Federal court decision 120 IB 150 from March 11, 1994

Date: March 11, 1994

Related articles:  Art. 31 BV , Art. 9 Abs. 1 lit. c und Art. 10 Abs. 1 PVG, Art. 10 PVG, Art. 10 Abs. 1 PVG, Art. 31 BV, Art. 104 lit. c OG

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Source: bger.ch

Urteilskopf

120 Ib 150


22. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 11. März 1994 i.S. IDG Communications AG gegen Schweizerische PTT-Betriebe (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)

Regeste

Art. 9 Abs. 1 lit. c und Art. 10 Abs. 1 PVG , Art. 39 Abs. 1 lit. e und Art. 39 Abs. 3 lit. a PVV; Anwendbarkeit der Zeitungstaxe auf eine Computerzeitschrift.
Sinn und Zweck der indirekten Presseförderung über vergünstigte PTT-Taxen (E. 2a/b).
Kriterien zur Beurteilung, ob eine Publikation überwiegend Geschäfts- oder Reklamezwecken dient (Art. 39 Abs. 1 lit. e PVV) oder durch den Inhalt oder die Gestaltung den Eindruck erweckt, dass der redaktionell verarbeitete Teil hauptsächlich die Werbewirkung für gleichzeitig angepriesene Produkte, Dienstleistungen oder Veranstaltungen unterstützen soll (Art. 39 Abs. 3 lit. a PVV)(E. 2c - e).

Sachverhalt ab Seite 150

BGE 120 Ib 150 S. 150
Die IDG Communications AG ist Herausgeberin der monatlich in einer Auflage von 10'000 Exemplaren erscheinenden "Macworld Schweiz". Seit Sommer 1990 beförderten die Schweizerischen PTT-Betriebe die 3'000 abonnierten Exemplare dieser Zeitschrift zur Zeitungstaxe. Am 7. November 1991 kündigte die Sektion Tarifwesen Inland und Kundendienst der IDG Communications AG an, dass die "Macworld Schweiz" ab 1. Januar 1993 nicht mehr zur
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Zeitungstaxe befördert werden könne, weil die Publikation auf Apple-Macintosh-Anwender ausgerichtet sei und überwiegend Geschäfts- und Reklamezwecken diene. Nach zusätzlichen Abklärungen bestätigte die Sektion Tarifwesen Inland und Kundendienst diesen Standpunkt am 16. Juni 1992. Die Generaldirektion der Schweizerischen PTT-Betriebe wies die von der IDG Communications AG hiergegen erhobene Beschwerde am 18. Februar 1993 ab. Die Publikation "Macworld Schweiz" biete nur Information, um beim Leser anzukommen, und weise zur Hauptsache Empfehlungs- und Reklamecharakter auf, weshalb sie nicht zur Zeitungstaxe befördert werden könne.
Die IDG Communications AG hat gegen die Weigerung der PTT-Betriebe, die abonnierten Exemplare der "Macworld Schweiz" weiterhin zur Zeitungstaxe zu transportieren, beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht. Sie macht geltend, die Generaldirektion der PTT-Betriebe habe den Sachverhalt unrichtig und unvollständig festgestellt: Auf dem Hardware-Markt für Mac-Anwender gebe es eine Vielzahl unterschiedlicher Anbieter von Hard- und Software, die untereinander in einem harten Konkurrenzkampf stünden. Die Testberichte seien neutral abgefasst und enthielten auch "immer wieder kritische Elemente". Bei den aufgeführten Adressen handle es sich nicht um solche von Händlern, sondern von Distributoren, die "im Normalfall" nicht an Private verkauften. Die Auffassung, dass nach Art. 10 Abs. 1 des Postverkehrsgesetzes vom 2. Oktober 1924 (PVG; SR 783.0) nur die staatspolitisch meinungsbildende Presse zu fördern sei, erscheine überholt; "Macworld Schweiz" wolle für die Konsumentinnen und Konsumenten "aus unabhängiger Warte Transparenz in einen für den Einzelnen unübersichtlichen, verwirrenden Markt" bringen und den Konsumenten "vor falschen oder übereilten" Entschlüssen schützen. Wenn die Vorinstanz sich auf den "Bücher"-Service und den "Shareware"-Verkauf berufe, um nachzuweisen, dass "Macworld Schweiz" zur Hauptsache Empfehlungs- und Reklamecharakter habe, verkenne sie, dass es sich dabei um klassische "Leserbindungs-Aktivitäten" handle. Das Bundesgericht weist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2. a) Nach Art. 9 Abs. 1 lit. c PVG obliegt dem Postdienst die Beförderung abonnierter Zeitungen und Zeitschriften. Die hierfür zu erhebenden Taxen werden vom Bundesrat festgesetzt, der auf "die Erhaltung einer vielfältigen
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Presse" Rücksicht zu nehmen hat ( Art. 10 Abs. 1 PVG ). Als Zeitungen, die von günstigeren Beförderungstaxen profitieren können, gelten gemäss Art. 39 Abs. 1 PVV (SR 783.01) Publikationen, die in der Schweiz hergestellt und herausgegeben werden (lit. a), vierteljährlich wenigstens einmal erscheinen (lit. b), mit den Beilagen nicht mehr als 500 g wiegen (lit. c), in einer Auflage von wenigstens 100 Stück aufgegeben werden (lit. d), nicht überwiegend Geschäfts- oder Reklamezwecken dienen (lit. e), in jeder Ausgabe redaktionelle Beiträge von wenigstens 15 Prozent aufweisen (lit. f) und zudem eine der in Absatz 2 genannten Voraussetzungen erfüllen (lit. g). Selbst wenn die Voraussetzungen von Art. 39 Abs. 1 und 2 PVV erfüllt sind, gelten jedoch solche Publikationen nicht als Zeitungen, die "durch den Inhalt oder die Gestaltung den Eindruck erwecken, dass der redaktionell verarbeitete Teil hauptsächlich die Werbewirkung für gleichzeitig angepriesene Produkte, Dienstleistungen oder Veranstaltungen unterstützen soll" (Art. 39 Abs. 3 lit. a PVV).
b) Art. 10 PVG , verfassungskonform ausgelegt, verpflichtet nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts den Bundesrat, im Interesse der Pressevielfalt der Informations- und Meinungspresse, nicht aber Werbeorganen Taxvergünstigungen zu gewähren (unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 13. Juni 1985 i.S. D.C. AG c. GD/PTT, E. 3c). Dadurch soll die besondere Aufgabe der Presse honoriert werden, im öffentlichen Interesse regelmässig über Tagesereignisse, Zeit- oder Fachfragen zu berichten. Förderungskriterium ist der Beitrag des jeweiligen Presseprodukts zu dieser besonderen Aufgabe; dient eine Publikation überwiegend Geschäfts- oder Reklamezwecken, erfüllt sie diese in einem demokratischen und pluralistischen Staat förderungswürdige Aufgabe nicht oder nur in untergeordneter Weise, weshalb sich eine Privilegierung ihrer Verteilung und damit eine indirekte staatliche Subventionierung nicht rechtfertigt. Wie das Bundesgericht im bereits zitierten Entscheid vom 13. Juni 1985 festgehalten hat, kann eine staatliche Förderung nicht ohne Rücksicht auf eine Förderungsbedürftigkeit postuliert und gerechtfertigt werden. Staatliche Förderung, folge sie direkt aus der Bundesverfassung oder erst aus dem Gesetz, setzt stets einen Dienst an der Allgemeinheit oder eine wichtige Funktion in der Gesellschaft und im demokratischen Staat voraus (zitiertes Urteil vom 13. Juni 1985, E. 3b).
c) aa) Ob eine Publikation "überwiegend" Geschäfts- oder Reklamezwecken dient (Art. 39 Abs. 1 lit. e PVV) oder ob sie durch den Inhalt oder die
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Gestaltung den Eindruck erweckt, dass der redaktionell verarbeitete Teil "hauptsächlich" die Werbewirkung für gleichzeitig angepriesene Produkte, Dienstleistungen oder Veranstaltungen zu unterstützen sucht (Art. 39 Abs. 3 lit. a PVV), ist aufgrund der Umstände, das heisst gestützt auf den Gesamteindruck der Publikation, zu beurteilen (vgl. BGE 101 Ib 178 E. 4c S. 187). Dabei können etwa die Aufmachung des Produkts, der Gesellschaftszweck des Herausgebers, seine Beziehungen zu den Inserenten, das mit der Publikation angesprochene Publikum, das redaktionelle Konzept (Selbstverständnis der Zeitschrift) und die zur Verfügung stehenden Mittel berücksichtigt werden. Als Indiz kann allenfalls auch der Verkaufs- beziehungsweise Abonnementspreis von Bedeutung sein, ist in der Regel doch davon auszugehen, dass der Leser kaum bereit ist, einen höheren Preis für eine Publikation zu bezahlen, die überwiegend oder hauptsächlich Reklamezwecke verfolgt.
bb) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts schliesst die Tatsache, dass eine Wochenzeitschrift gleichzeitig einen wirtschaftlichen und einen kulturellen Zweck verfolgt, die Anwendung der vergünstigten Zeitungstaxe solange nicht aus, als die Geschäftsempfehlungen und Reklame nicht "zur Hauptsache der Publikation" werden. Zur Beurteilung der Frage, ob die Werbe- oder die nicht geschäftsorientierte Informationsfunktion überwiege, sei die Qualität des informativen Teils an sich nicht wesentlich; es sei auch nicht entscheidend, dass bei der statutarischen Zwecksetzung des Herausgebers der Warenverkauf allenfalls Hauptzweck, die Unterstützung kultureller Bedürfnisse dagegen nur Nebenzweck bilde. Massgebend erscheine, ob die Publikation hauptsächlich oder überwiegend auf den Nebenzweck ausgerichtet sei ( BGE 101 Ib 178 E. 4c S. 188). Das Bundesgericht wertete im Hinblick auf den Gesamteindruck den Einwand auch schon als irrelevant, eine Publikation zeuge von professioneller journalistischer Herstellung und eigenständiger, der Pressefreiheit unterstehender redaktioneller Leistung, weil damit im zu beurteilenden Fall nicht widerlegt werden konnte, dass die Veröffentlichung überwiegend Geschäfts- und Reklamezwecke verfolgte. Nach Auffassung des Bundesgerichts bedeutete die Tatsache, dass die Gesellschaftsstatuten die Publikation erwähnten, ohne ihr einen Werbezweck aufzuerlegen, noch nicht, dass ein solcher auch nicht verfolgt wurde oder nur nebensächlich erschien. Die dem Gericht vorgelegten Belegexemplare zeigten, dass die redaktionellen Beiträge, soweit sie nicht selber schon allgemein zum Konsum animierten oder mehr oder weniger verhalten für bestimmte Konsum- und Gebrauchsgüter,
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Reisen, Gastronomie, Bücher oder Dienstleistungen warben, hinter dem Geschäfts- und Werbezweck zurückstanden. Das entsprechende Magazin lieferte gewisse Informationen unterhaltender Art eindrucksmässig nur, um den Geschäfts- und Werbezweck etwas distinguierter verfolgen zu können (zitiertes Urteil vom 13. Juni 1985, E. 2a).
d) Bei der vorliegend zu beurteilenden Zeitschrift "Macworld Schweiz" handelt es sich um eine Art von Publikation, über deren Charakter und Förderungswürdigkeit sich das Bundesgericht noch nicht auszusprechen hatte: Standen bisher Fälle zur Diskussion, in denen der Herausgeber selber direkt oder indirekt über den Verkauf des Presseproduktes hinausgehende, kommerzielle Zwecke verfolgte, wobei er im Rahmen der Mitgliedschafts- bzw. Kundenpresse zum Verleger wurde (vgl. BGE 99 Ib 283 Schweizer Verlagshaus AG ["NSB-Revue"]; 101 Ib 178 Schweizerischer Detaillistenverband ["Pro", "Wir Brückenbauer", "Genossenschaft"], unveröffentlichtes Urteil vom 13. Juni 1985 D.C. AG), handelt es sich beim Titel "Macworld Schweiz" um die Zeitschrift eines auf Computer-Publikationen spezialisierten unabhängigen Verlags, der keine weitergehenden kommerziellen Zwecke verfolgt. Die Zeitschrift richtet sich an "Schweizer Mac-Anwender", informiert über Neuerscheinungen, sichtet macintosh-kompatible Hard- und Software und testet solche Produkte. Die "Macworld Schweiz" wird durch eine professionelle Redaktion gestaltet, ihre Testberichte haben teilweise auch kritischen Gehalt und erschöpfen sich - soweit dies aus den eingereichten Exemplaren ersichtlich ist - nicht in blossen aus Werbematerial der Hersteller zusammengetragenen Informationen (vgl. dagegen die von der GD PTT in einem Entscheid vom 27. März 1991 beurteilte Publikation "Macintouch"). Das Einzelexemplar von "Macworld Schweiz" kostet am Kiosk Fr. 9.50, der Preis für ein Jahresabonnement beträgt Fr. 98.--.
e) Bei der Frage, ob die "Macworld Schweiz" überwiegend Geschäfts- oder Reklamezwecke verfolgt beziehungsweise ihr redaktionell verarbeiteter Teil hauptsächlich die Werbewirkung für gleichzeitig angepriesene Produkte, Dienstleistungen oder Veranstaltungen unterstützt, handelt es sich unter diesen Umständen um einen Grenzfall. Sollten die PTT-Betriebe, wie sie im angefochtenen Entscheid andeuten, davon ausgehen, nur gerade die politische Meinungspresse erscheine förderungswürdig, würden sie die Tragweite von Art. 10 PVG und Art. 39 PVV verkennen; eine solche Beschränkung lässt sich diesen Bestimmungen nicht entnehmen. Einem Verleger kann auch nicht
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vorgehalten werden, er verfolge mit der Herausgabe der Publikation an sich bereits "überwiegend Geschäftszwecke"; diese Überlegung wäre mit Blick auf Art. 31 BV offensichtlich sachwidrig. Soweit die PTT-Betriebe dagegen bei der Gesamtwürdigung im Rahmen des ihnen zustehenden Beurteilungsspielraums (vgl. Art. 104 lit. c OG ) zum Schluss gekommen sind, die Zeitschrift "Macworld Schweiz" erfülle das Erfordernis von Art. 39 Abs. 1 lit. e PVV nicht beziehungsweise falle unter die Ausnahme von Art. 39 Abs. 3 lit. a PVV, verletzt ihr Entscheid Bundesrecht noch nicht, weshalb die vorliegende Beschwerde trotz den anzubringenden Vorbehalten abzuweisen ist: Die Beschwerdeführerin nutzt für ihre Publikation die Tatsache, dass eine Übersicht über Neuerscheinungen für den Computerbenützer (selbst in einem Teilgebiet der Computerwelt) heute kaum mehr möglich ist. Sie führt im redaktionellen Teil - auch bzw. gerade - den professionellen "Mac-Anwender", d.h. den Abonnenten bzw. Käufer, und den Hard- oder Software-Produzenten, d.h. den Inserenten, mit Blick auf allfällige Geschäftsabschlüsse zusammen; nur so lassen sich die Bezugsquellenangaben erklären, auch wenn es sich dabei lediglich um Distributorenadressen handeln sollte. Dem gleichen Zweck dienen die verschiedenen MW-Info-Nummern. Soweit die Beschwerdeführerin als Vermittlerin von Shareware, Büchern und Spielen auftritt, gehen ihre Aktivitäten über klassische Leserbindungsaktionen hinaus, sie vermittelt in jenen Rubriken nämlich gerade solche Produkte, die sie - zumindest der Natur nach - zum Gegenstand der redaktionellen Beiträge gemacht hat, weshalb der Eindruck eines Katalogs entsteht und eine Abgrenzung von redaktionellen und der Promotion dienenden Teilen schwerfällt. Der Leser zahlt den relativ hohen Einzelnummerpreis von Fr. 9.50 beziehungsweise den Abonnementspreis von Fr. 98.--, weil ihm die Zeitschrift "Macworld Schweiz" eine mehr oder weniger aufgearbeitete Übersicht über Marktneuheiten liefert und deshalb seinen Geschäftszwecken dient. Auch reine Verkaufskataloge werden im Hinblick auf spezifische Konsumbedürfnisse vom Kunden teilweise gekauft, weshalb der Verkaufspreis allein im Rahmen der Gesamtwürdigung für die vorliegend zu beurteilende Frage nicht entscheidend sein kann. Die Neuerscheinungen und Besprechungen unter Angabe der Bezugsquellen bilden in der "Macworld Schweiz" keine eigenständige untergeordnete Rubrik, wie dies bei anderen Zeitschriften etwa der Fall ist, sondern ihren eigentlichen redaktionellen Inhalt, weshalb sie überwiegend Geschäftszwecken dient und - vor allem im
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Hinblick auf die Vermittlungstätigkeit der Beschwerdeführerin - die Werbewirkung für gleichzeitig angepriesene Produkte, Dienstleistungen oder Veranstaltungen fördert.

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