Urteilskopf
124 II 114
16. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 4. März 1998 i.S. Sammelstiftung X. gegen Bundesamt für Sozialversicherung und Eidgenössische Beschwerdekommission der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste
Art. 51 BVG
und
Art. 62 BVG
.
Informationsanspruch der an eine Sammelstiftung angeschlossenen Vorsorgewerke gegenüber dem Stiftungsrat der Sammelstiftung.
Die Sammelstiftung X. (im folgenden: Stiftung) ist eine Sammelstiftung im Sinne von
Art. 80 ff. ZGB
,
Art. 331 OR
und
Art. 48 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG; SR 831.40)
. Ihr Zweck ist die berufliche Vorsorge für die Arbeitnehmer der bei ihr angeschlossenen Arbeitgeber. Sie untersteht der Aufsicht des Bundesamtes für Sozialversicherung (Bundesamt).
Im Rahmen der Prüfung der Jahresrechnung 1995 brachte das Bundesamt verschiedene Vorbehalte an. Die Stiftung beantragte Wiedererwägung oder andernfalls den Erlass einer anfechtbaren Verfügung über die Auflagen bezüglich Betriebsrechnung und Offenlegung der Verwaltungskosten. Das Bundesamt erliess am
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23. Mai 1997 eine Verfügung; darin erwog es, dass die Verwaltungskosten der Stiftung deutlich die üblichen Erfahrungswerte überstiegen; die Verantwortlichen der einzelnen Vorsorgekommissionen müssten transparent und umfassend über die Vermögens- und Kostensituation ins Bild gesetzt werden. Entsprechend wies das Bundesamt die Stiftung an, ab Berichterstattung 1996 die Position der Verwaltungskosten wahlweise im offiziellen Geschäftsbericht oder im Anhang zur Jahresrechnung aufzuführen und zu kommentieren sowie den angeschlossenen Vorsorgewerken zur Kenntnis zu bringen. Zugleich entzog das Bundesamt einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung mit der Begründung, die verantwortlichen Vorsorgekommissionen müssten ohne Verzug über die Höhe und Art der Verwaltungskosten orientiert werden, um rechtzeitig allfällige Massnahmen zur Kostensenkung beschliessen und durchsetzen zu können; zudem könne eine Zweckentfremdung von Vorsorgegeldern nicht ausgeschlossen werden. Ziffer 3 und 4 des Dispositivs lauteten sodann wie folgt:
"3. Sie (recte: Die) Sammelstiftung X. wird verpflichtet, alle Vorsorgewerke mittels Kopie dieser Verfügung über die angeordneten Massnahmen zu informieren. Zuwiderhandlungen gegen diese Verfügung werden mit Busse bis Fr. 10'000.-- bestraft (
Art. 292 StGB
).
4. Zu eröffnen (eingeschrieben):
Sammelstiftung X.
Allen Vorsorgewerken der Sammelstiftung X. durch den Stiftungsrat."
Die Stiftung erhob gegen diese Verfügung Beschwerde an die Eidgenössische Beschwerdekommission der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (Beschwerdekommission) mit dem Antrag, die Ziffern 3 und 4, zweite Zeile, der Verfügung vom 23. Mai 1997 aufzuheben. Die Beschwerdekommission wies die Beschwerde mit Urteil vom 29. September 1997 ab.
Die Stiftung erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht mit dem Antrag, das Urteil der Beschwerdekommission aufzuheben und die Ziffern 3 und 4, zweite Zeile, der Verfügung des Bundesamtes aufzuheben. Eventuell beantragt sie, die Informationspflicht der Sammelstiftung darauf zu beschränken, die Vorsorgekommissionen der angeschlossenen Vorsorgewerke über die in Ziffer 1 des Dispositivs der angefochtenen Verfügung angeordnete Massnahme zu informieren, ohne gleichzeitige Zustellung einer Kopie dieser Verfügung.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Aus den Erwägungen:
1.
a) Gegen Entscheide der Eidgenössischen Beschwerdekommission der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zulässig (
Art. 74 Abs. 4 BVG
). Die Beschwerdeführerin ist als Adressatin der angefochtenen Verfügung zur Beschwerde legitimiert (
Art. 103 lit. a OG
). Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist einzutreten.
b) Das Bundesgericht kann im vorliegenden Fall nur die Verletzung von Bundesrecht, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, sowie eine offensichtlich unrichtige, unvollständige oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen erfolgte Sachverhaltsfeststellung prüfen, nicht aber die Unangemessenheit (
Art. 104 und
Art. 105 Abs. 2 OG
). Es überprüft zwar frei, ob eine Anordnung verhältnismässig ist, das heisst ob das geltend gemachte öffentliche Interesse die Interessen der Beschwerdeführerin überwiegt; hingegen kann es nicht sein eigenes Ermessen - im Sinne einer Überprüfung der Zweckmässigkeit (Opportunität) - an die Stelle desjenigen der zuständigen Behörden setzen (
BGE 122 II 433
E. 2a S. 435;
BGE 116 Ib 353
E. 2b S. 356 f.).
2.
a) Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht ihre Verpflichtung, in den künftigen Jahresrechnungen die Verwaltungskosten aufzuführen und den angeschlossenen Vorsorgewerken zur Kenntnis zu bringen. Sie wehrt sich jedoch gegen die Verpflichtung, diesen eine Kopie der Verfügung zuzustellen, da die in den Erwägungen dieser Verfügung enthaltenen Aussagen, wonach die Verwaltungskosten überhöht seien und eine Zweckentfremdung von Vorsorgegeldern nicht ausgeschlossen werden könne, weder substantiiert noch belegt und zudem falsch seien. Die Mitteilung dieser behördlichen Meinungsäusserungen und Behauptungen an die Vorsorgewerke bzw. Verwaltungskommissionen würde zu deren Beunruhigung und Verunsicherung führen und wäre für sie - die Beschwerdeführerin - geschäftsschädigend. Die entsprechende Verpflichtung sei daher unverhältnismässig.
b) Die streitige Verfügungsbestimmung verpflichtet die Beschwerdeführerin nicht dazu, eine Kopie der Verfügung an beliebige Dritte zuzustellen, sondern bloss an die ihr angeschlossenen Vorsorgewerke. Diese haben keine eigene Rechtspersönlichkeit, sondern stellen nur einen Posten der gesamten Vermögensmasse der
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Stiftung dar (vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 27. Januar 1989 i.S. G., publiziert in SZS 1990 S. 311, E. 3b; HANS MICHAEL RIEMER, Das Recht der beruflichen Vorsorge in der Schweiz, Bern 1985, S. 87 f.). Demgemäss sind die paritätisch zusammengesetzten Vorsorgekommissionen der einzelnen Vorsorgewerke nicht aussenstehende Dritte, sondern neben dem Stiftungsrat Organe der Stiftung (Art. 7 Abs. 1 der Stiftungsurkunde der Beschwerdeführerin). Die Vorsorgekommissionen sind damit einerseits Vertreter der angeschlossenen Firmen (Arbeitnehmer und Arbeitgeber), zugleich aber auch dasjenige Gremium, mittels welchem die in
Art. 51 BVG
vorgesehene paritätische Verwaltung der Kasse durchgeführt wird (Art. 9 Abs. 1 der Stiftungsurkunde; vgl. RIEMER, a.a.O., S. 90). Sie haben deshalb grundsätzlich den gleichen Zugang zu den massgeblichen Informationen wie die Gremien der paritätischen Verwaltung bei einer einzelbetrieblichen Vorsorgeeinrichtung. Soweit die paritätischen Organe, wie das in einer Sammelstiftung praktisch unausweichlich ist, die ihnen zustehenden Kompetenzen an den Stiftungsrat delegieren (vgl. Art. 4, Art. 9 Abs. 3 und 5 der Stiftungsurkunde), müssen sie dessen Tätigkeit kontrollieren können (RIEMER, a.a.O., S. 65). Zu diesem Zweck müssen sie notwendigerweise informiert sein. Sie haben daher, wie die Vorinstanz mit Recht entschieden hat, gegenüber dem Stiftungsrat einen Informationsanspruch, soweit Tätigkeitsbereiche der paritätischen Verwaltung in Frage stehen. Ob, was die Beschwerdeführerin in Frage stellt, die Mitglieder der Vorsorgekommissionen nach
Art. 52 BVG
verantwortlich werden können, ist dafür unerheblich; eine Kontrollaufgabe muss nicht nur dann wahrgenommen werden können, wenn eine persönliche Verantwortlichkeit droht.
c) Zu Unrecht bringt die Beschwerdeführerin vor, die Aufsichtsbehörde verletze die ihr zustehenden Kompetenzen, wenn sie die Verwaltungskosten auf ihre Angemessenheit und Zweckmässigkeit hin überprüfe. Mit dem Dispositiv der streitigen Verfügung wird nicht die Angemessenheit der Verwaltungskosten beurteilt, sondern nur sichergestellt, dass die Vorsorgekommissionen Zugang zu den erforderlichen Informationen haben. Wohl liegt der Grund für die Verfügung darin, dass die Aufsichtsbehörde offenbar Zweifel an der Angemessenheit hat; dass sie diese Zweifel in den Erwägungen der Verfügung äussert, ergibt sich aus der ihr obliegenden Begründungspflicht (
Art. 35 Abs. 1 VwVG
), bedeutet aber nicht - wie die Beschwerdeführerin behauptet - einen Eingriff in den Autonomiebereich der Stiftungsorgane, sondern setzt nur die paritätischen
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Vorsorgekommissionen in die Lage, ihre Aufgaben als Stiftungsorgane wahrzunehmen. Es wird alsdann Sache der Kommissionen sein, die Angemessenheit der Verwaltungskosten zu überprüfen und allenfalls die ihnen gut scheinenden Konsequenzen zu ziehen. Dass diese Konsequenzen auch in der Auflösung der Anschlussverträge zwischen der Beschwerdeführerin und den angeschlossenen Arbeitgebern liegen können, vermag keinen Geheimhaltungsanspruch der Beschwerdeführerin zu bewirken. Der Anschlussvertrag zwischen einem Arbeitgeber und einer Sammelstiftung begründet ein Dauerrechtsverhältnis (
BGE 120 V 299
E. 4b S. 305); dieses kann bei einseitiger Vertragsverletzung von der anderen Partei aufgelöst werden (
Art. 107 OR
; vgl.
BGE 123 III 124
E. 3b S. 127 f.). Die Beschwerdeführerin kann kein schutzwürdiges Interesse daran haben, die angeschlossenen Arbeitgeber an der Ausübung dieses Rechts dadurch zu hindern, dass sie ihnen die erforderlichen Informationen vorenthält.
d) Die Beschwerdeführerin bringt in ihrem Eventualstandpunkt vor, die Informationspflicht habe sich auf eine Mitteilung über die aufsichtsbehördliche Verfügung zu beschränken, ohne Zustellung einer Kopie der Verfügung. Der Informationsanspruch der paritätischen Verwaltungskommissionen umfasst jedoch auch allfällige aufsichtsbehördliche Beanstandungen. Als Organe der Stiftung müssen die Kommissionen wissen, wie die Aufsichtsbehörde die Situation beurteilt, um die Tragweite solcher Beanstandungen richtig einschätzen zu können. Diese Information kann am besten durch Zustellung einer Kopie der Verfügung erfolgen. Es ist nicht ersichtlich, weshalb die Vorsorgekommissionen, die immerhin den Status von Stiftungsorganen haben, über die an ihre Stiftung gerichteten aufsichtsrechtlichen Verfügungen nicht orientiert werden sollten. Ob, wie die Beschwerdeführerin vorbringt, die Mutmassungen der Aufsichtsbehörde falsch sind, wird dann gerade von den Vorsorgewerken beurteilt werden können. Es ist dem Stiftungsrat unbenommen, durch eine offene Information die von ihm behauptete Angemessenheit der Verwaltungskosten darzulegen und dadurch gegebenenfalls ein Misstrauen der Vorsorgekommissionen bzw. der angeschlossenen Arbeitgeber zu zerstreuen. Wie die Beschwerdeführerin mit Recht vorbringt, steht sie im Wettbewerb mit anderen Sammelstiftungen. Wettbewerb bedingt jedoch, um lauter zu sein, eine möglichst vollständige und transparente Information der Wettbewerbsteilnehmer. Die angefochtene Verfügung will diese Transparenz sicherstellen und ist daher nicht zu beanstanden.
e) Die Beschwerdeführerin rügt eine Ungleichbehandlung, indem anderen Sammelstiftungen keine vergleichbaren Auflagen gemacht würden. Das Bundesamt hatte in seiner Verfügung geltend gemacht, es treffe bei allen beaufsichtigten Stiftungen, welche überdurchschnittlich hohe Verwaltungskosten aufwiesen, die gleichen oder ähnliche Massnahmen. Diese Aussage wird nicht widerlegt durch den blossen Hinweis der Beschwerdeführerin, wonach andere Stiftungen ihre Verwaltungskosten nicht offenlegten; dass sich die Aufsichtsbehörde bei anderen Einrichtungen nicht zu einer derartigen Verfügung veranlasst sah, kann auch darin liegen, dass diese dafür keinen Grund gaben. Jedenfalls belegen die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Beispiele nicht, dass das Bundesamt in vergleichbaren Fällen nicht gewillt sei, entsprechende Massnahmen anzuordnen, was Voraussetzung wäre, damit die Berufung auf eine Ungleichbehandlung Erfolg haben könnte (
BGE 122 II 446
E. 4a S. 451 f., mit Hinweisen).