Urteilskopf
131 II 13
2. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung i.S. Swisscom Fixnet AG gegen TDC Switzerland AG sowie Eidge-nössische Kommunikationskommission (ComCom) (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
2A.178/2004 vom 30. November 2004
Regeste
Art. 5 Abs. 1 und
Art. 164 Abs. 1 BV
, Art. 3 lit. b, d und e, Art. 11, insbesondere Abs. 1 FMG, Art. 1 lit. d und e, Art. 43 Abs. 1 lit. aquater und lit. aquinquies FDV; WTO-Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS) und dessen Anhang über Telekommunikation; Interkonnektionspflicht beim Teilnehmeranschluss (so genannte "letzte Meile").
Enthält das Fernmeldegesetz eine genügende Grundlage für die Festlegung einer Interkonnektionspflicht beim Teilnehmeranschluss durch bundesrätliches Verordnungsrecht (E. 1-10.1)?
Am 26. März 2003 verlangte die TDC Switzerland AG, die unter dem Markennamen sunrise auftritt, von der Swisscom Fixnet AG die Aufnahme von Verhandlungen über ein Angebot über den gemeinsamen und vollständig entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss im Fernmeldebereich auf Festnetzen. Nach zwei Sitzungen vom 10. April und 19. Mai 2003 stellten die Parteien in einem gemeinsamen Protokoll vom 19. Mai 2003 das Scheitern der Verhandlungen fest.
Am 29. Juli 2003 reichte die TDC Switzerland AG beim Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) zuhanden der Eidgenössischen Kommunikationskommission (ComCom) ein Gesuch um Verfügung der Bedingungen für die Interkonnektionsdienste gemeinsamer Zugang (Shared Line Access) und vollständig entbündelter Zugang zum Teilnehmeranschluss (Full Access) im Sinne von Art. 11 Abs. 1 des Fernmeldegesetzes vom 30. April 1997 (FMG; SR 784.10) ein. Dabei stellte sie die folgenden Anträge:
"1. Swisscom Fixnet sei zu verpflichten, sunrise Interkonnektion für den Dienst "gemeinsamer Zugang zum Teilnehmeranschluss" zu transparenten und kostenorientierten Preisen auf nichtdiskriminierende Weise in der in Anhang A definierten Form zu gewähren. Dabei umfasst die Interkonnektion namentlich auch den Zugang zu den relevanten Betriebs- und Informationssystemen, zur Kollokation und der dazugehörenden Infrastruktur und die Erbringung von Übertragungsdiensten.
2. Swisscom Fixnet sei zu verpflichten, sunrise Interkonnektion für den Dienst "vollständig entbündelter Zugang zum Teilnehmeranschluss" zu transparenten und kostenorientierten Preisen auf nichtdiskriminierende Weise zu gewähren. Dabei umfasst die Interkonnektion namentlich auch den Zugang zu den relevanten Betriebs- und Informationssystemen, zur Kollokation und der dazugehörigen Infrastruktur und die Erbringung von Übertragungsdiensten.
...
7. Verfahrensantrag:
Es sei vorab in einem Teilentscheid festzustellen, dass sowohl der gemeinsame als auch der vollständig entbündelte Zugang zum Teilnehmeranschluss Anwendungsfälle der Interkonnektion sind, dass
BGE 131 II 13 S. 15
diese beiden Interkonnektionsdienste von marktbeherrschenden Anbieterinnen gemäss den Bedingungen von
Art. 11 Abs. 1 FMG
angeboten werden müssen, und dass für deren Unterstellung unter das Interkonnektionsregime eine genügende gesetzliche Grundlage besteht.
..."
Am 25. August 2003 entsprach das Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) als instruierende Behörde dem Verfahrensantrag der TDC Switzerland AG und beschränkte das Verfahren auf die erwähnten Fragen, nachdem sich die Swisscom Fixnet AG ebenfalls dafür ausgesprochen hatte. Diese beantragte in der Folge die Abweisung des Interkonnektionsgesuchs.
Am 19. Februar 2004 traf die Kommunikationskommission (ComCom) die folgende Verfügung:
"1. Es wird festgestellt, dass sowohl der gemeinsame als auch der vollständig entbündelte Zugang zum Teilnehmeranschluss Anwendungsfälle der Interkonnektion sind, dass diese beiden Interkonnektionsdienste von marktbeherrschenden Anbieterinnen gemäss den Bedingungen von
Art. 11 Abs. 1 FMG
angeboten werden müssen, und dass für deren Unterstellung unter das Interkonnektionsregime eine genügende gesetzliche Grundlage besteht.
..."
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 22. März 2004 an das Bundesgericht stellt die Swisscom Fixnet AG das folgende Rechtsbegehren:
"Der Entscheid der Vorinstanz vom 19. Februar 2004 sei aufzuheben und das Gesuch der Beschwerdegegnerin vom 29. Juli 2003 um Verfügung der Bedingungen für die Interkonnektionsdienste gemeinsamer Zugang (Shared Line Access) und vollständig entbündelter Zugang zum Teilnehmeranschluss (Full Access) sei abzuweisen."
Zur Begründung führt die Swisscom Fixnet AG im Wesentlichen aus, die Kommunikationskommission (ComCom) habe gar keinen individuell-konkreten Entscheid getroffen; zudem habe sie den Anspruch der Swisscom Fixnet AG auf rechtliches Gehör verletzt, indem sie ihr die Einsicht in den Verfügungsantrag des Bundesamts (BAKOM) sowie eine Stellungnahme dazu verweigert habe; sodann beruhe der angefochtene Entscheid nicht auf einer genügenden gesetzlichen Grundlage.
Die TDC Switzerland AG und die Kommunikationskommission (ComCom) schliessen auf Abweisung der Beschwerde.
BGE 131 II 13 S. 16
Aus den Erwägungen:
1.1
Nach
Art. 11 Abs. 1 FMG
müssen marktbeherrschende Anbieterinnen von Fernmeldediensten andern Anbieterinnen nach den Grundsätzen einer transparenten und kostenorientierten Preisgestaltung auf nichtdiskriminierende Weise Interkonnektion gewähren, wobei sie die Bedingungen und Preise für ihre einzelnen Interkonnektionsdienstleistungen gesondert auszuweisen haben.
1.2
Grundsätzlich werden die Bedingungen der Interkonnektion zwischen den beteiligten Unternehmungen direkt vereinbart. Eine behördliche Regelung ist gesetzlich nur subsidiär für den Fall vorgesehen, dass sich die Parteien nicht innert vernünftiger Frist einigen können (BBl 1996 III 1419, S. 1427; Urteil des Bundesgerichts 2A.503/2000 vom 3. Oktober 2001, jeweils auszugweise wiedergegeben in: ZBl 103/2002 S. 244, in: sic! 1/2002 S. 18, sowie in: RDAF 2003 I S. 595 [nachfolgend: Commcare-Entscheid], E. 2b;
BGE 127 II 132
E. 1a S. 135;
BGE 125 II 613
E. 1c S. 618, mit Literaturhinweisen). Gemäss
Art. 11 Abs. 3 FMG
verfügt die Eidgenössische Kommunikationskommission auf Antrag des Bundesamtes für Kommunikation die Interkonnektionsbedingungen nach markt- und branchenüblichen Grundsätzen, wenn innert drei Monaten zwischen dem zur Interkonnektion verpflichteten Anbieter und dem Anfrager keine Einigung zustande kommt. Art. 40 ff. der Verordnung vom 31. Oktober 2001 über Fernmeldedienste (Fernmeldediensteverordnung, FDV; SR 784.101.1) konkretisieren die gesetzliche Interkonnektionspflicht.
Art. 49 ff. FDV
regeln das Verfahren zum Abschluss von Interkonnektionsvereinbarungen,
Art. 54 ff. FDV
dasjenige zur Anordnung einer Verfügung auf Interkonnektion (vgl. den Commcare-Entscheid, E. 2b;
BGE 125 II 613
E. 1c S. 618 f., mit Literaturhinweisen). Ist die Frage der Marktbeherrschung zu beurteilen, so konsultiert das Bundesamt die Wettbewerbskommission (Art. 11 Abs. 3 dritter Satz FMG; vgl. auch
Art. 56 FDV
; vgl. zur Interkonnektion etwa PETER R. FISCHER/OLIVER SIDLER, Fernmelderecht, in: Rolf H. Weber [Hrsg.], Informations- und Kommunikationsrecht, Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Bd. V, Teil I, 2. Aufl., Basel/Genf/München 2003, Rz. 133 ff.; LEILA ROUSSIANOS-MOAYEDI, Les concessions de services de télécommunication, Bern 2002, S. 137 ff.).
1.3
Nach
Art. 11 Abs. 4 FMG
(ausdrücklich) sowie
Art. 61 Abs. 1 FMG
(implizit) unterliegen Verfügungen der
BGE 131 II 13 S. 17
Kommunikationskommission in Anwendung von
Art. 11 Abs. 3 FMG
der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht (Commcare-Entscheid, E. 2c;
BGE 127 II 132
E. 1b S. 136;
BGE 125 II 613
E. 1d und 2a).
2.1
Die Beschwerdeführerin stellt in Abrede, dass es sich beim angefochtenen Entscheid um eine Verfügung handelt, und erhebt ihre Verwaltungsgerichtsbeschwerde unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, dass das Bundesgericht den Entscheid der Kommunikationskommission als rechtsgenügliches Anfechtungsobjekt erachte.
2.2
Nach
Art. 97 Abs. 1 OG
beurteilt das Bundesgericht letztinstanzlich Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen Verfügungen im Sinne von
Art. 5 VwVG
. Danach gelten unter anderem als Verfügungen Anordnungen der Behörden im Einzelfall, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen und die Feststellung des Bestehens, Nichtbestehens oder Umfanges von Rechten und Pflichten zum Gegenstand haben (
Art. 5 Abs. 1 lit. b VwVG
).
Feststellungsverfügungen im Sinne von
Art. 5 Abs. 1 lit. b VwVG
haben - gleich wie Gestaltungs- und Leistungsverfügungen - stets individuelle und konkrete Rechte und Pflichten, d.h. Rechtsfolgen zum Gegenstand. Nicht feststellungsfähig ist namentlich eine abstrakte Rechtslage, wie sie sich aus einem Rechtssatz für eine Vielzahl von Personen und Tatbeständen ergibt (ASA 71 S. 641, E. 1;
BGE 130 V 388
E. 2.5).
2.3
Das Dispositiv des angefochtenen Entscheids enthält in der Tat abstrakt formulierte Feststellungen. Zur Auslegung des Dispositivs ist jedoch die Begründung heranzuziehen (vgl. etwa das Urteil des Bundesgerichts 5P.428/2001 vom 10. Juli 2003, E. 3.4.2). Daraus ergibt sich zweifelsfrei, dass es um ein Interkonnektionsverfahren zwischen den beiden Parteien geht. Das Dispositiv ist so zu verstehen, dass die Beschwerdeführerin der Beschwerdegegnerin entsprechend deren Gesuch Interkonnektion gemäss
Art. 11 Abs. 1 FMG
gewähren muss, dass insbesondere die dafür erforderliche gesetzliche Grundlage als genügend erachtet wird, sofern die Beschwerdeführerin von der Kommunikationskommission aufgrund eines noch einzuholenden Gutachtens der Wettbewerbskommission für die fraglichen Interkonnektionsdienste als marktbeherrschend erachtet wird. Damit betrifft der angefochtene Entscheid im Sinne von
Art. 5 VwVG
einen Einzelfall und regelt einzig das
BGE 131 II 13 S. 18
Verhältnis zwischen den Parteien. Dass sich daraus auch allgemeinere Auswirkungen, namentlich eine Präjudizwirkung für andere Fälle, ergeben könnten, ist Folge davon, dass es sich beim vorliegenden Verfahren um einen Pilotprozess handelt, und ändert an dessen grundsätzlich individuell-konkreten Charakter nichts.
2.4
Der angefochtene Entscheid enthält nicht die definitive Interkonnektionsverpflichtung und bestimmt auch noch nicht die von der Beschwerdeführerin zu gewährenden Interkonnektionsbedingungen. Er ist in diesem Sinne nicht rechtsgestaltend, sondern stellt lediglich fest, dass die Beschwerdeführerin unter bestimmten, noch zu prüfenden Voraussetzungen der Interkonnektionspflicht unterliegt. Mit anderen Worten prüfte die Kommunikationskommission bisher nur einen Teil der gesetzlichen Voraussetzungen. Die Vorinstanz war denn auch befugt, über gewisse sich stellende materielle Teilfragen des eingereichten Interkonnektionsbegehrens einen - selbständig anfechtbaren - Teilentscheid zu fällen, und es konnte der Gesuchstellerin nicht verwehrt sein, einen dahingehenden Verfahrensantrag zu stellen. Beim vorinstanzlichen Entscheid handelt es sich demnach nicht um einen (prozessualen) Zwischenentscheid im Sinne von
Art. 101 lit. a OG
, sondern um einen feststellenden Teilentscheid in der Hauptsache, der grundsätzlich gleich wie ein Endentscheid selbständig mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht angefochten werden kann (vgl. etwa
BGE 120 Ib 48
E. 1b S. 50 mit Hinweis). Dementsprechend wurde in der Rechtsmittelbelehrung zu Recht eine 30-tägige Frist für die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht genannt (vgl.
BGE 130 II 321
E. 1 S. 324;
BGE 129 II 286
E. 4.2 S. 291, mit Hinweisen).
3.1
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde können die Verletzung von Bundesrecht, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, sowie die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes gerügt werden (
Art. 104 lit. a und b OG
). An die Feststellung des Sachverhaltes ist das Bundesgericht jedoch gebunden, wenn eine richterliche Behörde als Vorinstanz entschieden hat, sofern der Sachverhalt nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (
Art. 105 Abs. 2 OG
). Es fragt sich, ob es sich bei der Kommunikationskommission im Interkonnektionsverfahren um eine richterliche Behörde im Sinne von
Art. 105 Abs. 2 OG
handelt.
BGE 131 II 13 S. 19
3.2
Das Bundesgericht hat bereits früher angedeutet, es handle sich bei der Kommunikationskommission nicht um eine richterliche Behörde (Commcare-Entscheid, E. 3b), und hat diese Frage nunmehr kürzlich eindeutig beantwortet (Urteile des Bundesgerichts 2A.586/ 2003 und 2A.587/2003 vom 1. Oktober 2004, je E. 3). Danach zählt die Kommunikationskommission zu den so genannten Behördenkommissionen, fällt verfassungsrechtlich unter
Art. 178 BV
und gehört mithin zur dezentralen Bundesverwaltung und nicht zur Justiz (vgl. GIOVANNI BIAGGINI, Art. 178, in: Ehrenzeller/Mastronardi/ Schweizer/Vallender [Hrsg.], Die schweizerische Bundesverfassung, Kommentar, Zürich/Basel/Genf/Lachen 2002, Rz. 9). Im Unterschied zu den - ebenfalls unabhängigen und vom Bundesrat bestellten - Schieds- und Rekurskommissionen nimmt sie funktionell vorwiegend Verwaltungsaufgaben wahr, ähnlich wie dies bei der Bankenkommission zutrifft, bei der es sich ebenfalls nicht um eine Gerichtsbehörde handelt (Urteile des Bundesgerichts 2A.565/2002 vom 2. April 2003, E. 3.1, und 2A.262/2000 vom 9. März 2001, E. 2b/aa nicht publ. in
BGE 127 II 142
). Im Vordergrund stehen typische Tätigkeiten der Exekutive und Verwaltung wie die Erteilung von Konzessionen oder die Wahrnehmung von Aufsichtsfunktionen (PETER UEBERSAX, Unabhängige Verwaltungsinstanzen und offene Gesetze im öffentlichen Wirtschaftsrecht des Bundes - ein rechtliches Risiko?, in: Sutter-Somm/Hafner/Schmid/Seelmann [Hrsg.], Risiko und Recht, Festgabe zum Schweizerischen Juristentag 2004, Basel/Genf/München/Bern 2004, S. 689 f.). Auch die gesetzlich vorgesehene Unabhängigkeit macht die Kommunikationskommission nicht zur Justizbehörde, sondern soll gewährleisten, dass nach fachlichen und sachlichen Kriterien entschieden wird (Commcare-Entscheid, E. 3b). Zwar nähert sich die Tätigkeit der Kommunikationskommission bei der Regelung von Interkonnektionsstreitigkeiten einer kontradiktorischen Streiterledigung, doch handelt es sich dabei lediglich um eine ergänzende Aufgabe der Kommission, so wie in anderen Bereichen Verwaltungsbehörden Streitfälle zu schlichten haben. Insgesamt ist daher zu schliessen, dass die Kommunikationskommission auch im Interkonnektionsverfahren als Verwaltungs- und nicht als Gerichtsbehörde amtet.
3.3
Handelt es sich bei der Kommunikationskommission nicht um eine richterliche Instanz, kann das Bundesgericht deren Sachverhaltsfeststellungen grundsätzlich frei und nicht lediglich im Sinne von
Art. 105 Abs. 2 OG
auf qualifizierte Mängel hin überprüfen.
BGE 131 II 13 S. 20
Gleichzeitig erweisen sich Noven wie die von den Parteien nachgereichten Unterlagen als grundsätzlich zulässig (vgl.
BGE 124 II 409
E. 3a S. 421;
BGE 121 II 97
E. 1c S. 99, jeweils e contrario).
3.4
Unabhängig davon kann der Kommunikationskommission dennoch ein gewisser Beurteilungsspielraum zukommen. Zunächst gilt dies, soweit die Kommunikationskommission unbestimmte Gesetzesbegriffe anzuwenden hat. Zwar ist es grundsätzlich Aufgabe der Gerichte, derartige unbestimmte Gesetzesbegriffe im Einzelfall auszulegen und zu konkretisieren. Wenn aber die Gesetzesauslegung ergibt, dass der Gesetzgeber mit der offenen Normierung der Entscheidbehörde eine gerichtlich zu respektierende Entscheidungsbefugnis einräumen wollte und dies mit der Verfassung vereinbar ist, darf und muss das Gericht seine Kognition entsprechend einschränken (vgl.
BGE 127 II 184
E. 5a/aa S. 191 mit Hinweisen). Die Kommunikationskommission ist keine gewöhnliche Vollzugsbehörde, sondern eine verwaltungsunabhängige Kollegialbehörde mit besonderen Kompetenzen. Als Fachorgan ist sie sowohl autonome Konzessionsbehörde als auch Regulierungsinstanz mit besonderer Verantwortung. Dies rechtfertigt an sich eine gewisse Zurückhaltung des Bundesgerichts wenigstens insoweit, als die Kommunikationskommission unbestimmte Gesetzesbegriffe auszulegen und anzuwenden hat. Es befreit das Bundesgericht aber nicht davon, die Rechtsanwendung unter Beachtung dieser Zurückhaltung auf ihre Vereinbarkeit mit Bundesrecht zu überprüfen (Commcare-Entscheid, E. 3d). Sodann amtet die Kommunikationskommission in einem höchst technischen Bereich, in dem besondere Fachfragen sowohl übermittlungstechnischer als auch ökonomischer Ausrichtung zu beantworten sind. Der Kommunikationskommission steht dabei wie anderen Behördenkommissionen auch ein eigentliches "technisches Ermessen" zu (vgl. etwa für die Bankenkommission
BGE 126 II 111
E. 3b S. 115 mit Hinweisen, und für die Spielbankenkommission das Urteil 2A.494/2001 vom 27. Februar 2002, E. 2, sowie neuerdings für die Kommunikationskommission die Urteile des Bundesgerichts 2A.586/2003 und 2A.587/2003 vom 1. Oktober 2004, je E. 3.4; vgl. auch UEBERSAX, a.a.O., S. 692).
4.1
Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, sie hätte Gelegenheit zur Einsicht in den Verfügungsantrag der Instruktionsbehörde an die Vorinstanz und zur Stellungnahme dazu erhalten müssen.
BGE 131 II 13 S. 21
4.2
Nach
Art. 11 Abs. 3 FMG
und
Art. 58 Abs. 1 FDV
ist das Bundesamt (BAKOM) im Interkonnektionsverfahren Instruktionsbehörde. Es entscheidet nicht, stellt aber der verfügenden Kommunikationskommission Antrag. Dass eine Behörde aufgrund eines Verfügungsentwurfs entscheidet, der von einer ihr unterstellten Instanz vorbereitet wurde, ist das übliche Vorgehen bei den meisten Verfügungen, die von Behördenkommissionen, aber auch von (kantonalen oder eidgenössischen) Departementen oder Regierungen getroffen werden. Eine aus mehreren Mitgliedern bestehende Kommission oder Behörde wäre anders gar nicht in der Lage, sich eine fundierte Meinung zu bilden. Im Übrigen entscheiden auch Kollegialgerichte - jedenfalls in Rechtsmittelverfahren, soweit keine Parteiverhandlungen durchgeführt werden - in der Regel auf der Grundlage eines Urteilsentwurfs, der von einem Mitglied oder Mitarbeiter des Gerichts erstellt wird (Urteil des Bundesgerichts 2A.230/1999 vom 2. Februar 2000, E. 3b). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung stellt der Verfügungsantrag einer Instruktionsbehörde grundsätzlich ein rein verwaltungsinternes Dokument dar, das nicht dem rechtlichen Gehör der Parteien untersteht, wenn das Gesetz nicht ausdrücklich eine anderslautende Sonderregelung enthält (
BGE 129 II 497
E. 2.2 S. 505;
BGE 117 Ia 90
E. 5b S. 96;
BGE 113 Ia 286
E. 2d S. 288 f.) oder wenn nicht besondere verfahrensrechtliche Umstände - etwa der Beizug externer Berater für die Erarbeitung des Antrags durch das Bundesamt - ausnahmsweise die Ermöglichung einer Stellungnahme gebieten (dazu die Urteile des Bundesgerichts 2A.586/2003 und 2A.587/2003 vom 1. Oktober 2004, jeweils E. 9).
4.3
Das Fernmeldegesetz kennt keine Sonderregelung, wonach ein Anspruch auf Einsicht in den Antrag des Bundesamts (BAKOM) an die Kommunikationskommission und auf Stellungnahme dazu besteht. Auch für das Interkonnektionsverfahren ist eine solche Ausnahme nicht vorgesehen. Die Vorinstanz führt in ihrer Stellungnahme an das Bundesgericht zu Recht aus, dass diese Sichtweise durch die ausdrückliche Sonderregelung in
Art. 30 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 1995 über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz, KG; SR 251)
unterstrichen wird, worin ausdrücklich vorgeschrieben ist, dass die am Verfahren vor der Wettbewerbskommission Beteiligten schriftlich zum Antrag des Sekretariats an die Wettbewerbskommission Stellung nehmen können. Dass ein analoges Äusserungsrecht für die
BGE 131 II 13 S. 22
Anträge des Bundesamtes (BAKOM) an die Kommunikationskommission im Fernmeldegesetz nicht vorgesehen ist, lässt daher darauf schliessen, dass es ein solches nicht gibt. Inwiefern dies gegen
Art. 6 EMRK
verstossen sollte, wie die Beschwerdeführerin ohne nähere Ausführungen geltend macht, ist nicht ersichtlich.
Im vorliegenden Fall sind auch keine ausserordentlichen Umstände gegeben, die ausnahmsweise einen Anspruch der Beschwerdeführerin auf Einsicht in den Antrag des Bundesamtes (BAKOM) und auf Stellungnahme dazu zu begründen vermöchten. Namentlich haben die Behörden keine externen Berater beigezogen. Die Vorinstanz musste der Beschwerdeführerin damit weder Einsicht in den Antrag des Bundesamtes (BAKOM) geben noch ihr ermöglichen, sich dazu zu äussern.
5.1
Das vorliegende Verfahren hat den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss (zur so genannten "letzten Meile"; "Unbundling of the Local Loop [ULL]") zum Inhalt. Unter dem Teilnehmeranschluss wird die physische Leitung (üblicherweise ein Kupferkabel) verstanden, die den Anschluss (in der Regel den Hausanschluss) eines Teilnehmers (des Kunden eines Fernmeldedienstanbieters; vgl.
Art. 1 lit. a FDV
) mit der Ortszentrale, einem Konzentrator oder einer ähnlichen Fernmeldeanlage einer Telekommunikationsunternehmung verbindet und ihm die Inanspruchnahme von Fernmeldediensten ermöglicht. Mit der Entbündelung wird die über die Leitung verfügende Telekommunikationsgesellschaft verpflichtet, einem konkurrierenden Fernmeldediensteanbieter den technisch sachgerechten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung sowie zu Breitbandübertragungstechniken bzw. zu den Räumlichkeiten und technischen Einrichtungen, die für die Installierung und den Anschluss erforderlich sind, zu gewähren. Dadurch erhält der Konkurrent die Möglichkeit, Telefondienste oder Datenübertragungsdienste bis hin zum Teilnehmer zu erbringen und allenfalls diesem gegenüber als einziger Vertragspartner aufzutreten (dazu etwa CHRISTOPH BEAT GRABER, "Lost Highway" - Bleibt KMU der Zugang zur Breitbandkommunikation verbaut? Wege zur Marktöffnung nach schweizerischem und internationalem Recht, in: Jusletter vom 16. Juni 2003, Rz. 6, auch publ. in: Girsberger/Schmid [Hrsg.], Rechtsfragen rund um die KMU, Zürich 2003, S. 217 ff., nachfolgend zitiert: GRABER, "Lost Highway"; ROLF H. WEBER, Zugang zu Kabelnetzen, Zürich/ Basel/Genf 2003, S. 29 ff.).
BGE 131 II 13 S. 23
Das Verständnis der Entbündelung der "letzten Meile" beschränkt sich bisher auf den Festnetzbereich. Betroffen von der Entbündelungspflicht kann zurzeit lediglich die in diesem Bereich vorherrschende Beschwerdeführerin als Rechtsnachfolgerin der früheren Telekommunikationsmonopolistin sein. Sie verfügt als Eigentümerin der Kupferkabelverbindungen zwischen den Teilnehmeranschlüssen und den Ortszentralen aufgrund ihrer Vorgeschichte über eine faktische Vormachtstellung (GRABER, "Lost Highway", a.a.O., Rz. 6). Es ist freilich nicht ausgeschlossen, dass sich die Frage der Entbündelung künftig auch für andere Unternehmungen oder allenfalls andere Netzformen (etwa Radio- und Fernsehkabelnetze; kabellose Netze [Wireless Local Loop = WLL]; oder die Datenübertragung über Stromnetze [Powerline Communications]) stellen könnte.
5.2
Gemeinsamer Zugang (Shared Line Access) zum Teilnehmeranschluss bezeichnet die Bereitstellung des Zugangs zum oberen Teil des nutzbaren Frequenzbereichs einer Kupferleitung, der nicht für die analogen (POTS = Plain Old Telephony Service) oder digitalen (ISDN = Integrated Services Digital Network) Telefondienste genutzt wird. Der Festnetzbetreiber kann damit weiterhin selbst den Telefondienst offerieren, und die von der Entbündelung profitierende Konkurrenz kann über dieselbe Anschlussleitung mit eigenen Übertragungsausrüstungen zusätzliche Fernmeldedienste wie breitbandige digitale Datenübertragungen anbieten (insbesondere xDSL-Dienste [DSL = Digital Subscriber Line System] wie ADSL [= asymmetric DSL] oder HDSL [= high bit-rate DSL]). Die Anschlussleitung bleibt Teil des Netzes des Festnetzbetreibers, der obere und der untere Frequenzbereich werden jedoch durch Frequenzbandfilter (Splitter) an beiden Enden der Teilnehmerleitung voneinander getrennt (vgl. FISCHER/SIDLER, a.a.O., Rz. 184; GRABER, "Lost Highway", a.a.O., Rz. 9; WEBER, a.a.O., S. 30).
Art. 1 lit. d FDV
definiert in diesem Sinne den gemeinsamen Zugang zum Teilnehmeranschluss wie folgt:
"die Bereitstellung des Zugangs zum Teilnehmeranschluss der verpflichteten Fernmeldediensteanbieterin für die berechtigte Fernmeldediensteanbieterin in der Weise, dass die Nutzung des nicht für sprachgebundene Dienste genutzten Frequenzspektrums der Doppelader-Metallleitung ermöglicht wird, wobei die verpflichtete Betreiberin den Teilnehmeranschluss weiterhin für die Bereitstellung des Telefondienstes einsetzt".
5.3
Beim vollständig entbündelten Zugang (Full Access) zum Teilnehmeranschluss erhält der konkurrierende
BGE 131 II 13 S. 24
Fernmeldediensteanbieter vom Festnetzbetreiber das ausschliessliche Nutzungsrecht für den gesamten nutzbaren Frequenzbereich der Kupferleitung. Damit kann er dem Teilnehmer ein vollständiges Angebot von Sprach- und Datendiensten unterbreiten. Das Kupferkabel wird zur exklusiven Nutzung vermietet, und der Mieter regelt und kontrolliert die Beziehungen zu seinen Kunden direkt und selbständig. Er ist einziger Vertragspartner der Teilnehmer als Endnutzer (vgl. FISCHER/SIDLER, a.a.O., Rz. 184; GRABER, "Lost Highway", a.a.O., Rz. 8; WEBER, a.a.O., S. 30). Dabei ist der Mieter frei, welche Übertragungsausrüstung und -technik er einsetzen will, solange dem keine technischen Gründe (wie Interferenzen im Kabelbündel) entgegenstehen.
Art. 1 lit. e FDV
enthält in diesem Sinne die folgende Definition des vollständig entbündelten Zugangs zum Teilnehmeranschluss:
"die Bereitstellung des Zugangs zum Teilnehmeranschluss der verpflichteten Fernmeldedienstanbieterin für die berechtigte Fernmeldedienstanbieterin zu deren ausschliesslicher Nutzung".
5.4
Im Commcare-Entscheid befand das Bundesgericht, dass Mietleitungen und Übertragungsmedien nicht dem Interkonnektionsregime des Fernmelderechts unterstehen; die Konkurrenten der Beschwerdeführerin haben weder gestützt auf Landesrecht, selbst bei Auslegung unter Bezugnahme auf das Recht der Europäischen Union, noch in Anwendung der WTO/GATT-Regeln, namentlich des Dienstleistungsübereinkommens GATS (vgl. E. 8.3), Anspruch auf Interkonnektion. Im Anschluss daran und gestützt auf die Erwägungen des Bundesgerichts wies die Kommunikationskommission am 5. Februar 2002 ein erstes Entbündelungsgesuch für den Teilnehmeranschluss der heutigen Beschwerdegegnerin ab (wiedergegeben in: Medialex 2002 S. 50; dazu O. SIDLER, Anmerkung zur Verfügung der Kommunikationskommission vom 30. Januar 2002, in: Medialex 2002 S. 50; vgl. auch GRABER, "Lost Highway", a.a.O., Rz. 2).
In der Folge änderte der Bundesrat die Fernmeldediensteverordnung und führte dabei die Entbündelung des Teilnehmeranschlusses auf dem Verordnungsweg ein. Nach der neuen Bestimmung von Art. 43 Abs. 1 lit. a
quater
und lit. a
quinquies
FDV (in der Fassung vom 7. März 2003, in Kraft seit dem 1. April 2003; AS 2003 S. 544) hat der marktbeherrschende Anbieter im Rahmen seiner Interkonnektionspflicht namentlich den gemeinsamen Zugang zum Teilnehmeranschluss (Shared Line Access) sowie den vollständig entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss (Full Access) zu gewähren;
BGE 131 II 13 S. 25
diese beiden Zugangsformen werden in den ebenfalls neuen Bestimmungen von
Art. 1 lit. d und e FDV
definiert (vgl. E. 5.2 und 5.3). Gleichzeitig schlug der Bundesrat dem Parlament aber auch eine entsprechende Gesetzesänderung vor: Danach soll die Entbündelung des Teilnehmeranschlusses durch eine Anpassung von Art. 3 (neue lit. d
quater-sexies
) und
Art. 11 FMG
ausdrücklich ins Gesetz aufgenommen werden (vgl. die Botschaft des Bundesrates vom 12. November 2003 zur Änderung des Fernmeldegesetzes, in: BBl 2003 S. 7951, 7967 ff. und 8007 f.). Das Gesetzgebungsverfahren ist zurzeit im Parlament hängig (dazu E. 7.5.3).
5.5
Es ist offensichtlich und unter den Verfahrensbeteiligten auch nicht strittig, dass die hier fraglichen, von der Beschwerdegegnerin beanspruchten Zugangsformen von Art. 43 Abs. 1 lit. a
quater
und lit. a
quinquies
FDV erfasst werden. Das Gesuch der Beschwerdegegnerin nimmt die Begriffe der Fernmeldediensteverordnung auf und verlangt die dort definierten Zugangsformen. Da
Art. 43 Abs. 1 FDV
das Basisangebot regelt, das von einem marktbeherrschenden Fernmeldedienstanbieter bei der Interkonnektion nach
Art. 11 Abs. 1 FMG
anzubieten ist (vgl. Art. 43 Abs. 1 erster Satz FDV sowie die Bezeichnung des fraglichen 4. Kapitels ["Interkonnektion"] und des 1. Kapitelabschnitts ["Dienste marktbeherrschender Anbieterinnen"] der Fernmeldediensteverordnung), bilden die Verordnungsbestimmungen eine materiellgesetzliche Grundlage für die von der Kommunikationskommission verfügte Interkonnektionspflicht. Umstritten und zu prüfen ist jedoch, wieweit diese bundesrätliche Interkonnektionspflicht für die Öffnung der "letzten Meile" einer formellgesetzlichen Grundlage bedarf bzw. ob das Fernmeldegesetz dafür gegebenenfalls eine genügende entsprechende Grundlage abgibt, was die Kommunikationskommission im angefochtenen Entscheid bejahte (vgl. dazu Medialex 2004 S. 106 f.). Im Commcare-Entscheid hatte das Bundesgericht diese Frage noch nicht zu entscheiden und sich dementsprechend auch nicht dazu geäussert.
6.1
Auf Verwaltungsgerichtsbeschwerde hin kann das Bundesgericht Verordnungen des Bundesrats vorfrageweise auf ihre Gesetzes- und Verfassungsmässigkeit prüfen. Bei unselbständigen Verordnungen, die sich auf eine gesetzliche Delegation stützen, prüft es, ob sich der Bundesrat an die Grenzen der ihm im Gesetz eingeräumten Befugnisse gehalten hat. Soweit das Gesetz den Bundesrat nicht ermächtigt, von der Verfassung abzuweichen, befindet das
BGE 131 II 13 S. 26
Gericht auch über die Verfassungsmässigkeit der unselbständigen Verordnung. Wird dem Bundesrat durch die gesetzliche Delegation ein sehr weiter Ermessensspielraum für die Regelung auf Verordnungsebene eingeräumt, so ist dieser Spielraum nach
Art. 191 BV
für das Bundesgericht verbindlich; es darf in diesem Falle bei der Überprüfung der Verordnung nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle desjenigen des Bundesrats setzen, sondern es beschränkt sich auf die Prüfung, ob die Verordnung den Rahmen der dem Bundesrat im Gesetz delegierten Kompetenzen offensichtlich sprengt oder aus anderen Gründen gesetz- oder verfassungswidrig ist (
BGE 130 I 26
E. 2.2.1 S. 32;
BGE 128 II 34
E. 3b S. 40 f.;
BGE 122 II 411
E. 3b S. 416 f., mit Hinweisen).
6.2
Nach
Art. 11 Abs. 1 FMG
legt der Bundesrat die Grundsätze der Interkonnektion fest, und nach
Art. 62 Abs. 1 FMG
vollzieht er, unter dem Vorbehalt der Zuständigkeit der Kommunikationskommission, das Fernmeldegesetz. Diese beiden Bestimmungen erteilen dem Bundesrat somit die Kompetenz zum Erlass von Vollzugsbestimmungen sowie im Falle der Interkonnektion einer ausführenden Regelung auf Verordnungsstufe. Der Bundesrat bleibt aber an die gesetzliche Regelung sowie an die sich aus dem Verfassungsrecht ergebenden Grundsätze gebunden.
6.3
Die Bundesverfassung erhebt in
Art. 5 Abs. 1 BV
das Gesetzmässigkeitsprinzip zu einem allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsatz, der für die gesamte Staatstätigkeit verbindlich ist.
Art. 164 Abs. 1 BV
konkretisiert dieses Prinzip für die Bundesgesetzgebung. Danach sind die wichtigen rechtsetzenden Bestimmungen in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen. Dazu gehören insbesondere die Einschränkung verfassungsmässiger Rechte sowie die grundlegenden Bestimmungen über Rechte und Pflichten von Personen (
Art. 164 Abs. 1 lit. b und c BV
). Diese dem formellen Gesetzgeber vorbehaltenen Befugnisse dürfen nicht delegiert werden (vgl.
Art. 164 Abs. 2 BV
). Im Übrigen sieht
Art. 36 Abs. 1 BV
vor, dass schwerwiegende Einschränkungen von Grundrechten im Gesetz selber vorgesehen sein müssen.
Art. 164 BV
bezweckt, dass die grundlegenden Vorschriften in den für die Rechtsunterworfenen zentralen Belangen in einem formellen Gesetz geregelt und kein wichtiger Regelungsbereich den direkt-demokratischen Einwirkungsmöglichkeiten entzogen werden (KARIN SUTTER-SOMM, in: Ehrenzeller/Mastronardi/Schweizer/Vallender [Hrsg.], Die schweizerische Bundesverfassung, Kommentar, Basel/Zürich/Genf/Lachen
BGE 131 II 13 S. 27
2002, Rz. 4 zu
Art. 164 BV
; GEORG MÜLLER, Formen der Rechtsetzung, in: Ulrich Zimmerli [Hrsg.], Die neue Bundesverfassung, Berner Tage für die juristische Praxis 1999, Bern 2000, S. 258 ff.; RENÉ RHINOW, Grundzüge des Schweizerischen Verfassungsrechts, Basel/Genf/München 2003, Rz. 2479 ff.; THOMAS SÄGESSER, Die Bestimmungen über die Bundesbehörden in der neuen Bundesverfassung, in: LeGes 1999 S. 22 ff.). Diese verfassungsrechtlichen Grundsätze sind bei der Frage der Gesetzmässigkeit der Entbündelungsregelung in der Fernmeldediensteverordnung zu beachten (ANDREAS KLEY, Entbündelung per Express: Die gesetzliche Grundlage der vom Bundesrat angeordneten Entbündelungspflicht des Fernmelde-Anschlussnetzes, in: sic! 11/2003 S. 876, nachfolgend zitiert: KLEY, Entbündelung).
Gemäss
Art. 164 Abs. 1 BV
sind alle wichtigen rechtsetzende Bestimmungen in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen. Aufgrund von
Art. 191 BV
ist eine bundesgesetzliche Regelung für das Bundesgericht zwar auch dann massgebend, wenn sie in verfassungswidriger Weise dem Bundesrat einen sehr weiten Ermessensspielraum einräumt; indessen muss sich aus der Auslegung des Gesetzes doch ergeben, dass dieser tatsächlich zur entsprechenden Regelung ermächtigt werden sollte (vgl.
BGE 130 I 26
E. 5.1 S. 43 f.;
BGE 120 Ib 97
E. 4b/bb-dd S. 104 ff.).
Zu prüfen ist im Folgenden, welche Anforderungen sich daraus für die Normstufe und die Normdichte der Bestimmungen zur Öffnung der "letzten Meile" ergeben.
6.4
Vorweg ist festzulegen, ob die Interkonnektionspflicht im Sinne von
Art. 164 Abs. 1 BV
einer Grundlage in einem formellen Gesetz bedarf oder ob dafür eine Verordnung genügt.
6.4.1
Die Interkonnektionspflicht erscheint an sich durchaus geeignet, in allfällige verfassungsmässige Rechte wie die Eigentumsgarantie (
Art. 26 BV
) und die Wirtschaftsfreiheit (
Art. 27 BV
) der Telekommunikationsunternehmungen einzugreifen. Es fragt sich allerdings, wieweit sich die Fernmeldediensteanbieter und insbesondere die Beschwerdeführerin angesichts des noch immer weitgehend staatlich regulierten Marktes (dazu etwa ALEXANDER RUCH, Regulierungsfragen der Gentechnologie und des Internet, in: ZSR 123/2004 II S. 401 f. und 444 ff.) überhaupt auf diese Grundrechte zu berufen vermögen (vgl. den Commcare-Entscheid, E. 7a;
BGE 127 II 8
E. 4c S. 17; GIOVANNI BIAGGINI, Sind öffentliche
BGE 131 II 13 S. 28
Unternehmen grundrechtsberechtigt?, in: von der Crone/Weber/Zäch/Zobl [Hrsg.], Neuere Tendenzen im Gesellschaftsrecht, Festschrift für Peter Forstmoser zum 60. Geburtstag, Zürich 2003, S. 623 ff.;
ders
., Von der Handels- und Gewerbefreiheit zur Wirtschaftsfreiheit, in: ZBl 102/2001 S. 243 ff.; GRABER, "Lost Highway", a.a.O., Rz. 54 f.; KLEY, Entbündelung, a.a.O., S. 880 ff.; TOMAS POLEDNA, Unbundling - Stolpersteine auf der "letzten Meile", in: AJP 2002 S. 334; TOMAS POLEDNA/LORENZO MARAZZOTTA, Interkonnektion - verfassungsrechtliche Sonderstellung der Swisscom?, in: sic! 11/2003 S. 926 ff.). Diese Frage kann jedoch offen bleiben.
6.4.2
Für die Festlegung der erforderlichen Normstufe genügt es nämlich, auf die allgemeinen Rechtswirkungen der Interkonnektion abzustellen. Diese regelt unmittelbar die Rechte und Pflichten der betroffenen Fernmeldediensteanbieter und zeitigt mittelbar Auswirkungen (insbesondere über den Preis, aber auch über die übrigen Vertragsbedingungen zwischen den Telekommunikationsunternehmungen und ihren Kunden) auf die Rechtsstellung der Benützer der Telekommunikation, also der grossen Mehrheit, wenn nicht der Gesamtheit der schweizerischen Bevölkerung. Die wirtschaftlichen Folgen einer Entbündelung des Teilnehmeranschlusses sind erheblich. Sie müssen daher demokratisch diskutiert und entschieden werden. Das ist angesichts der Bedeutung der sich stellenden Fragen nur im Gesetzgebungsprozess möglich, was nicht zuletzt auch die kontroverse Diskussion zeigt, die in der Öffentlichkeit darüber geführt wird (GRABER, "Lost Highway", a.a.O., Rz. 52; KLEY, Entbündelung, a.a.O., S. 877).
6.4.3
Bereits im Commcare-Entscheid (E. 7a) hat das Bundesgericht ausgeführt, bei der Interkonnektionspflicht handle es sich um einen erheblichen Eingriff in die Rechtsstellung des davon berührten Fernmeldediensteanbieters. Das wird durch den vorliegenden Zusammenhang bestätigt. Beim gemeinsamen Zugang zum Teilnehmeranschluss (Shared Line Access) muss die Beschwerdeführerin die ökonomisch interessanten Breitbanddienste abgeben. Der Wert der Nutzung des Schmalbands nimmt überdies mit zunehmender technischer Entwicklung ab, da sich das Breitband für sämtliche Dienste nutzen lässt und eine entsprechende Verlagerung stattfindet. Damit wird die Nutzung der Teilnehmeranschlussleitung stark beschränkt. Der vollständig entbündelte Zugang zum Teilnehmeranschluss bedeutet eine Zwangsvermietung der Leitungen; der Beschwerdeführerin bleibt das "leere" Eigentum "am
BGE 131 II 13 S. 29
blanken Draht" ohne eigene Nutzungsmöglichkeit und Verfügungsgewalt. Die Beschwerdeführerin wird dadurch selbst dann erheblich in ihrer Rechtsstellung berührt, wenn sie sich nicht auf die verfassungsmässigen Rechte der Eigentumsgarantie und der Wirtschaftsfreiheit berufen kann.
6.4.4
Für die Frage der Normstufe ergibt sich damit, dass die Entbündelung des Teilnehmeranschlusses als "wichtige Bestimmung" (
Art. 164 Abs. 1 BV
) einer genügenden Grundlage in einem formellen Bundesgesetz bedarf. Davon geht sinngemäss auch der Bundesrat aus, wenn er die Ansicht vertritt, die Entbündelung des Teilnehmeranschlusses auf dem Verordnungsweg finde im Fernmeldegesetz eine genügende Grundlage, weil der Interkonnektionsbegriff die Unterstellung der entsprechenden Zugangsformen erlaube (vgl. BBl 2003 S. 7969); diese Folgerung wäre überflüssig, würde die Verordnung als Gesetzesgrundlage genügen.
6.5
Ist damit die Frage der Normstufe beantwortet, stellt sich diejenige nach der Normdichte bzw. nach der erforderlichen Bestimmtheit des Gesetzes.
6.5.1
Das Legalitätsprinzip verlangt unter anderem eine hinreichende und angemessene Bestimmtheit der anzuwendenden Rechtssätze. Das Erfordernis der Bestimmtheit steht im Dienste des Grundsatzes des Gesetzesvorbehalts, der Rechtssicherheit mit den Elementen der Berechenbarkeit und Vorhersehbarkeit staatlichen Handelns sowie der rechtsgleichen Rechtsanwendung. Nach der Rechtsprechung darf das Gebot nach Bestimmtheit rechtlicher Normen indes nicht in absoluter Weise verstanden werden. Der Gesetzgeber kann nicht darauf verzichten, allgemeine und mehr oder minder vage Begriffe zu verwenden, deren Auslegung und Anwendung der Praxis überlassen werden muss. Der Grad der erforderlichen Bestimmtheit lässt sich nicht abstrakt festlegen. Der Bestimmtheitsgrad hängt unter anderem von der Vielfalt der zu ordnenden Sachverhalte, von der Komplexität und der Vorhersehbarkeit der im Einzelfall erforderlichen Entscheidung, von den Normadressaten, von der Schwere des Eingriffs in Verfassungsrechte und von der erst bei der Konkretisierung im Einzelfall möglichen und sachgerechten Entscheidung ab (
BGE 109 Ia 273
E. 4d S. 284;
BGE 128 I 327
E. 4.2 S. 339 f., mit Hinweisen).
Für den Bestimmtheitsgrad sind auch die Flexibilitätsbedürfnisse zu beachten. Regelungen, die ständiger Anpassungen an veränderte
BGE 131 II 13 S. 30
Verhältnisse - beispielsweise an wirtschaftliche oder technische Entwicklungen - bedürfen, werden zweckmässigerweise nicht in einem Gesetz im formellen Sinn, sondern in einer Verordnung getroffen. Der Gesetzgeber trifft jedoch die Grundentscheidungen; er legt die grossen Linien fest. Der Verordnungsgeber befasst sich dagegen mit den Details sowie mit denjenigen Fragen, die besondere Fachkenntnisse verlangen (vgl. Urteil des Bundesgerichts 1P.363/ 2002 vom 7. Mai 2003, E. 2.3; LUZIUS MADER, Regulierung, Deregulierung, Selbstregulierung: Anmerkungen aus legistischer Sicht, in: ZSR 123/2004 II S. 98 f.).
6.5.2
Die Delegation an den Bundesrat in
Art. 11 Abs. 1 FMG
ist relativ weit gefasst: Selbst der Verordnungsgeber hat lediglich die Grundsätze und nicht die Detailregelung der Interkonnektion festzulegen (vgl. den Commcare-Entscheid, E. 7a), was an sich für ein eher weites Verständnis des Interkonnektionsbegriffs spricht. Diese Delegation ist jedoch an ihren Auswirkungen zu messen. Insofern erscheint eine weite Übertragung der Rechtssetzungsbefugnis vor allem für die Umsetzung der einmal als anwendbar erkannten Interkonnektion zulässig, weniger aber für die Frage der grundsätzlichen Anwendbarkeit des Interkonnektionsregimes bzw. der Unterstellung unter dieses (vgl. UEBERSAX, a.a.O., S. 695).
Im Commcare-Entscheid (E. 7a) führte das Bundesgericht dazu aus, die Interkonnektionspflicht bedürfe einer gesetzlichen Grundlage, die so bestimmt zu sein habe, dass sie den Fernmeldediensteanbietern ermögliche, verlässlich festzustellen, welche Dienste zu Interkonnektionsbedingungen zu erbringen seien. Daran ist festzuhalten. Ob die Entbündelung des Teilnehmeranschlusses unter die Interkonnektionspflicht fällt, muss sich also durch die Gesetzesauslegung verbindlich feststellen lassen. Bei der Interkonnektion besteht zwar ein gewisses technisches und ökonomisches Flexibilitätsbedürfnis (POLEDNA, a.a.O., S. 339; sinngemäss auch FISCHER/SIDLER, a.a.O., Rz. 154); die Entbündelung des Teilnehmeranschlusses erfasst aber nur wenige Sachverhalte und unmittelbar nur wenige Unternehmungen. Dennoch zeitigt sie erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen auf den Telekommunikationsmarkt. Gleichzeitig erweist sich der Begriff der Entbündelung des Teilnehmeranschlusses als wenig griffig (so sogar POLEDNA, a.a.O., S. 332 ff.). Es bieten sich verschiedene Formen der Entbündelung an; sie kann mehr oder weniger weit gehen und mit oder ohne Bedingungen und Auflagen erfolgen. Dabei ist es jedoch für den Gesetzgeber ohne
BGE 131 II 13 S. 31
weiteres möglich, selber näher zu bestimmen, ob und welche Entbündelungsformen unter welchen Bedingungen gewährt werden sollen, wie das laufende Gesetzgebungsverfahren zeigt (vgl. BBl 2003 S. 8007 f.; AB 2004 N 1689 ff.); es besteht somit kein spezifischer Bedarf an einer Verwendung von abstrakten Begriffen.
6.6
Insgesamt ergibt sich demnach, dass es sich bei der Frage der Öffnung der "letzten Meile" um einen Grundentscheid handelt, der mit der nötigen begrifflichen Bestimmtheit vom Gesetzgeber zu fällen ist (vgl. ALEXANDER RUCH, in: ZBl 103/2002 S. 263: "Wenn derart neue Ansprüche im Spiel stehen, sollte der Gesetzgeber für Klarheit sorgen."). Im Folgenden ist zu prüfen, ob eine verfassungskonforme Auslegung des Fernmeldegesetzes ergibt, dass dieses eine genügende Delegationsnorm für die Entbündelung des Teilnehmeranschlusses durch den Bundesrat auf dem Verordnungsweg enthält.
7.1
Ziel der Auslegung ist die Ermittlung des Sinngehalts der Bestimmung. Ausgangspunkt jeder Auslegung ist der Wortlaut, doch kann dieser nicht allein massgebend sein. Vom Wortlaut kann abgewichen werden, wenn triftige Gründe für die Annahme bestehen, dass er nicht den wahren Sinn der Vorschrift wiedergibt. Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte, aus Sinn und Zweck der Norm oder aus dem Zusammenhang mit anderen Gesetzesbestimmungen ergeben. Das Bundesgericht hat sich bei der Auslegung von Erlassen stets von einem Methodenpluralismus leiten lassen (vgl.
BGE 125 II 326
E. 5 S. 333;
BGE 124 II 193
E. 5a S. 199,
BGE 124 II 372
E. 5 S. 376, mit Hinweisen).
Zu ermitteln ist das aktuell geltende Recht, das ohne Realitätsbezüge nicht verstanden werden kann, wobei insbesondere zu prüfen ist, ob der Richter das Recht anstelle des Gesetzgebers fortbilden darf bzw. ob er sich eine solche Funktion unzulässigerweise anmasst (vgl. GIOVANNI BIAGGINI, Methodik in der Rechtsanwendung, in: Peters/Schefer [Hrsg.], Grundprobleme der Auslegung aus Sicht des öffentlichen Rechts, Symposium zum 60. Geburtstag von René Rhinow, Bern 2004, S. 42 ff.; RHINOW, a.a.O., Rz. 451 ff.). Nach der Rechtsprechung können insofern auch Vorarbeiten zu Gesetzesentwürfen, die noch nicht in Kraft getreten sind, bei der Interpretation einer Norm im Sinne einer geltungszeitlichen Ausrichtung der Auslegung berücksichtigt werden (vgl.
BGE 124 II 193
E. 5d S. 201;
BGE 131 II 13 S. 32
vgl. auch UEBERSAX, a.a.O., S. 699). Dies muss insbesondere gelten, wenn diese Vorarbeiten Rückschlüsse auf das bisherige Verständnis der Norm zulassen. In diesem Sinne sind vorliegend die hängigen Gesetzgebungsarbeiten bei der Interpretation des Fernmeldegesetzes zu beachten.
7.2
Da zu prüfen ist, ob sich die Verordnungsregelung auf das Fernmeldegesetz zurückführen lässt, darf der Gesetzeswortlaut nicht anhand des Verordnungstextes ausgelegt werden. Zwar kann eine Verordnung die allgemein anerkannte Bedeutung eines Gesetzeswortlautes wiedergeben; umgekehrt darf aber nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dies treffe zu, wenn wie hier die Herleitung gerade umstritten ist.
7.2.1
Art. 11 Abs. 1 FMG
lautet wie folgt:
"Marktbeherrschende Anbieterinnen von Fernmeldediensten müssen andern Anbieterinnen von Fernmeldediensten nach den Grundsätzen einer transparenten und kostenorientierten Preisgestaltung auf nichtdiskriminierende Weise Interkonnektion gewähren. Sie müssen die Bedingungen und Preise für ihre einzelnen Interkonnektionsdienstleistungen gesondert ausweisen. Der Bundesrat legt die Grundsätze der Interkonnektion fest."
Art. 3 lit. e FMG
definiert die Interkonnektion wie folgt:
"
Interkonnektion
:
die Verbindung von Fernmeldeanlagen und Fernmeldediensten, die ein fernmeldetechnisches und logisches Zusammenwirken der verbundenen Teile und Dienste sowie den Zugang zu Diensten Dritter ermöglicht;"
Ergänzend enthält
Art. 3 lit. b und d FMG
die folgenden Definitionen der Begriffe des Fernmeldedienstes und der Fernmeldeanlagen:
"b Fernmeldedienst
:
fernmeldetechnische Übertragung von Informationen für Dritte;
...
d Fernmeldeanlagen
:
Geräte, Leitungen oder Einrichtungen, die zur fernmeldetechnischen Übertragung von Informationen bestimmt sind oder benutzt werden;".
7.2.2
Wie aus
Art. 3 lit. e FMG
hervorgeht, setzt Interkonnektion die Verbindung von Fernmeldeanlagen und Fernmeldediensten voraus. Ein Fernmeldedienst wiederum bedingt die Übertragung von Informationen für Dritte. Zu den Fernmeldeanlagen zählen gemäss der bundesrätlichen Botschaft namentlich auch Glasfaser-, Kupfer- und Koaxialkabel (BBl 1996 III 1424); sie bilden für sich allein aber keinen Dienst nach
Art. 3 lit. b FMG
, da erst die
BGE 131 II 13 S. 33
Datenübertragung einen solchen darstellt (Commcare-Entscheid, E. 5c). Umstritten ist, was beim ausschliesslichen Gebrauch physischer Übertragungsmedien ohne Inanspruchnahme eines Dienstes gilt: Nach der einen Auffassung fällt dies selbst dann nicht unter die gesetzliche Interkonnektionsdefinition, wenn die Übertragungsmedien mit dem Netz der alternativen Anbieter verbunden sind (KLEY, Entbündelung, a.a.O., S. 875 f.); dem wird allerdings entgegengehalten,
Art. 3 lit. e FMG
sei so zu verstehen, dass das Zusammenwirken der Leitungen "
oder
" Dienste darunter falle (POLEDNA, a.a.O., S. 335; POLEDNA/MARAZZOTTA, a.a.O., S. 925 f.; gleicher Meinung PETER R. FISCHER, Das Interkonnektionsregime im schweizerischen Fernmelderecht, in: Le droit des télécommunications en mutation, Freiburg 2001, S. 169 ff.), wovon auch die Vorinstanz ausgeht. Der Gesetzestext verwendet freilich das Wort "
und
" und nicht das Wort "
oder
".
Bei der Zugangsform der vollständigen Entbündelung des Teilnehmeranschlusses wird die Nutzung der Leitung ausschliesslich auf den Konkurrenten übertragen, ohne dass ein Dienst - im Sinne der Übertragung von Daten für Dritte (vgl.
Art. 3 lit. b FMG
) - der Beschwerdeführerin beansprucht wird (gleicher Meinung KLEY, Entbündelung, a.a.O., S. 876; anderer Ansicht GRABER, "Lost Highway", a.a.O., Rz. 50; POLEDNA, a.a.O., S. 335; POLEDNA/ MARAZZOTTA, a.a.O., S. 925 f.). Etwas unklarer erscheint die Sachlage beim gemeinsamen Zugang: Hier ist eine Zusammenschaltung und ein Zusammenwirken der beiden konkurrierenden Unternehmungen erforderlich, so dass allenfalls von der Erbringung einer Dienstleistung ausgegangen werden könnte (für eine Unterstellung unter den Interkonnektionsbegriff: GRABER, "Lost Highway", a.a.O., Rz. 50; POLEDNA, a.a.O., S. 335; POLEDNA/MARAZZOTTA, a.a.O., S. 925 f.; dagegen: KLEY, Entbündelung, a.a.O., S. 876). Dies braucht indessen nicht weiter vertieft zu werden.
7.2.3
Der Wortlaut erweist sich nämlich so oder so als zu vage. Das Gesetz verwendet weder die Begriffe des "
Zugangs
" bzw. der "
Zugangsformen
" noch der "
Entbündelung
". Der Gesetzestext ist insofern zu undeutlich, als dass sich daraus für die betroffenen Telekommunikationsunternehmungen mit genügender Verbindlichkeit eine Pflicht zur Öffnung der "letzten Meile" ableiten liesse. Bezeichnenderweise soll nunmehr in der hängigen Gesetzesrevision neben dem Begriff der "
Interkonnektion
" derjenige des "
Zugangs
" ins Gesetz eingeführt werden, wobei zusätzlich die verschiedenen
BGE 131 II 13 S. 34
Zugangsformen für den Teilnehmeranschluss definiert werden sollen (vgl. die vom Bundesrat vorgeschlagene Neuformulierung von Art. 3 lit. d
bis
- d
sexies
und lit. e sowie von
Art. 11 Abs. 1 FMG
, in: BBl 2003 S. 8007 f.; vgl. auch die vom Nationalrat diskutierten Formulierungen in AB 2004 N 1689 ff.). In der bundesrätlichen Botschaft wird dazu ausgeführt, die Interkonnektion sei ein Sonderfall des Zugangs (BBl 2003 S. 7965) und nicht umgekehrt. Auch dies spricht dafür, dass der Begriff der Interkonnektion für sich allein die Entbündelung des Teilnehmeranschlusses nicht erfasst.
7.3
Auch zur teleologischen Auslegung des Fernmeldegesetzes äusserte sich das Bundesgericht bereits im Commcare-Entscheid (E. 6) eingehend.
7.3.1
Zusammenfassend hielt das Bundesgericht damals Folgendes fest: Die Interkonnektionspflicht steht in engem Zusammenhang mit dem Liberalisierungszweck des Fernmeldegesetzes. Ziel der Interkonnektion ist, dass alle Anwender von Fernmeldediensten über die Netze und Dienste aller Anbieter hinweg miteinander kommunizieren können (BBl 1996 III 1425). Mit der in
Art. 11 Abs. 1 FMG
vorgesehenen Interkonnektionspflicht soll verhindert werden, dass marktbeherrschende Anbieter, namentlich die Rechtsnachfolgerin der früheren Monopolistin, neuen Konkurrenten mit prohibitiven Preisen und technischen Auflagen den Zugang zum Netz verbauen (BBl 1996 III 1418 f. und 1427). Demgegenüber enthält die Interkonnektionspflicht, wenn sie mit niedrigen Preisen verbunden ist, das Risiko, dass die Investitionsbereitschaft der pflichtigen Unternehmung darunter leiden könnte; gleichzeitig besteht auch für die Konkurrenz kein Anreiz, ein Investitionsrisiko einzugehen, eröffnet doch die Interkonnektion die Möglichkeit, ohne grosses eigenes Infrastrukturrisiko tätig zu sein (vgl. nunmehr auch STEFAN Rechsteiner, Gefährdete Investitionsanreize als Folge des Third Party Access, in: Sutter-Somm/Hafner/Schmid/Seelmann [Hrsg.], Risiko und Recht, Festgabe zum Schweizerischen Juristentag 2004, Basel/ Genf/München/Bern 2004, S. 348 ff.). Schliesslich ist die Interkonnektionsregelung in den gesamten Kontext der Wirtschaftsordnung zu stellen.
7.3.2
Die Beschwerdeführerin versucht zu belegen, dass der Markt der Datenübertragung in der Schweiz bereits einer wirksamen Konkurrenz ausgesetzt ist und insbesondere das hiesige Preisniveau einem internationalen Vergleich standhält. Die Vorinstanz und die
BGE 131 II 13 S. 35
Beschwerdegegnerin halten die entsprechenden Unterlagen für nicht aussagekräftig. Wie es sich damit verhält, kann jedoch offen bleiben. Selbst wenn ein entsprechender Bedarf von der heutigen Marktsituation her noch immer aktuell wäre, bedeutete dies nicht, dass die Entbündelung des Teilnehmeranschlusses damit automatisch von der geltenden gesetzlichen Regelung erfasst würde.
Die gesetzlichen Ziele sind die Zusammenschaltung der Anlagen und die Interoperabilität der Dienste. Die Interkonnektionsregel mag dabei durchaus einen anti-monopolistischen Gehalt aufweisen, wie die Vorinstanz und die Beschwerdegegnerin argumentieren (gleichermassen POLEDNA, a.a.O., S. 336; vgl. auch RECHSTEINER, a.a.O., S. 346 f.). Daraus ergibt sich aber nicht ohne weiteres, dass das Gesetz auch den Zugang zum Teilnehmeranschluss bezweckt. Im Schrifttum wird dies zwar immer wieder behauptet, doch wird es regelmässig aus der generellen gesetzgeberischen Absicht der Liberalisierung des Fernmeldewesens abgeleitet (FISCHER/SIDLER, a.a.O., Rz. 153 f.; GRABER, "Lost Highway", a.a.O., Rz. 52; POLEDNA/MARAZZOTTA, a.a.O., S. 926). Die Vorinstanz sieht die Interkonnektionsregel als Ergänzung des Infrastrukturwettbewerbs. Sie soll die Mitbenutzung der bestehenden Infrastruktur, welche der Beschwerdeführerin als Rechtsnachfolgerin der früheren Monopolistin praktisch ohne Gegenleistung angefallen ist, gewährleisten und den sinnlosen Aufbau von Parallelinfrastrukturen verhindern sowie gleichzeitig den Wettbewerb stimulieren (ähnlich auch POLEDNA, a.a.O., S. 336 f.). Selbst wenn dies tatsächlich der gesetzgeberischen Absicht entspräche, vermöchte es jedoch nicht zwingend eine Öffnung der "letzten Meile" zu begründen. Abzuwägen bliebe zunächst das Verhältnis von Infrastrukturwettbewerb und Investitionsanreiz (vgl. etwa RECHSTEINER, a.a.O., S. 348 ff.). Wie der vorliegende Fall und insbesondere die hängige Gesetzesrevision (dazu E. 7.5) belegen, gibt es sodann verschiedene Zugangsformen und Rahmenbedingungen für die Entbündelung des Teilnehmeranschlusses. Wie eine allfällige Entbündelung zu erfolgen hat, ergibt sich weder aus dem Gesetzeswortlaut, noch lässt es sich aus dem Zweck des geltenden Fernmeldegesetzes herleiten. Gerade diese Umstände und Rahmenbedingungen sind aber für die Öffnung der "letzten Meile" wichtig und entscheidend. Auch eine teleologische Gesetzesauslegung führt daher zu einem lediglich sehr unbestimmten Ergebnis, das als Grundlage für die Entbündelung des Teilnehmeranschlusses nicht genügt.
BGE 131 II 13 S. 36
7.4
In systematischer Hinsicht kann hier - im Unterschied zum Commcare-Entscheid - nicht auf die Fernmeldediensteverordnung als Auslegungshilfe zurückgegriffen werden (vgl. E. 7.2). Im Übrigen lässt sich aus systematischen Überlegungen nichts Konkretes für die Frage der Öffnung der "letzten Meile" herleiten.
7.5
Als ergiebiger erweist sich demgegenüber das historische Auslegungselement. Mit Blick auf die geltungszeitliche Ausrichtung der Auslegung des Fernmeldegesetzes ist dabei nicht nur auf die Materialien des in Kraft stehenden Rechts zurückzugreifen, sondern es kann auch die seitherige gesetzgeberische Entwicklung mitberücksichtigt werden (vgl. E. 7.1).
7.5.1
In den Materialien zum geltenden Fernmeldegesetzes findet sich nirgends ein Hinweis darauf, dass mit der Interkonnektion die Entbündelung des Teilnehmeranschlusses bezweckt war. Hingegen lässt sich daraus ableiten, dass die Verbindung von Übermittlungsdiensten der beteiligten Anbieter ein begriffsnotwendiges Merkmal des Interkonnektionstatbestandes darstellt (BBl 1996 III 1425; vgl. auch den Commcare-Entscheid, E. 8c).
7.5.2
Unabhängig davon bildete die Frage der Öffnung der "letzten Meile" mehrfach Gegenstand von parlamentarischen Debatten. Auf eine Interpellation von Nationalrat Ehrler (00.3139) antwortete der Bundesrat am 31. Mai 2000:
"Bei der Ausgestaltung des Fernmeldegesetzes ... wurde bewusst darauf geachtet, ein Rahmengesetz zu schaffen, das die rasante Entwicklung der Telekommunikation nicht behindert. Aus diesem Grund wurde auch weitgehend darauf verzichtet, technologiespezifische Bestimmungen im Gesetz aufzunehmen. Entsprechend ist auch die Interkonnektionsregelung ... ausgestaltet. Sie enthält Grundsätze, wonach auch die Entbündelung des Teilnehmeranschlusses gegenüber marktbeherrschenden Anbieterinnen von Fernmeldediensten durchsetzbar ist."
Diese Antwort lässt darauf schliessen, dass der Bundesrat damals davon ausging, die Entbündelung des Teilnehmeranschlusses sei in der Interkonnektionsregelung des Fernmeldegesetzes enthalten, einen Standpunkt, den er bis heute vertritt. Dennoch hielt Nationalrat Theiler parallel dazu eine parlamentarische Initiative aufrecht, welche die Öffnung der "letzten Meile" auf dem Weg der Gesetzesrevision bezweckte. Am 14. Dezember 2000 sah der Nationalrat freilich davon ab, dieser Initiative Folge zu geben (AB 2000 N 1586 ff.). Dabei wurde zwar unter anderem argumentiert, dem Bundesgericht sei bei seiner Urteilsfindung in hängigen Fällen nicht vorzugreifen
BGE 131 II 13 S. 37
(vgl. den Commcare-Entscheid, E. 8c). Gleichzeitig wurde aber auch festgehalten, die Auslegung des Gesetzes solle nicht dem Bundesgericht überlassen werden, weil es damit zum Gesetzgeber würde; aus der gegebenen Unsicherheit heraus müsse der Gesetzgeber Klarheit schaffen (AB 2000 N 1587, Votum des Kommissionssprechers Heim). Die Parlamentarier waren sich mithin bereits damals bewusst, dass es dem Gesetz an der nötigen Bestimmtheit fehlte.
7.5.3
Am 7. März 2003 änderte der Bundesrat die Fernmeldediensteverordnung und führte dabei die Entbündelung des Teilnehmeranschlusses auf dem Verordnungsweg ein. Gleichzeitig kündete er an, auch das Gesetz entsprechend anpassen zu wollen. Am 12. November 2003 unterbreitete der Bundesrat der Bundesversammlung seine Botschaft zur Änderung des Fernmeldegesetzes (BBl 2003 S. 7951). Darin schlägt er unter anderem die Aufnahme der Entbündelung des Teilnehmeranschlusses in das Gesetz vor. Auf diesem Stand der Gesetzgebung beruhte der angefochtene Entscheid.
In der Folge sprach sich die nationalrätliche Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen grossmehrheitlich gegen die Öffnung der "letzten Meile" aus. In der Debatte im Nationalrat vom 18. März 2004 wurde dazu zwar unter anderem ausgeführt, es brauche möglicherweise gar keine Gesetzesrevision, da die bundesrätliche Anpassung der Verordnung genügen könnte; gleichzeitig wurde aber auch die Ansicht vertreten, die vorgesehene Entbündelung sei entweder gar nicht erforderlich oder gehe zu weit. Im Ergebnis beschloss der Nationalrat, auf das Geschäft sei einzutreten, und er wies es zur Detailberatung zurück an die Kommission (AB 2004 N 436 ff.). In der Folge favorisierte die Kommission eine Öffnung mit Auflagen. Der Nationalrat prüfte daraufhin verschiedene Varianten und beschloss schliesslich eine vom Antrag des Bundesrats abweichende Regelung, die teilweise besondere Bedingungen und Auflagen für die Gewährung von Interkonnektion vorsieht. Gestrichen hat der Nationalrat die Pflicht für den - hier unter anderem strittigen - gemeinsamen Zugang zum Teilnehmeranschluss (vgl. dazu AB 2004 N 1689 ff.).
Diese neuste Entwicklung trat zwar erst ein, nachdem der angefochtene Entscheid ergangen ist, sie kann aber vorliegend berücksichtigt werden (vgl. E. 3.3).
7.5.4
Das Vorgehen des Bundesrats lässt erhebliche Zweifel am Genügen der Gesetzesgrundlage für seine auf das Verordnungsrecht
BGE 131 II 13 S. 38
gestützte Öffnung der "letzten Meile" erkennen (ähnlich GRABER, "Lost Highway", a.a.O., Rz. 57; UEBERSAX, a.a.O., S. 697). Der Erklärungsversuch der Vorinstanz, es handle sich ausschliesslich um ein politisches Vorgehen, überzeugt jedenfalls nicht. Denkbar ist einzig, dass der Bundesrat im Hinblick auf die unsichere Rechtslage, und weil er aufgrund des Commcare-Entscheides damit rechnen musste, dass das Bundesgericht die gesetzliche Grundlage als ungenügend erachten könnte, eine weitere Verzögerung vermeiden wollte. Eine Gesetzesanpassung wäre indessen überflüssig, wenn die heutige Interkonnektionsbestimmung für die Entbündelung des Teilnehmeranschlusses genügte, und im Übrigen auch widersprüchlich, da die angeblich beabsichtigte Offenheit des Gesetzes unnötigerweise in Frage gestellt würde.
Die Behandlung der Gesetzgebungsvorlage im Nationalrat deutet in die gleiche Richtung. Wäre er davon ausgegangen, das geltende Gesetz würde bereits als Grundlage für die Entbündelung des Teilnehmeranschlusses genügen, hätte er mit dieser Begründung auf eine Gesetzesrevision verzichten können. Im Gegensatz dazu erachtete er eine Klarstellung im Gesetz als erforderlich, wobei er nicht die gleiche Lösung wie der Bundesrat wählte, sondern sich nach Prüfung verschiedener Varianten für eine davon abweichende entschied. Aus der Debatte geht hervor, dass es verschiedene Möglichkeiten für die Entbündelung des Teilnehmeranschlusses gibt mit unterschiedlich weit gehenden Rahmenbedingungen. Auch daraus ist zu schliessen, dass das geltende Gesetz jedenfalls zu unbestimmt ist, um daraus eine vorhersehbare Regelung über eine allfällige Interkonnektionspflicht beim Teilnehmeranschluss abzuleiten. Aufgrund des historischen Auslegungselements muss daher geschlossen werden, dass das geltende Gesetz die Öffnung der "letzten Meile" nicht abdeckt.
7.6
Insgesamt ergeben damit die klassischen Auslegungselemente, dass die im geltenden Fernmeldegesetz enthaltene Regelung die Entbündelung des Teilnehmeranschlusses nicht vorsieht bzw. jedenfalls zu unbestimmt ist, um als gesetzliche Grundlage für eine entsprechende Öffnung auf dem Verordnungsweg zu genügen.
8.1
Zu prüfen bleibt, ob das internationale Recht bzw. staatsvertragliche Verpflichtungen der Schweiz dieses Auslegungsergebnis in Frage stellen.
BGE 131 II 13 S. 39
8.2
Die Vorinstanz geht davon aus, mit dem geltenden Fernmeldegesetz sei im Sinne einer Rechtsharmonisierung eine Angleichung des schweizerischen Telekommunikationsrechts an dasjenige der Europäischen Union bezweckt worden. Da diese eine Politik der weitgehenden Liberalisierung der "letzten Meile" verfolge, müsse auch das schweizerische Fernmeldegesetz entsprechend ausgelegt werden. Mit diesem Argument hat sich das Bundesgericht bereits im Commcare-Entscheid (E. 9b) auseinandergesetzt. Es hat damals festgehalten, das Europäische Recht könne zwar als Auslegungshilfe beigezogen werden, sei aber für die Schweiz nicht verbindlich und die entsprechenden Richtlinien bedürften zu ihrer Umsetzung eines gesetzgeberischen Akts. Noch lange nicht alle Mitglieder der Europäischen Union seien dieser Pflicht bereits nachgekommen. Im Übrigen habe der Bundesrat davon abgesehen, die Entbündelung in die Fernmeldediensteverordnung aufzunehmen, obwohl er diese ausdrücklich an die damals jüngsten EU-Richtlinien angepasst habe.
Auch wenn der letzte Gesichtspunkt inzwischen geändert und es seither in einzelnen Mitgliedstaaten weitere Öffnungsschritte gegeben hat, ohne dass allerdings der Teilnehmeranschluss bereits überall entbündelt worden ist (dazu etwa GRABER, "Lost Highway", a.a.O., Rz. 38 ff.), muss auch in dieser Hinsicht am Commcare-Entscheid festgehalten werden. Einen individualrechtlichen Anspruch auf Entbündelung lässt sich für die Schweiz aus dem Recht der Europäischen Union nicht ableiten. Überdies ging der Bundesrat mit der von ihm verordneten Entbündelungsvariante über die Regelung in der Europäischen Union hinaus (FISCHER/SIDLER, a.a.O., Rz. 185; vgl. im Übrigen zu den jüngsten Harmonisierungsentwicklungen CHRISTIAN BOVET/PRANVERA KËLLEZI, Positions dominantes dans le secteur des télécommunications, in: Medialex 2002 S. 196 ff., insbesondere S. 199 f.). Damit ändert das Europarecht nichts an der Auslegung des schweizerischen Fernmeldegesetzes.
8.3
Die Vorinstanz ist schliesslich der Auffassung, die im Recht der Welthandelsorganisation vorgeschriebene Öffnung der "letzten Meile" führe zu einer staatsvertragskonformen Auslegung des Fernmeldegesetzes, wonach der Teilnehmeranschluss zu entbündeln sei.
8.3.1
Auch mit der Frage der Bedeutung des Abkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation hat sich das Bundesgericht bereits im Commcare-Entscheid (E. 9c) befasst. Wie das
BGE 131 II 13 S. 40
Bundesgericht dort festgehalten hat, enthält dessen Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (Anhang 1.B zum WTO-Abkommen, so genanntes GATS [General Agreement of Trade in Services]; SR 0.632.20 S. 312 ff.) mit seinem "Anhang über Telekommunikation" (SR 0.632.20 S. 350 ff.) auch Regeln für den Fernmeldemarkt (vgl. etwa EVELYNE CLERC, Concurrence et ouverture des télécommunications à la lumière des accords OMC et en droit européen, in: Le droit des télécommunications en mutation, Fribourg 2001, S. 239 ff.; FISCHER/SIDLER, a.a.O., Rz. 7 ff.; CHRISTOPH BEAT GRABER, Handel und Kultur im Audiovisionsrecht der WTO, Bern 2003, S. 197 ff.; BOBJOSEPH MATHEW, The WTO Agreements on Telecommunications, Bern 2003, S. 43 ff.; ROUSSIANOS-MOAYEDI, a.a.O., S. 38 ff.). Diese Bestimmungen werden in so genannten Verpflichtungslisten mit erläuternden Referenzpapieren konkretisiert, die nicht in der Amtlichen Gesetzessammlung publiziert sind (vgl. AS 1998 S. 2049; vgl. aber die Wiedergaben bei GRABER, "Lost Highway", a.a.O., Rz. 32 f.). Darin finden sich auch die folgenden Vorschriften zur Entbündelungspflicht (in der deutschen Übersetzung nach dem österreichischen Bundesgesetzblatt, zitiert nach ANDREAS KLEY, Enthält das WTO-Recht eine Verpflichtung zur Entbündelung des Fernmeldeanschlussnetzes?, in: SZIER 2003 S. 508, nachfolgend zitiert: KLEY, WTO-Recht):
"Im Rahmen des zulässigen Marktzugangs wird das Zusammenschalten mit einem Hauptanbieter an jedem technisch durchgeführten Punkt im Netz sichergestellt. Diese Zusammenschaltung wird wie folgt bereitgestellt:
...
"b rechtzeitig zu Bedingungen (einschliesslich technischer Normen und Spezifikationen) und kostenorientierten Entgelten, die transparent, angemessen, wirtschaftlich realistisch und ausreichend entbündelt sind, sodass der Anbieter nicht für Netzelemente oder -einrichtungen zu zahlen braucht, die er für die zu erbringende Dienstleistung nicht benötigt, ..."
8.3.2
Die Tragweite des GATS und dessen Telekommunikationsabkommens ist umstritten. Das Bundesgericht hat im Commcare-Entscheid ausgeführt, es könne offen bleiben, ob an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten sei, dass sich aus den GATS-Regeln über die Telekommunikation ganz allgemein keine unmittelbar anwendbaren Rechte ableiten liessen, auf die sich Fernmeldeunternehmungen berufen könnten (so noch
BGE 125 II 293
E. 4d S. 306). Das GATS-Recht sei so oder so zu vage, als dass sich daraus ein
BGE 131 II 13 S. 41
subjektives Recht auf Entbündelung ergebe (Commcare-Entscheid, E. 9c). Diese Rechtsprechung wurde in der Folge im Schrifttum wiederholt mit zwei hauptsächlichen Gegenargumenten kritisiert: Erstens solle das Bundesgericht dem WTO-Recht im Allgemeinen und dem GATS-Recht im Besonderen vermehrt die unmittelbare Anwendbarkeit zusprechen (LUKAS ENGELBERGER, Die unmittelbare Anwendbarkeit des WTO-Rechts in der Schweiz, Bern 2004, insbesondere S. 89 ff.; MATTHIAS OESCH, Gewaltenteilung und Rechtsschutz im schweizerischen Aussenwirtschaftsrecht, in: ZBl 105/2005 S. 314 ff.), und zweitens sei darin die Entbündelung des Teilnehmeranschlusses mit genügender Bestimmtheit vorgesehen (GRABER, "Lost Highway", a.a.O., Rz. 29 ff., insbesondere Rz. 35 ff.; ähnlich POLEDNA, a.a.O., S. 338 f.; PETER CSOPORT/CLEMENS VON ZEDTWITZ, Verhandlungsanalyse zur Interkonnektion - Wertschöpfungsstrategien für Ex-Monopolisten der Telekommunikation, in: AJP 2003 S. 1189; sowie RENÉ RHINOW, Stellungnahme zum Gutachten von Andreas Kley zur Frage, ob das Völkerrecht oder das Fernmelderecht eine genügende gesetzliche Grundlage für eine Verpflichtung zur Entbündelung im Anschlussnetz bieten, Zürich, 7. Februar 2001, zitiert bei KLEY, WTO-Recht, a.a.O., S. 513).
8.3.3
In der Doktrin wird überwiegend die Auffassung vertreten, dass das GATS-Recht die Schweiz grundsätzlich zu einer Liberalisierung des Teilnehmeranschlusses verpflichte (FISCHER/SIDLER, a.a.O., Rz. 7 ff.; GRABER, "Lost Highway", a.a.O., Rz. 34; MATHEW, a.a.O., S. 157 ff.; gleicher Ansicht auch die von der Beschwerdegegnerin eingereichte, an der Universität Bern erstellte Master-Arbeit von THOMAS M. FISCHER, Die Entbündelung der letzten Meile in der Schweiz im Lichte des GATS, Bern, 28. Juni 2004). Demgegenüber geht der Bundesrat in seinen Antworten auf zwei parallele Interpellationen Germanier (04.3101) und Béguelin (04.3137; dazu AB 2004 S 421) davon aus, dies treffe nicht zu. Zwar sei die Entbündelung ein Ziel des GATS und strebe der Bundesrat landesrechtlich eine Öffnung der "letzten Meile" an, die Schweiz sei dazu aber völkerrechtlich nicht verpflichtet. Wie es sich damit verhält, kann offen bleiben. Jedenfalls ist an der im Commcare-Entscheid gezogenen Folgerung festzuhalten, dass die Bestimmungen über die Entbündelung im GATS und deren Annex-Regelungen zu unbestimmt und daher ungeeignet sind, um von den Fernmeldeunternehmungen direkt angerufen werden zu können. Selbst wenn sich die Schweiz zu einer Öffnung der "letzten Meile" verpflichtet
BGE 131 II 13 S. 42
hätte, ginge aus den GATS-Bestimmungen nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit hervor, wie bzw. unter welchen Rahmenbedingungen eine solche zu erfolgen hätte. Namentlich erweist sich die Auslegung des einschlägigen Referenzpapiers als unklar. Diese Auffassung wird übrigens auch im Schrifttum teilweise geteilt (KLEY, WTO-Recht, a.a.O., S. 511 ff.; MATHEW, a.a.O., S. 194 f; vgl. auch CLERC, a.a.O., S. 245). So oder so verbleibt dem nationalen Gesetzgeber ein grosser Gestaltungsspielraum. Im Übrigen ist es bezeichnend, dass die Verpflichtungslisten mit den erläuternden Referenzpapieren nicht in der Amtlichen Gesetzessammlung veröffentlicht und offenbar auch vom Parlament nicht genehmigt worden sind, woraus sich schliessen lässt, dass die darin enthaltenen Regelungen jedenfalls nach Auffassung des Bundesrates nicht den Einzelnen unmittelbar verpflichten sollten. Die GATS-Bestimmungen über die Telekommunikation vermögen daher nicht landesrechtlich die gesetzliche Grundlage für die Entbündelung des Teilnehmeranschlusses zu ersetzen. Aufgrund ihrer Unbestimmtheit über die Ausgestaltung der Entbündelung helfen sie auch bei der Auslegung des Fernmeldegesetzes nicht weiter.
9.
Das Urteil des Bundesgerichts 2A.503/2000 vom 3. Oktober 2001 (Commcare-Entscheid) wurde verschiedentlich dahingehend kritisiert, es verkenne den gesetzgeberischen Willen einer bewusst offen formulierten Gesetzesordnung, bremse den Liberalisierungsprozess und sei innovationsfeindlich (vgl. FISCHER/SIDLER, a.a.O., Rz. 153 f.; POLEDNA, a.a.O., S. 328 ff.; P.-Y. GUNTER/M. HERZIG, Mietleitungen und Übertragungsmedien fallen nicht unter das Interkonnektionsregime, in: Medialex 2002 S. 41; CLEMENS VON ZEDTWITZ,
Art. 11 FMG
als regulatorische Marktzutrittsschranke, in: sic! 5/2002, S. 365 ff.; ROLF H. WEBER, in: sic! 1/2002 S. 32). Dem ist entgegenzuhalten, dass sich das Bundesgericht damals - genauso wenig wie heute - nicht dazu zu äussern hatte, ob die Entbündelung des Teilnehmeranschlusses erforderlich, sinnvoll oder wünschbar ist. Das Bundesgericht hatte lediglich zu entscheiden, ob eine genügende gesetzliche Grundlage dafür bestand, dass die Kommunikationskommission die "letzte Meile" im damals fraglichen Rahmen öffnen konnte. In analoger Weise ist vorliegend einzig darüber zu befinden, ob die Entbündelung durch Verordnungsrecht erfolgen durfte oder ob es dafür einer formellgesetzlichen Grundlage bedarf bzw. ob gegebenenfalls das geltende Fernmeldegesetz als solche Grundlage genügt.
BGE 131 II 13 S. 43
Dazu ist in Erinnerung zu rufen, dass Liberalisierung für sich kein verfassungsmässiges Prinzip darstellt. Zwar hat sich auch der Bund an den Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit zu halten (
Art. 94 Abs. 1 BV
), doch erklärt die Bundesverfassung das Fernmeldewesen zur Sache des Bundes (
Art. 92 Abs. 1 BV
), was diesem auch erlaubt, vom Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit abzuweichen (vgl.
Art. 94 Abs. 4 BV
); verfassungsrechtlich durfte der Bund sogar ein Monopol einrichten und jahrelang führen und ist er nicht verpflichtet, die bereits erfolgte Öffnung des Fernmeldemarktes weiter voranzutreiben, insbesondere die "letzte Meile" zu öffnen. Immerhin besteht im Rahmen des GATS ein gewisser - politischer oder rechtlicher, was hier offen bleiben kann - Druck für die Schweiz, den Teilnehmeranschluss zu entbündeln, was aber, wie dargelegt, mit keinen individuellen Rechtsansprüchen der Marktteilnehmer verbunden ist (vgl. E. 8.3). Im Unterschied dazu handelt es sich beim Grundsatz der Gesetzmässigkeit bzw. beim Erfordernis des Gesetzesvorbehalts um in der Bundesverfassung ausdrücklich wiedergegebene verfassungsmässige Prinzipien (
Art. 5 Abs. 1 sowie
Art. 164 BV
), deren Einhaltung von den Behörden unter Einschluss der Kommunikationskommission sowie des Bundesgerichts zu gewährleisten ist.
Selbst wenn bei der Interkonnektion eine offene Regelung gewollt war, so ist das geltende Fernmeldegesetz im Hinblick auf die Frage der Entbündelung des Teilnehmeranschlusses zu unbestimmt formuliert; insbesondere lässt es keine Folgerungen darüber zu, wie eine allfällige Entbündelung auszugestalten ist. Die bundesrätliche Regelung in der Fernmeldediensteverordnung stellt zwar eine mögliche Variante dar, aber bereits der Nationalrat mochte diese Regelung nicht übernehmen und verfolgt eine andere Lösung. Überdies hat er den Revisionsbedarf nicht in Frage gestellt, was er hätte tun können, wenn das geltende Fernmeldegesetz die vom Bundesrat beschlossene Entbündelung des Teilnehmeranschlusses bereits abdecken würde. Das geltende Gesetz bildet daher nicht eine genügende Grundlage für die Öffnung der "letzten Meile". Es obliegt somit dem Bundesgesetzgeber, über die Entbündelung des Teilnehmeranschlusses zu entscheiden bzw. den Rahmen und die Bedingungen festzulegen, unter denen eine solche Öffnung erfolgen soll.
10.1
Die von der Vorinstanz angewandten bundesrätlichen Verordnungsbestimmungen zur Interkonnektionspflicht beim
BGE 131 II 13 S. 44
Teilnehmeranschluss entbehren demnach einer gesetzlichen Grundlage. Damit verstösst der angefochtene Entscheid gegen das Legalitätsprinzip, weshalb sich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde als begründet erweist und gutzuheissen ist. Die Verfügung der Kommunikationskommission vom 19. Februar 2004 muss aufgehoben werden, und das Entbündelungsgesuch der Beschwerdegegnerin ist abzuweisen.