Urteilskopf
119 II 104
23. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 25. März 1993 i.S. Trumpf Buur c. SRG (Berufung)
Regeste
Inhalt eines Gegendarstellungstextes; Stellungnahme des Medienunternehmens zur Gegendarstellung (
Art. 28h und
Art. 28k ZGB
).
1. Der Text der Gegendarstellung muss die Aussage der Tatsachendarstellung erfassen, welche die entsprechende Person in ihrer Persönlichkeit betroffen hat (E. 3a-d).
2. Trifft der Text der Gegendarstellung nicht diese Aussage, so ist es nicht Aufgabe des Gerichts, den Text anzupassen, sondern das Gegendarstellungsbegehren ist abzuweisen (E. 3e).
3. Ist die Gegendarstellung vom Medienunternehmen schon einmal publiziert worden, jedoch in einer
Art. 28k Abs. 2 ZGB
widersprechenden Weise, so ist die Wiederholung der Publikation anzuordnen (E. 5b).
Am 11. April 1992 erschien in der Tageszeitung "Der Bund" unter dem Titel "SRG - quo vadis?" ein Inserat des "Trumpf Buur", das unter anderem folgenden Text enthielt:
- "Nun ist sie also reformiert, unsere nationale Monopolanstalt... Doch hat sich die SRG wirklich von der Anstalt zum Unternehmen gemausert?"
- "Bleibt damit die Frage, ob die vielgepriesene Strukturreform unserer Monopolanstalt wenigstens dem Zuschauer etwas bringt."
- "Die SRG bleibt ein überholtes Monopol, welches journalistisches Ungenügen deckt, politische Einseitigkeit toleriert, zu teure Betriebsabläufe provoziert und zu hohe Personalbestände institutionalisiert."
Das gleiche Inserat ist auch in verschiedenen anderen Zeitungen erschienen.
Mit Schreiben vom 16. April 1992 ersuchte die SRG, Schweiz. Radio- und Fernsehgesellschaft (im folgenden: SRG), den Trumpf Buur, Verein für freie Meinungsbildung (im folgenden: Trumpf Buur) um eine Gegendarstellung, deren Publikation dieser indessen ablehnte.
Auf ein entsprechendes Gesuch der SRG hin ordnete das Richteramt III Bern mit Entscheid vom 22. Mai 1992 eine Gegendarstellung teilweise an. Gegen diesen Entscheid appellierten beide Parteien an den Appellationshof des Kantons Bern.
Mit Eingabe vom 30. Juli 1992 wandte sich der Rechtsvertreter der SRG erneut an den Appellationshof und machte geltend, der Trumpf Buur habe die vom Richteramt angeordnete Gegendarstellung inzwischen veröffentlicht; diese Publikation sei aber nicht gesetzeskonform erfolgt.
Mit Entscheid vom 7. August 1992 verurteilte der Appellationshof den Trumpf Buur unter Strafandrohung dazu, folgenden Gegendarstellungstext zu veröffentlichen:
BGE 119 II 104 S. 106
"Trumpf Buur sagt, die SRG sei eine Anstalt. Das ist falsch. Richtig ist, dass die SRG ein Medienunternehmen in der Rechtsform eines privaten Vereins nach
Art. 60 ff. ZGB
ist.
Trumpf Buur sagt, die SRG habe ein Monopol. Das ist rechtlich und faktisch falsch. Rechtlich falsch, weil die Konkurrenzveranstalter seit dem Inkrafttreten der Verordnung über lokale Rundfunkversuche im Jahre 1982 und des Bundesbeschlusses über den Satellitenfunk im Jahre 1988 zugelassen sind. Faktisch falsch, weil die SRG-Programme durch in- und ausländische Radio- und Fernsehveranstalter direkt konkurrenziert werden."
Gegen das Urteil des Appellationshofes vom 7. August 1992 gelangt der Trumpf Buur mit Berufung an das Bundesgericht. Die SRG beantragt die Abweisung der Berufung und die Bestätigung des angefochtenen Urteils. Der Appellationshof hat sich nicht vernehmen lassen.
Aus den Erwägungen:
3.
a) Nach ständiger Rechtsprechung ist davon auszugehen, wie der durchschnittliche Leser den Ausdruck "Anstalt" im Artikel des Beklagten hat verstehen dürfen und müssen. Der Text des Artikels stellt, wie dies auch der Appellationshof ausführt, die Begriffe "Anstalt" und "Monopolanstalt" dem Begriff "Unternehmen" gegenüber ("Doch hat sich die SRG wirklich von der Anstalt zum Unternehmen gemausert?"). Damit wird diesen Begriffen eine bestimmte Färbung gegeben, nämlich dass es sich bei der Gesuchstellerin nicht um ein nach unternehmerischen Grundsätzen und auf privater Verantwortung gründendes Gebilde handelt, sondern um einen zwar selbständigen, aber nach den Grundsätzen der staatlichen Verwaltung funktionierenden Betrieb, bei dem niemand die unternehmerische Verantwortung trägt. Es liegt demgegenüber für den durchschnittlichen Leser keine Aussage über die Rechtsform der Klägerin vor. Das Wort "Anstalt" wäre auch gar nicht geeignet, über die Rechtsform etwas auszusagen. Das ZGB verwendet diesen Ausdruck sowohl für öffentlich-rechtliche (nicht-körperschaftliche) juristische Personen (Art. 52 Abs. 2 und 59 Abs. 1 ZGB) als auch für privatrechtliche Stiftungen (
Art. 52 Abs. 1 ZGB
), während es im juristischen Alltag seit jeher auch bei privatrechtlichen Körperschaften Verwendung findet (vgl. etwa die Bezeichnung "Schweizerische Kreditanstalt" bei einer AG oder "Schweiz. Anstalt für Epileptische" bei einem Verein in
BGE 71 II 62
).
BGE 119 II 104 S. 107
b) Gegendarstellungsfähig sind ausschliesslich Tatsachendarstellungen, nicht aber Meinungsäusserungen. Die Abgrenzung kann Schwierigkeiten bereiten (vgl. TERCIER, Le nouveau droit de la personnalité, Zürich 1984, Rz. 1409). Es könnte auch vorliegend als fraglich angesehen werden, ob die Aussage, die Gesuchstellerin sei nicht nach unternehmerischen Grundsätzen organisiert, als Tatsachenbehauptung anzusehen ist oder ob darin nicht vielmehr eine blosse Meinungsäusserung im Sinne einer Folgerung zu erblicken ist. Die Frage kann indessen offenbleiben, weil - wie noch zu zeigen ist - die Berufung sich in diesem Punkt selbst dann als begründet erweist, wenn eine Tatsachendarstellung angenommen wird.
c) Der Gegendarstellungsanspruch setzt voraus, dass die Tatsachendarstellung die Gesuchstellerin in ihrer Persönlichkeit unmittelbar betroffen hat.
Gemäss konstanter Rechtsprechung des Bundesgerichts genügt es nicht, dass jemand in einer Pressemitteilung erwähnt wird. Er muss vielmehr in seiner Persönlichkeit betroffen sein. Die Tatsachenbehauptung muss in einem geschützten Bereich erfolgen, wobei weder zu prüfen ist, ob sie bis zur Verletzung reicht, noch, ob Rechtfertigungsgründe vorliegen (vgl.
BGE 114 II 390
ff.). Entgegen den Ausführungen der Gesuchstellerin in ihrer Berufungsantwort ist das Bundesgericht von dieser Rechtsprechung auch in neuester Zeit nicht abgewichen und hat als Voraussetzung beibehalten, dass die den Gegendarstellungsanspruch auslösende Tatsachenbehauptung einen "nachteiligen Anschein" erwecken muss (vgl. den von der Gesuchstellerin erwähnten Entscheid vom 29. Oktober 1992, C.J.B. AG c. B.). Auch im zu beurteilenden Fall ist eine Betroffenheit in der Persönlichkeit nur gegeben, soweit "Anstalt" als negative Wertung verstanden werden muss.
Was negativ zu bewerten ist und was eine wertneutrale oder positive Tatsachenbehauptung darstellt und damit nicht die Persönlichkeit unmittelbar betrifft, bestimmt sich grundsätzlich nach objektiven Kriterien. Als negativ bewertet kann vorliegend nur die in der Bezeichnung als Anstalt mitschwingende und sich aus dem gesamten Zusammenhang ergebende Aussage betrachtet werden, die Gesuchstellerin trage kein unternehmerisches Risiko bzw. sie sei nicht nach unternehmerischen Grundsätzen geführt (vgl. vorn E. 3a).
Damit wird aber nur die Aussage, die Gesuchstellerin trage keine unternehmerische Verantwortung, zu einer die Persönlichkeit betreffenden, jedoch nicht auch eine möglicherweise bloss ungenaue Aussage über deren rechtliche Organisationsform.
BGE 119 II 104 S. 108
d) Die Gesuchstellerin wird somit durch die Behauptung, sie sei kein nach unternehmerischen Grundsätzen ausgestaltetes Gebilde, in ihrer Persönlichkeit unmittelbar betroffen. Sie hat damit einen Anspruch darauf, dieser Tatsachendarstellung ihre eigene Sicht dieses Sachverhaltes entgegenzuhalten. Der Text, den sie als Gegendarstellung veröffentlicht haben will, zielt aber in eine andere Richtung. Er betrifft ihre rechtliche Organisationsform ("... in der Rechtsform eines privaten Vereins nach
Art. 60 ff. ZGB
..."). Wohl verwendet die Gesuchstellerin auch den Ausdruck "Medienunternehmen". Der Ausdruck "Unternehmen" erscheint indessen hier nur nebensächlich. Er hat die juristische Bedeutung, die ihm auch in
Art. 28i ZGB
zukommt, bezeichnet den für eine Veröffentlichung verantwortlichen Medienträger (vgl. Botschaft des Bundesrates über die Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Persönlichkeitsschutz:
Art. 28 ZGB
und 49 OR], BBl 1982, Bd. II, S. 676;
BGE 113 II 215
ff.; vgl. auch
BGE 113 II 369
ff.) und besagt nichts über die organisatorische Ausgestaltung der Gesuchstellerin. Der Text entspricht somit nicht den an eine Gegendarstellung zu stellenden Anforderungen, sondern geht an der Sache vorbei. Der Appellationshof hat seine Veröffentlichung zu unrecht angeordnet.
e) Wohl kann das Gericht - auch das Bundesgericht im Berufungsverfahren - einen nicht vollständig gesetzeskonformen Text den gesetzlichen Anforderungen anpassen (
BGE 117 II 4
E. bb). Solche Kürzungen oder Ergänzungen sind allerdings nur zulässig, soweit dadurch nicht inhaltlich über die Aussagen hinausgegangen wird, die bereits im Text enthalten waren, der dem Medienunternehmen zur Gegendarstellung vorgelegt worden ist (
BGE 117 II 5
E. cc). Zudem ist dem Gericht nicht zuzumuten, den Text einer eigentlichen redaktionellen Überarbeitung zu unterziehen (
BGE 117 II 121
). Es geht somit auch im vorliegenden Fall nicht an, den Text in einer Weise umzugestalten, die über die ursprüngliche, bloss auf die Rechtsform bezogene Aussage hinausgeht.
Die Berufung ist in diesem Punkt somit gutzuheissen.
5.
b) Die Wiederholung der Gegendarstellung in der "Trumpf Buur Zitig" ordnete der Appellationshof demgegenüber auch deshalb an, weil der Gesuchsgegner dort einen unzulässigen sogenannten "Redaktionsschwanz" beigefügt hatte. Der Gesuchsgegner bestreitet, dass die Veröffentlichung gesetzeswidrig gewesen sei.
Das Bundesgericht hat mit Bezug auf den Sachverhalt von den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz auszugehen. Eine gegen
BGE 119 II 104 S. 109
diese gerichtete staatsrechtliche Beschwerde ist mit Entscheid vom 16. Februar 1992 abgewiesen worden.
In seiner eigenen Zeitung hat sich der Gesuchsgegner nicht - wie bei anderen Zeitungen - mit dem zulässigen Satz begnügt, "Der Trumpf Buur hält an seiner Darstellung fest", sondern die Wendung beigefügt, "und wird sich mit einer eidgenössischen Volksinitiative für eine freiheitliche Medienordnung ohne Medienmonopol einsetzen". Damit hat er aber die Gesuchstellerin gerade mit dem Wort "Monopol", das ihr Anlass zur Gegendarstellung gegeben hatte, erneut in Verbindung gebracht. Dies stellt eine unzulässige "Gegengegendarstellung", einen unzulässigen "Redaktionsschwanz" dar (vgl.
BGE 112 II 196
ff.; TERCIER, Rz. 1590 ff.; KARL MATTHIAS HOTZ, Kommentar zum Recht auf Gegendarstellung, Bern 1987, S. 94 ff.; RIEMER/RIEMER-KAFKA, Persönlichkeitsrechte und Persönlichkeitsschutz gemäss Art. 27/28-28l ZGB, SJK Nr. 1165, S. 21; OLIVIER RODONDI, Le droit de réponse dans les médias, Diss. Lausanne 1991, S. 265 ff.). Der Gesuchsgegner ist daher zu verpflichten, die Gegendarstellung bezüglich des zweiten Punktes (Monopol) in der "Trumpf Buur Zitig" erneut zu publizieren, wobei der Text in der Aufmachung dem beanstandeten Text entsprechen muss (
Art. 28k Abs. 1 ZGB
; vgl.
BGE 115 II 5
). Eine allfällige beigefügte Erklärung hat sich an die Vorgaben von
Art. 28k Abs. 2 ZGB
zu halten. Diese Anordnung ist mit der Androhung von Ungehorsamsstrafe zu verbinden (
Art. 292 StGB
).