Urteilskopf
120 III 117
39. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 21. Oktober 1994 i.S. R. K. (Rekurs)
Regeste
Zustellung des Zahlungsbefehls;
Art. 72 SchKG
.
Die Bescheinigung, an welchem Tage und an wen die Zustellung des Zahlungsbefehls erfolgt ist, muss jener Betreibungsbeamte oder Angestellte des Betreibungsamtes ausstellen, der den Zahlungsbefehl tatsächlich übergeben hat.
Am 31. Mai 1994 erliess das Betreibungsamt S. gegen R. K. die Pfändungsankündigung. R. K. beschwerte sich hierüber bei der kantonalen Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs, indem er im wesentlichen geltend machte, er habe nie einen Zahlungsbefehl zu Gesicht bekommen und aus diesem Grund keinen Rechtsvorschlag erheben können.
Während die kantonale Aufsichtsbehörde die Beschwerde abwies, hiess die
BGE 120 III 117 S. 118
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts den hierauf bei ihr erhobenen Rekurs gut und hob die Pfändungsankündigung auf.
Aus den Erwägungen:
2.
Im Anfechtungsfall trägt in erster Linie das Betreibungsamt die Beweislast für die ordnungsgemässe Zustellung von Betreibungsurkunden. Dazu dient ihm namentlich die gemäss
Art. 72 Abs. 2 SchKG
vorgeschriebene Bescheinigung des Zustellungsbeamten, an welchem Tage und an wen die Zustellung erfolgt ist; als öffentliche Urkunde im Sinne von
Art. 9 ZGB
kommt der Bescheinigung, Gegenbeweis vorbehalten, für ihren Inhalt volle Beweiskraft zu (
BGE 117 III 10
E. 5c, S. 13, mit Hinweisen auf Lehre und Rechtsprechung).
a) Der Zahlungsbefehl, von dem im angefochtenen Entscheid gesagt wird, er trage einen Zustellungsvermerk vom 30. September 1993, liegt nicht bei den dem Bundesgericht gemäss
Art. 80 OG
eingesandten Akten.
b) Ganz offensichtlich ist im vorliegenden Fall der Vorschrift des
Art. 72 Abs. 2 SchKG
nicht nachgelebt worden, wonach der Überbringer auf beiden Ausfertigungen des Zahlungsbefehls zu bescheinigen hat, an welchem Tage und an wen die Zustellung erfolgt ist. Diese Bescheinigung hat jener Betreibungsbeamte oder Angestellte des Betreibungsamtes auszustellen, der den Zahlungsbefehl übergeben hat. Unstatthaft aber ist es, dass der Betreibungsbeamte - wie es nach der Darstellung im angefochtenen Entscheid geschehen ist - zwar die Zustellung bescheinigt, aber diese in der Folge Kanzleiangestellten der Gemeindeverwaltung überlässt. Solches Vorgehen übersieht die Bedeutung, welche der Zustellung des Zahlungsbefehls insofern zukommt, als dem Schuldner Gelegenheit zu geben ist, auf der Stelle und ohne Begründung Rechtsvorschlag zu erheben. Aus diesem Grund hat die Rechtsprechung es ebenso untersagt, den Zahlungsbefehl in den Briefkasten des Schuldners zu legen, wie sie es als unzulässig bezeichnet hat, dass eine den Zahlungsbefehl betreffende Abholungseinladung in das Postfach des Schuldners gelegt wird (
BGE 117 III 7
E. 3b, S. 9;
BGE 116 III 8
E. 1a, S. 9f.). Im vorliegenden Fall macht denn auch der Rekurrent geltend, er habe keine Gelegenheit zur Erhebung des Rechtsvorschlags gehabt.
Schliesslich illustriert der hier zu beurteilende Fall auch, dass das Betreibungsamt in Beweisschwierigkeiten gerät, wenn nicht jener Beamte
BGE 120 III 117 S. 119
oder Angestellte des Betreibungsamtes die Zustellung bescheinigt, der den Zahlungsbefehl tatsächlich überbracht hat.
c) Die fehlerhafte Zustellung des Zahlungsbefehls ist eine nichtige Betreibungshandlung, die von Amtes wegen jederzeit festgestellt werden kann und muss (
BGE 117 III 7
E. 3c, S. 10).