BGE 124 II 8 vom 5. November 1997

Datum: 5. November 1997

Artikelreferenzen:  Art. 152 ZPO, Art. 207 ZPO, Art. 44 OR, Art. 47 OR, Art. 2 OHG, Art. 12 OHG, Art. 14 OHG, Art. 80 SchKG , Art. 12 Abs. 2 OHG, Art. 12 Abs. 1 OHG, Art. 2 Abs. 1 OHG, Art. 80 Abs. 2 SchKG, Art. 47 und 44 OR, Art. 14 Abs. 1 und 2 OHG, Art. 114 Abs. 2 OG

BGE referenzen:  99 II 359, 101 IB 270, 105 II 273, 109 IB 203, 110 II 44, 114 IB 74, 115 IB 163, 121 III 397, 121 II 369, 123 II 210, 128 II 49, 129 II 312 , 114 IB 74, 109 IB 203, 115 IB 163, 121 II 369, 123 II 210, 121 III 397, 110 II 44, 105 II 273, 99 II 359, 101 IB 270, 123 II 210, 121 III 397, 110 II 44, 105 II 273, 99 II 359, 101 IB 270

Quelle: bger.ch

Urteilskopf

124 II 8


2. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 5. November 1997 i.S. B. S. gegen Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion des Kantons Bern und Verwaltungsgericht des Kantons Bern (Verwaltungsrechtliche Abteilung) (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)

Regeste

Art. 12 Abs. 2 OHG ; Berücksichtigung des Selbstverschuldens bei der Ausrichtung und Bemessung einer Genugtuung nach OHG.
Grundsätzlich keine Bindung der Opferhilfebehörde an eine Vereinbarung zwischen dem Täter und dem Opfer über eine Genugtuungsleistung (E. 2b).
Bei der vorliegenden Genugtuungsvereinbarung handelt es sich um einen gerichtlichen Vergleich (E. 3a). Rechtsnatur des gerichtlichen Vergleichs (E. 3b). Bloss relative Gleichstellung des gerichtlichen Vergleichs mit einem Urteil (E. 3c). Wirkungen eines gerichtlichen Vergleichs über die zivilrechtliche Genugtuung auf den Genugtuungsanspruch aus OHG (E. 3d). Die OHG-Behörden dürfen nur unter bestimmten Voraussetzungen von einem Strafurteil abweichen. Der vorliegende Vergleich ist für die OHG-Behörden nicht verbindlich (E. 3d/cc).
Bedeutung des Selbstverschuldens für die Ausrichtung und Bemessung der Genugtuung im vorliegenden Fall (E. 5c).

Sachverhalt ab Seite 9

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Im Februar 1995 kam es in einem serbischen Vereinslokal zu einem Streit zwischen den Brüdern B. S. und Z. S. einerseits und T. anderseits. Kurz vor Mitternacht begannen Musiker am Tisch von T. Zigeunerlieder zu singen. Weil B. S. die Musik nicht passte, ging er zu T. und verlangte, diese müsse aufhören. T. erwiderte, er solle dies den Musikern selber sagen. Daraufhin soll B. S. zu T. gesagt haben, er reisse ihm den Schnauz aus. Weiter drohte B. S., er werde T. die Leber aus dem Leib reissen und bewegte seine Hand zu seiner Jackentasche. Aus Angst, von B. S. mit einem Messer angegriffen zu werden, zückte T. eine Pistole und schoss auf B. S.. Dieser wurde leicht verletzt und war ca. vier Monate arbeitsunfähig. Im Strafverfahren gegen T. stellte sich B. S. als Privatkläger. Zu Beginn der Hauptverhandlung vor dem Geschwornengericht Emmental-Oberaargau wurde ein Vergleich unterzeichnet, in dem sich der Angeklagte u.a. verpflichtete, B. S. Schadenersatz von Fr. 14'105.--, Genugtuung von Fr. 8'000.-- sowie einen Parteikostenersatz für das Opferhilfeverfahren von Fr. 1'600.-- auszurichten. Dieser Vergleich wurde vom Geschwornengericht am 30. April 1996 gerichtlich
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genehmigt, worauf sich B. S. aus dem Verfahren zurückzog. Mit Urteil gleichen Datums wurde T. u.a. der vollendet versuchten vorsätzlichen Tötung schuldig erklärt. Das Geschwornengericht billigte dem Angeschuldigten zu, er habe bei der Abgabe des ersten Schusses in Putativnotwehr gehandelt; hingegen sei die Verhältnismässigkeit der Abwehr nicht gewahrt gewesen, weshalb ein Putativnotwehrexzess vorliege.
Am 31. Oktober 1996 sprach die Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion des Kantons Bern (JKG) B. S. eine Entschädigung nach Art. 12 Abs. 1 OHG (Bundesgesetz vom 4. Oktober 1991 über die Hilfe an Opfer von Straftaten [OHG; SR 312.5]) zu, wies hingegen dessen Gesuch um Genugtuung gemäss Art. 12 Abs. 2 OHG ab. Am 24. März 1997 wies die verwaltungsrechtliche Abteilung des bernischen Verwaltungsgerichts (nachfolgend: Verwaltungsgericht) die Beschwerde von B. S. gegen diesen Entscheid der JKG ab.
B. S. hat dieses Urteil beim Bundesgericht mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten. Er beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheids und die Zusprechung einer Genugtuung von Fr. 8'000.--.
Das Bundesgericht heisst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gut

Erwägungen

aus folgenden Erwägungen:

2. Der Beschwerdeführer ist unbestrittenermassen Opfer einer Straftat im Sinn von Art. 2 Abs. 1 OHG geworden und daher grundsätzlich berechtigt, die im Gesetz vorgesehene Hilfe zu beanspruchen. Die kantonalen Behörden richteten dem Beschwerdeführer denn auch eine Entschädigung gemäss Art. 12 Abs. 1 OHG aus. Hingegen verweigerten sie die Leistung einer Genugtuung nach Abs. 2 von Art. 12 OHG . Das Verwaltungsgericht begründete diese Verweigerung mit dem Selbstverschulden des Beschwerdeführers. Darin sieht dieser eine Verletzung von Bundesrecht ( Art. 12 Abs. 2 OHG ).
a) Das Verwaltungsgericht stellte sich auf den Standpunkt, es sei nicht an den Vergleich gebunden, welchen der Beschwerdeführer mit dem Täter im Rahmen der im Strafverfahren adhäsionsweise anhängig gemachten Zivilklage abgeschlossen habe. Aus den Strafakten gehe zwar hervor, dass dieser Vergleich mit Hilfe der Kriminalkammer ausgearbeitet worden sei. Das Geschwornengericht habe im Genehmigungsbeschluss jedoch nicht in einer für die mit der Genugtuungsfrage nach OHG befassten Verwaltungsjustizbehörde
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verbindlichen Weise über die grundsätzliche Frage und die Höhe einer Genugtuung geurteilt. Es habe lediglich vom Vergleichsabschluss Kenntnis genommen und die Prozesserledigung festgestellt. Weiter führte das Verwaltungsgericht aus, obwohl es nicht an den Vergleich gebunden sei, weiche es dennoch nicht leichthin davon ab, wenn sich die Kriminalkammer mit der Frage der Genugtuung befasst und einen entsprechenden Vergleichsvorschlag unterbreitet habe. Ein Abweichen rechtfertige sich aber dann, wenn eine umfassende Prüfung der Voraussetzungen, die für den Zuspruch einer Genugtuung bestünden, ergebe, dass diese an sich oder der vereinbarten Höhe nach im Lichte des OHG als nicht angemessen erscheine. Dabei bleibe im übrigen die Schuldpflicht des Täters aus dem genannten Vergleich vom Entscheid des Verwaltungsgerichts unberührt.
b) Vorweg ist festzuhalten, dass durch die Vereinbarung einer (zivilrechtlichen) Genugtuungsleistung des Täters an das Opfer keine grundsätzliche Bindung der (staatlichen) Opferhilfebehörde an ebendiese Genugtuung erreicht werden kann. Wollte man es anders halten, hiesse das, Verträge zulasten Dritter billigen, was nicht angeht. Hingegen fragt sich, ob - und wenn ja - welche Bedeutung dem Umstand zukommt, dass die besagte Vereinbarung zwischen Opfer und Täter im Rahmen des Strafverfahrens mit gerichtlicher Hilfestellung und unter Beachtung bestimmter Verfahrensvorschriften geschlossen wurde. Der Beschwerdeführer macht geltend, es handle sich um einen gerichtlichen Vergleich, an welchen das Verwaltungsgericht gebunden sei; ein Abweichen davon rechtfertige sich nur dann, wenn der darin festgelegte Betrag im Lichte des OHG als nicht angemessen erscheine.

3. a) Die prozessuale Form des gerichtlichen Vergleichs bestimmt sich nach kantonalem Recht (vgl. BGE 76 II 371 E. 3 S. 374). Das bernische Zivilprozessrecht verlangt die gerichtliche Protokollierung des Vergleichs (Art. 152 Abs. 1 und Art. 207 Abs. 1 des Gesetzes vom 7. Juli 1918 betreffend die Zivilprozessordnung für den Kanton Bern [ZPO]; vgl. Georg Leuch/Omar Marbach/Franz Kellerhals, Die Zivilprozessordnung für den Kanton Bern, Kommentar, Bern 1995, Ziff. 1 und 2 zu Art. 152 ZPO und Ziff. 2d zu Art. 207 ZPO ). Gleiches muss gelten für Zivilansprüche, die adhäsionsweise vor bernischen Strafjustizbehörden anhängig gemacht worden sind (vgl. zur Zivilklage vor bernischen Strafgerichten Art. 47 Abs. 2 Ziff. 2 und Art. 310 des Gesetzes vom 15. März 1995 über das Strafverfahren [StrV] sowie PETER STAUB, Kommentar zum
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[alten] Strafverfahren des Kantons Bern, Bern 1992, S. 26/27), und nichts anderes gilt auch in der bernischen Verwaltungsrechtspflege (vgl. dazu THOMAS MERKLI/ARTHUR AESCHLIMANN/RUTH HERZOG, Kommentar zum Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege im Kanton Bern, Bern 1997, N. 9 ff. zu Art. 39 VRPG). Dieses Formerfordernis ist hier beachtet worden: Die protokollierten Parteiverhandlungen zum adhäsionsweise anhängig gemachten Zivilpunkt standen unter der Leitung des Vorsitzenden des Geschwornengerichts (bzw. Kriminalkammer); der Vertragstext fand anschliessend Aufnahme in die Urteilsmotive und der Vergleich wurde im Urteilsdispositiv ausdrücklich genehmigt. Damit liegt ein gerichtlicher Vergleich vor.
b) Mit dem gerichtlichen Vergleich einigen sich die Parteien über den Streitgegenstand ( BGE 121 III 397 E. 2c S. 404 f. mit Hinweisen). Der (gerichtliche) Vergleich ist im Bundesprivatrecht nicht geregelt und daher Innominatskontrakt; als solcher untersteht er den Regeln des Obligationenrechts und ist wegen Übervorteilung sowie insbesondere wegen Willensmängeln anfechtbar (vgl. BGE 114 Ib 74 E. 1; BGE 110 II 44 E. 4 S. 46 ff.; BGE 105 II 273 E. 3a S. 277; WALTHER J. HABSCHEID, Schweizerisches Zivilprozess- und Gerichtsorganisationsrecht, 2. Auflage, Basel und Frankfurt am Main, 1990, Rz. 312, S. 171; HANS PETER WALTER, Parteiautonome Prozesserledigung und Willensmängel, in: Mitteilungen aus dem Institut für zivilgerichtliches Verfahren in Zürich, Heft Nr. 22/1997, S. 7 ff.). Einem gerichtlichen Vergleich sind jedoch nur Ansprüche zugänglich, über welche die Parteien frei verfügen können (LEUCH/MARBACH/KELLERHALS, a.a.O., lit. 2c zu Art. 207, S. 443; MAX GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, Zürich 1979, Ziff. 5, S. 395). Das Gericht hat vom Vergleichsabschluss grundsätzlich nur Kenntnis zu nehmen und die Prozesserledigung festzustellen, nicht aber die Angemessenheit des Vereinbarten zu überprüfen (vgl. BGE 99 II 359 E. 3c mit Hinweisen). Bloss dort, wo das Vereinbarte offensichtlich nicht vor dem Recht standhält (wie etwa bei Übervorteilung einer Partei), hat das Gericht die Erledigungserklärung zu versagen, was die Parteien zwingt, den Prozess über den Streitgegenstand fortzuführen oder sich anders zu vergleichen (MAX KUMMER, Grundriss des Zivilprozessrechts, Bern 1984, S. 150). Hingegen hat der Richter zumindest zu prüfen, ob der Vergleich klar und vollständig ist. Ist der Vergleich mangelhaft, so ist es Pflicht des Gerichts, auf seine Verbesserung hinzuwirken (LEUCH/MARBACH/KELLERHALS, a.a.O., lit. 2d zu Art. 207 S. 444; MAX GULDENER, a.a.O., S. 396 Ziff. 7).
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c) Im bernischen Zivilprozess (vgl. Art. 152 und Art. 397 Abs. 3 ZPO ) und in der bernischen Verwaltungsrechtspflege (vgl. Art. 114 Abs. 3 VRPG) wird der gerichtliche Vergleich ausdrücklich einem rechtskräftigen Urteil gleichgestellt. Er kann wie ein Urteil vollstreckt werden und stellt einen definitiven Rechtsöffnungstitel dar (vgl. Art. 80 Abs. 2 SchKG ; BGE 114 Ib 74 E. 1 S. 78; LEUCH/MARBACH/KELLERHALS, a.a.O., Ziff. 1 und 2 zu Art. 152 ZPO , S. 318 f. und Ziff. 3d zu Art. 207 ZPO ; MERKLI/AESCHLIMANN/HERZOG, a.a.O., N. 9 f. zu Art. 114 Abs. 3 VRPG). Der gerichtliche Vergleich verschafft somit dem Gläubiger im Verhältnis zur aussergerichtlichen Einigung einen Vorteil hinsichtlich der (sofortigen) Eintreibung seiner Forderung. Anderseits bleibt der gerichtliche Vergleich ein der Privatautonomie unterliegender Vertrag, dessen Inhalt von den Parteien und nicht vom Gericht bestimmt wird. Letzteres nimmt nur eine rudimentäre, gleichsam auf Rechtsmissbrauch beschränkte, inhaltliche Prüfung vor. Die Gleichstellung von Urteil und gerichtlichem Vergleich ist mithin keine absolute, was für den hier zu beurteilenden Fall von Bedeutung ist.
d) Es stellt sich die Frage, welche Wirkungen der zwischen dem Opfer und dem Täter abgeschlossene gerichtliche Vergleich über die zivilrechtliche Genugtuung auf den dem Opfer allenfalls nach Art. 12 Abs. 2 OHG zustehenden Genugtuungsanspruch hat.
aa) Im Zusammenhang mit dem administrativen Führerausweisentzug hat das Bundesgericht festgehalten, grundsätzlich seien Führerausweisentzug und Strafe voneinander unabhängig; Administrativbehörden und Strafrichter seien dementsprechend aufgrund des Gewaltenteilungsprinzips gegenseitig nicht an ihre Erkenntnisse gebunden ( BGE 109 Ib 203 ). Die dadurch entstehende Gefahr sich widersprechender Entscheide verletze aber wesentliche Interessen der Rechtseinheit und Rechtssicherheit. Die Administrativbehörde solle deshalb nicht ohne Not von den tatsächlichen Feststellungen der Strafbehörde abweichen, insbesondere, wenn aufgrund eingehender Sachverhaltsabklärungen und Beweisabnahmen ein Strafverfahren sachnäher sei ( BGE 115 Ib 163 E. 2a S. 164 mit Hinweisen; RENÉ A. RHINOW, BEAT KRÄHENMANN, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband, Basel und Frankfurt a.M., 1990, Nr. 49, S. 158). Anderseits darf die Administrativbehörde namentlich dann von den tatsächlichen Feststellungen des Strafrichters abweichen, wenn sie aufgrund eigener Beweiserhebungen Tatsachen feststellt, die dem Strafrichter unbekannt waren oder die er nicht beachtet hat, ferner wenn neue Tatsachen vorliegen, deren Würdigung
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zu einem abweichenden Entscheid führt, weiter wenn die Beweiswürdigung des Strafrichters feststehenden Tatsachen klar widerspricht oder wenn der Strafrichter bei der Anwendung des geltenden Rechts auf den Sachverhalt nicht alle Rechtsfragen abgeklärt hat ( BGE 109 Ib 203 E. 1, S. 204 f.). In reinen Rechtsfragen ist die Verwaltungsbehörde dagegen nicht an die Beurteilung durch den Strafrichter gebunden, da sie sonst in ihrer freien Rechtsanwendung beschränkt würde ( BGE 115 Ib 163 E. 2a S. 164 mit Hinweis; RHINOW/KRÄHENMANN, a.a.O., S. 158 f.). Verzichtet die Verwaltung auf eine eigene Beweiserhebung, sollte sie die von der anderen Instanz gemachte Beweiswürdigung anerkennen, wenn sie nicht feststehenden Tatsachen klar widerspricht ( BGE 101 Ib 270 E. 1b S. 274).
bb) Diese Rechtsprechung in bezug auf das Verhältnis der Administrativ- zu den Strafbehörden kann auf Sachverhalte, wie hier einer vorliegt, sinngemäss angewendet werden. Dabei sind insbesondere die folgenden Unterschiede und Gemeinsamkeiten der von den Opferhilfeinstanzen einerseits und den Straf- oder Zivilgerichten anderseits zu fällenden Entscheide zu berücksichtigen.
Bei den im Strafverfahren aufgrund einer Adhäsionsklage oder in einem Zivilprozess beurteilten Ansprüchen handelt es sich um Forderungen unter Privaten und nicht um Ansprüche gegenüber dem Staat, wie dies nach dem Opferhilfegesetz der Fall ist. Nicht identisch sind zudem im Verhältnis OR zu OHG der Rechtsgrund bzw. die rechtliche Natur der in Frage stehenden Leistungen. Dies kann zu Unterschieden in den Entschädigungssystemen führen ( BGE 121 II 369 E. 3c/aa S. 373). Wie jedoch das Bundesgericht (in BGE 123 II 210 E. 3b/aa S. 215) festgestellt hat, stimmen in der Frage, ob ein (wesentliches) Mitverschulden des Opfers den gänzlichen Ausschluss einer Genugtuung nach OHG rechtfertigen könne, das OHG und die zivilrechtlichen Grundsätze gemäss Art. 47 und 44 OR weitgehend überein. Zudem betrachtete es das Bundesgericht als sinnvoll, wenn sich die Bemessung der Genugtuung nach dem Opferhilfegesetz nicht zu weit von den zivilrechtlichen Grundsätzen entfernt. Ansonsten könnte sich etwa ein Opfer, das bereits ein rechtskräftiges Urteil auf Genugtuung gegen den Täter erwirkt habe und nun ein Gesuch um Opferhilfe mangels Zahlungskraft des Täters einreiche, nicht auf dieses Urteil stützen; statt dessen müsste erneut eine Genugtuungssumme festgesetzt werden - diesmal nach den speziellen Kriterien des Opferhilfegesetzes ( BGE 123 II 210 E. 3b/dd S. 216). Es kommt hinzu, dass der Entschädigungs- oder Genugtuungsanspruch nach OHG im Verhältnis zu jenem nach OR in dem
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Sinne subsidiär ist, dass Leistungen, die das Opfer nach OR erhalten hat, von der Entschädigung oder der Genugtuung nach OHG abgezogen werden bzw., dass der Staat im Umfang seiner Leistungen in die entsprechenden zivilrechtlichen Ansprüche subrogiert ( Art. 14 Abs. 1 und 2 OHG ). Das OHG will sodann dem Opfer wirksame Hilfe verschaffen und ihm die Geltendmachung von Zivilansprüchen möglichst erleichtern (vgl. dazu BGE 123 II E. 35 und 120 Ia 101 E. 2e).
cc) Läge somit im hier zu entscheidenen Fall ein Urteil einer Strafbehörde über die Zivilansprüche gemäss Art. 47 OR vor, in welchem dem Opfer nach umfassenden Sachverhaltsfeststellungen, Beweiswürdigungen und rechtlichen Erwägungen eine Genugtuung in bestimmter Höhe zugesprochen worden wäre, dann dürften die OHG-Behörden nur unter den oben (E. 3d/aa und bb) geschilderten Voraussetzungen vom Strafurteil abweichen. Hier liegt jedoch kein solches Urteil vor: Die Parteien haben einen Vergleich abgeschlossen, der vom Gericht zwar genehmigt worden ist, zu dem es jedoch inhaltlich nicht Stellung genommen hat. Aus den Erwägungen des Urteils des Geschwornengerichts ist nicht ersichtlich, dass das Gericht aufgrund seiner eigenen rechtlichen Würdigung und aufgrund eigener umfassender Sachverhaltsabklärungen diese Genugtuung vorgeschlagen hat. Insbesondere hat sich das Geschwornengericht weder mit den Voraussetzungen des Genugtuungsanspruchs noch mit der Festsetzung der Höhe einer Genugtuung bzw. mit allfälligen Herabsetzungsgründen auseinandergesetzt. Es rechtfertigt sich somit nicht, diesen gerichtlichen Vergleich - wie ein Urteil - als für die OHG-Behörden (einschliesslich des Verwaltungsgerichts) verbindlich anzusehen. Die OHG-Behörden sind befugt, aufgrund der vom Geschwornengericht getätigten Sachverhaltsfeststellungen und Beweiswürdigungen ihre eigenen rechtlichen Erwägungen zur Frage der Genugtuung anzustellen.
Aus diesen Gründen war das Verwaltungsgericht nicht an die im gerichtlichen Vergleich enthaltene Genugtuung gebunden.

4. (zur Frage der teilweisen oder vollständigen Verweigerung der Genugtuung nach OHG infolge Selbstverschuldens des Opfers: BGE 121 II 369 E. 3c/aa S. 373 und E. 4 S. 375).

5. a) Das Verwaltungsgericht führte aus, es sei unbestritten, dass der Beschwerdeführer durch die Verletzung in seinen persönlichen Verhältnissen schwer betroffen worden sei. Er habe das schädigende Ereignis nicht selber zu verantworten. Der Täter habe ihn durch einen Schuss in den Bauch verletzt. Den Beschwerdeführer
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treffe jedoch ein erhebliches Mitverschulden, weil er den Täter verbal schwer bedroht und provoziert habe. Diese Drohungen hätten indessen den Kausalzusammenhang zwischen der Tathandlung und dem eingetretenen Erfolg, d.h. zwischen der gezielten Schussabgabe aus geringer Distanz und der Bauchverletzung nicht unterbrechen können. Im weiteren berücksichtigte das Verwaltungsgericht jedoch das Verhalten des Beschwerdeführers im Hinblick auf die von Art. 12 Abs. 2 OHG geforderten "besonderen Umstände". In dieser Hinsicht könnten u.a. die besonderen Schmerzen, lange Krankenhausaufenthalte, Narben (kosmetische Schäden) und die Folgen der Verletzung auf die Erwerbsfähigkeit und den Berufswunsch des Opfers (Invaliditätsschäden) berücksichtigt werden. Auch seelische und sexuelle Störungen seien zu beachten. Als besonderen Umstand betrachtete das Verwaltungsgericht - bezogen auf den vorliegenden Fall -, das sehr schwere Verschulden des Täters, der dem Beschwerdeführer aus kurzer Distanz gezielt in den Bauch geschossen habe, obwohl er gewusst habe, dass er den Beschwerdeführer damit tödlich hätte verletzen können. Hingegen habe der Täter auf den Beschwerdeführer geschossen, weil er subjektiv der Auffassung gewesen sei, er befinde sich wegen der Bedrohung durch den Beschwerdeführer und dessen Bruder in einer Notwehrsituation. Die vom Beschwerdeführer ausgesprochene Drohung sei als Todesdrohung verstanden worden. Aus diesen Gründen habe das Geschwornengericht dem Täter zugebilligt, er habe in Putativnotwehr einen vermeintlichen Angriff abgewehrt, wobei er die Grenzen angemessener Notwehr überschritten habe. Die Erfahrung zeige, dass in den Kreisen des Beschwerdeführers oft heftig auf Provokationen reagiert werde. Es sei dem Verhalten des Beschwerdeführers und demjenigen seines Bruders zuzuschreiben, dass die Spannung habe entstehen und eskalieren können. Bei dieser Sachlage könne im Verschulden des Täters kein hinreichender Grund für die Annahme eines besonderen Umstandes erblickt werden. Die bloss vorübergehende Arbeitsunfähigkeit rechtfertige die Annahme besonderer Umstände nicht. Auch habe der Beschwerdeführer weder seelischen Schaden zu beklagen, noch mache er einen kosmetischen Schaden geltend. Der Beschwerdeführer habe aufgrund der Körperverletzung keine bleibende Beeinträchtigung physischer oder psychischer Art erlitten. Es sei somit keine Beeinträchtigung im Sinne der Lehre und Rechtsprechung ersichtlich, die es auszugleichen gelte. Aus diesen Gründen verweigerte das Verwaltungsgericht die Zusprechung einer Genugtuung nach Art. 12 Abs. 2 OHG .
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b) Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe nicht damit rechnen müssen, für seine Drohungen mit einer Kugel in den Bauch bestraft zu werden. Die Notwehr sei völlig putativ gewesen; es habe keine objektiven Anhaltspunkte für eine Notwehrsituation gegeben. Das Geschwornengericht habe festgestellt, es sei beweismässig erstellt, dass der Angeklagte weder von ihm - dem Beschwerdeführer - noch von dessen Bruder angegriffen worden sei und es gebe objektiv auch keine Anzeichen dafür, dass ein solcher Angriff unmittelbar bevorgestanden habe. Der Täter hätte genügend Zeit gehabt, das Opfer vorgängig zu warnen und hätte beispielsweise einen Warnschuss abgeben können. Zudem habe das Geschwornengericht festgestellt, der Täter habe exzessiv und nicht in einem Affektzustand gehandelt. Weiter müsse man trennen zwischen den Voraussetzungen für eine Genugtuung und der allfälligen Herabsetzung des Betrages wegen Mitverschuldens, wobei ein relativ geringes Mitverschulden des Opfers keinesfalls zum gänzlichen Ausschluss einer Genugtuung führen dürfe. Stelle man das Verschulden des Täters demjenigen des Opfers gegenüber, so sei klar, dass wegen unverhältnismässiger Reaktion des Täters eine Genugtuungssumme geschuldet sei, die allenfalls reduziert werden könne. Doch könne diese Reduktion nur bei schwerwiegendem Selbstverschulden vorgenommen werden, was dem Beschwerdeführer im vorliegenden Fall nicht vorgeworfen werden könne. Die besonderen Umstände seien angesichts der Schmerzen, der viermonatigen Arbeitsunfähigkeit, der relativ langen Leidenszeit sowie der Komplikationen gegeben. Schliesslich zitiert der Beschwerdeführer verschiedene Fälle von Genugtuungszahlungen, die er mit der von ihm erlittenen Beeinträchtigung vergleicht.
c) Aus den Akten - insbesondere dem Urteil des Geschwornengerichts - ergibt sich, dass dem Beschwerdeführer keine strafrechtlich relevante Handlung vorgeworfen wurde. Der Täter wurde hingegen wegen versuchter vorsätzlicher Tötung verurteilt. Wie bereits das Verwaltungsgericht festgehalten hat, ist das provokative Verhalten des Beschwerdeführers vorliegend nicht dermassen gravierend, dass die Straftaten des Täters als zwingend bzw. als ohne weiteres voraussehbar qualifiziert werden müssten. Von einer den Kausalzusammenhang der Ereignisse unterbrechenden Handlung durch den Beschwerdeführer kann somit nicht die Rede sein. Da der Beschwerdeführer auch nicht in seine Verletzung eingewilligt hat, sind die beiden möglichen Voraussetzungen für den Ausschluss einer Genugtuung vorliegend nicht erfüllt. Wie oben dargestellt, darf eine an
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sich geschuldete Genugtuung wegen Mitverschuldens des Opfers weder nach OR noch nach OHG ganz verweigert werden. Indessen kann ein (auch nur untergeordnetes) Mitverschulden zu einer Reduktion des Genugtuungsanspruches führen. Der Beschwerdeführer hat - aus nichtigem Anlass - mehrmals heftige Drohungen gegen den Täter ausgesprochen. Auch wenn er nicht mit der - unbestrittenermassen - unverhältnismässigen Reaktion hat rechnen müssen, so hat er doch einen wesentlichen Beitrag zum Streit geliefert, der in der Folge eskalierte. Damit hat er sich - selbst wenn er keine Straftaten begangen hat - in eine kritische und konfliktgeladene Situation begeben, die sich auch zu Tätlichkeiten hat entwickeln können. Dieser Umstand darf bei der Beurteilung der Genugtuung, angesichts des grossen Ermessens der Behörden in diesem Bereich, durchaus im Sinne eines relevanten Mitverschuldens berücksichtigt werden. Hingegen darf die Genugtuung wegen des Selbstverschuldens nicht ganz verweigert werden. Beim Mitverschulden handelt es sich nur um einen Aspekt zur Beurteilung der Genugtuung, dem die relativ schwerwiegende Beeinträchtigung der Gesundheit des Beschwerdeführers, dessen Schmerzen, Narben und Arbeitsunfähigkeit gegenüberstehen. Diese körperlichen und seelischen Schäden vermögen an sich grundsätzlich den Anspruch auf eine Genugtuung zu begründen.
Durch die gänzliche Verweigerung einer Genugtuung hat das Verwaltungsgericht dem Selbstverschulden des Beschwerdeführers zuviel Gewicht beigemessen und Art. 12 Abs. 2 OHG verletzt.
d) Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist somit gutzuheissen und der angefochtene Entscheid aufzuheben. Da sich noch keine kantonale Verwaltungs- oder Verwaltungsjustizbehörde mit der Höhe einer Genugtuung auseinandergesetzt hat, ist die Sache zur Festsetzung einer solchen an die Vorinstanz zurückzuweisen ( Art. 114 Abs. 2 OG ).

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