Urteilskopf
125 V 221
34. Auszug aus dem Urteil vom 3. März 1999 i.S. J.G. und U.G. gegen Eidg. Ausgleichskasse und Verwaltungsgericht des Kantons Bern
Regeste
Art. 10 Abs. 1 AHVG
;
Art. 28 Abs. 4 AHVV
;
Art. 4 BV
.
Art. 28 Abs. 4 AHVV
ist gesetz- und verfassungsmässig.
A.-
J.G. gab 1995 die Erwerbstätigkeit auf und liess sich vorzeitig pensionieren. Mit Verfügung vom 8. Februar 1996 erhob die Eidg. Ausgleichskasse unter Berücksichtigung eines Renteneinkommens von Fr. 90'566.-- und des übrigen Vermögens von Fr. 5'025'972.-- für die Jahre 1996 und 1997 AHV/IV/EO-Beiträge als Nichterwerbstätiger in Höhe von Fr. 10'403.-- je Beitragsjahr. Mit Verfügung vom 13. März 1997 reduzierte die Ausgleichskasse die Beitragsforderung für das Jahr 1997 auf Fr. 8'686.70, wobei sie ein gegenüber der Beitragsverfügung vom 8. Februar 1996 halbiertes Renteneinkommen und Vermögen berücksichtigte. Gleichzeitig teilte sie J.G. mit, aus organisatorischen Gründen und wegen des grossen durch die 10. AHV-Revision bedingten Arbeitsvolumens sei es nicht möglich gewesen, die Verfügung für die nichterwerbstätige Ehefrau U.G. gleichzeitig zu erstellen. Diese werde aber den gleichen AHV-Beitrag zu entrichten haben wie der Ehemann.
B.-
Beschwerdeweise beantragten J.G. und U.G. die Aufhebung der Verfügung vom 13. März 1997 mit der Begründung, dass die Beiträge jedes Ehegatten unter Berücksichtigung des hälftigen Renteneinkommens und des dem jeweiligen Ehegatten gehörenden Vermögens, nicht aber des hälftigen Vermögens beider Ehegatten
BGE 125 V 221 S. 222
zu bemessen seien. Dabei betrage das Eigengut des Ehemannes Fr. 3'046'250.-- und dasjenige der Ehefrau Fr. 45'500.--, die Errungenschaft insgesamt Fr. 376'800.--. Dies führe für den Ehemann zu einer Beitragsschuld im plafonierten Maximalbetrag von Fr. 10'100.--, für die Ehefrau hingegen zu einer solchen von Fr. 1'764.--. Die Veranlagung auf Grund des zusammengerechneten und halbierten Vermögens beider Ehegatten bedeute eine Benachteiligung der verheirateten gegenüber den im Konkubinat lebenden Paaren. Zudem seien die Beiträge je Ehepaar und nicht je Ehegatte auf Fr. 10'100.-- zu plafonieren. Schliesslich seien die kantonalen Steuerwerte der Liegenschaften nicht aufzuwerten.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern trat auf die Beschwerde beider Ehegatten ein und wies sie ab mit der Begründung, dass sich die auf dem Verordnungsweg geregelten Berechnungsgrundlagen der Beitragspflicht der nichterwerbstätigen Ehefrau eines nichterwerbstätigen Ehemannes im gesetzlichen Rahmen hielten und - als Folge der Beitragsplafonierung - eine Benachteiligung der verheirateten Paare sich nur ergebe, wenn der eine Partner über sehr viel mehr Vermögen verfüge als der andere; bei etwas geringerem Vermögen würden verheiratete Paare - infolge der Beitragsprogression - bevorteilt. Zudem seien schon unter dem alten Recht die Beiträge des nichterwerbstätigen Ehemannes unter Anrechnung des Vermögens der Ehefrau berechnet worden. Auch die Beitragsfestsetzung auf Grund des Repartitionswertes sei gesetzmässig (Entscheid vom 29. September 1997).
C.-
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde erneuern J.G. und U.G. ihren vorinstanzlich gestellten Antrag. Die Ausgleichskasse verzichtet auf eine Vernehmlassung, da sie dafürhält, dass mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde politische, in einer Volksabstimmung bestätigte Grundsätze in Frage gestellt würden. Das Bundesamt für Sozialversicherung schliesst auf Abweisung der Beschwerde.
Aus den Erwägungen:
2.
a) Mit der 10. AHV-Revision wurde altArt. 3 Abs. 2 lit. b AHVG, wonach u.a. die nichterwerbstätigen Ehefrauen von Versicherten von der Beitragspflicht befreit waren, aufgehoben. Neu eingefügt wurde Abs. 3, wonach die eigenen Beiträge als bezahlt gelten, sofern der Ehegatte Beiträge von mindestens der doppelten Höhe des Mindestbeitrages bezahlt hat, dies u.a. bei nichterwerbstätigen Ehegatten von erwerbstätigen Versicherten (lit. a).
Da beide Beschwerdeführenden nicht (mehr) erwerbstätig sind, sind sie - nach neuem Recht auch die Ehefrau ab 1. Januar 1997 - beitragspflichtig und haben Beiträge tatsächlich zu entrichten.
b) Gemäss dem - durch die 10. AHV-Revision unverändert gelassenen -
Art. 10 Abs. 1 AHVG
bezahlen Nichterwerbstätige je nach ihren sozialen Verhältnissen einen AHV-Beitrag von 324 - 8400 Franken im Jahr. Gestützt auf Abs. 3 erlässt der Bundesrat nähere Vorschriften über die Bemessung der Beiträge. Im diesbezüglich unveränderten
Art. 28 Abs. 1 AHVV
bestimmte der Bundesrat, dass sich die Beiträge der Nichterwerbstätigen auf Grund ihres Vermögens und Renteneinkommens bemessen. Auf 1. Januar 1997 wurde Abs. 4 neu in
Art. 28 AHVV
mit folgendem Wortlaut eingefügt: "Ist eine verheiratete Person als Nichterwerbstätige beitragspflichtig, so bemessen sich ihre Beiträge auf Grund der Hälfte des ehelichen Vermögens und Renteneinkommens."
Es ist unbestritten, dass die Beschwerdeführenden in den Anwendungsbereich von
Art. 28 Abs. 4 AHVV
fallen und dass die Ausgleichskasse den Beitrag des Ehemannes für 1997 entsprechend der Verordnungsbestimmung richtig berechnet hat.
3.
a) Die Beschwerdeführenden machen geltend, dass die verordnungsmässige Berechnungsart, wonach einem Ehegatten die Hälfte des Vermögens des andern Ehegatten angerechnet werde, mit der gesetzlichen Vorschrift von
Art. 10 Abs. 1 AHVG
, welche die Bemessung der Beiträge auf Grund der sozialen Verhältnisse vorschreibe, nicht vereinbar sei; da die nichterwerbstätige Ehefrau eines nichterwerbstätigen Ehemannes vor Inkrafttreten der 10. AHV-Revision nicht beitragspflichtig gewesen sei, sei die frühere Rechtsprechung zur Anrechnung des Vermögens des andern Ehegatten entgegen der Auffassung des kantonalen Gerichts nicht mehr anwendbar. Das Bundesamt hält dem entgegen, dass die streitige Verordnungsbestimmung den Rahmen der Delegationsnorm nicht sprenge und die Halbierung der Vermögen angesichts der Beitragspflicht beider nichterwerbstätigen Ehegatten zweck- und verhältnismässig sei.
b) Nach der Rechtsprechung kann das Eidg. Versicherungsgericht Verordnungen des Bundesrates grundsätzlich, von hier nicht in Betracht fallenden Ausnahmen abgesehen, auf ihre Rechtmässigkeit hin überprüfen. Bei (unselbstständigen) Verordnungen, die sich auf eine gesetzliche Delegation stützen, prüft es, ob sie sich in den Grenzen der dem Bundesrat im Gesetz eingeräumten Befugnisse halten. Wird dem Bundesrat durch die gesetzliche Delegation ein
BGE 125 V 221 S. 224
sehr weiter Spielraum des Ermessens für die Regelung auf Verordnungsebene eingeräumt, muss sich das Gericht auf die Prüfung beschränken, ob die umstrittenen Verordnungsvorschriften offensichtlich aus dem Rahmen der dem Bundesrat im Gesetz delegierten Kompetenzen herausfallen oder aus andern Gründen verfassungs- oder gesetzwidrig sind. Es kann jedoch sein eigenes Ermessen nicht an die Stelle desjenigen des Bundesrates setzen und es hat auch nicht die Zweckmässigkeit zu untersuchen. Die vom Bundesrat verordnete Regelung verstösst allerdings dann gegen
Art. 4 BV
, wenn sie sich nicht auf ernsthafte Gründe stützen lässt, wenn sie sinn- oder zwecklos ist oder wenn sie rechtliche Unterscheidungen trifft, für die sich ein vernünftiger Grund nicht finden lässt. Gleiches gilt, wenn die Verordnung es unterlässt, Unterscheidungen zu treffen, die richtigerweise hätten berücksichtigt werden sollen (
BGE 124 II 245
Erw. 3,
BGE 124 V 15
Erw. 2a und 194 Erw. 5a, je mit Hinweisen). Die Frage, ob für eine rechtliche Unterscheidung ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen ersichtlich ist, kann zu verschiedenen Zeiten, je nach den herrschenden Anschauungen und Zeitverhältnissen, verschieden beantwortet werden (
BGE 123 I 7
Erw. 6a).
c) Vorerst ist zu prüfen, ob sich
Art. 28 Abs. 4 AHVV
im Rahmen der Delegationsnorm von
Art. 10 Abs. 1 AHVG
hält.
aa) Das Eidg. Versicherungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung erkannt, dass sich
Art. 28 Abs. 1 AHVV
, wonach Nichterwerbstätige die Beiträge auf Grund ihres Vermögens und Renteneinkommens zu bezahlen haben, im Rahmen der Bestimmung von
Art. 10 Abs. 1 AHVG
hält, der die Bemessung der Beiträge der Nichterwerbstätigen nach ihren sozialen Verhältnissen vorsieht (
BGE 105 V 243
Erw. 2 mit Hinweisen, ZAK 1984 S. 484). Weder die Festsetzung eines Mindest- und eines Maximalbeitrages noch die Erhöhung des Zuschlags bei einem Vermögen von Fr. 1'750'000.-- gaben unter dem Gesichtspunkt der Rechtsgleichheit zu Beanstandungen Anlass.
bb) Vor der 10. AHV-Revision (vgl. Erw. 2a hievor) unterstand der nichterwerbstätige Ehemann der Beitragspflicht unabhängig von einer allfälligen Erwerbstätigkeit der Ehefrau. War diese ebenfalls nichterwerbstätig, hatte sie keine Beiträge zu leisten, während sie als Erwerbstätige beitragspflichtig war (
Art. 1 Abs. 1 lit. b und
Art. 4 Abs. 1 AHVG
in der bis Ende Dezember 1996 gültig gewesenen Fassung). In beiden Fällen wurden die Beiträge des Ehemannes gestützt auf sein eigenes Vermögen und Renteneinkommen
BGE 125 V 221 S. 225
sowie dasjenige der Ehefrau bemessen, und zwar unabhängig vom Güterstand der Eheleute und der Rechtsnatur des Vermögens der Ehefrau und ohne Berücksichtigung der Tatsache, ob der Ehemann einen Nutzen aus dem Vermögen der Ehefrau zog oder nicht. Diese Rechtsprechung stützte sich ursprünglich auf die gesetzliche Regelung des bis Ende 1987 gültig gewesenen Eherechts, wonach die Ehefrau unter jedem Güterstand und auch mit ihrem Sondergut verpflichtet war, zur Tragung der ehelichen Lasten einen Beitrag zu leisten. Dies bedeute einen wirtschaftlichen Vorteil und damit eine Beeinflussung der ökonomischen Lage des Ehemannes; unerheblich sei, ob er die Beitragspflicht der Ehefrau in Anspruch nehme oder nicht, es genüge, dass das Gesetz ihm diese Möglichkeit einräume (
BGE 105 V 243
f. Erw. 2,
BGE 103 V 49
,
BGE 101 V 178
Erw. 1,
BGE 98 V 93
f. Erw. 2, ZAK 1977 S. 383, 1969 S. 370). Diese Rechtsprechung wurde unter dem seit 1. Januar 1988 geltenden neuen Eherecht auf Grund der weiter geltenden ehelichen Beistands- und Unterhaltspflicht gemäss
Art. 163 Abs. 1 ZGB
beibehalten (ZAK 1991 S. 418 f. Erw. 4; nicht veröffentliches Urteil F. vom 2. Februar 1995). Bei der Bemessung der Beiträge einer nichterwerbstätigen versicherten Ehefrau, deren Ehemann der schweizerischen AHV nicht angehörte, wurden die Mittel des Ehemannes analog berücksichtigt (
BGE 105 V 244
Erw. 4).
cc) Wie das Bundesamt zu Recht ausführt, wäre es stossend, die bisherige Anrechnungspraxis nach Inkrafttreten der 10. AHV-Revision in dem Sinne weiterzuführen, dass bei beiden nunmehr beitragspflichtigen nichterwerbstätigen Ehegatten nicht nur das eigene Vermögen und Renteneinkommen, sondern auch dasjenige des andern Ehegatten voll angerechnet würde. Dies würde dazu führen, dass zwei Beiträge auf demselben Objekt erhoben würden. Der Bundesrat hat deshalb in
Art. 28 Abs. 4 AHVV
bestimmt, dass die Beiträge beider Ehegatten je auf Grund der Hälfte des ehelichen Vermögens und Renteneinkommens zu bemessen sind (vgl. dazu auch die Erläuterungen zur Änderung der AHVV in AHI-Praxis 1996 S. 24). Diese Regelung ist unter dem Gesichtspunkt der Gesetzmässigkeit nicht zu beanstanden. Sie stellt vielmehr eine sachgerechte Anpassung der bisherigen Rechtsprechung und Verwaltungspraxis, wonach die sozialen Verhältnisse der Beitragspflichtigen mitbestimmt sind von den finanziellen Mitteln, über die der andere Ehegatte verfügt und auf die dieser bei der Ausübung der ehelichen Beistands- und Unterhaltspflicht allenfalls zu greifen hat, an die gesetzliche Statuierung der Beitragspflicht beider Ehegatten dar. Es
BGE 125 V 221 S. 226
trifft entgegen der Auffassung der Beschwerdeführenden insbesondere nicht zu, dass die sozialen Verhältnisse eines Ehegatten ausschliesslich durch die in seinem alleinigen oder gemeinschaftlichen Eigentum befindlichen Vermögenswerte bestimmt werden, sodass lediglich diese bei der Beitragsbemessung berücksichtigt werden dürften. Die streitige Verordnungsbestimmung hält sich damit im Rahmen der gesetzlichen Delegationsnorm.
d) Die Beschwerdeführenden rügen weiter, dass
Art. 28 Abs. 4 AHVV
gegen
Art. 4 BV
verstosse, da die Regelung eine Benachteiligung gegenüber ledigen Beitragspflichtigen, und zwar sowohl allein lebenden wie auch solchen, die in einer eheähnlichen Gemeinschaft leben, bewirke. Das Bundesamt vertritt demgegenüber die Auffassung, bezogen auf alle zu regelnden Sachverhalte, d.h. nicht nur auf die vorliegende Situation, würden die Ehepaare im Vergleich zu individuell verabgabenden Konkubinatspaaren nicht höher belastet, sodass die Verordnungsbestimmung verfassungsmässig sei.
aa) Werden die Beschwerdeführenden je für sich als Beitragssubjekte betrachtet, ist vorweg festzustellen, dass vorliegend lediglich die weniger vermögliche Ehefrau - verglichen mit unverheirateten Beitragspflichtigen in gleicher finanzieller Lage - infolge der teilweisen Anrechnung des Vermögens des Ehemannes höhere Beiträge zu entrichten hat; der vermögendere Ehemann wird durch die Bemessungsvorschrift dagegen entlastet. Es ist zu prüfen, ob das Vorliegen der eherechtlichen Beitrags- und Unterhaltspflicht gemäss
Art. 163 Abs. 1 ZGB
, welche die gegenseitige Anrechnung begründet (vgl. Erw. 3c/bb hievor), aber unter Konkubinatspaaren fehlt, einen vernünftigen Grund für die unterschiedliche Beitragsbemessung darstellt.
Wird die gesamte Beitragslast beider Ehegatten mit derjenigen eines Konkubinatspaares in gleichen finanziellen Verhältnissen verglichen, ist im vorliegenden Fall eine Benachteiligung festzustellen. Grund ist die Plafonierung der Beitragspflicht gemäss
Art. 10 Abs. 1 AHVG
. Diese bewirkt, dass die aus
Art. 28 Abs. 4 AHVV
resultierende Belastung der Ehefrau, verglichen mit einer unverheirateten Beitragspflichtigen in gleicher finanzieller Lage, grösser ist als die - infolge der Plafonierung begrenzte - höhere Beitragspflicht eines unverheirateten Versicherten in der finanziellen Situation des Ehemannes. Das Bundesamt bemerkt richtig, dass ohne die Plafonierung die Ungleichbehandlung entschärft wäre. Die Vorinstanz weist anderseits zutreffend darauf hin, dass die infolge der
BGE 125 V 221 S. 227
Plafonierung des Beitrags einzelner Beitragspflichtiger höhere Beitragspflicht von Ehepaaren nur in sehr guten finanziellen Verhältnissen zu einer höheren Gesamtbelastung von Ehepaaren führt. Bei geringerem Gesamtvermögen sind hingegen verheiratete gegenüber in eheähnlichen Verhältnissen lebenden Beitragspflichtigen bevorteilt, dies infolge des geringeren Zuschlags bei (halbiertem) Vermögen zwischen Fr. 250'000.-- und Fr. 1'750'000.--, verglichen mit dem höheren Zuschlag bei (halbiertem) Vermögen zwischen Fr. 1'750'000.-- und Fr. 4'000'000.-- gemäss
Art. 28 Abs. 1 AHVV
.
e) Es ist zu prüfen, ob der Bundesrat verpflichtet gewesen wäre, bei der Beitragsbemessung nichterwerbstätiger verheirateter Personen der Plafonierung, dem abgestuften Zuschlag und der sich daraus allenfalls ergebenden unterschiedlichen Beitragsbelastung von Ehe- und Konkubinatspaaren ausgleichend Rechnung zu tragen.
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist der auf
Art. 4 Abs. 1 BV
gestützte Anspruch verheirateter Personen auf Gleichbehandlung mit solchen, die in einer eheähnlichen Gemeinschaft leben - und umgekehrt -, nicht absolut, sondern er wird unter Berücksichtigung der Ausgestaltung des jeweiligen Regelungsbereichs beurteilt. So wurde in
BGE 110 Ia 7
für das Gebiet des Einkommens- und Vermögenssteuerrechts gestützt auf
Art. 4 Abs. 1 BV
entschieden, dass ein Ehepaar nicht mehr Steuern zu bezahlen hat als ein unverheiratetes Paar mit zusammengerechnet dem gleichen Einkommen. Ausgehend vom Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, wie er sich nach dieser Rechtsprechung aus dem Gebot der Rechtsgleichheit ergibt, hat die Steuergesetzgebung darauf zu achten, dass Ehepaare untereinander und im Vergleich zu unverheirateten Paaren nach Massgabe der ihnen zustehenden Mittel gleichmässig belastet werden (vgl. auch
BGE 118 Ia 1
, StR 47 [1992] S. 440, ASA 60 [1991/92] S. 279). In
BGE 120 Ia 329
wurde diese Rechtsprechung dahingehend relativiert, dass der Vergleich nicht auf das Verhältnis Ehepaare/Konkubinatspaare beschränkt werden darf, sondern die Gesetzgebung für eine ausgewogene Steuerbelastung der verschiedenen Gruppen von Steuerpflichtigen - Verheiratete, Alleinstehende, unverheiratete Paare, je mit und ohne Kinder, in den verschiedenen Einkommensklassen - zu sorgen hat. Gewisse Unterschiede in der Steuerbelastung von Ehepaaren und Konkubinatspaaren sind dem Steuersystem (Faktorenaddition bei den Ehepaaren und getrennte Veranlagung der nicht verheirateten Paare, verbunden mit einem
BGE 125 V 221 S. 228
progressiv ausgestalteten Tarif) inhärent und hinzunehmen. Dies führte in
BGE 120 Ia 340
ff. Erw. 6 in Änderung der Rechtsprechung dazu, dass eine relative Mehrbelastung eines Ehepaares mit Kindern im Vergleich zu einem Konkubinatspaar mit Kindern von mehr als 10% als verfassungsmässig erachtet wurde. Im Bereich der Erbschaftssteuer hat das Bundesgericht erkannt, dass eine gesetzliche Regelung, welche die Erben in Abhängigkeit vom Verwandtschaftsgrad und nicht von ihren persönlichen Verhältnissen zum Erblasser besteuert, somit die Konkubinatspartner Verheirateten nicht gleichstellt, nicht gegen
Art. 4 BV
verstösst (
BGE 123 I 241
). Im Leistungsbereich hingegen wurde eine kantonale Regelung, die der Ehefrau einen Anspruch auf anteilsmässige Familienzulagen nur zugesteht, wenn sie zur Hauptsache für die Haushaltungskosten aufkommt, als unvereinbar mit
Art. 4 BV
beurteilt, da Konkubinatspaare gegenüber Ehepaaren in der gleichen Erwerbskonstellation privilegiert werden (nicht veröffentlichtes Urteil der II. Öffentlichrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts in Sachen L. vom 23. Dezember 1988). Im Bereich der Alimentenbevorschussung hat das Bundesgericht erkannt, dass eine Regelung, welche den wieder verheirateten Elternteil anders als den im Konkubinat lebenden Elternteil behandelt, nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot von
Art. 4 BV
verstösst, da Ersterer gegenüber seinem Ehegatten, nicht aber gegenüber dem Konkubinatspartner einen eherechtlichen Unterhaltsanspruch hat (
BGE 112 Ia 258
f. Erw. 4).
bb) Im Leistungsbereich des Sozialversicherungsrechts hat das Eidg. Versicherungsgericht erkannt, dass die Auflösung einer eheähnlichen Gemeinschaft keinen "ähnlichen Grund" wie Ehetrennung oder -scheidung im Sinne von
Art. 14 Abs. 2 AVIG
darstellt (
BGE 123 V 220
ff. Erw. 2). Der Begriff "mitarbeitende Familienglieder" gemäss
Art. 22 Abs. 2 lit. c UVV
umfasst die Konkubinatspartner/innen nicht (
BGE 121 V 125
). Beitragsrechtlich gilt die in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebende Frau, die den gemeinsamen Haushalt führt und dafür von ihrem Partner Kost und Logis sowie Taschengeld erhält - anders als die die gleiche Rolle versehende Ehefrau - als erwerbstätig (
BGE 110 V 1
; bestätigt in
BGE 116 V 179
Erw. 2).
Nachdem sich in neuerer Zeit die Formen des Zusammenlebens mit dem zivilrechtlichen Status weniger decken als früher, wird in der Literatur die zivilstandsabhängige Ausgestaltung des Sozialversicherungsrechts kritisiert und, gestützt auf das Rechtsgleichheitsgebot, anstelle davon die Vergleichbarkeit von
BGE 125 V 221 S. 229
Lebenssituationen als Massstab postuliert (KATERINA BAUMANN/MARGARETA LAUTERBURG, Sind eins und eins wirklich zwei? Zivilstandsbedingte Ungleichbehandlungen in der Sozialversicherung, F - Frauenfragen 1997/2-3 S. 29 ff.).
cc) Die - gemäss
Art. 10 Abs. 1 AHVG
für die Beiträge der Nichterwerbstätigen massgebenden - sozialen Verhältnisse brauchen sich bei einem Konkubinatspaar und einem Ehepaar bei insgesamt gleichen finanziellen Verhältnissen faktisch nicht zu unterscheiden. Dies würde für eine Gleichbehandlung in der Beitragsbemessung sprechen. Indessen ist nicht zu verkennen, dass das AHVG auch in anderer Hinsicht, insbesondere im Leistungsbereich, die in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden (unverheirateten) Personen nicht gleich behandelt wie die verheirateten. So ist die Plafonierung der Renten (
Art. 35 AHVG
), die Teilung der Einkommen, Erziehungs- und Betreuungsgutschriften (Art. 29quinquies Abs. 3 - 5, 29sexies Abs. 3 und 29septies Abs. 6 AHVG), der Anspruch auf Witwen- und Witwerrente (
Art. 23 - 24a AHVG
) und die Befreiung von der Beitragszahlung (
Art. 3 Abs. 3 AHVG
) nur für verheiratete oder verheiratet gewesene Personen statuiert. Gerade die seit 1. Januar 1997 geltende Teilung von Einkommen und Gutschriften knüpft an den Zivilstand der Ehe an und ist unter Konkubinatspaaren nicht vorgesehen. Wenn die Vorschriften zur Bemessung der Beiträge - die der Leistungsfinanzierung dienen - ebenfalls an den Zivilstand anknüpfen und die sozialen Verhältnisse unter Berücksichtigung der eherechtlichen Beitrags- und Unterhaltspflicht konkretisieren, kann dies nicht als sachlich unbegründet qualifiziert werden. Diese Ungleichbehandlungen im übrigen Regelungsbereich sind bei der Beurteilung der Verfassungsmässigkeit, wie in Erw. 3e/aa dargestellt, zu berücksichtigen. So sind insbesondere Ungleichheiten im Beitragsrecht in einem Regelungsbereich, der auch auf der Leistungsseite die Zivilstände ungleich behandelt, eher hinzunehmen als bei Steuern, die sog. voraussetzungslos und nicht als Äquivalent für eine staatliche Leistung geschuldet sind (vgl. dazu auch
BGE 112 Ia 264
Erw. 5b).
Da die Ungleichbehandlung somit sachlich begründet ist, war der Bundesrat weder verpflichtet, die für vermögliche Ehepaare und Konkubinatspaare unterschiedliche Auswirkung der Plafonierung gemäss
Art. 10 Abs. 1 AHVG
(und der Zuschlagsabstufung gemäss
Art. 28 Abs. 1 AHVV
) verordnungsmässig auszugleichen (vgl. ZAK 1984 S. 485 Erw. 2c), noch war er verpflichtet, von einer
BGE 125 V 221 S. 230
Beitragsbemessung auf Grund der Hälfte des ehelichen Vermögens und Renteneinkommens gemäss
Art. 28 Abs. 4 AHVV
abzusehen. Die vom Bundesrat in
Art. 28 Abs. 4 AHVV
verordnete Regelung verstösst damit nicht gegen
Art. 4 BV
.
dd) Ob anders zu entscheiden wäre, wenn die Beitragsbemessung gemäss
Art. 28 AHVV
für einen grossen Teil der verheirateten verglichen mit den in eheähnlichen Verhältnissen lebenden Paaren eine erhebliche Beitragsdifferenz bewirken würde, kann vorliegend ebenso offen gelassen werden wie die Frage, ob auch bei Konkubinatspaaren eine gegenseitige Vermögensanrechnung verfassungsmässig ausgestaltet werden könnte.