufenden Ergänzungsleistung. Zur Begründung brachte sie u.a. vor, dass der Betrag von Fr. 500.--, der bis anhin für die Pflege der Versicherten in die Berechnung eingesetzt worden sei, längst nicht mehr ausreiche, um den der Tochter erwachsenen
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Lohnausfall zu ersetzen. Hedi N. könnte als gelernte Haushaltschullehrerin monatlich rund 4'000 Franken verdienen; statt dessen habe sie ihre einträgliche Stelle der Mutter zuliebe aufgegeben und erziele mit Teilzeitarbeit ein mittleres Einkommen von nur noch 1'000 Franken pro Monat.
Nach Abklärung der Sachlage erhöhte die Ausgleichskasse des Kantons Thurgau im Rahmen der Neuberechnung unter der Rubrik "(übrige) Ausgaben" nebst anderem den durch die Hauspflege bedingten Lohnausfall von bisher Fr. 6'000.-- auf Fr. 16'440.--, um schliesslich der Versicherten unter Bezugnahme auf einen nicht näher erläuterten gesetzlichen Höchstbetrag von Fr. 15'800.-- eine Ergänzungsleistung von monatlich Fr. 1'317.-- zuzusprechen (Verfügung vom 31. Mai 1990). Eine hiegegen erhobene Beschwerde hiess die AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau mit Entscheid vom 17. August 1990 teilweise gut, indem sie den Abzug für Hauspflege von Fr. 16'440.-- gestützt auf die zwischenzeitlich geänderte Verwaltungspraxis auf Fr. 17'125.-- erhöhte und die Kasse anwies, auf dieser Grundlage neu zu verfügen. Dieser Entscheid erwuchs unangefochten in Rechtskraft. In der Folge kam die Ausgleichskasse der ihr aufgetragenen Neuberechnung insofern nach, als sie zwar die angeordnete Erhöhung des Hauspflegeabzugs von Fr. 17'125.-- einbezog und den unverändert gebliebenen Einnahmen (Fr. 19'401.--) gegenüberstellte, jedoch der Versicherten wiederum unter Hinweis auf den bereits in ihrer ersten Verfügung erwähnten gesetzlichen Höchstbetrag von Fr. 15'800.-- eine unveränderte Ergänzungsleistung von Fr. 1'317.-- pro Monat zusprach (Verfügung vom 13. Dezember 1990).

B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde wies die AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau mit Entscheid vom 10. Juni 1991 ab. Zur Begründung führte sie in Anlehnung an die Vernehmlassung der Ausgleichskasse aus, dass sich die bei der Berechnung der Ergänzungsleistung zu berücksichtigende Entschädigung des durch die Hauspflege entstehenden Erwerbsausfalls gemäss einschlägiger Verwaltungspraxis maximal auf die um einen Viertel erhöhte Einkommensgrenze für Alleinstehende belaufe. Nachdem die Kasse auf diesen Höchstbetrag von Fr. 17'125.-- abgestellt habe, falle eine weitergehende Entschädigung ausser Betracht. Hinzu komme, dass die Versicherte mit einer jährlichen Ergänzungsleistung von Fr. 13'700.-- und einem Diätzuschlag von Fr. 2'100.-- bereits eine maximale Ergänzungsleistung von Fr. 15'800.-- pro Jahr beziehe; dieser Betrag dürfe bei den zu Hause lebenden Personen
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nicht überschritten werden, so dass selbst eine erhöhte Entschädigung für Familienangehörige keine Auswirkungen zeitigen könnte.

C.- Hedi N. führt für ihre Mutter Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Begehren, es sei die verfügte und von der kantonalen Rekurskommission bestätigte Ergänzungsleistung von monatlich Fr. 1'317.-- auf Fr. 2'750.-- zu erhöhen.
Während die Ausgleichskasse auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, beantragt das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) deren teilweise Gutheissung und die Zusprechung einer monatlichen Ergänzungsleistung von Fr. 1'537.--.
Auf die Begründung der Anträge wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen eingegangen.

Erwägungen

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1. (Kognition)

2. Den in der Schweiz wohnhaften Schweizer Bürgern, denen eine Rente oder eine Hilflosenentschädigung der AHV oder der Invalidenversicherung zusteht, ist ein Anspruch auf Ergänzungsleistungen einzuräumen, soweit im Falle Alleinstehender das anrechenbare Jahreseinkommen den auf mindestens Fr. 12'100.-- und höchstens Fr. 13'700.-- festzusetzenden Grenzbetrag nicht erreicht ( Art. 2 Abs. 1 ELG ).
Für die Vergütung von Kosten, die u.a. durch Pflege entstehen, erhöht sich die Einkommensgrenze um einen Drittel ( Art. 2 Abs. 1bis ELG ). Diese Grenze kann von den Kantonen nach Art. 4 Abs. 1 lit. d ELG bis zu einem weiteren Drittel erhöht werden.
Gemäss § 2 Abs. 1 des kantonalen Gesetzes über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung vom 25. August 1971 (RB IV Nr. 831.3 ELG/TG) entsprechen die Einkommensgrenzen im Kanton Thurgau den jeweils zulässigen Ansätzen gemäss Art. 2 Abs. 1 ELG . Was die Vergütung der durch Pflege entstehenden Kosten anbelangt, hat der Kanton Thurgau die ihm in Art. 4 Abs. 1 lit. d ELG eingeräumte Befugnis genutzt und die Einkommensgrenze gemäss Art. 2 Abs. 1bis ELG um einen weiteren Drittel erhöht ( § 2 Abs. 2 ELG /TG).
Die Höhe der jährlichen Ergänzungsleistung hat nach Art. 5 Abs. 1 ELG dem Unterschied zwischen der nach diesem Gesetz massgebenden Einkommensgrenze ( Art. 2 ELG ) und dem anrechenbaren Jahreseinkommen ( Art. 3 ELG ) zu entsprechen.
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3. Bevor auf die hier im wesentlichen streitige Höhe des Hauspflegeabzugs eingegangen wird, ist der von der Vorinstanz übernommene Einwand der Ausgleichskasse zu prüfen, dass sich der jährliche Ergänzungsleistungsbetrag im vorliegenden Fall ohne Rücksicht darauf, ob und in welchem Masse der Hauspflegeabzug erhöht werde, auf höchstens Fr. 15'800.-- belaufe. Dieser Betrag setzt sich laut Ausgleichskasse aus der Einkommensgrenze für Alleinstehende (Fr. 13'700.--) und einem Zuschlag für Diätkosten (Fr. 2'100.--) zusammen.
a) Diese Sichtweise weckt Bedenken, zumal sie nach Auffassung des BSV auf einem Programmfehler beruhen soll. Derartige Fehlschlüsse verdeutlichen beispielhaft die Gefahren automatisierter Rechtsanwendung und sind nicht geeignet, die in dieser Hinsicht geäusserten Zweifel zu zerstreuen (vgl. etwa RHINOW, Chancen und Gefahren der Rechtsinformatik, in: Rechtsinformatik, Zürich 1984, S. 111 ff.). Hier ist ohne Verzug Abhilfe zu schaffen, wobei sich die zuständigen Stellen das Folgende zu vergegenwärtigen haben:
Früher war das zur Berechnung der Ergänzungsleistung verwendete Formular in der Weise ausgestaltet, dass durch Vergleich von Roheinkommen und zulässigen Abzügen das sogenannte massgebliche oder anrechenbare Einkommen ermittelt und dieses in Beziehung zur massgeblichen Einkommensgrenze gesetzt wurde. Wurde dabei die Einkommensgrenze nicht erreicht, so bildete die Differenz den jährlichen Ergänzungsleistungsanspruch; hingegen entfiel ein solcher, wenn die Einkommensgrenze überschritten wurde.
Seit geraumer Zeit ist das Berechnungsblatt grundlegend anders aufgebaut. Danach werden zunächst alle abzugsfähigen Posten zusammengezählt, wozu gemäss dem neuen Formular auch die für den jeweiligen Fall massgebliche allgemeine Einkommensgrenze gehört. Dies beruht auf der Überlegung, dass die massgebliche Einkommensgrenze nichts anderes ist als gesetzlich sichergestellter Lebensaufwand; diesen darf der Versicherte von der Ergänzungsleistung beanspruchen, weshalb er bei der Berechnung in Abzug gebracht wird. Den auf diese Weise ermittelten Ausgaben stehen die gesamten anrechenbaren Einnahmen gegenüber. Die Differenz ergibt den jährlichen Ergänzungsleistungsanspruch. Dabei muss nun aber - ein wesentlicher Unterschied zum früheren System - sichergestellt werden, dass die so ermittelte Differenz die massgebliche Einkommensgrenze nicht übersteigt. Daher rührt es, dass auf dem neuen Formular unten links der gesetzliche Höchstbetrag angemerkt wird.
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Spätestens an diesem Punkt setzen die in der Praxis auftretenden Schwierigkeiten ein. Denn nach der dargelegten Ordnung von Art. 2 Abs. 1 ELG einerseits und Art. 2 Abs. 1bis in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 lit. d ELG anderseits gelangt nicht für sämtliche Auslagenposten dieselbe massgebliche Einkommensgrenze zur Anwendung. Vielmehr ist diese Grenze für die Vergütung von Krankheitskosten kraft Bundesrechts um einen Drittel und allenfalls - wie im Kanton Thurgau ( § 2 Abs. 2 ELG /TG) - nach Massgabe des kantonalen Rechts um einen weiteren Drittel erhöht (vgl. Anhang I der Wegleitung des BSV über die Ergänzungsleistungen zur AHV und IV [WEL], Ausgabe vom 1. Januar 1987, S. 98). Diesem Umstand lässt sich praxisgemäss auf zwei Arten Rechnung tragen: entweder mit gesonderter Krankheitskostenvergütung im Rahmen der in Rz. 5017-5019 WEL umschriebenen verfügbaren Quote oder mittels Berücksichtigung der Krankheitskosten als Auslagenposten bei der Festsetzung der laufenden Ergänzungsleistung. Wählt die Durchführungsstelle das letztgenannte Vorgehen, so muss als massgeblicher Höchstbetrag - den die Differenz aus Ausgaben und Einnahmen nicht überschreiten darf - der für die Krankheitskostenvergütung vorgesehene erhöhte Ansatz (Art. 2 Abs. 1bis in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 lit. d ELG ) verwendet werden.
b) Die Ausgleichskasse hat dies im vorliegenden Fall nicht bedacht. Mit dem von ihr beschrittenen Weg des Einbezugs der Krankheitskosten in die Berechnung des laufenden Ergänzungsleistungsanspruchs wäre sie gehalten gewesen, als gesetzlichen Höchstbetrag anstelle der erwähnten Fr. 15'800.-- den um zwei Drittel erhöhten Grenzbetrag für Alleinstehende, somit Fr. 22'836.-- einzusetzen. Bis zu diesem Betrag darf die aus (höheren) Ausgaben und (tieferen) Einnahmen herrührende Differenz als Ergänzungsleistung entschädigt werden. Bezogen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die als Entschädigung in Frage kommende Differenz, errechnet aus den von der Ausgleichskasse für richtig befundenen Auslagen von Fr. 37'847.-- und den unbestrittenen Einnahmen von Fr. 19'401.--, mit Fr. 18'446.-- deutlich unter der massgeblichen Einkommensgrenze von Fr. 22'836.-- liegt. Entgegen der von Ausgleichskasse und Vorinstanz vertretenen Auffassung kann es deshalb keineswegs belanglos sein, ob der streitige Abzug für die Hauspflege bei Fr. 16'440.-- belassen (erste Verfügung vom 31. Mai 1990), auf Fr. 17'125.-- festgesetzt (zweite Verfügung vom 13. Dezember 1990) oder - gemäss Beschwerdeantrag - noch weiter erhöht wird.
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4. a) Für die Bestimmung des im Sinne von Art. 2 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1 ELG anrechenbaren Einkommens sieht Art. 3 Abs. 4 lit. e ELG vor, dass gewisse vom Bundesrat zu bezeichnende ( Art. 3 Abs. 4bis ELG ) Krankheitskosten vom Einkommen abgezogen werden. Der Bundesrat ist diesem Auftrag nicht selbst nachgekommen, sondern hat in Art. 19 Abs. 2 ELV das Eidgenössische Departement des Innern damit betraut. Dessen am 20. Januar 1971 erlassene Verordnung über den Abzug von Krankheits- und Behinderungskosten bei den Ergänzungsleistungen (ELKV) bestimmt in Art. 11 ELKV , in der seit 1. Januar 1987 geltenden Fassung der Abänderungsverordnung vom 16. Juni 1986, unter dem Randtitel "Kosten für ambulante Pflege" folgendes:
1 Kosten für ambulante Pflege, die infolge Alter, Invalidität, Unfall
oder Krankheit notwendig ist und von öffentlichen oder gemeinnützigen
Trägern erbracht wird, sind abziehbar.
2 Pflegekosten, die in einem öffentlichen oder gemeinnützigen Tagesheim,
Tagesspital oder Ambulatorium entstanden sind, können ebenfalls abgezogen
werden.
3 Kosten für Leistungen privater Träger sind in dem Umfang abziehbar, als
sie den Kosten öffentlicher oder gemeinnütziger Träger entsprechen.
4 Eine Entschädigung von Familienangehörigen wird nur berücksichtigt,
wenn diese durch die Pflege eine längerdauernde, wesentliche
Erwerbseinbusse erlitten haben. Familienangehörigen, die in der
Ergänzungsleistungsberechnung eingeschlossen sind, wird für die Hauspflege
keine Entschädigung angerechnet.
Mit Bezug auf den hier in Frage stehenden Art. 11 Abs. 4 ELKV fällt auf, dass darin zwar die Voraussetzungen des Abzugs umschrieben werden, nicht aber dessen Ausmass. In dieser Hinsicht besteht ein Unterschied zu Art. 11 Abs. 1 und 2 ELKV , wonach die tatsächlich entstehenden Kosten abziehbar sind, sofern die betreffende Leistung von öffentlichen oder gemeinnützigen Trägern erbracht wird; gleiches gilt sodann gemäss Art. 11 Abs. 3 ELKV selbst für Leistungen von privater Seite, soweit sie nicht teurer ausfallen als die entsprechenden Dienste öffentlicher oder gemeinnütziger Träger. Während sich also die Durchführungsorgane bei den durch öffentliche, gemeinnützige und auch private Stellen erbrachten Pflegeleistungen an einigermassen feststehenden Ansätzen ausrichten können, überlässt Art. 11 Abs. 4 ELKV die Bemessung der Höhe des Abzuges in bezug auf die Hauspflege vollumfänglich dem Ermessen der Verwaltung. Unter diesen Umständen ist es im Interesse der
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gebotenen Gleichbehandlung der Versicherten jedenfalls in grundsätzlicher Hinsicht nicht zu beanstanden, wenn das BSV als Aufsichtsbehörde das Ausmass der abziehbaren Hauspflegekosten in seiner einschlägigen Wegleitung konkretisiert hat (Rz. 5065 1/91 WEL): Danach soll die zu berücksichtigende Entschädigung bei dauernder Erwerbsaufgabe höchstens die um 25% erhöhte Einkommensgrenze für Alleinstehende betragen. Bei einem derzeitigen Grenzbetrag von Fr. 13'700.-- ( Art. 2 Abs. 1 ELG ) führt diese Praxis zu dem vom BSV und von der Vorinstanz festgehaltenen (maximalen) Abzug von Fr. 17'125.--.
b) Nach gefestigter Rechtsprechung dürfen auf dem Wege von Verwaltungsweisungen keine über Gesetz und Verordnung hinausgehenden Einschränkungen eines materiellen Rechtsanspruchs eingeführt werden ( BGE 109 V 169 Erw. 3b, ZAK 1988 S. 187 Erw. 2b, 1984 S. 88 Erw. 3b, unveröffentlichter Entscheid S. vom 3. September 1991).
Fest steht, dass Art. 11 Abs. 4 ELKV keinen Anspruch auf uneingeschränkten Abzug sämtlicher aus der Hauspflege durch Familienangehörige entstehenden Kosten vermittelt. Dies folgt schon daraus, dass die Abziehbarkeit von Krankheitskosten, denen auch die Hauspflegekosten zuzuordnen sind, von Gesetzes wegen auf höchstens Fr. 22'836.-- beschränkt ist (Art. 2 Abs. 1bis in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 lit. d ELG ). Auf der anderen Seite deutet aufgrund des Wortlauts von Art. 11 Abs. 4 ELKV nichts darauf hin, dass kraft dieser Bestimmung der im Gesetz vorgegebene abziehbare Höchstbetrag weiter eingeschränkt werden dürfte.
Eine derartige Beschränkung, wie sie in Rz. 5065 1/91 WEL vorgesehen ist, lässt sich auch nicht unter Berufung auf Sinn und Zweck des Art. 11 Abs. 4 ELKV begründen. Gerade wenn in Betracht gezogen wird, dass in den grundsätzlich nicht minder kostenträchtigen Fällen nach Art. 11 Abs. 1 bis 3 ELKV - im Rahmen des gesetzlichen Höchstbetrages - die tatsächlich anfallenden Kosten eingestellt werden dürfen, vermag nicht einzuleuchten, weshalb für die Erwerbseinbusse durch Hauspflege etwas anderes gelten sollte. Entgegen dem BSV kann die Einschränkung des dafür abziehbaren Höchstbetrages auch nicht damit begründet werden, dass es unter Familienangehörigen nicht darum gehen könne, schlechthin alle Hilfeleistungen abzugelten, und dass eine Abgrenzung von Pflegeaufwand und normalem familiärem Kontakt ohnehin nicht praktikabel sei. Diesen Einwänden kann mit der Herabsetzung des abziehbaren Höchstbetrages von vornherein nicht Rechnung getragen werden,
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zumal damit gerade jene benachteiligt werden, die sich intensiv um die Pflege ihrer Familienangehörigen bemühen. Hingegen sind die Vorbringen des BSV durchaus geeignet, die Grundabsicht von Art. 11 Abs. 4 ELKV zu verdeutlichen, die nebst der grundsätzlichen Anerkennung der Hauspflege als abzugsfähigem Tatbestand mit der Bezugnahme auf die "längerdauernde, wesentliche Erwerbseinbusse" darin besteht, die kleineren, im Rahmen des intakten Familienverbandes üblicherweise erbrachten Hilfeleistungen von der Entschädigung auszunehmen.

5. Ergibt sich somit, dass Art. 11 Abs. 4 ELKV hinsichtlich der Hauspflegekosten keine Grundlage für eine weitere Beschränkung des von Art. 2 Abs. 1bis in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 lit. d ELG vorgegebenen abziehbaren Betrages (= Fr. 22'836.--) enthält und Rz. 5065 1/91 WEL insofern nicht standhält, ist der Ergänzungsleistungsanspruch nach Gesetz und Verordnung neu zu berechnen. Dabei kann aufgrund der Aktenlage davon ausgegangen werden, dass die gesamten effektiv anfallenden Krankheitskosten für Diät und Hauspflege den diesbezüglich massgeblichen Grenzbetrag von Fr. 22'836.-- jedenfalls erreichen. Obwohl die Tochter der Beschwerdeführerin wegen der mit der Pflege der Mutter verbundenen Aufgabe ihrer Erwerbstätigkeit als Haushaltlehrerin eine Erwerbseinbusse erleiden dürfte, die weit über diesem Betrag liegt, erlaubt das Gesetz (Art. 2 Abs. 1bis in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 lit. d ELG ) keinen weitergehenden Abzug unter dem Titel des Art. 11 Abs. 4 ELKV .
a) Im einzelnen ergeben sich vorliegend bei gesamthafter Berechnung unter Einschluss der Krankheitskosten in Form von Diätkosten und Hauspflegekosten Ausgaben von insgesamt Fr. 41'458.--, die den Gesamteinnahmen von Fr. 19'401.-- gegenüberstehen. Die Differenz von Fr. 22'057.-- liegt unter der massgeblichen Einkommensgrenze von Fr. 22'836.-- und entspricht demnach dem der Beschwerdeführerin zustehenden jährlichen Ergänzungsleistungsanspruch.
b) Zum gleichen Ergebnis führt die Berechnung nach dem System der gesonderten Krankheitskostenvergütung. Diesfalls kann die Beschwerdeführerin bei Einnahmen von Fr. 19'401.-- und Ausgaben ohne Krankheitskosten, also ohne Diätkosten und Hauspflegekosten (Fr. 41'458.-- ./. Fr. 22'836.-- = Fr. 18'622.--), zufolge eines Einnahmenüberschusses von Fr. 779.-- keine laufende Ergänzungsleistung beanspruchen. Unter diesen Umständen stimmt die verfügbare Quote für die Vergütung von Krankheitskosten mit dem massgebenden
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Höchstbetrag - also hier Fr. 22'836.-- - überein (Rz. 5019 7/90 WEL). In diesem Fall sind zur Berechnung der Vergütung die ausgewiesenen Krankheitskosten um den über der Einkommensgrenze liegenden Betrag zu vermindern (Rz. 5019 7/90 a. E. WEL). Es ist demnach von den insgesamt ausgewiesenen, höchstens zu berücksichtigenden Diät- und Hauspflegekosten von Fr. 22'836.-- der Einnahmenüberschuss aus der Berechnung der laufenden Ergänzungsleistung von Fr. 779.-- abzuziehen, was wiederum einen jährlichen Anspruch von Fr. 22'057.-- oder - bezogen auf den Monat - Fr. 1'838.-- ergibt.

6. Der Betrag von Fr. 1'838.-- pro Monat kann der Beschwerdeführerin aufgrund des in Rechtskraft erwachsenen Entscheides der Rekurskommission vom 17. August 1990 im Hinblick auf die geltend gemachte Verschlimmerung des Gesundheitszustandes und der dadurch bedingten Pflegebedürftigkeit erst ab Juli 1990 zugesprochen werden. Für die vorangegangene Zeit ab 1. März 1990 ist der Anspruch - entgegen der Ansicht des BSV - nicht etwa bei Fr. 1'317.-- zu belassen, sondern gerade in Befolgung des rechtskräftigen Rekursentscheides auf Fr. 1'537.-- festzusetzen (Erw. 3).

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