Urteilskopf
128 III 124
22. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung i.S. Schweizerische Eidgenossenschaft und Mitb. gegen Gemeinde A. (Berufung)
5C.178/2001 vom 22. Oktober 2001
Regeste
Ausübung eines im Grundbuch vorgemerkten Kaufsrechts an einem Grundstück, das in der Zwischenzeit mit Arrest belegt worden ist (
Art. 959 Abs. 2 ZGB
;
Art. 96 Abs. 1 SchKG
).
Der nach Vormerkung des Kaufsrechts vollzogene Arrest steht einem Eigentumsübergang infolge Ausübung des Kaufsrechts nicht entgegen. Der Erwerber des Grundstücks kann die Löschung der auf dem Arrest beruhenden vorgemerkten Verfügungsbeschränkung erwirken, indem er beim Betreibungsamt den Teil des Kaufpreises hinterlegt, der nicht durch Übernahme der vor dem Arrest begründeten Grundpfandschulden getilgt worden ist.
Am 7. Januar 1993 räumte Y. der Gemeinde A. an der auf ihrem Gebiet liegenden Parzelle ... ein Kaufsrecht zum Preis von Fr. 2'460'590.- ein. Gleichentags wurde dieses Recht im Grundbuch vorgemerkt.
Mit einem für eine Forderungssumme von 400'000 Franken nebst Zins zu 10% seit 31. August 1991 gegen Y. erwirkten Arrestbefehl vom 21. Januar 1993 liess die Z. AG das Grundstück mit Beschlag belegen. Die dem Arrestvollzug entsprechende Verfügungsbeschränkung liess das Betreibungsamt B. am 22. Januar 1993 im Grundbuch vormerken. In der Folge wurde der Arrest ordnungsgemäss prosequiert.
Am 10. Juli 1995 übte die Gemeinde A. das Kaufsrecht aus, worauf am 24. Oktober 1995 der entsprechende Vertrag öffentlich beurkundet wurde. Noch am gleichen Tag wurde die Anmeldung zur Eintragung des Eigentumsübergangs in das Grundbuch eingereicht. Hinsichtlich der Tilgung des Kaufpreises (Fr. 2'460'590.-) vereinbarten Y. und die Gemeinde A., dass Fr. 2'176'642.- durch Übernahme der Schuldpflicht gegenüber der Grundpfandgläubigerin (Bank X.), Fr. 217'557.- (fällig mit der Eigentumsübertragung) durch Übergabe eines Checks an Y. bzw. an den Notar zur Weiterleitung an die kantonale Steuerverwaltung zwecks Begleichung der Grundstückgewinnsteuer und Fr. 66'391.- durch Hinterlegung auf ein vom Betreibungsamt B. bis zur rechtskräftigen
BGE 128 III 124 S. 126
Erledigung des Arrestprosequierungsverfahrens geführtes Konto geleistet würden.
Zu Gunsten der gegen Y. hängigen Betreibungen Nr. ... der Schweizerischen Eidgenossenschaft und des Kantons Schwyz und Nr. ... (ursprünglich Arrestprosequierungsbetreibung Nr. ...) der Z. AG (der die Arrestforderung gestützt auf das Urteil des Bundesgerichts vom 12. November 1997 in der Höhe von Fr. 257'143.- zusteht) pfändete das Betreibungsamt B. am 9. Dezember 1997 "ein bestrittenes Guthaben" von Fr. 217'557.- gegenüber der Gemeinde A. Dieser wurde angezeigt, dass sie den Betrag mit befreiender Wirkung nur noch an das Betreibungsamt leisten könne. Die Pfändung beruhte auf der von den Pfändungsgläubigern vertretenen Ansicht, der dem Guthaben entsprechende Betrag hätte von der Gemeinde A. beim Kauf des Grundstücks ... wegen des am 22. Januar 1993 vollzogenen Arrestes nicht an Y. bzw. - zur Deckung der Grundstückgewinnsteuer - an die Steuerverwaltung geleistet werden dürfen, sondern an das Betreibungsamt überwiesen werden müssen. Am 12. August 1998 ermächtigte das Betreibungsamt B. die drei Pfändungsgläubiger nach
Art. 131 Abs. 2 SchKG
, die gepfändete Forderung von Fr. 217'557.- auf eigene Rechnung und Gefahr direkt bei der Gemeinde A. einzutreiben.
Die Schweizerische Eidgenossenschaft und der Kanton Schwyz sowie die Z. AG reichten mit Eingabe vom 9. Februar 1999 beim Bezirksgericht B. gegen die Gemeinde A. Klage ein und verlangten, die Beklagte sei zu verpflichten, ihnen die Kaufpreisrestforderung von Fr. 217'557.- nebst Zins zu 5% seit dem 24. Oktober 1995 zu zahlen. Die Beklagte beantragte Abweisung der Klage und verkündete dem Kanton Schwyz und dem Bezirk B. den Streit.
Das Bezirksgericht B. hiess die Klage am 1. Juli 1999 gut.
In Gutheissung einer Berufung der Beklagten wies das Kantonsgericht (Zivilkammer) des Kantons Schwyz die Klage durch Urteil vom 21. Mai 2001 ab.
Mit Eingabe vom 27. Juni 2001 haben die Kläger Berufung an das Bundesgericht erhoben. Sie beantragen, die Klage gutzuheissen; allenfalls sei die Sache in Gutheissung der Berufung zur ergänzenden Sachverhaltsabklärung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Das Kantonsgericht beantragt, die Berufung abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Die Beklagte schliesst auf Abweisung der Berufung.
Das Bundesgericht heisst die Berufung gut.
Aus den Erwägungen:
1.
Ihren Forderungsanspruch begründen die Kläger damit, dass die Beklagte den - einen Teil des Kaufpreises darstellenden - Betrag von Fr. 217'557.- wegen des Arrestes, der auf dem von ihr erworbenen Grundstück gelastet habe, dem Betreibungsamt (zu Händen der Arrestgläubigerschaft) hätte zahlen müssen und die Leistung an den früheren Eigentümer, den Arrestschuldner, (bzw. die Übergabe eines entsprechenden Checks an den Notar zur Weiterleitung an die kantonale Steuerverwaltung) keine befreiende Wirkung gehabt habe. Die Beklagte widerspricht dieser Ansicht mit der Begründung, durch die Ausübung des Kaufsrechts habe der Arrest seine Wirkung verloren.
2.
Die Beklagte verkennt Bedeutung und Tragweite der auf dem Kaufsrecht bzw. auf dem Arrestbeschlag beruhenden Vormerkungen:
a) Durch Erklärung vom 7. Januar 1993 räumte Y. der Beklagten das (bis zum 31. Dezember 1995 befristete) Recht ein, das Grundstück (zum Preis von Fr. 2'460'590.-) käuflich zu erwerben. Ein Kaufsrecht ist persönlicher Natur, woran auch seine Vormerkung im Grundbuch nichts ändert (vgl. ARTHUR MEIER-HAYOZ, Berner Kommentar, N. 56 zu Art. 683 [a]ZGB; PETER LIVER, Das Eigentum, in: Schweizerisches Privatrecht, Bd. V/1, S. 208 in Verbindung mit S. 215). Die Folge der Vormerkung ist einzig, dass das Kaufsrecht Wirkung gegenüber jedem später erworbenen Recht erhält (
Art. 959 Abs. 2 ZGB
); das Kaufsrecht wird mit dem Grundstück in der Weise verknüpft, dass es auch einem allfälligen Erwerber gegenüber ausgeübt werden könnte (sog. Realobligation; dazu
BGE 116 II 677
E. 3 S. 682 mit Hinweisen). Es ist demnach nicht etwa so, dass die Vormerkung eine Veräusserung des Grundstücks an eine andere als die kaufrechtsberechtigte Person ausschlösse (vgl. LIVER, a.a.O.).
Da die blosse Einräumung des Kaufsrechts an den Eigentumsverhältnissen nichts ändert und hier Eigentümer nach wie vor Y. war, stand einer Beschlagnahme des Grundstücks in dem gegen diesen hängigen Arrestverfahren auch aus betreibungsrechtlicher Sicht nichts entgegen. Die Rechtmässigkeit der am 22. Januar 1993 vorgemerkten, auf
Art. 101 Abs. 1 und
Art. 275 SchKG
beruhenden Verfügungsbeschränkung steht deshalb ausser Frage.
b) Am 10. Juli 1995 übte die Beklagte das Kaufsrecht aus, wodurch die Pflicht von Y. begründet wurde, das Eigentum am Grundstück auf sie zu übertragen, mit andern Worten der suspensiv bedingte
BGE 128 III 124 S. 128
Kaufvertrag (Verpflichtungsgeschäft) zu einem unbedingten wurde (dazu MEIER-HAYOZ, a.a.O., N. 59 zu Art. 683 [a]ZGB; URS HESS, Basler Kommentar, N. 4 zu
Art. 216 OR
). Die Anmeldung zur Eintragung des entsprechenden Eigentumsübergangs in das Grundbuch wurde am 24. Oktober 1995 eingereicht.
aa) Nach Art. 96 Abs. 1 (in Verbindung mit Art. 275) SchKG darf der Schuldner über sein mit Arrest- bzw. Pfändungsbeschlag belegtes Grundstück nicht ohne Zustimmung des Betreibungsbeamten verfügen. Das führt hier, wo im Zeitpunkt der Arrestierung des Grundstücks das Kaufsrecht bereits vorgemerkt war, indessen nicht etwa dazu, dass die von Y. als kaufrechtsbelastetem Eigentümer im Hinblick auf die Eintragung abgegebenen Erklärungen (vgl.
Art. 963 Abs. 1 ZGB
) unwirksam wären; die Gültigkeit des Eigentumsübergangs lässt sich denn auch nicht in Zweifel ziehen (dazu
BGE 114 III 18
E. 3 S. 19 f. mit Hinweisen; HENRI DESCHENAUX, Das Grundbuch, in: Schweizerisches Privatrecht, Bd. V/3/II, S. 650 f.).
bb) Es trifft allerdings zu, dass hier das vorgemerkte Kaufsrecht älter ist als der Arrest und diesem deshalb grundsätzlich vorgeht. Das hat im Ergebnis auf den Entscheid indessen keinen Einfluss, weil das Grundstück im Zeitpunkt der Kaufsrechtsausübung mit dem Arrest belegt war und die Eigentumsübertragung, d.h. die Verfügung über das Grundstück (dazu LIVER, a.a.O., S. 214), nur mit Zustimmung des Betreibungsamtes erfolgen konnte (vgl.
BGE 102 III 20
E. 2 S. 24; PIERRE-ROBERT GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, N. 32 zu
Art. 96 SchKG
; DESCHENAUX, a.a.O., S. 651 Fn. 33a).
3.
Die Beklagte geht somit zu Unrecht davon aus, der Erwerber des Grundstücks, für das eine betreibungsrechtliche Verfügungsbeschränkung vorgemerkt ist, habe sich die dieser zugrunde liegenden Rechte des Arrest- bzw. Pfändungsgläubigers nicht entgegenhalten zu lassen. Da dessen Stellung nicht geschmälert werden darf, ist die Löschung der Vormerkung (von der die Beklagte ausgeht) einzig gegen eine entsprechende Sicherstellung zulässig.
Welchen Betrag der Erwerber zur Ablösung des vollstreckungsrechtlichen Beschlags beim Betreibungsamt (zu Händen des Arrest- bzw. Pfändungsgläubigers) zu hinterlegen hat, wird bei einem auf der Ausübung eines vorgemerkten Kaufsrechts beruhenden Eigentumsübergang durch die entsprechenden (festen) Preisabmachungen zwischen Kaufrechtsgeber und Kaufrechtsnehmer bestimmt. Auf Grund der (älteren) Vormerkung des Kaufsrechts hat der Arrest- bzw. Pfändungsgläubiger deren Vereinbarung gegen sich gelten zu
BGE 128 III 124 S. 129
lassen. Die Beklagte hätte mithin den Teil des Kaufpreises von Fr. 2'460'590.- beim Betreibungsamt hinterlegen müssen, der die Tilgung durch Übernahme der Grundpfandschulden übersteigt (vgl. DESCHENAUX, a.a.O., S. 651 Fn. 33a), abzüglich der bereits hinterlegten Fr. 66'391.-. Auf diese Leistung ist die Klage letztlich gerichtet. Sie ist daher vollumfänglich gutzuheissen, zumal der Zinsanspruch unbestritten geblieben ist.