Federal court decision 126 III 49 from Dec. 9, 1999

Date: Dec. 9, 1999

Related articles:  Art. 64 IPRG, Art. 1 ZGB, Art. 7 ZGB, Art. 19 ZGB, Art. 285 ZGB, Art. 287 ZGB, Art. 410 ZGB, Art. 411 ZGB, Art. 420 ZGB, Art. 421 ZGB, Art. 424 ZGB, Art. 11 OR, Art. 63 OR, Art. 75 OR , Art. 287 Abs. 1 ZGB, Art. 157 und 158 Ziff. 5 ZGB, Art. 158 ZGB, Art. 276 ff. ZGB, Art. 7 ZGB, Art. 158 Ziff. 5 ZGB, Art. 64 Abs. 2 und Art. 83 Abs. 1 IPRG, Art. 287 Abs. 3 ZGB, Art. 11 Abs. 1 OR, Art. 1 Abs. 1 ZGB, Art. 421 Ziff. 8 ZGB, art. 270 à 327, Art. 420 Abs. 2 ZGB, Art. 63 Abs. 2 OR, Art. 424 ZGB, § 53 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO, Art. 280 Abs. 1 ZGB

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Source: bger.ch

Urteilskopf

126 III 49


12. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 9. Dezember 1999 i.S. H. P. c. J. T. (Berufung)

Regeste

Art. 287 Abs. 1 ZGB ; Kinderunterhaltsvertrag: Genehmigung durch die Vormundschaftsbehörde und Wirkungen der Vereinbarung vor der Genehmigung.
Ein mündlich und für in der Schweiz mit ihrer Mutter lebende Kinder geschlossener Unterhaltsvertrag, mit dem in einem ausländischen Scheidungsurteil festgesetzte Unterhaltsbeiträge deutlich heraufgesetzt worden sein sollen, muss von der dafür zuständigen Vormundschaftsbehörde in der Schweiz nach Art. 287 Abs. 1 ZGB genehmigt werden (E. 2a und b). Die Genehmigungspflicht besteht auch dann, wenn mit dieser Vereinbarung bei unverändertem Bedarf der Kinder einzig Beiträge für sie erhöht worden wären (E. 2c bis e).
Die Arrestprosequierungsklage, mit der um Zuspruch verarrestierter Unterhaltsbeiträge in der Höhe des behaupteten Vertrages ersucht wird, ist abzuweisen, weil aus einem noch nicht genehmigten Unterhaltsvertrag nicht auf Erfüllung geklagt werden kann (E. 3).

Sachverhalt ab Seite 50

BGE 126 III 49 S. 50
H.P., die mit ihren Kindern von Brasilien nach Genf gezogen war, und J.T. wurden in São Paolo am 8. März 1990 geschieden. Im Scheidungsurteil waren für den Fall, dass die Mutter und die Kinder nicht im Urteilsstaat wohnen, Unterhaltsbeiträge pro Kind und Monat von USD 500.- festgesetzt. Tatsächlich wurden für den Unterhalt aber jährlich ungefähr Fr. 192'000.- und für Ferien Fr. 30'000.- pro Jahr bezahlt. H.P. behauptet, die Summe sei im November 1991 in Genf im Hinblick auf ihre Wiederverheiratung einvernehmlich auf insgesamt Fr. 120'000.- pro Jahr gesenkt worden; diese Summe entspreche den nach der Scheidung einvernehmlich festgesetzten Kinderunterhaltsbeiträgen.
Nach einer ersten gerichtlichen Auseinandersetzung (Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich vom 21. Juli 1995) hiess das Bezirksgericht Zürich die gegen J.T. gerichtete, auf dem Anspruch der Kinder aus der angeblichen Unterhaltsvereinbarung vom November 1991 beruhende Arrestprosequierungsklage von H.P. gut, sprach dieser Fr. 50'000.- nebst 5% Zins seit dem 1. Juli 1995 samt Kosten des Betreibungs- und Arrestverfahrens zu und hob den Rechtsvorschlag des beklagten J.T. auf. Weiter stellte es fest, dass sich dieser im November 1991 verpflichtet hatte, der Klägerin für die Kinder F. und S. je Fr. 5'000.- monatlich im Voraus bis zu deren Ausbildungsabschluss, längstens bis zum vollendeten 25. Altersjahr zu entrichten. Die Berufung des Beklagten gegen dieses Urteil wurde vom Obergericht des Kantons Zürich mit Beschluss vom 24. Juli 1998 gutgeheissen und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin beantragt mit Berufung, der Beschluss des Obergerichts vom 24. Juli 1998 sei aufzuheben und die Klage gutzuheissen;
BGE 126 III 49 S. 51
eventualiter sei die Sache zur Ergänzung des Beweisverfahrens und zu neuer Entscheidung im Sinne der rechtlichen Erwägungen an die Vorinstanzen zurückzuweisen. Der Beklagte schliesst auf Abweisung der Berufung. Das Bundesgericht weist die Berufung ab

Erwägungen

aus folgenden Erwägungen:

2. Das Obergericht hat mit Beschluss vom 24. Juli 1998 entschieden, ein gerichtlich festgesetzte Unterhaltsbeiträge abändernder Vertrag müsse von der Vormundschaftsbehörde in jedem Fall genehmigt werden. Seine im Arrestverfahren zwischen den gleichen Parteien vertretene Ansicht (Beschluss vom 21. Juli 1995), wonach ein Kinderunterhaltsbeiträge heraufsetzender Vertrag nicht genehmigt werden müsse, sei falsch und müsse daher fallengelassen werden. Weil die angebliche Vereinbarung vom November 1991 so oder anders genehmigungsbedürftig sei, brauche ihr Bestehen und gegebenenfalls ihr Inhalt beweismässig nicht weiter abgeklärt zu werden. Weiter komme selbst auf das Verständnis von Art. 287 Abs. 1 ZGB nichts an, weil der Vertrag schriftlich vorliegen müsse, damit für ihn überhaupt eine Genehmigung eingeholt werden könnte.
a) Der Beklagte findet zunächst, die angebliche Vereinbarung vom November 1991 müsse gemäss Art. 157 und 158 Ziff. 5 ZGB vom Richter und damit in jedem Fall genehmigt werden, weil mit ihr der im brasilianischen Scheidungsurteil festgelegte Kinderunterhaltsbeitrag abgeändert worden sei.
aa) Keine Rolle für den vorliegenden Fall spielt der Umstand, dass mit der angeblichen Vereinbarung vom November 1991 Kinderunterhaltsbeiträge erhöht worden sind, die in einem ausländischen Scheidungsurteil festgelegt wurden, weil schweizerisches Recht anzuwenden ist ( Art. 64 Abs. 2 und Art. 83 Abs. 1 IPRG [SR 291] i.V.m. Art. 1 und 4 Abs. 1 des Haager Übereinkommens über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 2. Oktober 1973 [SR 0.211.213.01]).
bb) Nach der herrschenden Lehre ist die Vormundschaftsbehörde für die Genehmigung eines Unterhaltsvertrages auch dann zuständig, wenn mit ihm in einem Scheidungsurteil festgesetzte Kinderunterhaltsbeiträge abgeändert werden (LÜCHINGER/GEISER, Basler Kommentar, ZGB Bd. I/1, Basel 1996, N. 16 lemma 2 zu Art. 157 ZGB mit Hinweisen; HINDERLING/STECK, Das schweizerische Ehescheidungsrecht, 4. Aufl. 1995, S. 494 in Fn 16b; DESCHENAUX/TERCIER/WERRO, Le mariage et le divorce, 4. Aufl. 1995, Rz 847 S. 170;
BGE 126 III 49 S. 52
HAUSHEER/SPYCHER/KOCHER/BRUNNER, Handbuch des Unterhaltsrechts, Rz 06.163 S. 383 f.; C. HEGNAUER, Droit suisse de la filiation, 4. Aufl. 1998, Rz 21.28 S. 146). Einzig BÜHLER/SPÜHLER und SPÜHLER/FREI-MAURER finden, der Scheidungsrichter sei zuständig (Berner Kommentar, je N. 22 und 33 zu Art. 157 ZGB sowie N. 167 und 170 zu Art. 158 ZGB ). Aus BGE 107 II 10 E. 2 S. 12 f. kann darauf entgegen der Ansicht des Beklagten nicht geschlossen werden. Zum einen betraf dieser Entscheid einen vertraglichen Verzicht auf Kinderunterhaltsbeiträge. Zum anderen stand im Betreibungsverfahren die Genehmigungspflicht grundsätzlich zur Diskussion (MARTIN STETTLER, Schweizerisches Privatrecht, III/2, S. 356 nach Fn 202; LÜCHINGER/GEISER, a.a.O. N. 16 lemma 2 zu Art. 157 ZGB ), weshalb sich das Bundesgericht zur Frage, ob statt des Richters auch die Vormundschaftsbehörde die Genehmigung erteilen kann, nicht hätte zu äussern brauchen (obiter dictum). Das neue Scheidungsrecht folgt der herrschenden Lehre (vgl. Art. 134 Abs. 2 und Art. 315b in der ab dem 1.1.2000 geltenden Fassung des Zivilgesetzbuches; Botschaft des Bundesrates vom 15. November 1995 über die Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, BBl 1996 I 130f.).
Von der Entlastung der Gerichte abgesehen spricht ein wesentliches Argument für die in der Lehre mehrheitlich vertretene Meinung: Wenn die Vormundschaftsbehörde zuständig ist, eine Vereinbarung zu genehmigen, mit der ein Unterhaltsbeitrag geändert worden ist, der in einem ausschliesslich auf Kindesrecht gründenden Urteil festgesetzt wurde (so im Ergebnis BGE 113 II 113 E. 4 S. 116; HEGNAUER, Berner Kommentar, N. 42 und 95 zu Art. 287/288 ZGB; STETTLER, a.a.O. S. 355 f.), muss dies logischerweise auch für den in einem Scheidungsurteil enthaltenen Kinderunterhaltsbeitrag gelten. Denn hier wie dort hat ein Gericht gestützt auf eine Klage entschieden, die in der Sache nach den gleichen Normen zu beurteilen war (Art. 156 Abs. 2 i.V.m. Art. 276 ff. ZGB für das Scheidungsurteil bzw. die letztgenannten Bestimmungen direkt im Fall eines ausschliesslich im Kindesrecht gründenden Unterhaltsurteils). Weil die angebliche Unterhaltsvereinbarung vom November 1991 nicht während eines gerichtlichen Verfahrens geschlossen worden sein kann, fällt die richterliche auf Art. 287 Abs. 3 ZGB gestützte Kompetenz weg mit der Folge, dass im vorliegenden Fall allein die Vormundschaftsbehörde für die Genehmigung zuständig ist.
b) Die Klägerin hält dem angefochtenen Beschluss in der Sache entgegen, ein mündlich geschlossener (und nachgewiesener) Unterhaltsvertrag sei gültig, soweit mit ihm bloss vorbestehende Unterhaltsbeiträge
BGE 126 III 49 S. 53
für die Kinder erhöht worden sind. Diesfalls würde die Genehmigungspflicht nach Art. 287 Abs. 1 ZGB den Interessen der Kinder schaden, weil diese um die höheren Beträge gebracht würden. Das Bundesgericht habe bisher auch nur Verträge als genehmigungsbedürftig erachtet, mit denen zu Lasten des Kindes auf Unterhaltsbeiträge ganz oder zum Teil verzichtet worden war. Der Beklagte hält dagegen, man dürfe das Kindesinteresse nicht derart stark gewichten, dass eine Genehmigung unnötig sei; auch die Interessen des Unterhaltsverpflichteten müssten berücksichtigt werden und es diene auch dem Wohl des Kindes nicht, einen möglicherweise unbezahlbaren Unterhaltsbeitrag zu erhalten.
Nach Art. 7 ZGB i.V.m. Art. 11 Abs. 1 OR ist eine Unterhaltsvereinbarung formlos gültig ( BGE 47 II 19 S. 21; P. BREITSCHMID, Basler Kommentar, ZGB Bd. I/1, N. 2 zu Art. 287/288 ZGB). Was das Obergericht zur Schriftform ausführt, ist rechtlich unerheblich und spielt nur für die Beweisbarkeit der Vereinbarung eine Rolle. Dass sich aus Gründen der Praktikabilität im Genehmigungsverfahren einfache Schriftlichkeit aufdrängt (HEGNAUER, Berner Kommentar, N. 36 zu Art. 287/288 ZGB), vermag keinen Formzwang zu begründen, weil die genehmigende Behörde die Vertragsparteien anhören (MARTIN METZLER, Die Unterhaltsverträge nach dem neuen Kindesrecht, Diss. Freiburg, Zürich 1980, S. 92 f.) und den Inhalt der Vereinbarung vor Erlass ihrer Verfügung protokollieren kann. Soweit der Beklagte die Ansicht vertritt, eine Genehmigung sei stets dann erforderlich, wenn kein schriftlicher Vertrag vorliege, macht er die Gültigkeit einer Unterhaltsvereinbarung im Ergebnis von der Einhaltung einer Form abhängig, was nach dem Gesagten nicht angeht. Wenn kein schriftlicher Vertrag vorliegt, hat das Kind als Gläubiger aber keinen Rechtsöffnungstitel, weshalb ihm grundsätzlich nur die Klage zur Verfügung steht.
c) Unterhaltsvereinbarungen, die auf Art. 276 ZGB fussen, sind ohne Genehmigung der Vormundschaftsbehörde für das Kind ungültig; dieses wird erst mit behördlichem Plazet rechtswirksam verpflichtet ( Art. 287 Abs. 1 ZGB ; HEGNAUER, Berner Kommentar, N. 69 f. und 73 zu Art. 287/288 ZGB). Damit ist aber die Frage, ob jeder Kinderunterhaltsvertrag eine Genehmigung braucht, noch nicht entschieden.
Zwar ist der Klägerin darin beizupflichten, dass sich die Sachverhalte der bisher publizierten Bundesgerichtsurteile betreffend die Genehmigungspflicht von Abänderungsverträgen über Kinderunterhalt nie auf Fälle von vertraglicher Erhöhung von Unterhaltsbeiträgen
BGE 126 III 49 S. 54
bezogen haben ( BGE 113 II 113 S. 114 lit. A und E. 4 S. 116 f.; BGE 107 II 10 S. 11 lit. C und E. 2 S. 13). Jedoch lässt sich daraus allein nichts für den Standpunkt der Klägerin ableiten, umso weniger als im zuletzt genannten Entscheid der Abänderungsvertrag schlechthin genehmigungsbedürftig erklärt worden ist ( BGE 113 II 113 E. 4 S. 116).
d) An den klaren und unzweideutigen Wortlaut einer Bestimmung ist die rechtsanwendende Behörde grundsätzlich gebunden. Sprechen keine triftigen Gründe für eine vom Gesetzestext abweichende oder ihm gar zuwiderlaufende Auslegung, braucht eine Gesetzesbestimmung nicht weiter ausgelegt zu werden ( Art. 1 Abs. 1 ZGB ; BGE 124 III 266 E. 4 S. 268; BGE 122 III 469 E. 5a S. 474 je mit Hinweisen).
aa) Da Art. 287 Abs. 1 ZGB die Genehmigung für "Unterhaltsverträge" schlechthin vorsieht, bietet der Wortlaut keine Handhabe dafür, eine noch so genau umschriebene Kategorie von Unterhaltsverträgen von der Genehmigungspflicht auszunehmen (so im Ergebnis schon die bundesrätliche Botschaft zum neuen Kindesrecht, BBl. 1974 II S. 63). Daher wird in der Literatur die Genehmigung für Unterhaltsverträge häufig ausnahmslos verlangt; dies auch für sämtliche Abänderungsverträge unabhängig davon, ob darin der Unterhaltsbeitrag herauf- oder herabgesetzt wird (STETTLER, a.a.O. S. 355 f. bei Fn 201 und 208; HAUSHEER/SPYCHER/KOCHER/BRUNNER, a.a.O. Rz 06.163 S. 383 f.). Insoweit spricht nichts dafür, den angeblichen Unterhaltsvertrag vom November 1991, mit dem im ausländischen Scheidungsurteil festgesetzte Unterhaltsbeiträge einvernehmlich massiv heraufgesetzt worden sein sollen, von der Genehmigungspflicht auszunehmen.
bb) Wohl darf eine Gesetzesbestimmung u. a. mit Rücksicht auf ihren Zweck vom Wortlaut abweichend ausgelegt BGE 124 III 229 E. 3c S. 235 f., 266 E. 4 S. 268; BGE 123 III 280 E. 2b/bb S. 285; BGE 122 III 324 E. 7a S. 325) und in hinreichend begründeten Fällen auch auf Sachverhalte nicht angewendet werden, die vom Wortlaut der Norm an sich erfasst wären ( BGE 124 III 463 E. 4b/aa S. 465; 123 III 213 E. 5b S. 218; BGE 121 III 219 E. 1d/aa S. 224 f.; dazu zuletzt H. M. RIEMER, Zur sogenannten "teleologischen Reduktion", recht 17/1999, S. 176 ff.). Für letzteres Vorgehen bestehen hier zuwenig Anhaltspunkte:
Die Genehmigungspflicht soll vorab dem Wohl des Kindes dienen und es vor Nachteilen schützen (HEGNAUER, Berner Kommentar, N. 40 zu Art. 287/288 ZGB; STETTLER, a.a.O. S. 335 Abs. 3),
BGE 126 III 49 S. 55
weshalb die Genehmigungsbehörde bei ihrer Prüfung denn auch die Interessen des Kindes zu wahren hat. Daher darf die Genehmigung in der Regel nicht verweigert werden, wenn der Vertrag das Kind besser stellt als das Gesetz ( BGE 107 II 10 E. 2 S. 13; HEGNAUER, Berner Kommentar, N. 55 und 92 zu Art. 287/288 ZGB; BREITSCHMID, a.a.O. N. 14 zu Art. 287 ZGB ).
Da es dem Wohl des Kindes nicht schadet, wenn ihm ein höherer als vom Gericht zugestandener Unterhaltsbeitrag versprochen wird, braucht eine solche Vereinbarung nach Auffassung von C. HEGNAUER (Grundriss des Kindesrechts und des übrigen Verwandtschaftsrechts, 5. Aufl. 1999, Rz 21.28 S. 164 mit Hinweisen) keine Genehmigung. Weil aber auch die Prüfung der Frage, ob die Bedürfnisse des Kindes stärker angestiegen sind als der Unterhaltsbeitrag heraufgesetzt worden ist, im Interesse des Kindes liegt, könnte diese Ansicht von vornherein nur für den Fall zutreffen, dass sich der Unterhaltsschuldner zu mehr verpflichtet, obwohl sich die Verhältnisse auf Seiten des Kindes nicht verändert oder gar insofern verbessert haben, als das Kind nur noch einen geringeren Finanzbedarf hat als im Zeitpunkt der ersten Festlegung des Unterhaltsbeitrages. Zwar ist bei dieser Konstellation auf den ersten Blick nicht ersichtlich, wovor das Kind mit der Genehmigungspflicht geschützt werden soll. Jedoch entstünde unnötige Unsicherheit über die Frage, ob sich die Situation des Kindes über alles betrachtet wirklich verbessert hat mit der unerwünschten Folge, dass Unsicherheit über die Tragweite der Genehmigungspflicht entstünde (vgl. BGE 64 II 406 E. 1 S. 408 f. zur Sicherheit des Geschäftsverkehrs im Zusammenhang mit Art. 421 Ziff. 8 ZGB ). Weiter könnten Unterhaltsprozesse nicht vermieden werden, weil das Kind dem Unterhaltsschuldner, der auf dem ungenehmigten Vertrag beharrt, stets entgegenhalten könnte, sein Bedarf sei stärker angestiegen als der Unterhaltsbeitrag heraufgesetzt worden ist; das Kind könnte mit diesem Argument trotz des Vertrages stets auf eine höhere Leistung klagen. Schliesslich darf nicht ausser Acht bleiben, dass die Genehmigungspflicht auch der Wahrung von Interessen des Unterhaltspflichtigen dient (HEGNAUER, Berner Kommentar, N. 55 zu Art. 287/288 ZGB), weil die Unterhaltsvereinbarung den Erfordernissen von Art. 285 ZGB genügen muss (MEIER/STETTLER, Droit civil VI/2: Les effets de la filiation ( art. 270 à 327 CC), Rz 552 S. 269; HAUSHEER/SPYCHER/KOCHER/BRUNNER, a.a.O. Rz 06.160 S. 382; HEGNAUER, Grundriss, Rz 21.20 S. 161). Erinnert sei insbesondere daran, dass der Unterhaltspflichtige grundsätzlich keinen Beitrag entrichten muss,
BGE 126 III 49 S. 56
der sein Existenzminimum beeinträchtigt ( BGE 123 III 1 E. 3b/bb S. 5).
e) Gelangt man damit zum Schluss, dass der angebliche Vertrag vom November 1991 genehmigungsbedürftig ist, bleibt nur noch zu prüfen, ob allein deswegen auch die Arrestprosequierungsklage abgewiesen werden kann. Denn mit der Bejahung der Genehmigungspflicht steht noch nicht fest, dass die behauptete Vereinbarung, sofern sie geschlossen wurde, rechtlich irrelevant ist.

3. Für den Fall, dass die Genehmigungspflicht bejaht wird, macht die Klägerin nämlich geltend, gemäss Art. 287 Abs. 1 ZGB wäre der behauptete Vertrag für den Beklagten schon vor der Genehmigung durch die Vormundschaftsbehörde verbindlich. In der Sache verlangt sie im vorliegenden Verfahren denn auch um Zuspruch des verarrestierten Betrages (Fr. 50'000.-), pocht mithin insoweit auch auf Erfüllung des angeblichen Vertrages.
a) Die Meinungen zum damit angeschnittenen Problemkreis lassen sich hauptsächlich in drei Gruppen einteilen, wovon zwei wegfallen:
aa) HAUSHEER/SPYCHER/KOCHER/BRUNNER sind der Ansicht, die Genehmigung durch die Vormundschaftsbehörde sei Gültigkeitserfordernis für den Unterhaltsvertrag (a.a.O. Rz 06.158 S. 382). Diese Ansicht ist wohl vom Wortlaut des Art. 158 Ziff. 5 ZGB inspiriert, worin die Rechtsgültigkeit der Scheidungskonvention von der richterlichen Genehmigung abhängig gemacht wird ( BGE 107 II 10 E. 2 S. 12, BGE 102 II 65 E. 2; BÜHLER/SPÜHLER, N. 171 zu Art. 158 ZGB ; HINDERLING/STECK, a.a.O. S. 515 mit Fn 4). Vor der Genehmigung befindet sich die Vereinbarung in einem rechtlichen Schwebezustand: die Parteien können von ihr nicht zurücktreten und dem Scheidungsrichter einzig beantragen, er möge ihr die Genehmigung verweigern. Weil die Konvention Bestandteil des Dispositivs des Scheidungsurteils ist, können daraus resultierende Forderungen erst nach Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsurteils geltend gemacht werden ( BGE 119 II 297 E. 3b S. 301 f.; BGE 117 II 218 E. 4c S. 227; BGE 99 II 359 E. 3b und c S. 361 f.; BGE 71 II 132 E. 1 und 3; SPÜHLER/FREI-MAURER, N. 150 f. und 172 zu Art. 158 ZGB ; HINDERLING/STECK, a.a.O. S. 519 f. bei Fn 13a bis 17).
Jedoch ist für die Genehmigung im vorliegenden Fall nicht der Scheidungsrichter, sondern die Vormundschaftsbehörde zuständig (E. 2a hiervor) und es steht auch weder eine Scheidungsklage noch eine auf Abänderung des Scheidungsurteils abzielende Klage ( Art. 157 ZGB ) zur Beurteilung, weshalb Art. 158 Ziff. 5 ZGB hier
BGE 126 III 49 S. 57
nicht angewendet und infolgedessen auch nicht auf dieser Basis argumentiert werden kann. Denn die Vormundschaftsbehörde genehmigt nach Art. 287 Abs. 1 ZGB nicht mittels eines Urteils, sondern mit einer beschwerdefähigen Verfügung ( Art. 420 Abs. 2 ZGB ), die nicht mit Berufung an das Bundesgericht weitergezogen werden kann ( BGE 111 II 1 E. 3 S. 8; HEGNAUER, Berner Kommentar, N. 64 zu Art. 287/288 ZGB; BREITSCHMID, a.a.O. N. 10 zu Art. 287 ZGB ).
bb) Obwohl METZLER gewisse Zweifel nicht unterdrücken kann, geht er insofern am weitesten, als er dem Kind aus dem geschlossenen Unterhaltsvertrag nach Art. 7 ZGB i.V.m. Art. 75 OR schon vor der Genehmigung durch die Vormundschaftsbehörde einen Erfüllungsanspruch einräumt (a.a.O. S. 99 f. und 103 f.), was HEGNAUER (Berner Kommentar, N. 71 zu Art. 287/288 ZGB) zu Recht ablehnt. Denn wie METZLER selbst zutreffend festhält (a.a.O. S. 105), kann der Unterhaltspflichtige nicht zurückverlangen, was er aufgrund des im Fall der Verweigerung der Genehmigung wegfallenden Vertrages (HEGNAUER, Berner Kommentar, N. 74 zu Art. 287/288 ZGB; METZLER, a.a.O. S. 102 und 104) über das gesetzliche Minimum hinaus geleistet hat, weil es in Erfüllung einer sittlichen Pflicht erbracht worden ist ( Art. 63 Abs. 2 OR ; VON TUHR/PETER, Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts, Bd. I, 3. Aufl. 1979, S. 34 und 482 f.; HEGNAUER, Grundriss, Rz 21.24 S. 162). Angesichts dieses Umstandes macht es keinen Sinn, dem Kind vor der Genehmigung eines Unterhaltsvertrages einen Erfüllungsanspruch einzuräumen, weil damit die Genehmigungspflicht selbst überflüssig würde. Denn für das Kind könnten aus dem ungenehmigten Vertrag gleichermassen Forderungen gestellt werden wie aus dem genehmigten. Zudem scheitert der Hinweis auf Art. 75 OR , worin die Fälligkeit einer Forderung geregelt ist, schon daran, dass dem die Forderung begründenden Unterhaltsvertrag vor der Genehmigung Nichtigkeit droht (lit. cc Abs. 2 hiernach). Eine Forderung, deren Bestehen noch von einer Genehmigung abhängt, kann nicht fällig sein.
cc) Da der Kinderunterhaltsvertrag nach Art. 287 Abs. 1 ZGB für das Kind erst mit der Genehmigung durch die Vormundschaftsbehörde verbindlich wird, kann aus dem Wortlaut ohne weiteres geschlossen werden, der Unterhaltsschuldner sei bereits mit Abschluss des Unterhaltsvertrages an ihn gebunden. In der Lehre wird dieser Umkehrschluss denn auch mit unterschiedlichen Konsequenzen in der Sache zu Recht gezogen (HEGNAUER, Berner Kommentar, N. 70 und 73 zu Art. 287/288 ZGB; METZLER, a.a.O. S. 88, 99 f., 103 und 105; ohne Begründung Stettler, a.a.O. S. 334 unten).
BGE 126 III 49 S. 58
Denn wäre der noch ungenehmigte Unterhaltsvertrag ein rechtliches Nichts, könnte nicht erklärt werden, weshalb Art. 287 Abs. 1 ZGB für den Zeitraum zwischen dem Abschluss des Vertrages und dessen Genehmigung durch die Vormundschaftsbehörde vorschreibt, er sei nur für das Kind unverbindlich.>
Erteilt die Vormundschaftsbehörde die Genehmigung, entfaltet der Unterhaltsvertrag Wirkung ab dem Zeitpunkt seines Abschlusses; verweigert sie diese, so fällt der Vertrag ex tunc dahin. Der Unterhaltspflichtige kann für den Fall, dass die Genehmigung des Vertrages verweigert wird, von diesem nicht zurücktreten und dem Kind nur eine höhere Leistung anbieten (HEGNAUER, Berner Kommentar, N. 73 f. zu Art. 287/288 ZGB; METZLER, a.a.O. S. 102 und 104; allgemein E. BUCHER, Berner Kommentar, N. 70 f. und 132 f. zu Art. 19 ZGB ). Umgekehrt darf für das Kind vor der Genehmigung des Vertrages nur auf Erfüllung des gesetzlichen Unterhaltsanspruches geklagt werden, weil der Vertrag auch für das Kind in der Schwebe bleibt (STETTLER, a.a.O. S. 336 oben; METZLER, a.a.O. S. 101; vgl. BREITSCHMID, a.a.O. N. 9 zu Art. 287 ZGB ). Das Fehlen des Erfüllungsanspruches vor der Genehmigung ist letztlich Folge des allgemeinen Grundsatzes, dass dem Rechtsgeschäft einer handlungsunfähigen Person (hier dem Unterhaltsvertrag für das unmündige Kind: HEGNAUER, Berner Kommentar, N. 13 zu Art. 287/288 ZGB) in Rücksicht auf die Mitwirkungspflicht der Eltern, des Vormundes und der vormundschaftlichen Behörden stets die Nichtigkeit droht, auf die sich alle Beteiligten berufen können (BUCHER, N. 3 ff., 136 ff. und 151 ff. zu Art. 17/18 ZGB). Auch der Vertrag zwischen dem Mündel und einem Dritten befindet sich in einem Schwebezustand, bevor er durch den Vormund bez. zusätzlich durch die Vormundschafts- und evtl. durch die Aufsichtsbebehörde genehmigt ist (Art. 410 f., 421 f. und 424 ZGB; dazu BGE 117 II 18 E. 5 und 7, A. LEUBA, Basler Kommentar, ZGB Bd. I/2, N. 14 ff. zu Art. 410 ZGB und N. 5 f. zu Art. 411 ZGB , TH. GEISER, Basler Kommentar, ZGB Bd. I/2, N. 4 ff. zu Art. 424 ZGB , DESCHENAUX/STEINAUER, Personnes physiques et tutelle, 3. Aufl. 1995, Rz 250 und 255 ff. S. 77 ff., H. M. RIEMER, Grundriss des Vormundschaftsrechts, 2. Aufl. 1997, § 4 Rz 102 ff. und 150 ff. S. 74 ff. und 89 f. sowie BUCHER, N. 33 f., 96 ff. und 144 ff. zu Art. 19 ZGB ).
b) Über eine Arrestprosequierungsklage wird im ordentlichen bez. beschleunigten Verfahren befunden (hier § 53 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO /ZH i.V.m. Art. 280 Abs. 1 ZGB ), das sich jedoch bezüglich des allenfalls zuzusprechenden Betrages auf die verarrestierte Summe zu
BGE 126 III 49 S. 59
beschränken hat, hier mithin auf die aus dem angeblichen Vertrag vom November 1999 geschuldeten und im Betrag von Fr. 50'000.- verarrestierten Unterhaltsbeiträge. Das Arrestprosequierungsurteil erlangt im geschilderten Rahmen auch volle materielle Rechtskraft ( BGE 121 III 184 E. 2b S. 186 f.; 110 III 97 E. 2 S. 98; AMONN/GASSER, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 6. Aufl. 1997, § 4 Rz 47 bis 49 und § 51 Rz 97 f. S. 22 f. und 425). Infolgedessen durfte der Anspruch auf Erfüllung des angeblichen Vertrages geprüft werden. Weil dieser nach den vorstehenden Darlegungen vor der Genehmigung des Unterhaltsvertrages nicht geltend gemacht werden kann (E. 3a/cc hiervor), verletzt der angefochtene Beschluss, mit dem die Klage abgewiesen worden ist, Bundesrecht nicht.

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