Urteilskopf
124 IV 297
49. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 23. September 1998 i.S. R. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste
Art. 47 Abs. 1 lit. a LMG
und
Art. 48 Abs. 1 lit. g LMG
.
Diese Straftatbestände erfüllt auch, wer Lebensmittel lagert, transportiert oder abgibt, die, wie er weiss oder bei pflichtgemässer Sorgfalt wissen könnte, so beschaffen sind, dass sie bei ihrem üblichen Gebrauch die Gesundheit gefährden bzw. nicht den Anforderungen dieses Gesetzes entsprechen (E. I).
Ungehorsam gegen amtliche Verfügungen (
Art. 292 StGB
).
Die vom Kantonschemiker gegenüber einem im Früchte- und Gemüsegrosshandel tätigen Unternehmen erlassene Verfügung, innert Frist ein schriftliches Qualitätssicherungskonzept vorzulegen, ist nicht offensichtlich bundesrechtswidrig (E. II/4c).
Sie ist inhaltlich ausreichend bestimmt (E. II/4d).
Anforderungen an den Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels (E. II/4e).
A.-
1. Anlässlich einer Probenerhebung durch das Kant. Laboratorium Solothurn im Lager des Grosshandelsunternehmens X. AG vom 30. Januar 1996 wurden in Nüsslersalat 27,8 mg/kg des Fungizides Iprodion (bei einem Toleranzwert von 10 mg/kg für Salat gemäss Anhang zur Verordnung des EDI vom 26. Juni 1995 über Fremd- und Inhaltsstoffe in Lebensmitteln, FIV; SR 817.021.23) und in Chinakohl 1680 mg/kg Nitrat (bei einem Toleranzwert von 1500 mg/kg für Chinakohl gemäss FIV) festgestellt.
2. Mit Verfügung vom 5. Dezember 1995 wies der Kantonschemiker von Solothurn die Verantwortlichen der X. AG an, bis spätestens am 31. Januar 1996 ein schriftliches Qualitätssicherungskonzept auszuarbeiten und der Lebensmittelkontrolle vorzulegen. Der Aufforderung wurde keine Folge geleistet.
B.-
Das Obergericht des Kantons Solothurn sprach den Geschäftsführer der X. AG am 30. Januar 1998 der mehrfachen fahrlässigen Übertretung des Lebensmittelgesetzes im Sinne von Art. 48 Abs. 1 lit. g des Bundesgesetzes über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände vom 9. Oktober 1922 (LMG; SR 817.0) und des Ungehorsams gegen eine amtliche Verfügung gemäss
Art. 292 StGB
schuldig und verurteilte ihn deswegen zu einer Busse von 750 Franken.
C.-
R. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn beantragt die Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht hat die Nichtigkeitsbeschwerde abgewiesen.
BGE 124 IV 297 S. 299
Aus den Erwägungen:
I.1.
a) Gemäss den Ausführungen im angefochtenen Urteil hat die als Zwischenhändlerin im Frucht- und Gemüsebereich tätige X. AG die beanstandete Ware von Herstellern oder Lieferanten übernommen, zwischengelagert und an Detaillisten weitergeleitet. Damit habe sie die Waren zumindest gelagert und abgegeben. Dies seien im Sinne von
Art. 47 und 48 LMG
tatbestandsmässige Handlungen. Wenn der Beschwerdeführer einwende, die X. AG habe die Ware nicht im tatbestandsmässigen Sinne transportiert und gelagert, so verkenne er, dass es nicht darum gehe, dass die Ware durch die Lagerung kontaminiert worden sei, sondern vielmehr um die Lagerung kontaminierter Ware schlechthin. Als tatbestandsmässiger Erfolg sei das Inverkehrbringen kontaminierter Ware bzw. die damit verbundene Gefährdung der Gesundheit der Konsumenten anzusehen. Bei der X. AG seien erwiesenermassen Produkte festgestellt worden, bei welchen die Toleranzwerte und zum Teil sogar die Grenzwerte in Bezug auf bestimmte Stoffe überschritten worden seien. Solche Ware habe die X. AG mehrfach in Verkehr gebracht. Die Handlungen der X. AG bzw. des Beschwerdeführers seien für den inkriminierten Erfolg, die Gefährdung der Konsumenten, adaequat kausal gewesen. Die Vorinstanz legt sodann mit ausführlicher Begründung dar, dass und inwiefern das Verhalten des Beschwerdeführers objektiv pflichtwidrig, der Eintritt des Erfolges objektiv voraussehbar und vermeidbar, die Beachtung der gebotenen Sorgfalt zumutbar und die Verletzung der Sorgfaltspflicht für den tatbestandsmässigen Erfolg relevant gewesen sei. Der verpönte Erfolg sei für den Beschwerdeführer auch subjektiv erkennbar und vermeidbar gewesen. Der Beschwerdeführer habe somit in sechs Fällen tatbestandsmässig, rechtswidrig und schuldhaft gehandelt. Die Vorinstanz hält sodann fest, die X. AG sei aber in Bezug auf vier inkriminierte Sachverhalte bereits verwarnt worden. Gemäss
Art. 31 Abs. 2 LMG
könne die zuständige Vollzugsbehörde in besonders leichten Fällen auf eine Strafanzeige verzichten und den Verantwortlichen verwarnen (Satz 1); in diesem Fall entfalle jede weitere Strafe (Satz 2). In vier Anklagepunkten sei der Beschwerdeführer demnach abweichend vom erstinstanzlichen Entscheid freizusprechen. Somit seien nur noch zwei eingeklagte Sachverhalte zu beurteilen, nämlich die Überschreitung des Toleranzwertes in Bezug auf Iprodion im Nüsslersalat und die Überschreitung des Toleranzwertes hinsichtlich Nitrat im Chinakohl. Insoweit hat sich der Beschwerdeführer
BGE 124 IV 297 S. 300
nach Auffassung der Vorinstanz der (fahrlässigen) Übertretung im Sinne von
Art. 48 Abs. 1 lit. g LMG
schuldig gemacht.
b) Der Beschwerdeführer macht geltend, den Akten seien keinerlei Hinweise zu entnehmen, dass die den Toleranzwert unstreitig überschreitende Anreicherung des Nüsslersalats mit dem Pflanzenschutzmittel Iprodion und des Chinakohls mit dem Inhaltsstoff Nitrat in irgendeinem Zusammenhang mit der Behandlung dieser Ware durch die X. AG bzw. durch ihn selbst stehen könnte. Vielmehr stehe fest, dass die fraglichen Sendungen Nüsslersalat bzw. Chinakohl von der X. AG franko Lager gekauft und durch die Lieferanten angeliefert worden seien. Die X. AG bzw. der Beschwerdeführer hätten somit nichts anderes getan, als die im Verantwortungsbereich Dritter verunreinigte Ware in ihrem Lager einzulagern, wo in der Folge die beanstandeten Proben entnommen worden seien. Die Vorinstanz halte im angefochtenen Urteil denn auch selber fest, «dass es nicht darum geht, dass die Ware durch die Lagerung kontaminiert worden ist, sondern vielmehr um die Lagerung kontaminierter Ware schlechthin». Die Lagerung kontaminierter Ware sei aber entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht gemäss
Art. 48 Abs. 1 lit. g LMG
strafbar, wie sich sowohl aus dem Wortlaut als auch aus Sinn und Zweck der Bestimmung ergebe. Unzutreffend sei auch die Auffassung der Vorinstanz, dass die Gefährdung der Konsumenten der tatbestandsmässige Erfolg und die ihm zur Last gelegte Handlung für diesen Erfolg adaequat kausal sei. Der Erfolg der Straftat gemäss
Art. 48 Abs. 1 lit. g LMG
bestehe nach dem Gesetzeswortlaut darin, dass Lebensmittel den Anforderungen des Gesetzes nicht entsprechen, etwa weil Toleranzwerte überschritten werden und das Lebensmittel daher (gemäss Art. 2 Abs. 3 der Verordnung über Fremd- und Inhaltsstoffe in Lebensmitteln) als verunreinigt oder sonst im Wert vermindert gilt. Für diesen Erfolg müsse die Täterhandlung etwa des Lagerns kausal sein. Indem die Vorinstanz stattdessen in einer Gefährdung der Gesundheit der Konsumenten den tatbestandsmässigen Erfolg sehe, dispensiere sie sich davon, die Täterhandlung des Lagerns unter dem Aspekt des Kausalzusammenhangs zum Verletzungserfolg zu untersuchen, der im Sinne von
Art. 48 Abs. 1 lit. g LMG
eben darin bestehe, dass die Handlung die Verunreinigung oder Wertverminderung der Ware befördert haben müsse. Die Vorinstanz setze sich über den Grundsatz der Adaequanz des Kausalzusammenhangs hinweg, indem sie eine Toleranzwertüberschreitung fälschlicherweise mit einer Gefährdung des Rechtsguts der Gesundheit des Konsumenten gleichsetze und diesen Erfolg
BGE 124 IV 297 S. 301
ohne weiteres als durch die Täterhandlung des Lagerns herbeigeführt erachte.
c) Die vorinstanzlichen Erwägungen gehen insoweit an der Sache vorbei, als sie auch auf die von der 1. Instanz unter
Art. 47 Abs. 1 lit. a und lit. e LMG
subsumierten Anklagepunkte Bezug nehmen, in denen die Vorinstanz den Beschwerdeführer abweichend von der 1. Instanz letztlich in Anwendung von
Art. 31 Abs. 2 LMG
wegen Vorliegens einer Verwarnung freigesprochen hat, so dass nur noch zwei Fälle übrig blieben, in welchen lediglich Toleranzwertüberschreitungen vorlagen und daher nur eine Anwendung von
Art. 48 Abs. 1 lit. g LMG
in Betracht kam.
I.2.
Das LMG, in Kraft seit 1. Juli 1995, erfasst gemäss Art. 2 («Geltungsbereich») unter anderem das Herstellen, Behandeln, Lagern, Transportieren und Abgeben von Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen (
Art. 2 Abs. 1 lit. a LMG
). Diese fünf Begriffe betreffend die relevanten Verhaltensweisen werden auch in den Strafbestimmungen des Lebensmittelgesetzes verwendet. Gemäss
Art. 47 LMG
(«Vergehen») wird mit Gefängnis (bei Fahrlässigkeit mit Gefängnis bis zu sechs Monaten, Abs. 3) oder Busse bestraft, wer Nahrungsmittel so herstellt, behandelt, lagert, transportiert oder abgibt, dass sie bei ihrem üblichen Gebrauch die Gesundheit gefährden (Abs. 1 lit. a). Nach
Art. 48 Abs. 1 lit. g LMG
wird mit Haft oder Busse bis zu 20'000 Franken bestraft, wer vorsätzlich oder fahrlässig Lebensmittel, Zusatzstoffe oder Gebrauchsgegenstände so herstellt, behandelt, lagert, transportiert oder abgibt, dass sie den Anforderungen dieses Gesetzes nicht entsprechen (quiconque aura fabriqué, traité, entreposé, transporté ou distribué des denrées alimentaires ... de telle façon qu'ils ne sont pas conformes aux exigences de la présente loi; chiunque fabbrica, tratta, deposita, trasporta o distribuisce derrate alimentari ... in modo che essi non soddisfino le esigenze della presente legge).
a) Der Wortlaut dieser Strafbestimmungen könnte die Annahme nahe legen, dass die darin genannten Handlungen nur dann tatbestandsmässig sind, wenn sie eine bestimmte, mangelhafte Beschaffenheit der Lebensmittel zur Folge haben, wenn also die Lebensmittel infolge der Tathandlungen so beschaffen sind, dass sie bei ihrem üblichen Gebrauch die Gesundheit gefährden (
Art. 47 Abs. 1 lit. a LMG
) bzw. nicht den Anforderungen dieses Gesetzes entsprechen (
Art. 48 Abs. 1 lit. g LMG
). Eine derartige Einschränkung des Anwendungsbereichs der Strafbestimmungen entspricht indessen sowohl in Bezug auf die Tathandlung des Abgebens als auch hinsichtlich
BGE 124 IV 297 S. 302
der Tathandlungen des Lagerns und Transportierens weder dem Sinn des Gesetzes noch dem Willen des Gesetzgebers.
b) aa) Es entspricht einem allgemeinen, grundlegenden strafrechtlichen Konzept, nicht nur denjenigen zu bestrafen, der zur verpönten Mangelhaftigkeit eines Produkts bei der Herstellung beiträgt, sondern auch denjenigen, der ein solches mangelhaftes Produkt in Verkehr bringt. Gerade auch das Inverkehrbringen läuft dem Zweck des Lebensmittelgesetzes zuwider, der gemäss
Art. 1 lit. a LMG
unter anderem darin besteht, die Konsumenten vor Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen zu schützen, welche die Gesundheit gefährden können.
bb) Das alte, bis Ende Juni 1995 geltende Bundesgesetz betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen vom 8. Dezember 1905 (BS 4 459) unterschied in seiner Strafbestimmung zwischen dem Herstellen und Behandeln von Lebensmitteln etc. einerseits und dem Feilhalten bzw. Inverkehrbringen andererseits. Gemäss
Art. 38 Abs. 1 aLMG
wurde bestraft, wer (vorsätzlich oder fahrlässig) «Lebensmittel oder Gebrauchs- und Verbrauchsgegenstände so herstellt oder behandelt, dass ihr Genuss oder Gebrauch gesundheitsschädlich oder lebensgefährlich ist» (al. 1), und wer «gesundheitsschädliche oder lebensgefährliche Lebensmittel und Gebrauchs- oder Verbrauchsgegenstände feilhält oder sonst in Verkehr bringt» (al. 2). Die Tathandlung des Feilhaltens bzw. Inverkehrbringens war mithin schon dann tatbestandsmässig, wenn die feilgebotenen bzw. in Verkehr gebrachten Lebensmittel etc. gesundheitsschädlich bzw. lebensgefährlich waren, und nicht nur dann, wenn diese gefährlichen Eigenschaften des Lebensmittels gerade durch die Art und Weise des Feilhaltens bzw. Inverkehrbringens geschaffen respektive verstärkt wurden.
Allerdings geht der Geltungsbereich auch der Strafbestimmungen des neuen Lebensmittelgesetzes über den Anwendungsbereich des alten Gesetzes weit hinaus. Das neue Recht erfasst nicht nur lebensgefährliche und gesundheitsschädliche Lebensmittel etc., sondern auch gesundheitsgefährdende Lebensmittel und, im Übertretungstatbestand, Lebensmittel etc., die «den Anforderungen dieses Gesetzes nicht entsprechen», etwa weil irgendein Toleranzwert überschritten ist. Es fehlen jedoch Anhaltspunkte, die dafür sprechen, dass der Gesetzgeber etwa aus diesem Grunde die Tatbestandsmässigkeit der Tathandlung des Abgebens von Lebensmitteln auf diejenigen Fälle beschränken wollte, in denen durch die Art und Weise des Abgebens die gesundheitsgefährdenden bzw. die den gesetzlichen Anforderungen
BGE 124 IV 297 S. 303
nicht entsprechenden Eigenschaften des Lebensmittels erst geschaffen oder verstärkt werden. Dies hätte zur Folge, dass nach dem neuen Lebensmittelgesetz im Unterschied zum alten Recht selbst das Abgeben von lebensgefährlichen oder gesundheitsschädlichen Lebensmitteln als solches nicht mehr tatbestandsmässig wäre. Ein solches merkwürdiges Ergebnis kann der Gesetzgeber nicht gewollt haben.
cc) Aus mehreren Bemerkungen in der bundesrätlichen Botschaft zum Lebensmittelgesetz (BBl 1989 I 893 ff.) geht hervor, dass das vorsätzliche oder fahrlässige Abgeben von gesundheitsgefährdenden bzw. nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Lebensmitteln schon als solches gemäss Art. 47 Abs. 1 lit. a bzw.
Art. 48 Abs. 1 lit. g LMG
strafbar ist. Die Botschaft hält fest, der Entwurf verbiete grundsätzlich, «Lebensmittel so in den Verkehr zu bringen, dass sie bei üblichem Gebrauch die Gesundheit gefährden können» (S. 906 unten). Das Gesetz, dessen Strafbestimmungen denjenigen des Entwurfs entsprechen, verbietet mit andern Worten, Lebensmittel so beschaffen in den Verkehr zu bringen, dass sie bei ihrem üblichen Gebrauch die Gesundheit gefährden können. Es ist mithin verboten, Lebensmittel in den Verkehr zu bringen, welche gesundheitsgefährdend sind bzw. nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Die Botschaft weist darauf hin, dass «die Produktion und Abgabe gesundheitsgefährdender Nahrungsmittel ... als allgemeines Delikt gegen die öffentliche Gesundheit» eigentlich in das Strafgesetzbuch eingefügt werden müsste, worauf aber verzichtet worden sei, da andere Strafbestimmungen des Lebensmittelgesetzes tatsächlich in das Nebenstrafrecht gehören und eine Neuaufteilung der Strafbestimmungen auf zwei Gesetze vermieden werden sollte (S. 958/959). Wenn nach dem in der Botschaft unter anderem zitierten
Art. 236 StGB
das Inverkehrbringen von gesundheitsschädlichem Futter (für Haustiere) schon als solches tatbestandsmässig ist, dann muss auch das Abgeben von gesundheitsgefährdenden oder nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Lebensmitteln etc. (für Menschen) als solches tatbestandsmässig sein. Laut Botschaft bezieht sich
Art. 48 Abs. 1 lit. g LMG
auf «Art. 4 (Auffangtatbestand)» (S. 960). Art. 4 des bundesrätlichen Entwurfs entspricht
Art. 6 LMG
(«Grundsatz»), nach dessen Abs. 1 Lebensmittel, Zusatzstoffe und Gebrauchsgegenstände, die den Anforderungen des Gesetzes und seinen Ausführungsbestimmungen nicht entsprechen, insbesondere jene, die Grenz- oder Toleranzwerte überschreiten, nicht oder nur mit Auflagen verwendet oder an den
BGE 124 IV 297 S. 304
Konsumenten abgegeben werden dürfen. Wenn nach der zitierten Bemerkung in der Botschaft
Art. 48 Abs. 1 lit. g LMG
sich auf diesen Grundsatz bezieht, so spricht dies dafür, dass den Tatbestand erfüllt, wer vorsätzlich oder fahrlässig Lebensmittel abgibt, die nicht den Anforderungen dieses Gesetzes entsprechen, insbesondere solche, welche Grenz- oder Toleranzwerte überschreiten.
dd) Nach
Art. 47 Abs. 1 lit. e LMG
macht sich strafbar, wer gesundheitsgefährdende Lebensmittel oder Gebrauchsgegenstände ein- oder ausführt. Wenn somit die Einfuhr und die Ausfuhr von gesundheitsgefährdenden Lebensmitteln tatbestandsmässig ist, spricht dies dafür, dass auch das Abgeben von gesundheitsgefährdenden bzw. nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Lebensmitteln im Inland schon als solches tatbestandsmässig ist. Es ist ferner nicht ersichtlich, wie anders als durch Missachtung von Vorschriften über den hygienischen Umgang (s.
Art. 15 LMG
) Lebensmittel im Sinne des Gesetzeswortlauts so abgegeben werden könnten, dass sie bei ihrem üblichen Gebrauch die Gesundheit gefährden bzw. nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Die Zuwiderhandlung gegen die Vorschriften über den hygienischen Umgang mit Lebensmitteln wird aber bereits von
Art. 48 Abs. 1 lit. a LMG
erfasst.
ee) Strafbar im Sinne von Art. 47 Abs. 1 lit. a bzw.
Art. 48 Abs. 1 lit. g LMG
macht sich somit auch, wer Lebensmittel abgibt, die, wie er weiss oder bei pflichtgemässer Sorgfalt wissen könnte, so beschaffen sind, dass sie bei ihrem üblichen Gebrauch die Gesundheit gefährden bzw. dass sie nicht den Anforderungen dieses Gesetzes entsprechen.
c) Dasselbe gilt für die Tathandlungen des Lagerns und des Transportierens.
aa) Es widerspräche einer vernünftigen Betrachtungsweise, ein- und dieselbe Strafbestimmung in Bezug auf die darin genannten Tathandlungen des Lagerns und des Transportierens anders auszulegen als hinsichtlich der darin genannten Tathandlung des Abgebens. Hinzu kommt, dass der Begriff des «Abgebens» weder im Lebensmittelgesetz noch in der Lebensmittelverordnung definiert wird. Auch wer Lebensmittel lagert oder transportiert, gibt sie irgendwann weiter. Ob und allenfalls unter welchen Voraussetzungen diese Weitergabe als «Abgeben» im Sinne des Lebensmittelgesetzes qualifiziert werden muss, ist im Einzelnen unklar. Es gibt zudem keinen hinreichenden Grund, einen Unternehmer, der Lebensmittel vom Hersteller oder von einem Grosshändler bezieht und an Detaillisten
BGE 124 IV 297 S. 305
oder an Konsumenten weiterveräussert, insoweit prinzipiell anders zu behandeln als einen Unternehmer, der Lebensmittel, die für die Konsumenten bestimmt sind, lagert oder transportiert.
bb) Der Geltungsbereich des Gesetzes soll nach den Ausführungen in der Botschaft nicht nur den Handel, sondern den gesamten Verkehr umfassen, vom Pflanzenanbau bzw. von der Tiermast bis zur Abgabe des Endprodukts an die Konsumenten (S. 913). Zur Erreichung des in
Art. 1 lit. a LMG
festgelegten Zwecks, die Konsumenten vor Lebensmitteln zu schützen, welche die Gesundheit gefährden können, sollen mithin alle am Verkehr mit Lebensmitteln massgeblich Beteiligten beitragen. Dazu gehört auch, wer Lebensmittel, die für den Konsumenten bestimmt sind, lagert oder transportiert. Die Botschaft hält zu Art. 47 Abs. 1 lit. a des Entwurfs, dem
Art. 47 Abs. 1 lit. a LMG
entspricht, unter anderem fest, dass «derjenige, der gesundheitsgefährdende Lebensmittel (einwandfrei) lagert oder transportiert, ohne dass er über ihre Eigenschaft im Bilde ist oder sein müsste», von der Strafdrohung nicht erfasst werde, dass der Tatbestand indessen dann erfüllt werde, «wenn durch die Lagerung oder den Transport die gesundheitsgefährdenden Eigenschaften geschaffen oder verstärkt werden» (S. 959). Wer Lebensmittel lagert oder transportiert, ist demnach zum einen dann gemäss
Art. 47 Abs. 1 lit. a LMG
strafbar, wenn er sie nicht einwandfrei lagert oder transportiert und dadurch die gesundheitsgefährdenden Eigenschaften schafft oder verstärkt, und zum andern dann, wenn er die Lebensmittel zwar einwandfrei lagert oder transportiert, aber weiss oder wissen könnte, dass sie gesundheitsgefährdend sind. Sowohl das eine wie das andere Verhalten läuft dem in
Art. 1 lit. a LMG
festgelegten Gesetzeszweck zuwider, die Konsumenten vor Lebensmitteln zu schützen, welche die Gesundheit gefährden können.
cc) Wer Lebensmittel lagert oder transportiert, ist allerdings im Unterschied zu demjenigen, der sie herstellt, behandelt, abgibt, einführt oder ausführt, nicht zur «Selbstkontrolle» im Sinne von
Art. 23 LMG
verpflichtet, er muss die Lebensmittel mithin nicht entsprechend der «Guten Herstellungspraxis» untersuchen oder untersuchen lassen.
Art. 23 LMG
erwähnt das Lagern und das Transportieren nicht. Daraus ergibt sich aber bloss, dass der Vorsatz oder die Fahrlässigkeit desjenigen, welcher gesundheitsgefährdende bzw. nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Lebensmittel lediglich lagert oder transportiert, nicht damit begründet werden kann, er habe die Lebensmittel nicht im Sinne von
Art. 23 LMG
entsprechend der «Guten Herstellungspraxis» untersucht bzw. untersuchen
BGE 124 IV 297 S. 306
lassen. Nicht die Verletzung der Pflicht zur Selbstkontrolle als solche ist aber die strafbare Handlung, sondern das vorsätzliche oder fahrlässige Lagern oder Transportieren von gesundheitsgefährdenden bzw. nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Lebensmitteln. Auch der nicht zur Selbstkontrolle im Sinne von
Art. 23 LMG
verpflichtete Lagerhalter oder Transporteur macht sich strafbar, wenn er weiss oder bei der nach den konkreten Umständen gebotenen Sorgfalt wissen könnte, dass die von ihm gelagerten oder transportierten Lebensmittel gesundheitsgefährdend sind bzw. nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Im Übrigen ist derjenige, welcher Lebensmittel nicht nur lagert oder transportiert, sondern auch im Sinne des Lebensmittelgesetzes abgibt, als «Abgeber» zur Selbstkontrolle gemäss
Art. 23 LMG
verpflichtet, welche selbstredend vor der Abgabe zu erfolgen hat.
dd) Strafbar im Sinne von Art. 47 Abs. 1 lit. a bzw.
Art. 48 Abs. 1 lit. g LMG
macht sich somit auch, wer Lebensmittel lagert oder transportiert, die, wie er weiss oder bei pflichtgemässer Sorgfalt wissen könnte, so beschaffen sind, dass sie bei ihrem üblichen Gebrauch die Gesundheit gefährden bzw. dass sie nicht den Anforderungen dieses Gesetzes entsprechen.
d) Indem der Beschwerdeführer Toleranzwertüberschreitungen aufweisende und somit nicht den Anforderungen des Lebensmittelgesetzes entsprechende Nahrungsmittel (Chinakohl und Nüsslersalat) lagerte, die er von Dritten bezogen hatte, um sie an Detaillisten weiterzuveräussern, erfüllte er nach der zutreffenden Auffassung der Vorinstanz den objektiven Tatbestand von
Art. 48 Abs. 1 lit. g LMG
. Entgegen seiner Ansicht ist es unerheblich, dass diese Toleranzwertüberschreitungen nicht aus der Art und Weise der Lagerung resultierten. Dass die Vorinstanz Fahrlässigkeit zu Unrecht bejaht habe, macht der Beschwerdeführer mit Recht nicht geltend.
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ist daher in diesem Punkt abzuweisen.
II.3.
3.- a) Mit Schreiben vom 5. Dezember 1995 an die X. AG verfügte der Kantonschemiker unter anderem folgendes:
«1. Wir verlangen die schriftliche Vorlage Ihres Qualitätssicherungskonzeptes bis zum 31. Dezember 1995. Existiert ein solches nicht, ist uns dieses bis zum 31. Januar 1996 vorzulegen.
4. Es wird ausdrücklich auf Art. 292 des Strafgesetzbuches hingewiesen.
«Wer der von einer zuständigen Behörde oder einem zuständigen Beamten unter Hinweis auf die Strafandrohung dieses Artikels an ihn erlassenen Verfügung nicht Folge leistet, wird mit Haft oder Busse bestraft.»
BGE 124 IV 297 S. 307
Das Schreiben enthielt die folgende Rechtsmittelbelehrung:
«Gegen Verfügungen über Massnahmen im Sinne der Lebensmittelgesetzgebung kann innert 5 Tagen nach Erhalt beim Kantonalen Laboratorium Einsprache erhoben werden. Die Einsprache hat schriftlich zu erfolgen und muss begründet sein (
Art. 52 LMG
).»
Die X. AG reagierte innert der angesetzten Fristen nicht und reichte gegen die Verfügung auch kein Rechtsmittel ein.
b) Die Vorinstanz sprach den Beschwerdeführer daher wegen Ungehorsams gegen amtliche Verfügungen im Sinne von
Art. 292 StGB
schuldig. Nach dieser Bestimmung wird mit Haft oder mit Busse bestraft, wer der von einer zuständigen Behörde unter Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels an ihn erlassenen Verfügung nicht Folge leistet.
Der Beschwerdeführer wendet gegen seine Verurteilung in diesem Punkt ein, die Verfügung sei gesetzwidrig und lasse sich nicht auf die von der Vorinstanz im angefochtenen Urteil genannten Bestimmungen betreffend Hygiene und Selbstkontrolle stützen. Zudem sei das durch die Verfügung verlangte Verhalten, die Vorlage eines schriftlichen «Qualitätssicherungskonzepts», viel zu unbestimmt und könne daher nicht Gegenstand einer Verfügung unter Androhung der Ungehorsamsstrafe sein. Ausserdem sei in der Verfügung nicht ausdrücklich Haft oder Busse für den Fall ihrer Missachtung angedroht worden. In der Verfügung werde
Art. 292 StGB
lediglich wiedergegeben. Dies reiche nicht aus. Schliesslich sei auch die Rechtsmittelbelehrung unzutreffend. Da der Beschwerdeführer erst kurz nach Ablauf der vermeintlichen Rechtsmittelfrist von fünf Tagen von der Verfügung Kenntnis genommen habe, habe er in dem durch die unzutreffende Rechtsmittelbelehrung begründeten Irrtum, die Verfügung sei bereits in Rechtskraft erwachsen, auf die Ergreifung des zutreffenden Rechtsmittels verzichtet. Daraus dürfe ihm kein Nachteil erwachsen.
II.4.
a) Ob und mit welcher Kognition der Strafrichter in einem Strafverfahren wegen Ungehorsams gegen eine amtliche Verfügung die Rechtmässigkeit einer Verwaltungsverfügung überprüfen kann, hängt nach der Rechtsprechung davon ab, ob die Verfügung bei einem Verwaltungsgericht angefochten werden kann und gegebenenfalls vom Verwaltungsgericht bereits überprüft oder (noch) nicht überprüft worden ist. Wenn eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle möglich, aber (noch) nicht erfolgt ist, dann kann der Strafrichter die Verwaltungsverfügung nur auf offensichtliche Rechtsverletzung
BGE 124 IV 297 S. 308
und Ermessensmissbrauch überprüfen (siehe zum Ganzen
BGE 121 IV 29
E. 2a S. 31;
BGE 98 IV 106
E. 3 S. 108 ff.).
Die Verfügung des Kantonschemikers vom 5. Dezember 1995 ist eine Verfügung im Sinne von
Art. 5 VwVG
. Da kein Ausschlussgrund gemäss
Art. 99 ff. OG
vorliegt, ist letztlich jedenfalls die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht gegeben. Weil somit eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle möglich war, diese aber nicht erfolgt ist, kann der Strafrichter die Verfügung nur auf offensichtliche Rechtsverletzung und auf Ermessensmissbrauch überprüfen.
b) Allerdings ist die in der Verfügung des Kantonschemikers enthaltene Rechtsmittelbelehrung - Einsprache innert fünf Tagen gemäss
Art. 52 LMG
- unrichtig. Gemäss
Art. 52 LMG
können Verfügungen über Massnahmen im Sinne dieses Gesetzes bei der verfügenden Behörde mit Einsprache angefochten werden. Die Einsprachefrist beträgt nach
Art. 55 Abs. 1 LMG
fünf Tage. Die Einsprache ist indessen nur gegen Verfügungen über Massnahmen im Sinne dieses Gesetzes gegeben, d.h. über Massnahmen im Sinne von
Art. 28-30 LMG
; andere Verfügungen sind unmittelbar mit Beschwerde anfechtbar (siehe die Botschaft des Bundesrates, BBl 1989 I 893 ff., 965). Die Verfügung des Kantonschemikers, durch welche der Beschwerdeführer zur Vorlage eines schriftlichen «Qualitätssicherungskonzepts» verpflichtet wurde, betrifft keine Massnahme im Sinne von
Art. 28-30 LMG
. Daher war die Einsprache nicht gegeben. Die Verfügung war vielmehr direkt mit der Beschwerde anfechtbar. Die Beschwerdeinstanz und die Beschwerdefrist bestimmen sich gemäss
Art. 53 LMG
nach dem kantonalen Recht.
Art. 55 Abs. 2 LMG
, wonach die Beschwerdefrist zehn Tage beträgt, ist nicht anwendbar, da die fragliche Verfügung weder eine Massnahme gemäss
Art. 28-30 LMG
betrifft noch eine Verfügung im Sinne von
Art. 24 LMG
(betreffend Inspektion und Probenerhebung) ist. Da die solothurnische Vollzugsverordnung vom 30. August 1995 zum Bundesgesetz über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände (Solothurner Gesetzessammlung 815.21), die am 1. Januar 1996 in Kraft getreten ist und somit im Zeitpunkt des Erlasses der vorliegenden Verfügung vom 5. Dezember 1995 ohnehin noch nicht galt, keine speziellen Regelungen enthält, gilt insoweit das solothurnische Gesetz über den Rechtsschutz in Verwaltungssachen (Solothurnische Gesetzessammlung 124.11). Nach dessen § 32 Abs. 1 beträgt die Beschwerdefrist allgemein zehn Tage. Gegen die Verfügung des Kantonschemikers war somit entgegen
BGE 124 IV 297 S. 309
der darin enthaltenen Rechtsmittelbelehrung nicht die Einsprache innert fünf Tagen, sondern die Beschwerde an die Beschwerdeinstanz innert zehn Tagen gegeben.
Dass die in der Verfügung enthaltene Rechtsmittelbelehrung somit unzutreffend war, hat indessen entgegen der Meinung des Beschwerdeführers nicht zur Folge, dass der Kassationshof die Rechtmässigkeit der Verfügung frei zu prüfen habe. Wenn der Beschwerdeführer, wie er behauptet, erst kurz nach Ablauf der angegebenen fünftägigen Einsprachefrist von der Verfügung Kenntnis genommen hat, dann hätte er sich um eine Wiederherstellung der vermeintlich abgelaufenen Frist bemühen können. Der Beschwerdeführer unternahm indessen nichts. Daher kann er aus der unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung nichts zu seinen Gunsten ableiten. Der Kassationshof hat somit, da eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle möglich gewesen wäre, nur zu prüfen, ob die Verfügung des Kantonschemikers offensichtlich bundesrechtswidrig sei bzw. auf einem Ermessensmissbrauch beruhe.
c) Der Kantonschemiker wies die X. AG durch Verfügung an, innert Frist ein schriftliches «Qualitätssicherungskonzept» vorzulegen. Anlass hiefür war, dass schon mehrfach von diesem Grosshandelsunternehmen gelagerte und an Detaillisten abgegebene Nahrungsmittel (Wintergemüse) wegen Überschreitung von Toleranz- oder Grenzwerten beanstandet werden mussten, so auch anlässlich einer Probenerhebung vom 15. November 1995. In dem verlangten «Qualitätssicherungskonzept» sollte der Beschwerdeführer, wie sich aus dem Gesamtzusammenhang ergibt, in allgemeiner und grundsätzlicher Art darlegen, durch welche Vorkehrungen er dafür sorgen wollte, dass die Nahrungsmittel, welche die X. AG von Dritten bezog, lagerte und an Detaillisten abgab, in Bezug auf Toleranz- und Grenzwerte den gesetzlichen Anforderungen entsprechen.
aa) Das Lebensmittelgesetz sieht nicht ausdrücklich vor, dass etwa ein Lebensmittelhändler zur Vorlage eines schriftlichen «Qualitätssicherungskonzepts» der hier zur Diskussion stehenden Art verpflichtet ist bzw. durch Verfügung eines Beamten oder einer Behörde verpflichtet werden kann. Eine derartige Verpflichtung bzw. eine entsprechende Verfügungskompetenz kann nach den insoweit zutreffenden Einwänden in der Nichtigkeitsbeschwerde jedenfalls nicht aus den im angefochtenen Urteil genannten Bestimmungen abgeleitet werden. Diese Vorschriften -
Art. 15 LMG
, Art. 17 der Lebensmittelverordnung (LMV; SR 817.02),
Art. 11 der Verordnung
BGE 124 IV 297 S. 310
vom 26. Juni 1995 über die hygienischen und mikrobiologischen Anforderungen an Lebensmittel, Gebrauchsgegenstände, Räume, Einrichtungen und Personal(HyV; SR 817.051)
- betreffen die Hygiene, insbesondere die zu beachtende Hygiene bei der Herstellung und beim Umgang mit Lebensmitteln. Dem Beschwerdeführer wird indessen nicht eine Verletzung von Vorschriften betreffend den hygienischen Umgang mit Lebensmitteln bzw. die Hygiene überhaupt vorgeworfen. Vielmehr beanstandete das Kantonale Laboratorium schon mehrfach, dass die vom Beschwerdeführer bei Herstellern und Lieferanten bezogenen Nahrungsmittel, die er in der Folge lagerte und an Detaillisten abgab, zufolge von Toleranz- und Grenzwertüberschreitungen hinsichtlich verschiedener Stoffe nicht den Anforderungen des Gesetzes entsprachen bzw. gesundheitsgefährdend waren. Damit wird ihm aber vom Kantonschemiker eine Missachtung von Vorschriften betreffend den allgemeinen Umgang mit Lebensmitteln vorgeworfen. Insoweit gibt es jedoch «keine explizite Verpflichtung zur schriftlichen Dokumentation des angewendeten Kontrollkonzepts», wie ein Schreiben des Bundesamtes für Gesundheit an die Vorinstanz ausdrücklich festhält.
bb) Die kantonalen Kontrollorgane, die im Bereich der Lebensmittelkontrolle unter der Leitung des Kantonschemikers stehen (
Art. 40 Abs. 4 LMG
) und denen die Kantone die Eigenschaft von Beamten der gerichtlichen Polizei verleihen müssen (
Art. 50 Abs. 4 LMG
), haben relativ weitgehende Befugnisse betreffend Inspektion und Probenerhebung (
Art. 24 LMG
), Beanstandungen (
Art. 27 LMG
) sowie Massnahmen über beanstandete Waren (
Art. 28-30 LMG
). Wer Lebensmittel etc. herstellt, behandelt, lagert, abgibt, einführt oder ausführt, muss den Kontrollorganen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben unentgeltlich behilflich sein und die erforderlichen Auskünfte erteilen (
Art. 25 Abs. 1 LMG
). Die Kontrollorgane können im Falle von Beanstandungen die Betroffenen verpflichten, die Ursachen der Mängel abzuklären und die Kontrollorgane darüber zu informieren (
Art. 28 Abs. 2 LMG
). Hinzu kommt, dass die zuständige Vollzugsbehörde in besonders leichten Fällen auf eine Strafanzeige verzichten und den Betroffenen verwarnen kann, in welchem Fall jede weitere Strafe entfällt (
Art. 31 Abs. 2 LMG
). Die Kontrollorgane im Allgemeinen und der ihnen im Bereich der Lebensmittelkontrolle vorstehende Kantonschemiker im Besonderen haben mithin als Beamte der gerichtlichen Polizei nicht nur untergeordnete Hilfsfunktionen im Gesetzesvollzug, sondern weitgehende Befugnisse, welche auch Befehlsgewalt einschliessen.
In Anbetracht dieser Kompetenzen und mit Rücksicht darauf, dass die von der X. AG an Detaillisten abgegebenen Lebensmittel schon mehrfach wegen Grenz- und Toleranzwertüberschreitungen beanstandet werden mussten, ist die Verfügung des Kantonschemikers gegenüber der als Abgeberin von Lebensmitteln zur Selbstkontrolle gemäss
Art. 23 LMG
verpflichteten X. AG weder offensichtlich bundesrechtswidrig, noch beruht sie auf einem Ermessensmissbrauch. Entgegen der Andeutung des Beschwerdeführers besteht die Pflicht zur Selbstkontrolle in Bezug auf die Einhaltung von Grenz- und Toleranzwerten ohne Übergangsfristen schon seit dem Inkrafttreten des Lebensmittelgesetzes am 1. Juli 1995.
d) Das durch eine Verfügung unter Androhung der Ungehorsamsstrafe gemäss
Art. 292 StGB
vom Verfügungsadressaten verlangte Verhalten muss hinreichend klar umschrieben sein. Der Adressat muss wissen, was er zu tun oder zu unterlassen hat. Die Verfügung des Kantonschemikers genügt diesem Bestimmtheitsgebot.
In dem verlangten schriftlichen «Qualitätssicherungskonzept» sollte der Beschwerdeführer, wie sich aus dem Gesamtzusammenhang ergibt, in allgemeiner und grundsätzlicher Art darlegen, durch welche Vorkehrungen er dafür sorgen wollte, dass die Lebensmittel, welche die X. AG von Dritten bezog, lagerte und an Detaillisten abgab, in Bezug auf Grenz- und Toleranzwerte den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Wohl wird in der Verfügung das verlangte schriftliche «Qualitätssicherungskonzept» nicht näher beschrieben. Das bedeutet aber entgegen der Meinung des Beschwerdeführers nicht, dass die Verfügung zu unbestimmt und ihre Missachtung aus diesem Grunde nicht strafbar sei. Es kann nicht die Aufgabe des Kantonschemikers sein, selber das Konzept etwa in den Grundzügen zu skizzieren. Dazu wäre er schon mangels ausreichender Kenntnisse über die betrieblichen Strukturen und die geschäftlichen Beziehungen des Verfügungsadressaten gar nicht in der Lage. Es ist sinnvoll, dem gemäss
Art. 23 LMG
zur Selbstkontrolle verpflichteten Lebensmittelhändler vorerst die Freiheit zur inhaltlichen Bestimmung des verlangten schriftlichen Konzepts zu überlassen. Sollte der Beschwerdeführer nicht verstanden haben, was von ihm in der Verfügung verlangt wurde, hätte er rückfragen müssen. Wäre das vom Beschwerdeführer abgelieferte schriftliche «Qualitätssicherungskonzept» aus der Sicht des Kantonschemikers ungenügend gewesen, hätte in gemeinsamer Zusammenarbeit ein ausreichendes Konzept erstellt werden können. Der Beschwerdeführer hat jedoch auf die Verfügung des Kantonschemikers, was entscheidend ist,
BGE 124 IV 297 S. 312
überhaupt nicht reagiert und weder Rückfragen gestellt noch irgendein Konzept abgeliefert.
e) In Ziff. 4 der Verfügung vom 5. Dezember 1995 wird folgendes festgehalten: «Es wird ausdrücklich auf Art. 292 des Strafgesetzbuches hingewiesen. `Wer der von einer zuständigen Behörde oder einem zuständigen Beamten unter Hinweis auf die Strafandrohung dieses Artikels an ihn erlassenen Verfügung nicht Folge leistet, wird mit Haft oder Busse bestraft'».
Diese Formulierung genügt den gesetzlichen Anforderungen. Dem Beschwerdeführer wurde dadurch Haft oder Busse gemäss
Art. 292 StGB
für den Fall angedroht, dass er die konkrete Verfügung vom 5. Dezember 1995 missachte und das darin verlangte schriftliche Qualitätssicherungskonzept nicht vorlege. Der «Hinweis» auf
Art. 292 StGB
unter Wiedergabe des Wortlauts dieser Bestimmung bezog sich für den Beschwerdeführer offensichtlich erkennbar auf die konkrete Verfügung und konnte von ihm vernünftigerweise nur als Androhung der Ungehorsamsstrafe für den Fall der Missachtung dieser Verfügung verstanden werden. Es ist nicht ersichtlich, welchen andern Sinn der fragliche Hinweis haben könnte.
f) Die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Ungehorsams gegen eine amtliche Verfügung verstösst demnach nicht gegen Bundesrecht.
III.5.
5.- (Kostenfolgen)