BGE 145 V 97 vom 11. März 2019

Dossiernummer: 8C_474/2018

Datum: 11. März 2019

Artikelreferenzen:  Art. 2 GgV, Art. 3 ATSG, Art. 61 ATSG , Art. 2 Abs. 3 GgV, Art. 13 IVG, Art. 3 Abs. 2 ATSG, Art. 13 Abs. 1 und 2 IVG, Art. 2 Abs. 1 IVV, Art. 61 lit. c ATSG

BGE referenzen:  138 V 218, 142 V 58, 142 V 325 , 142 V 325, 142 V 326, 138 V 218, 142 V 58

Quelle: bger.ch

Urteilskopf

145 V 97


10. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen IV-Stelle des Kantons Aargau (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
8C_474/2018 vom 11. März 2019

Regeste

Art. 3 Abs. 2 ATSG ; Art. 8 Abs. 2, Art. 13 Abs. 1 und 2 IVG ; Art. 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 sowie Art. 2 Abs. 3 GgV ; Ziff. 383 und 453 GgV Anhang; Ziff. 2.1 KLV Anhang 1; Prüfung der Einfachheit, Notwendigkeit und Zweckmässigkeit einer Vorkehr zur Behandlung einer seltenen Krankheit.
Sind medizin-wissenschaftliche Erkenntnisse zum therapeutischen Nutzen und zur Wissenschaftlichkeit einer bestimmten medizinischen Massnahme, welche von der Invalidenversicherung zur Behandlung einer seltenen Krankheit im Rahmen eines anerkannten Geburtsgebrechens übernommen wird, auf die Behandlung einer eng verwandten, aber noch selteneren Krankheit mittels derselben medizinischen Massnahme übertragbar? Diese Tatfrage ist von spezialmedizinischen Experten auf dem Gebiet der betreffenden Krankheit zu beantworten (E. 8.5).

Sachverhalt ab Seite 98

BGE 145 V 97 S. 98

A.

A.a Die am 2. September 2009 geborene A. leidet unter anderem an einem peroxisomalen Defekt des bifunktionalen Proteins (autosomal-rezessiver Defekt des DBP/MFP2) sowie an angeborener Epilepsie und angeborenen cerebralen Lähmungen. Für die medizinische Behandlung verschiedener Geburtsgebrechen leistete die IV-Stelle des Kantons Aargau Kostengutsprache. Ebenso bejahte sie einen Anspruch auf Hilflosenentschädigung für Minderjährige wegen einer mittleren Hilflosigkeit mit Intensivpflegezuschlag von vier Stunden für die Dauer vom 1. Dezember 2012 bis 1. Februar 2015.
Im Dezember 2013 und Januar 2014 erfolgten die Anmeldungen der Geburtsgebrechen Ziff. 383 und 453 des Anhangs zur Verordnung vom 9. Dezember 1985 über Geburtsgebrechen (GgV; SR 831.232. 21; heredo-degenerative Erkrankungen des Nervensystems sowie angeborene Störungen des Fett- und Lipoprotein-Stoffwechsels). Die Invalidenversicherung übernahm die Kosten für die Behandlung des Geburtsgebrechens Ziff. 383 GgV Anhang, verneinte jedoch einen
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Leistungsanspruch gestützt auf Ziff. 453 GgV Anhang (Verfügung vom 27. Januar 2015), einen Anspruch auf Stammzellentransplantation (SZT) und klinische Ernährung (Verfügung vom 26. Januar 2015) sowie Ernährungsberatung (Verfügung vom 28. Januar 2015).
Die gegen die drei Verfügungen vom 26., 27. und 28. Januar 2015 erhobene Beschwerde der A. hiess das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 13. Oktober 2015 teilweise gut, hob die Verfügung vom 27. Januar 2015 auf und wies die Sache diesbezüglich zur weiteren Abklärung und Neuverfügung im Sinne der Erwägungen an die IV-Stelle zurück (Dispositiv-Ziffer 1). Im Übrigen wies es die Beschwerde gegen die beiden Verfügungen vom 26. und 28. Januar 2015 ab (Dispositiv-Ziffer 2). Unter den Dispositiv-Ziffern 3 und 4 verlegte es die Gerichtskosten und sprach der Beschwerde führenden Versicherten eine Parteientschädigung zu.
Die dagegen gerichtete Beschwerde hiess das Bundesgericht mit Urteil 8C_881/2015 vom 22. April 2016 teilweise gut. Es hob auch die Dispositiv-Ziffern 2 bis 4 des kantonalen Gerichtsentscheids vom 13. Oktober 2015 sowie die Verfügungen der IV-Stelle vom 26. und 28. Januar 2015 auf und wies die Sache auch diesbezüglich zu neuer Verfügung an die IV-Stelle zurück.

A.b Nach ergänzenden Abklärungen leistete die IV-Stelle unter anderem am 9. Juni 2017 Kostengutsprache für medizinische Massnahmen zwecks Behandlung des Geburtsgebrechens Ziff. 453 GgV Anhang für die Dauer vom 7. Januar 2014 bis 28. Februar 2029. Am 11. August 2017 hielt die IV-Stelle ersatzweise anstelle der gerichtlich aufgehobenen Verfügungen vom 26. und 28. Januar 2015 an der Ablehnung des Leistungsgesuchs in Bezug auf die am 16. Januar 2014 durchgeführte allogene 12/12-MUD-Stammzellentransplantation und deren Folgemassnahmen (klinische Ernährung mit Zubehör und Ernährungsberatung) fest.

B. Die gegen die Verfügung vom 11. August 2017 erhobene Beschwerde der A. wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau ab.

C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A. beantragen, der angefochtene Gerichtsentscheid und die Verfügung vom 11. August 2017 seien aufzuheben. Ihr sei im Rahmen der medizinischen Massnahmen zwecks Behandlung der Geburtsgebrechen Ziff. 383 und 453 Kostengutsprache für die Stammzellen- bzw.
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Knochenmarktransplantation sowie für deren Folgemassnahmen (klinische Ernährung mit Zubehör und Ernährungsberatung) zu erteilen.
Während das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) auf Beschwerdeabweisung schliesst, verzichten die Vorinstanz und die IV-Stelle auf eine Vernehmlassung.

D. Mit Eingabe vom 15. November 2018 nimmt die Beschwerdeführerin zur Vernehmlassung des BSV Stellung und reicht verschiedene Unterlagen ein.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

7. Strittig ist demnach, ob die SZT vom 16. Januar 2014 mit Blick auf die Behandlung der anerkannten Geburtsgebrechen gemäss Ziff. 383 und 453 GgV Anhang eine notwendige, einfache und zweckmässige Vorkehr darstellt.

7.1 Dass die Übernahme einer allogenen Stammzellentransplantation durch die Invalidenversicherung als medizinische Massnahme nach Art. 2 Abs. 3 GgV nicht grundsätzlich auszuschliessen ist, sofern die Erfordernisse der Wissenschaftlichkeit, Einfachheit und Zweckmässigkeit zu bejahen sind (vgl. nicht publ. E. 4.2 und Urteil 8C_881/2015 vom 22. April 2016 E. 3), ist bei gegebener Indikation mit Blick auf den Pflichtleistungskatalog gemäss KLV Anhang 1 (SR 832.112. 31) nicht ernsthaft in Frage zu stellen. Denn die Ordnung von Art. 13 IVG stellt sachlich eine obligatorische eidgenössische Krankenpflegeversicherung für Geburtsgebrechen im Rechtssinne dar, wobei die Definition der Wissenschaftlichkeit im Sinne von Art. 2 Abs. 3 GgV prinzipiell dieselbe ist wie in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (MEYER/REICHMUTH, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung [IVG], 3. Aufl. 2014, N. 11 u. 26 zu Art. 13 IVG ).

7.2 Sowohl bei der X-chromosomalen Adrenoleukodystrophie (X-ALD) als auch beim hier diagnostizierten peroxisomalen Defekt des bifunktionalen Proteins (autosomal-rezessiver Defekt des DBP/MFP2) handelt es sich um eine seltene, angeborene Stoffwechselkrankheit. Beide gehören zu den peroxisomalen beta-Oxidationsstörungen (ORPHA:79188 laut Klassifikation gemäss Orphanet: www.orpha.net/consor/cgi-bin/Disease_Classif_Simple.php?lng=DE , Internetseite besucht am 13. Februar 2019). Beide sind nicht bei den Indikationen aufgelistet, bei welchen die allogene Stammzellentransplantation
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nach KLV Anhang 1 als Pflichtleistung zu übernehmen ist. Denn bei beiden Gesundheitsstörungen handelt es sich um seltene Krankheiten mit einer Prävalenz von höchstens einer betroffenen Person unter 2000 Menschen. In der Schweiz leiden rund eine halbe Million Menschen an seltenen Krankheiten, wobei überwiegend Kinder betroffen sind (FRANZISKA SPRECHER, Seltene Krankheiten, SZG 2015 S. 220). Nur 10-30 % der seltenen Krankheiten werden heute erforscht; aufgrund der lange vernachlässigten kleinen Patientenpopulationen spricht man denn auch von "verwaisten" Krankheiten (orphan diseases; SPRECHER, a.a.O., S. 221).

7.3 Das durch die genombasierte Forschung stark wachsende Verständnis von Krankheitsmechanismen führt zur Identifikation immer neuer Krankheitsbilder (SPRECHER, a.a.O., S. 233). Als Folge davon müssen mehr Patientengruppen und damit (Unter-)Arten von Krankheiten unterschieden werden, wodurch die Anzahl Patientinnen und Patienten pro Krankheit abnimmt und mehr Krankheiten als selten eingestuft werden (SPRECHER, a.a.O., S. 223). Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob aus medizinisch zureichenden Gründen die behandelnden Ärzte der Versicherten die wissenschaftlichen Erfahrungen aus der X-ALD-Behandlung mittels SZT auf die hier diagnostizierte verwandte peroxisomale beta-Oxidationsstörung übertragen durften. Denn dass die am 16. Januar 2014 durchgeführte SZT - wie prognostiziert - erfolgreich war, ist angesichts der unbestritten gebliebenen Ausführungen der Beschwerdeführerin nicht ernsthaft in Frage zu stellen. Ebenso unbestritten blieb, dass die SZT bei der X-ALD als kausale Therapiemassnahme international klar etabliert ist und von der Invalidenversicherung bzw. der obligatorischen Krankenpflegeversicherung fraglos übernommen wird, obwohl der Wirkmechanismus der SZT - auch bei der wissenschaftlich besser erforschten X-ALD - ebenfalls nicht bewiesen ist.

8.

8.1 Das kantonale Gericht verpflichtete die IV-Stelle laut Dispositiv-Ziffer 1 in Verbindung mit Erwägung Ziffer 4.2 des Rückweisungsentscheides vom 13. Oktober 2015 zu weiteren Abklärungen, insbesondere zur Einholung einer externen fachärztlichen Beurteilung (vgl. Urteil 8C_881/2015 vom 22. April 2016 E. 4.3). Allein schon weil die Zuordnung des Geburtsgebrechens zu den Ziffern 383 und/oder 453 GgV Anhang aus medizinischer Sicht unklar war, hielt es das Bundesgericht für verfrüht, bereits abschliessend über die
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Wissenschaftlichkeit, Einfachheit und Zweckmässigkeit ( Art. 2 Abs. 1 IVV , Art. 2 Abs. 3 GgV ) der im Streit liegenden Behandlungsmethode zu entscheiden (Urteil 8C_881/2015 vom 22. April 2016 E. 4.4). Entgegen der Vorinstanz erkannte das Bundesgericht auch ergänzenden Abklärungsbedarf in Bezug auf die mit Entscheid vom 13. Oktober 2015 verneinten Voraussetzungen des hohen therapeutischen Nutzens und der Wissenschaftlichkeit der SZT bei der Behandlung angeborener Stoffwechselstörungen. Insbesondere hielt das Bundesgericht fest, dass "die Verneinung der Wissenschaftlichkeit der SZT bei angeborenen Stoffwechselstörungen auf einer bei Erlass des angefochtenen Entscheides [vom 13. Oktober 2015] unvollständigen Abklärung des medizin-wissenschaftlichen Kenntnisstandes" zu beruhen scheine.

8.2 Die IV-Stelle tätigte mit Blick auf die veranlasste ergänzende Sachverhaltsabklärung zwischen Juni 2016 und April 2017 im Wesentlichen je eine Anfrage an den Regionalen Ärztlichen Dienst (RAD), das behandelnde Kinderspital C. und das BSV. In Bezug auf die offenen Fragen nach dem hohen therapeutischen Nutzen, nach der Wissenschaftlichkeit der SZT sowie nach der Übertragbarkeit der bewährten medizin-wissenschaftlichen Erkenntnisse aus der Behandlung einer X-ALD mittels SZT auf die Behandlung der eng verwandten peroxisomalen Erkrankung eines autosomal-rezessiven Defekts der DBP/MFP2 hat weder die Verwaltung noch die Vorinstanz eine neutrale fachärztliche Expertise eingeholt. Auch finden sich bei den Akten keine Angaben zu konkreten Behandlungsalternativen mit Blick auf die am 16. Januar 2014 durchgeführte SZT. Die Einschätzungen des RAD (vgl. Urteil 8C_881/2015 vom 22. April 2016 E. 4.1), des BSV (vgl. Urteil 8C_881/2015 vom 22. April 2016 Sachverhalt lit. C und E. 4.4) und des Kinderspitals C. waren im Zeitpunkt der Rückweisung der Sache an die IV-Stelle längst bekannt. Insofern waren aus den zwischen Juni 2016 und April 2017 veranlassten Abklärungen der IV-Stelle in Bezug auf die offenen Fragen keine entscheidwesentlichen neuen Erkenntnisse zu erwarten.

8.3 Das kantonale Gericht sah gemäss angefochtenem Entscheid in Bezug auf die offenen Fragen (E. 8.2 hiervor) keinen ergänzenden Abklärungsbedarf. Es beschränkte sich vielmehr darauf, die im Wesentlichen bereits vor Erlass des Urteils 8C_881/2015 vom 22. April 2016 bekannt gewesenen Akten noch einmal eingehend zu würdigen
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und gestützt auf eigene Recherchen im Internet die Fragen nach dem hohen therapeutischen Nutzen und der Wissenschaftlichkeit der SZT sowie nach der Übertragbarkeit der bewährten medizin-wissenschaftlichen Erkenntnisse aus der X-ALD-Behandlung mittels SZT selber zu beantworten. Im Kern blieb die Vorinstanz bei ihrer schon im Entscheid vom 13. Oktober 2015 sinngemäss vertretenen Auffassung, wonach es sich bei der strittigen SZT angesichts der Seltenheit der Erkrankung mangels Erfahrungen aus der Anwendung dieser Behandlungsform um einen reinen Therapieversuch gehandelt habe. Das kantonale Gericht scheint mit dem BSV davon auszugehen, dass - auch bei einer Ultra Orphan Disease - für die Übernahme der Behandlung in jedem Falle zumindest Zwischenergebnisse von (publizierten) klinischen Studien zur Wirksamkeit der konkreten Behandlungsform (hier: allogene SZT) in Bezug auf die anvisierte, exakt definierte Krankheitsausprägung erforderlich sind. Mit anderen Worten stellen sie sich auf den Standpunkt, anerkannte medizin-wissenschaftliche Erfahrungen aus der X-ALD-Behandlung mittels SZT seien nicht auf die Anwendung derselben Behandlungsform in Bezug auf die eng verwandte peroxisomale Erkrankung eines autosomal-rezessiven Defekts der DBP/MFP2 übertragbar. Dabei handelt es sich um eine medizinische Tatfrage. Zu Recht macht die Beschwerdeführerin geltend, praxisgemäss seien nicht unbedingt schon Zwischenergebnisse von klinischen Studien notwendig. Demnach genügen vielmehr auch anderweitige veröffentlichte Erkenntnisse, welche wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen über die Wirksamkeit der in Frage stehenden Behandlung im neuen Anwendungsgebiet zulassen und aufgrund derer in den einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen hohen therapeutischen Nutzen besteht (GEBHARD EUGSTER, Die obligatorische Krankenversicherung, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 3. Aufl. 2016, S. 535 Rz. 420; BGE 142 V 326 E. 2.3.2.2 S. 330).

8.4 Soweit die Übernahme der SZT bei der X-ALD-Behandlung durch Invalidenversicherung und obligatorischen Krankenpflegeversicherung tatsächlich unbestritten ist (E. 7.3 i.f.), setzt dies zumindest bei dieser Indikation die Bejahung der medizinischen Tatfrage nach dem therapeutischen Nutzen (vgl. dazu BGE 142 V 325 E. 4.2 S. 332 mit Hinweis) dieser Behandlungsform voraus. Denn auch die X-ALD ist nicht bei jenen Indikationen in KLV Anhang 1 aufgelistet, bei welchen die allogene hämatopoïetische Stammzellentransplantation als Pflichtleistung von der obligatorischen
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Krankenpflegeversicherung zu übernehmen ist (vgl. auch E. 7.2 hiervor). Zwar reicht für den Nachweis der therapeutischen Wirksamkeit der blosse Hinweis auf die Wirkung im Einzelfall nach der Formel "post hoc ergo propter hoc" praxisgemäss nicht aus (vgl. BGE 142 V 325 E. 2.3.2.2 S. 330 mit Hinweis). Doch bleibt mit Blick auf den hier zu beurteilenden Fall die medizinische Tatfrage bisher unbeantwortet, ob die medizin-wissenschaftlichen Erfahrungen aus der X-ALD-Behandlung mittels SZT aus zureichenden Gründen auf die nahe verwandte peroxisomale Erkrankung eines peroxisomalen Defektes des bifunktionalen Proteins (autosomal-rezessiver Defekt der DBP/MFP2) übertragbar sind oder nicht. Von der Übertragbarkeit gingen die behandelnden Fachärzte nach dem aktuellsten Stand der Wissenschaft gestützt auf die damals vorhandene Datenlage offensichtlich aus. Immerhin führte Prof. Dr. med. E. bereits in ihrer Stellungnahme vom 17. Februar 2016 aus, bei einem bifunktionalen Proteindefekt, wie ihn die Versicherte aufweise, sei die SZT in absolute Parallelität zur X-ALD zu setzen. Demgegenüber stellt sich die Vorinstanz ohne fachärztlich fundierte Begründung auf den Standpunkt, die Übertragung der Erfahrungen aus der X-ALD-Behandlung sei "nicht ohne weiteres möglich". Es ist jedoch nicht nachvollziehbar, weshalb eine SZT bei der Behandlung von X-ALD weniger riskant sein sollte als bei der Behandlung der hier gegebenen Ausprägung einer Leukodystrophie. Prof. Dr. med. E. beanstandete schon am 17. Februar 2016 die vom BSV mit Vernehmlassung vom 4. Februar 2016 vertretene Auffassung, wonach die Datenlage aus der versuchsweisen Anwendung der SZT bei einigen weiteren Erkrankungen angeblich ohne Relevanz für die hier strittige Behandlungsmassnahme sei. Schliesslich steht fest, dass die strittige SZT einer Genehmigung der Indikation durch die Schweizerische Kommission für Allogene Transplantation bedurfte. Angesichts der gegebenen Umstände ist nicht nachvollziehbar, wie die behandelnden Ärzte die SZT vom 16. Januar 2014 als rein experimentellen Therapieversuch hätten durchführen sollen, wenn sie sich nicht zumindest auf minimale medizin-wissenschaftliche Erkenntnisse in Bezug auf Wirksamkeit und Zweckmässigkeit hätten abstützen können.

8.5 Die offenen Fragen (vgl. E. 8.2 hiervor) sind bisher nicht durch eine neutrale fachärztlich-wissenschaftliche Expertise aus hämatologischer und immunologischer Sicht überzeugend und schlüssig unter Bezugnahme auf die gesamte Aktenlage im hier zu beurteilenden Fall sowie unter Berücksichtigung der internationalen,
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medizin-wissenschaftlichen Datenlage beantwortet worden. Dem angefochtenen Entscheid ist nicht zu entnehmen, dass aus neutraler fachärztlicher Sicht die SZT vom 16. Januar 2014 hinsichtlich des angestrebten therapeutischen Nutzens ohne ausreichende, wissenschaftlich nachprüfbare Erkenntnisse durchgeführt worden wäre. Letztlich geht es um die medizinische Tatfrage, ob die wissenschaftlichen Erkenntnisse, welche offenbar für die Übernahme der SZT durch die Invalidenversicherung und die obligatorische Krankenpflegeversicherung bei der Behandlung von X-ALD in ausreichendem Umfang und genügender Qualität vorhanden sind, analog für die Beurteilung der hier strittigen SZT vom 16. Januar 2014 herangezogen werden durften. Ebenso wenig ist ersichtlich, ob - und falls ja, welche - Behandlungsalternativen am 16. Januar 2014 zur Verfügung standen. Indem das kantonale Gericht auf die Klärung der medizinisch ausschlaggebenden Tatfragen verzichtete, hat es den Untersuchungsgrundsatz ( Art. 61 lit. c ATSG ; BGE 138 V 218 E. 6 S. 221 f. mit Hinweisen) verletzt. Soll ein Versicherungsfall ohne Einholung eines externen Gutachtens entschieden werden, so sind an die Beweiswürdigung strenge Anforderungen zu stellen. Bestehen auch nur geringe Zweifel an der Zuverlässigkeit und Schlüssigkeit der versicherungsinternen ärztlichen Feststellungen, sind ergänzende Abklärungen vorzunehmen ( BGE 142 V 58 E. 5.1 i.f. S. 65 mit Hinweisen).

8.6 Das kantonale Gericht wird die offenen Fragen durch eine fachärztlich-spezialmedizinisch qualifizierte Expertise unter Berücksichtigung der Aktenlage beantworten lassen und hernach über die vorinstanzliche Beschwerde neu entscheiden.

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