BGE 136 II 383 vom 5. Mai 2010

Dossiernummer: 2C_382/2009

Datum: 5. Mai 2010

Artikelreferenzen:  Art. 10 VwVG, Art. 89 BGG, Art. 115 BGG , Art. 89 Abs. 1 BGG, Art. 42 Abs. 4 KV/GR, Art. 88 OG, Art. 103 lit. a OG, Art. 115 lit. b BGG

BGE referenzen:  94 III 65, 98 IB 63, 113 IA 247, 114 IA 307, 114 IA 153, 120 IV 226, 123 II 115, 132 III 539, 133 I 185, 133 II 366, 133 II 400, 134 II 45, 135 II 12, 135 I 43, 135 II 430, 136 II 525, 137 I 128, 137 IV 269, 138 II 506, 141 II 161, 144 I 159 , 135 II 12, 135 I 43, 134 II 45, 133 II 400, 114 IA 307, 113 IA 247, 98 IB 63, 133 I 185, 135 II 430, 123 II 115, 120 IV 226, 114 IA 153, 94 III 65, 132 III 539, 133 II 366, 114 IA 307, 113 IA 247, 98 IB 63, 133 I 185, 135 II 430, 123 II 115, 120 IV 226, 114 IA 153, 94 III 65, 132 III 539, 133 II 366

Quelle: bger.ch

Urteilskopf

136 II 383


34. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Kanton Graubünden gegen X. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
2C_382/2009 vom 5. Mai 2010

Regeste

Art. 89 Abs. 1 BGG ; Legitimation einer Kantonsregierung zur Anfechtung eines Entscheides über kantonale Nachlasssteuern; analoge Anwendung der "Star-Praxis" auf das Gemeinwesen; Rechtsfolgen der Verletzung der Ausstandspflicht durch einen kantonalen Richter.
Zusammenfassung der Rechtsprechung zur Beschwerdebefugnis des Gemeinwesens im Rahmen der allgemeinen Beschwerdelegitimation ( Art. 89 Abs. 1 BGG ; E. 2.1-2.4). Der Kanton ist in Bezug auf die umstrittenen Übergangsbestimmungen zu den kantonalen Nachlasssteuern nicht qualifiziert in eigenen hoheitlichen Interessen betroffen, da er die Nachlasssteuer im Hauptanwendungsfall gerade abgeschafft hat (E. 2.5 und 2.6).
Keine analoge Anwendung der "Star-Praxis" auf das Gemeinwesen (E. 3).
Der Umstand, dass am vorinstanzlichen Urteil ein Richter mitgewirkt hat, der wegen Befangenheit hätte in den Ausstand treten müssen, kann nicht als derart schwer wiegend bezeichnet werden, dass er die Nichtigkeit des angefochtenen Entscheids bewirkt (E. 4).

Sachverhalt ab Seite 384

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A. X. (geb. 1944) zog 1959 von Davos/GR in den Kanton Zürich, wo er seither wohnhaft und steuerpflichtig ist. Über mehrere Jahre erhielt er von seinem Vater Y. (geb. 1923), welcher im Kanton Graubünden wohnhaft und steuerpflichtig ist, diverse Erbvorbezüge in der Höhe von total Fr. 436'000.- (1982: Fr. 180'000.-; 1983/84: Fr. 70'000.-; 1997/98: Fr. 136'000.-; 1999/2000: Fr. 50'000.-). Für diese Zuwendungen leitete die Steuerverwaltung des Kantons Graubünden mit Schreiben vom 1. Oktober 2008 das Veranlagungsverfahren ein. Mit Datum vom 6. November 2008 veranlagte die Steuerverwaltung basierend auf einem Vorempfangswert von Fr. 436'000.- eine Steuer von Fr. 17'440.-. Die Steuerverwaltung stützte sich dabei auf die Übergangsbestimmungen im kantonalen Steuergesetz zur - per 1. Januar 2008 erfolgten - Abschaffung der Nachlasssteuer für direkte Nachkommen. Gegen diese Veranlagungsverfügung erhob der Steuerpflichtige Einsprache und machte geltend, die Steuerforderung sei verjährt. Mit Entscheid vom 15. Januar 2009 wies die Steuerverwaltung die Einsprache ab und begründete dies damit, dass die Verjährung gemäss den erwähnten Übergangsbestimmungen erst am 1. Januar 2008 zu laufen begonnen habe.
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Dagegen erhob der Steuerpflichtige Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden und machte wiederum geltend, die umstrittene Nachlasssteuer sei längst verjährt. Mit Urteil vom 12. Mai 2009 hiess das Verwaltungsgericht die Beschwerde gut. Zur Begründung brachte es vor, die gesetzliche Grundlage für die Erhebung der Nachlasssteuer für die direkten Nachkommen sei per 1. Januar 2008 weggefallen.

B. Mit Eingabe vom 11. Juni 2009 erhebt der Kanton Graubünden, vertreten durch die Regierung des Kantons Graubünden, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht. Er beantragt die Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und die Bestätigung des Einspracheentscheids der Steuerverwaltung. Eventualiter sei das Urteil wegen Verletzung von Parteirechten aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. (...)
Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde nicht ein.
(Auszug)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2.

2.1 Zu prüfen ist vorab die Beschwerdelegitimation des Kantons Graubünden. Wenn ein Kanton als Gemeinwesen als Rechtsmittelkläger handeln will, obliegt seine prozessuale Vertretung - entgegen der Auffassung des Beschwerdegegners - in der Regel dem Regierungsrat als oberster Exekutivbehörde, welche den Kanton von Verfassungs wegen nach aussen vertritt ( BGE 135 II 12 E. 1.2.3 S. 16 mit Hinweis; vgl. auch Art. 42 Abs. 4 KV/GR [SR 131.226]).

2.2 Im vorliegenden Fall stehen kantonale Nachlasssteuern zur Diskussion. Da in diesem Zusammenhang die Beschwerde nach Art. 73 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG; SR 642.14) nicht gegeben ist, weil der angefochtene Entscheid keine in den Titeln 2-5 und 6 Kapitel 1 StHG geregelte Materie betrifft und weil auch kein anderes Bundesgesetz die Regierung des Kantons Graubünden zur Beschwerdeführung ermächtigt, kann sich die Legitimation des Kantons unbestrittenermassen einzig aus Art. 89 Abs. 1 BGG ergeben.

2.3 Nach dem allgemeinen Beschwerderecht von Art. 89 Abs. 1 BGG ist zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
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berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat, durch den angefochtenen Entscheid besonders berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat. Diese Regelung ist zwar in erster Linie auf Privatpersonen zugeschnitten, doch kann sich auch das Gemeinwesen darauf stützen, falls es durch einen angefochtenen Entscheid gleich oder ähnlich wie ein Privater betroffen wird. Das ist hier aber nicht der Fall; der Kanton ist durch die umstrittene Anwendung der Übergangsbestimmungen nicht wie eine Privatperson betroffen. Der Beschwerdeführer will seine Legitimation zwar aus dem Urteil (des Bundesgerichts) 2C_792/2008 vom 19. Februar 2009 E. 1.2, in: StE 2009 B 73.14 Nr. 3, ableiten. Dabei verkennt er jedoch, dass sich die hier zu beurteilende Angelegenheit von der im zitierten Entscheid behandelten wesentlich unterscheidet: Damals ging es im Rahmen der Nachlassliquidation der SAirLines um die Zuordnung einer Steuerforderung zu den Masseforderungen oder aber zu den Nachlassforderungen, womit der Kanton als Steuergläubiger in einer Gläubigerstellung wie eine Privatperson im Zwangsvollstreckungsverfahren betroffen war. Vorliegend steht aber nicht eine Gläubigerposition in Frage, sondern die Betroffenheit in der Steuerhoheit, d.h. in hoheitlichen Interessen.

2.4 Das Gemeinwesen kann in bestimmten Fällen auch in hoheitlichen Interessen derart berührt sein, dass die Rechtsprechung von einem schutzwürdigen Interesse im Sinne von Art. 89 Abs. 1 BGG ausgeht ( BGE 135 II 12 E. 1.2.1 S. 15; BGE 134 II 45 E. 2.2.1 S. 47; zur Heranziehung der früheren Praxis bei der Auslegung: BGE 133 II 400 E. 2.4.1 S. 406). Das kann namentlich bei wichtigen vermögensrechtlichen Interessen der Fall sein ( BGE 135 I 43 E. 1.3 S. 47; vgl. die Beispiele bei HANSJÖRG SEILER, in: Bundesgerichtsgesetz [BGG], 2007, N. 35 f. zu Art. 89 BGG ; BERNHARD WALDMANN, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2008, N. 43 f. zu Art. 89 BGG ; ALAIN WURZBURGER, in: Commentaire de la LTF, 2009, N. 41 zu Art. 89 BGG ). Bei Eingriffen in spezifische eigene Sachanliegen wird die Beschwerdebefugnis des Gemeinwesens bejaht, wenn es in qualifizierter Weise betroffen ist ( BGE 135 I 43 E. 1.3 S. 47); dies ist dann anzunehmen, wenn ein Hoheitsakt wesentliche öffentliche Interessen in einem Politikbereich betrifft, der ihm zur Regelung zugewiesen wurde ( BGE 135 II 12 E. 1.2.2 S. 15 f.). In jedem Fall aber setzt die Beschwerdebefugnis zur Durchsetzung hoheitlicher Anliegen eine erhebliche Betroffenheit in wichtigen öffentlichen
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Interessen voraus; gestützt auf die allgemeine Legitimationsklausel von Art. 89 Abs. 1 BGG dürfen Gemeinwesen nur restriktiv zur Beschwerdeführung zugelassen werden ( BGE 135 I 43 E. 1.3 S. 47). Das allgemeine Interesse an der richtigen Rechtsanwendung verschafft dem Gemeinwesen noch keine Beschwerdebefugnis. Insbesondere ist die im Rechtsmittelverfahren unterlegene Vorinstanz nicht berechtigt, gegen den sie desavouierenden Entscheid an das Bundesgericht zu gelangen. Zur Begründung des allgemeinen Beschwerderechts genügt auch nicht jedes beliebige, mit der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe direkt oder indirekt verbundene finanzielle Interesse des Gemeinwesens ( BGE 134 II 45 E. 2.2.1 S. 47 mit Hinweisen).

2.5 Eine derartige spezifische und qualifizierte Betroffenheit des Gemeinwesens ist vorliegend nicht ersichtlich. Zwar geniessen die Kantone bei der Regelung der Erbschafts- und Schenkungssteuern einen erheblichen Gestaltungsspielraum, und es kann sich dabei auch um einen namhaften Teil der Staatseinnahmen handeln. Indessen hat der Kanton Graubünden mit dem Gesetz, dessen Übergangsbestimmungen hier umstritten sind, die Nachlasssteuer für die Nachkommen, also im häufigsten und wichtigsten Anwendungsfall, gerade abgeschafft. Er hat damit kundgetan, dass es sich insoweit um einen entbehrlichen Teil seiner Gesetzgebung handelt und damit um Einnahmen, auf die er in Zukunft ganz verzichten kann. Mithin geht es für den Kanton Graubünden nicht (mehr) um einen wichtigen Regelungsbereich. Hat er aber der Nachlasssteuer im Hauptanwendungsfall, also für die Nachkommen, selber im Hinblick auf die Alimentierung der Staatsfinanzen keine Bedeutung mehr zugemessen, so kann umso mehr auch der diesbezüglichen Übergangsbestimmung betreffend die noch nicht versteuerten Vorempfänge der Nachkommen keine grosse Bedeutung mehr zukommen. Der Umstand, dass es sich dabei um die Erfassung von recht zahlreichen Vorfällen mit einem Steueraufkommen von ca. 30 Mio. Franken handelt, vermag daran nichts zu ändern. Sind die Einnahmen aus einem bestimmten Bereich inskünftig überhaupt verzichtbar, so kommt auch den noch nicht erledigten Fällen aus früheren Jahren einnahmenseitig im Normalfall keine zentrale Bedeutung zu; spezielle Verhältnisse sind hier vom Kanton nicht dargetan worden.

2.6 Daraus folgt, dass der Kanton Graubünden durch die Auslegung und Anwendung der umstrittenen Übergangsbestimmung nicht qualifiziert in eigenen hoheitlichen Interessen und damit nicht in
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schutzwürdigen Interessen im Sinne von Art. 89 Abs. 1 BGG betroffen ist. Er kann in der Sache selber keine Legitimation beanspruchen. Auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist insoweit nicht einzutreten.

3.

3.1 Der Beschwerdeführer führt weiter aus, dass - selbst im Falle der Verneinung der Legitimation in der Sache - praxisgemäss auf die Beschwerde einzutreten sei, soweit damit die Verletzung von Parteirechten gerügt werde, deren Missachtung auf eine formelle Rechtsverweigerung hinauslaufe. Der Kanton Graubünden sei jedenfalls legitimiert, die Verletzung des rechtlichen Gehörs und die Befangenheit eines Verwaltungsrichters zu rügen.

3.2 Im Ergebnis verlangt der Kanton Graubünden damit die analoge Anwendung der sogenannten "Star-Praxis" auf das vorliegende Verfahren. Danach kann ein Beschwerdeführer, der in der Sache selbst nicht zur Beschwerdeführung berechtigt ist, dem aber im kantonalen Verfahren Parteistellung zukam, die Verletzung von Parteirechten rügen, die ihm von Verfassungs wegen zustehen ( BGE 114 Ia 307 E. 3c S. 312 f., auch zum Folgenden). Im Vordergrund stehen dabei Verstösse gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör. Ausgeschlossen sind aber Vorbringen, die auf eine Überprüfung des Sachentscheides abzielen oder hinauslaufen.

3.3 Die "Star-Praxis" wurde unter der Herrschaft des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 1943 über die Organisation der Bundesrechtspflege (Bundesrechtspflegegesetz, OG; BS 3 531) zur staatsrechtlichen Beschwerde entwickelt; sie ermöglichte privaten Beschwerdeführern, die keine materiellen "rechtlich geschützten Interessen" (vgl. Art. 88 OG und dazu BGE 113 Ia 247 E. 2 S. 249) geltend machen konnten, die Durchsetzung von rechtlich geschützten Verfahrensinteressen. Bei der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, zu deren Ergreifung schon befugt war, wer durch einen Entscheid betroffen war und an dessen Aufhebung oder Änderung ein schutzwürdiges eigenes (rechtliches oder auch nur tatsächliches) Interesse geltend machen konnte ( Art. 103 lit. a OG ; BGE 98 Ib 63 E. 2c S. 70 f.), erwies sich die "Star-Praxis" aber als entbehrlich. Dementsprechend hat das Bundesgericht im Bereich des öffentlichen Rechts nach der Einführung des BGG die "Star-Praxis" übernommen, wo die Beschwerdeführung vor dem Bundesgericht ein rechtlich geschütztes Interesse voraussetzt und nur die subsidiäre Verfassungsbeschwerde zur
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Verfügung steht ( Art. 115 lit. b BGG ; BGE 133 I 185 E. 6.2 S. 198 f.). Ausnahmsweise hat es die "Star-Praxis" aber analog angewendet, wenn die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offenstand. Dies war bei Popularbeschwerdeführern der Fall, die materiell keine hinreichend nahe Beziehung zur Streitsache aufwiesen, aber vorinstanzlich über besondere Verfahrensrechte verfügten (so für den Radio- und Fernsehbereich: BGE 135 II 430 E. 3.2 S. 437; vgl. auch schon für die Verwaltungsgerichtsbeschwerde: BGE 123 II 115 E. 2c S. 120 f.).

3.4 Die "Star-Praxis" wurde jedoch - wie bereits oben erwähnt - im Rahmen der staatsrechtlichen Beschwerde entwickelt, um den verfahrensrechtlichen Grundrechtsschutz für private Betroffene, die keine rechtlich geschützten Interessen geltend machen konnten, zu gewährleisten. Daraus lässt sich indessen nichts zu Gunsten der am Verfahren beteiligten Gemeinwesen ableiten. Die Rechtsmittel sind in erster Linie auf die betroffenen Privaten zugeschnitten. Die Beteiligung des Gemeinwesens am Verfahren ist denn auch nicht umfassender, sondern von vornherein beschränkter Natur; in öffentlich-rechtlichen Verfahren ist das Gemeinwesen in der Regel nicht Gegenpartei, sondern bloss als verfügende Behörde oder als zur Wahrung der öffentlichen Interessen berufene Instanz dazu befugt, am Verfahren teilzunehmen und - ähnlich einer Partei - Verfahrensrechte auszuüben. Eine analoge Anwendung der "Star-Praxis" auf das Gemeinwesen wäre somit nicht sachgemäss. Sie würde auf eine Ausdehnung der Beschwerdeberechtigung hinauslaufen, die der Bundesgesetzgeber nicht beabsichtigt hat (vgl. Botschaft vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 4329 Ziff. 4.1.3.3.3).
Auf die Verfassungsrügen der Regierung ist daher auch unter diesem Gesichtswinkel nicht einzutreten.

4. Fragen kann sich bloss noch, ob die von der Regierung des Kantons Graubünden geltend gemachte Verletzung der Ausstandspflicht die Nichtigkeit des angefochtenen Entscheids nach sich zieht.

4.1 Die Verletzung der Ausstandsregeln und somit der Garantie des unabhängigen Richters kann ausnahmsweise, in besonders schwer wiegenden Fällen, die Nichtigkeit des Entscheids zur Folge haben; die Nichtigkeit ist in solchen Fällen von Amtes wegen zu beachten und festzustellen. Zu den besonders schwer wiegenden Fällen ist dabei insbesondere die Verfolgung persönlicher Interessen zu zählen ( BGE 120 IV 226 E. 7b S. 241; vgl. auch BGE 114 Ia 153 E. 3a/bb
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S. 156 f.; HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2006, N. 971; BREITENMOSER/SPORI FEDAIL, in: VwVG, Praxiskommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren, 2009, N. 104 zu Art. 10 VwVG ; PIERRE MOOR, Droit administratif, Bd. II, 2. Aufl. 2002, S. 316). Selbst bei formell unzulässigen Beschwerden kann das Bundesgericht, wenn es mit einer nichtigen Verfügung befasst wird, eingreifen und diese von Amtes wegen aufheben ( BGE 94 III 65 E. 2 S. 71; BGE 132 III 539 E. 3 S. 541).

4.2 Am angefochtenen Urteil vom 12. Mai 2009 hat mit Verwaltungsrichter V. ein Richter mitgewirkt, der offenbar selber ein abgeleitetes persönliches Interesse an der Beurteilung der aufgeworfenen Rechtsfrage hatte. Wenn die Vorinstanz der Sichtweise der kantonalen Behörden gefolgt wäre, müsste Verwaltungsrichter V. noch nicht abgesteuerte eigene Vorempfänge in beträchtlicher Höhe zur Versteuerung bringen und einen mutmasslichen Steuerbetrag in der Grössenordnung von über Fr. 40'000.- entrichten. Mit dem vorinstanzlichen Auslegungsergebnis fällt die Besteuerung der Vorempfänge von Verwaltungsrichter V. weg. Diese Vorbringen der Regierung sind unbestritten geblieben.

4.3 Gewiss kann nicht jede denkbare Mitbetroffenheit eines Richters dazu führen, dass er als befangen und voreingenommen und damit ausstandspflichtig gelten muss. Ein gewisses indirektes oder abstraktes persönliches Mitinteresse des mitwirkenden Richters am Ausgang eines Verfahrens muss gerade in Steuerangelegenheiten, in denen oft Vorschriften auszulegen sind, die eine Vielzahl oder die meisten Steuerpflichtigen betreffen, in Kauf genommen werden. Selbst wenn man aber eine gewisse Mitbetroffenheit der Richter in Steuersachen als systemimmanent und unvermeidlich bezeichnen will und davon ausgeht, ein Richter könne in der Regel von der eigenen persönlichen Lage abstrahieren und objektiv urteilen, muss doch in Fällen qualifizierter Betroffenheit durch einen Entscheid darauf geschlossen werden, dass ein persönliches Interesse des Richters gegeben ist, das ihn als befangen erscheinen lässt und seine Mitwirkung bei der Entscheidfindung ausschliesst.

4.4 Vorliegend steht eine solche Betroffenheit zur Diskussion: Der mitwirkende Verwaltungsrichter V. scheint durch die von der Vorinstanz vorgenommene Auslegung der Übergangsbestimmung in bedeutendem Mass persönlich betroffen, weil er offenbar ein Veranlagungsverfahren zu gewärtigen hat, in dem die genau gleiche
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Rechtsfrage zu beantworten ist und die Antwort für ihn - je nach Ergebnis - mit beträchtlichen Steuerfolgen verbunden ist. In einem solchen Fall, in dem ein mitwirkender Richter am Ergebnis ein ableitbares und absehbares erhebliches eigenes Interesse hat, kann dieser Richter nicht mehr als unabhängig erscheinen. Es muss auf ein persönliches Interesse an der Beurteilung der Sache geschlossen werden, das ihn beeinflussen könnte und somit in den Ausstand zwingt. Daraus folgt, dass am vorinstanzlichen Entscheid anscheinend ein Richter mitgewirkt hat, der wegen Befangenheit hätte in den Ausstand treten müssen.
Die weiteren Umstände schliessen die Möglichkeit unerlaubter Einflussnahme nicht aus. So hat die Regierung - wiederum unwidersprochen - darauf hingewiesen, dass das Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis seine bisherige Praxis bezüglich des Zeitpunkts, in dem die Steuerpflicht für Vorempfänge entsteht bzw. entstand, geändert hat, was den persönlichen Interessen von Verwaltungsrichter V. entgegenkam. Das Verwaltungsgericht hat sein Ergebnis im Weiteren auf Argumente (Wegfall der gesetzlichen Grundlage) gestützt, die im unterinstanzlichen Verfahren und in den Rechtsschriften gar nicht vorgebracht worden waren (dort ging es nur um die Verjährung), sondern erstmals von ihm selber releviert worden sind.

4.5 Allerdings kann der gerügte Mangel - sollte er zutreffen - nicht als derart schwer wiegend bezeichnet werden, dass er geradezu die Nichtigkeit des angefochtenen Erkenntnisses bewirken muss (vgl. BGE 133 II 366 E. 3.2 S. 367 mit Hinweis). Für den ausstandspflichtigen Richter ergibt sich kein direkter persönlicher Vorteil aus dem angefochtenen Urteil, sondern nur ein indirekter, abgeleiteter. Zudem muss in Steuerfällen, wie in E. 4.3 erwähnt, eine gewisse Reflexwirkung auf die persönlichen Interessen der mitwirkenden Richter von vornherein als systemimmanent und unvermeidlich in Kauf genommen werden. Weiter handelt es sich um eine Steuer, die aufgehoben wurde, weshalb den noch zu besteuernden Fällen keine besondere Bedeutung für die künftige Rechtsanwendung mehr zukommen kann. Schliesslich ist es den kantonalen Behörden unbenommen, in einem weiteren Fall eine neuerliche verwaltungsgerichtliche Beurteilung der interessierenden Fragestellung (Steuerfreiheit der bis Ende 2007 noch nicht besteuerten Erbvorbezüge) zu provozieren und dabei zu verlangen, dass Verwaltungsrichter V. in den Ausstand tritt. Diese Umstände sprechen letztlich gegen die
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Annahme der Nichtigkeit, auch wenn die gerügte persönliche Verflechtung das Mass des Hinzunehmenden deutlich überschreitet.

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