Urteilskopf
128 V 323
48. Auszug aus dem Urteil i.S. M. AG gegen Sammelstiftung Pro Ventura und Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich
B 71/01 vom 15. Juli 2002
Regeste
Art. 73 Abs. 2 BVG
: Parteientschädigung an obsiegende Sozialversicherungsträger.
Im kantonalen Verfahren obsiegende Sozialversicherer, die anwaltlich oder sonst wie qualifiziert vertreten sind, haben Anspruch auf Parteientschädigung, wenn die Prozessführung der Gegenpartei als mutwillig oder leichtsinnig zu bezeichnen ist.
Fehlt eine solche Vertretung, müssen zusätzlich zu Mutwilligkeit oder Leichtsinn die Voraussetzungen für die Parteientschädigungsberechtigung einer unvertretenen Partei erfüllt sein.
Aus den Erwägungen:
1.
a) Die bundesrechtliche Minimalanforderung der Kostenlosigkeit des Verfahrens nach
Art. 73 Abs. 2 BVG
steht unter dem Vorbehalt des allgemeinen sozialversicherungsrechtlichen Verfahrensgrundsatzes, dass die Partei nicht in Mutwilligkeit oder Leichtsinn verfallen ist (
BGE 118 V 316
und seitherige ständige Rechtsprechung; vgl.
BGE 126 V 149
Erw. 4a,
BGE 124 V 287
Erw. 3a). Die Bejahung einer mutwilligen oder leichtsinnigen Prozessführung führt nicht nur zur Pflicht, die Verfahrenskosten zu tragen (
BGE 118 V 316
), sondern begründet auch die Pflicht, die obsiegende Vorsorgeeinrichtung, soweit anwaltlich vertreten, zu entschädigen, vorausgesetzt es finde sich im kantonalen Verfahrensrecht für einen solchen Parteientschädigungsanspruch die erforderliche gesetzliche
BGE 128 V 323 S. 324
Grundlage (
BGE 126 V 143
). Soweit eine Vorsorgeeinrichtung nicht anwaltlich (oder sonst wie qualifiziert, d.h. im Rahmen eines den Ersatz der Verbeiständungskosten begründenden Mandatsverhältnisses mit einer Fachperson) vertreten ist, müssen zusätzlich zu Mutwilligkeit oder Leichtsinn die für die Parteientschädigungsberechtigung massgeblichen Kriterien im Falle einer nicht vertretenen Partei erfüllt sein (
BGE 127 V 205
).
b) Die Begriffe der Mutwilligkeit und des Leichtsinns gehören dem Bundesrecht an. Ihre Tatbestände können als erfüllt betrachtet werden, wenn eine Partei Tatsachen wider besseres Wissen als wahr behauptet oder ihre Stellungnahme auf einen Sachverhalt abstützt, von dem sie bei der ihr zumutbaren Sorgfalt wissen müsste, dass er unrichtig ist. Mutwillig ist ferner das Festhalten an einer offensichtlich gesetzwidrigen Auffassung (SZS 1999 S. 69 Erw. 6b). Leichtsinnige oder mutwillige Prozessführung liegt aber so lange nicht vor, als es der Partei darum geht, einen bestimmten, nicht als willkürlich erscheinenden Standpunkt durch den Richter beurteilen zu lassen. Dies gilt auch dann, wenn der Richter die Partei im Laufe des Verfahrens von der Unrichtigkeit ihres Standpunktes überzeugen und zu einem entsprechenden Verhalten (Beschwerde- oder Klagerückzug) veranlassen will (
BGE 112 V 334
Erw. 5a mit Hinweisen). Die Erhebung einer aussichtslosen Beschwerde darf einer leichtsinnigen oder mutwilligen Beschwerdeführung nicht gleichgesetzt werden. Das Merkmal der Aussichtslosigkeit für sich allein lässt einen Prozess noch nicht als leichtsinnig oder mutwillig erscheinen. Vielmehr bedarf es zusätzlich des subjektiven - tadelnswerten - Elements, dass die Partei die Aussichtslosigkeit bei der ihr zumutbaren vernunftgemässen Überlegung ohne weiteres erkennen konnte, den Prozess aber trotzdem führt (
BGE 124 V 288
Erw. 3b). Mutwillige Prozessführung kann ferner darin begründet liegen, dass eine Partei eine ihr in dieser Eigenschaft obliegende Pflicht (Mitwirkungs- oder Unterlassungspflicht) verletzt. Der Verzicht, trotz gerichtlicher Mahnung, zu den Vorbringen in einer Klageschrift Stellung zu beziehen, vermag den Vorwurf der Mutwilligkeit allerdings nicht zu begründen (
BGE 124 V 288
Erw. 4b).