Urteilskopf
88 I 260
42. Urteil vom 14. November 1962 i.S. Gebrüder Hess AG gegen Elektrizitätswerk Obwalden und Regierungsrat des Kantons Obwalden.
Regeste
Staatsrechtliche Beschwerde.
1. Die Beschwerde gegen Vollzugs- und Bestätigungsakte ist grundsätzlich nur insoweit, als diese selbständig ein verfassungsmässiges Recht verletzen, nicht auch wegen Verfassungswidrigkeit der ihnen zugrunde liegenden Verfügungen zulässig. Eine Ausnahme gilt nur für Beschwerden wegen Verletzung unverzichtbarer und unverjährbarer Rechte, zu denen nicht nur die Niederlassungsfreiheit, sondern noch weitere fundamentale Rechte gehören (Erw. 1).
2. Selbständige Verfügung oder blosser Vollzugsakt? (Erw. 2).
Persönliche Freiheit. Bedeutung ihrer Gewährleistung in den Kantonsverfassungen (Erw. 3).
A.-
Die Versorgung des Gemeindegebietes von Engelberg mit elektrischer Energie erfolgt seit dem Jahre 1903 durch ein privates Werk, das ursprünglich Eigentum des Eugen Hess-Waser war, nach dessen Tod an die aus seinen
BGE 88 I 260 S. 261
Erben gebildete Kollektivgesellschaft Gebrüder Hess überging und seit 15. September 1960 der Aktiengesellschaft Gebrüder Hess AG gehört. Dieses private Werk bezieht den Strom von der Aktiengesellschaft Elektrizitätswerk Luzern-Engelberg und verteilt ihn über ein eigenes Leitungsnetz, das sie gestützt aufeine Konzession der Gemeinde Engelberg erstellt hat.
Am 1. Januar 1941 schloss die Gemeinde Engelberg mit den Gebrüdern Hess einen neuen, erstmals auf den 1. Januar 1961 kündbaren Konzessions- und Energielieferungsvertrag. Durch diesen verpflichteten sich die Gebrüder Hess zur Versorgung der Gemeinde mit elektrischer Energie, während die Gemeinde ihnen die Benützung des öffentlichen Bodens für Durchleitungen gestattete und ihnen versprach, keinem andern Unternehmen die Verteilung elektrischer Energie im Gemeindegebiet zu bewilligen.
Am 13. Mai 1956 erliess der Kanton Obwalden das "Gesetz über das Elektrizitätswerk Obwalden", nach welchem das Elektrizitätswerk Obwalden (im folgenden kurz: EWO) als öffentlich-rechtliche Anstalt gegründet wird und die Eigenversorgung des Kantons mit elektrischer Energie bezweckt (Art. 1). Als Aufgaben des EWO bezeichnet das Gesetz die Erstellung und den Betrieb des Kraftwerkes Melchsee-Frutt und die alleinige Verteilung von elektrischer Energie im ganzen Kantonsgebiet (Art. 2).
Am 25. April 1956, kurz nach der Beratung des Gesetzes durch die Landsgemeinde und vor der Volksabstimmung, richteten die Gebrüder Hess ein Schreiben an den Regierungsrat, worin sie sich grundsätzlich bereit erklärten, ihr Verteilnetz später dem EWO zu übergeben. In der Folge änderten sie ihren Standpunkt und lehnten diese Übergabe ab.
Mit Schreiben vom 13. Dezember 1958 kündigte der Gemeinderat Engelberg den im Jahre 1941 mit den Gebrüdern Hess abgeschlossenen Konzessions- und Energielieferungsvertrag auf den 1. Januar 1961. Ferner teilte er ihrer Rechtsnachfolgerin, der Gebrüder Hess AG, am 24. Januar 1961 mit, dass er ihr die Inanspruchnahme von Gemeindeeigentum
BGE 88 I 260 S. 262
für die Energieverteilung verbiete, jedoch auf Zusehen hin längstens bis zum 31. Dezember 1962 gestatte, sofern sich die Gebrüder Hess AG bis zum 30. Juni 1961 mit dem EWO über die Abtretung ihres Verteilnetzes einige. Eine entsprechende, die Benützung von Kantonseigentum betreffende Mitteilung erhielt die Gebrüder Hess AG am 1. März 1961 vom Regierungsrat. Sie liess diese Mitteilungen unbeantwortet.
B.-
Im Herbst 1961 kam es wegen der Reparatur eines in der Dorfstrasse von Engelberg liegenden Kabels zu einem Anstand zwischen dem Gemeinderat und der Gebrüder Hess AG. Im Hinblick hierauf erliess der Regierungsrat am 6. November 1961 eine Verfügung betreffend Reparatur- und Änderungsarbeiten am Verteilnetz in Engelberg, worin er unter anderem
1. die Gebrüder Hess AG verpflichtete, bis zur Übernahme der Energieverteilung in Engelberg durch das EWO alle zur sicheren Energieversorgung erforderlichen Reparatur- und Unterhaltsarbeiten am bestehenden Leitungsnetz vorzunehmen,
2. der Gebrüder Hess AG bewilligte, die zu diesen Arbeiten notwendigen Grabarbeiten im öffentlichen Grund und Boden der Gemeinde und des Kantons durchzuführen,
3. anordnete, dass alle über Reparatur- und Unterhaltsarbeiten hinausgehenden Arbeiten an den bestehenden Anlagen, wie Erweiterungen, Umbauten und andere wesentlichen Änderungen der vorgängigen schriftlichen Bewilligung des EWO bedürfen,
4. das EWO beauftragte, die Einhaltung dieser Verfügung durch die Gebrüder Hess AG zu überwachen, und es ermächtigte, die Einstellung von entgegen Ziff. 3 ohne seine Bewilligung vorgenommenen Arbeiten anzuordnen.
Ferner erliess der Regierungsrat am 13. November 1961 eine Verfügung betreffend Energieverteilung in Engelberg und Benützung der dafür notwendigen öffentlichen Sachen, worin er unter Hinweis auf die Bestimmungen des Gesetzes über das EWO vom 13. Mai 1956
1. der Gebrüder Hess AG verbot, vom Zeitpunkt der Lieferungsbereitschaft des EWO an die Verteilung elektrischer Energie in Engelberg weiterzuführen,
2. der Gebrüder Hess AG verbot, von diesem Zeitpunkt an die öffentlichen Sachen des Kantons und der Gemeinde für die Verteilung elektrischer Energie zu benützen,
BGE 88 I 260 S. 263
3. der Gebrüder Hess AG befahl, innert 10 Tagen nach Erhalt der Mitteilung, dass das EWO für das ganze Gemeindegebiet oder Teile desselben lieferungsbereit sei, die Belieferung des vom EWO bezeichneten Gebiets mit elektrischer Energie einzustellen und in diesem Gebiet die öffentlichen Sachen des Kantons und der Gemeinde nicht weiter für die Energieverteilung zu benützen,
4. der Gebrüder Hess AG befahl, sofort nach der Einstellung der Energieverteilung gemäss Ziff. 3 im bezeichneten Gebiet ihre Verteilanlagen zu beseitigen und die benützten Strassen, Plätze usw. wieder instandzustellen,
5. den Mitgliedern des Verwaltungsrates der Gebrüder Hess AG im Falle der Nichtbefolgung dieser Verfügung die Verzeigung beim Strafrichter nach
Art. 292 StGB
androhte.
Im Frühjahr 1962 erhielt das EWO davon Kenntnis, dass die Gebrüder Hess AG mit den Architekten zweier in Engelberg geplanter Appartementhäuser über deren Anschluss an ihr Verteilnetz verhandelte. Darauf teilte es der Gebrüder Hess AG mit Schreiben vom 23. März 1962 mit, dass es (das EWO) die Belieferung dieser Gebäude übernehmen und der Gebrüder Hess AG die nach Ziff. 3 der regierungsrätlichen Verfügung vom 6. November 1961 erforderliche Bewilligung, irgendwelche Verteilanlagen auf den betreffenden Grundstücken zu erstellen, verweigern werde. Die Gebrüder Hess AG traf indessen weiterhin Anstalten, ihr Verteilnetz zu erweitern und die erwähnten Appartementhäuser an dieses anzuschliessen. Der Regierungsrat erliess daher am 30. Juli 1962 eine Verfügung betreffend Energieverteilung in Engelberg, in welcher er
1. der Gebrüder Hess AG in Anwendung der Verfügungen vom 6. und 13. November 1961 verbot, in einem näher bezeichneten Gebiet der Gemeinde die Anlagen ihres Verteilnetzes über den heutigen Stand hinaus zu erweitern und irgendwelche Vorbereitungen zu treffen oder Arbeiten auszuführen, um das in Bau befindliche Appartementhaus der UTO-Ringwohnungen AG an ihr Verteilnetz anzuschliessen,
2. der Gebrüder Hess AG verbot, mit den Eigentümern der im umschriebenen Gebiet gelegenen Grundstücke irgendwelche Abreden über die Erweiterung der Verteilanlagen zu treffen oder mit Bauunternehmungen die Durchführung solcher Arbeiten zu vereinbaren,
3. den Mitgliedern des Verwaltungsrates der Gebrüder Hess AG im Falle der Nichtbefolgung dieser Verfügung die Verzeigung beim Strafrichter nach
Art. 292 StGB
androhte,
4. das EWO ermächtigte und beauftragte, die Durchführung irgendwelcher, entgegen den Bestimmungen der Verfügungen vom 6.
BGE 88 I 260 S. 264
und 13. November 1961 sowie der vorliegenden Verfügungen vorgenommenen Arbeiten zu verhindern und nötigenfalls die Hilfe der Kantonspolizei in Anspruch zu nehmen.
In den Erwägungen dieser Verfügung wurde ausgeführt, dass diese sich als notwendig erweise, um die Respektierung der am 6. und 13. November erlassenen Anordnungen zu erzwingen, und somit lediglich die in diesen Verfügungen getroffenen, im vollen Umfange in Kraft bleibenden Anordnungen konkretisiere.
C.-
Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 28. August 1962 stellt die Gebrüder Hess AG den Antrag, die Verfügung des Regierungsrates des Kantons Obwalden vom 30. Juli 1962 sei aufzuheben. In formeller Beziehung erklärt sie, dass sie durch die angefochtene Verfügung "im Unterschied zu den als Zwischenentscheide charakterisierten Verfügungen vom 6. und 13. November 1961 konkret wie aktuell betroffen" werde. In der Sache selbst macht sie geltend, die angefochtene Verfügung verstosse gegen Art. 4, 5, 31 und 64 BV, gegen Art. 5, 6, 7 und 10 der Obwaldner KV, gegen die derogatorische Kraft des Bundesrechts sowie gegen die Gemeindeautonomie. Zur Begründung macht sie vor allem geltend, dass das im Gesetz vom 13. Mai 1956 aufgestellte Energieverteilungsmonopol des EWO verfassungswidrig sei und die angefochtene Verfügung somit keine gesetzliche Grundlage habe. Die weitere Begründung der Beschwerde ist, soweit wesentlich, aus den nachstehenden Erwägungen ersichtlich.
D.-
Der Regierungsrat des Kantons Obwalden und das Elektrizitätswerk Obwalden beantragen, auf die Beschwerde nicht einzutreten, eventuell sie abzuweisen. Sie bezeichnen die Beschwerde als unzulässig, weil die Verfügung vom 30. Juli 1962 lediglich einen Vollzugsakt der in Anwendung des Gesetzes vom 13. Mai 1956 ergangenen und mangels Anfechtung rechtskräftig und vollziehbar gewordenen Verfügungen vom 6. und 13. November 1961 darstelle und der Beschwerdeführerin keine sich nicht schon aus diesen Verfügungen ergebenden Pflichten auferlege. Sodann bestreiten
BGE 88 I 260 S. 265
sie jede Verletzung der von der Beschwerdeführerin angerufenen verfassungsmässigen Rechte.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Eine Verfügung, welche in Anwendung oder Vollziehung eines unangefochtenen gebliebenen, allgemein verbindlichen Erlasses ergangen ist, kann auch wegen Verfassungswidrigkeit dieses Erlasses mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden, und es kann mit dieser Beschwerde die Aufhebung wenn nicht des Erlasses, so doch der darauf beruhenden Verfügung verlangt werden (
BGE 86 I 274
Erw. 1 mit Verweisungen). Dagegen kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichts ein Akt, durch den eine unangefochten gebliebene Verfügung ohne neue materielle Entscheidung (wie sie z.B. in der Behandlung eines Wiedererwägungsgesuchs liegt;
BGE 86 I 99
) lediglich vollzogen oder bestätigt wird, in der Regel nicht mehr wegen Verfassungswidrigkeit dieser Verfügung angefochten werden (vgl.
BGE 45 I 329
,
BGE 46 I 147
,
BGE 68 I 28
/29,
BGE 75 I 55
; GIACOMETTI, Verfassungsgerichtsbarkeit S. 83/4; BIRCHMEIER, Handbuch des OG S. 319). Eine Ausnahme macht die Rechtsprechung nur insofern, als die Beschwerde wegen Verletzung derjenigen verfassungsmässigen Rechte, die als unverzichtbar und unverjährbar gelten, auch noch gegenüber dem Vollzug einer früheren Verfügung oder gegenüber der Ablehnung ihrer Wiedererwägung zulässig ist (
BGE 69 I 166
und
BGE 71 I 248
mit Verweisungen). Ferner kann die Verletzung der
Art. 59 und 46 Abs. 2 BV
unter gewissen Voraussetzungen noch im Vollstreckungsverfahren mit staatsrechtlicher Beschwerde gerügt werden (für
Art. 59 BV
:
BGE 87 I 50
Erw. 2 und 128 Erw. 1, für
Art. 46 Abs. 2 BV
:
BGE 59 I 26
,
BGE 73 I 222
/23.
Die Rechtsprechung, wonach gegen Akte, durch die eine frühere Verfügung vollzogen oder bestätigt wird, nur wegen Verletzung sog. unverzichtbarer und unverjährbarer Rechte staatsrechtliche Beschwerde erhoben werden kann, ist in den dem Juristentag 1962 erstatteten Referaten über
BGE 88 I 260 S. 266
"Probleme der staatsrechtlichen Beschwerde" in entgegengesetztem Sinne kritisiert worden. MARTI betrachtet diese Beschränkung der Beschwerdemöglichkeit als unbefriedigend und befürwortet einerseits eine Erweiterung des Begriffs des unverzichtbaren und unverjährbaren Rechts (ZSR 1962 II S. 18/20), anderseits die unbeschränkte Anfechtbarkeit blosser Vollzugsakte (a.a.O. S. 97 98). BONNARD dagegen ist der Auffassung, dass es sich nicht rechtfertige, für Beschwerden wegen Verletzung der heute allein noch als unverzichtbares und unverjährbares Recht geltenden Niederlassungsfreiheit eine Ausnahme zu machen vom Grundsatz, wonach die Beschwerde gegen blosse Vollzugs- und Bestätigungsakte unzulässig ist (a.a.O. S. 452/54). Es besteht indes kein Anlass, von der bisherigen Rechtsprechung nach der einen oder andern Richtung abzugehen.
Die Befristung der staatsrechtlichen Beschwerde wurde vom Gesetzgeber zur Verhinderung trölerischer Anfechtungen eingeführt und erscheint im Interesse der Rechtssicherheit als geboten (vgl. GIACOMETTI a.a.O. S. 188/89). Diese Gesichtspunkte führen dazu, die Beschwerde gegen Vollzugsakte grundsätzlich nur insoweit, als diese selbständig ein verfassungsmässiges Recht verletzen, nicht aber wegen Verfassungswidrigkeit der ihnen zugrunde liegenden Verfügung zuzulassen. Könnte die Verfassungsmässigkeit einer Verfügung im Anschluss an jeden Vollzugsakt, die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe also noch bei der zu ihrem Vollzug angeordneten Verhaftung, die Steuerveranlagung noch bei der Zustellung der Steuerrechnung oder bei der Eintreibung der Steuer, mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden, so wäre nicht nur die Beschwerdefrist des
Art. 89 OG
, sondern auch die den Zivil- und Strafurteilen sowie gewissen öffentlich-rechtlichen Entscheidungen wie z.B. den Steuerveranlagungen (
BGE 81 I 7
) zukommende formelle und materielle Rechtskraft weitgehend illusorisch und die Rechtssicherheit stark beeinträchtigt. Daran dass gegen Vollzugs- und Bestätigungsakte nicht wegen Verfassungswidrigkeit der ihnen
BGE 88 I 260 S. 267
zugrunde liegenden Verfügungen Beschwerde erhoben werden kann, ist daher grundsätzlich festzuhalten. Die hiefür massgebenden Überlegungen würden es, streng genommen, verbieten, von diesem Grundsatz eine Ausnahme zu machen für Beschwerden wegen Verletzung sog. unverzichtbarer und unverjährbarer Rechte, zumal das OG diesen Rechten weder in Art. 89 noch sonst eine Sonderstellung einräumt, ja den Begriff derselben gar nicht kennt. Wie jedoch ein Verwaltungsakt von der Behörde zurückgenommen oder abgeändert werden darf, wenn keine ausdrückliche Gesetzesvorschrift entgegensteht und das Postulat der richtigen Durchführung des objektiven Rechts den Vorrang vor den Anforderungen der Rechtssicherheit verdient (
BGE 84 I 11
Erw. 4 und dort zitierte frühere Urteile,
BGE 86 I 173
), so rechtfertigt es sich, die im OG nicht ausdrücklich geregelte Anfechtbarkeit von Vollzugsakten dann zu erweitern, wenn das Interesse am Schutz des in Frage stehenden verfassungsmässigen Rechtes weit schwerer wiegt als dasjenige an der dem
Art. 89 OG
zugrunde liegenden Rechtssicherheit (BURCKHARDT, Die Befristung des staatsrechtlichen Rekurses, ZBJV 1926 S. 49 ff., insb. 64/65; GIACOMETTI a.a.O. S. 83). Das trifft zu bei denjenigen Rechten, die, wie in
BGE 28 I 129
Erw. 4 ausgeführt ist, ebensosehr um der öffentlichen Ordnung willen wie zum Schutze des Einzelnen verfassungsmässig gewährleistet sind. Zu diesen Rechten aber gehört nicht nur, wie BONNARD (a.a.O. S. 452) und offenbar auch MARTI (a.a.O. S. 19) annehmen, die Niederlassungsfreiheit, für welche dies auch in neuern Entscheiden wieder festgestellt worden ist, sondern zählen weiterhin auch andere, dem Einzelnen um seiner Persönlichkeit willen zustehende fundamentale Rechte wie die Glaubens- und Gewissensfreiheit, die persönliche Freiheit, die Ehefreiheit, das Verbot des Schuldverhaftes und der körperlichen Strafen usw. (
BGE 28 I 129
; GIACOMETTI a.a.O. S. 82).
Vorliegend stellt sich somit zunächst die Frage, ob der angefochtene Entscheid, wie in der Beschwerdeantwort
BGE 88 I 260 S. 268
eingewendet wird, lediglich dem Vollzug früherer Verfügungen dient und nur wegen Verfassungswidrigkeit dieser Verfügungen beanstandet wird. Ist dies der Fall, so kann auf die Beschwerde nur eingetreten werden, wenn und soweit damit die Verletzung eines unverzichtbaren und unverjährbaren verfassungsmässigen Rechtes geltend gemacht wird.
2.
Die Beschwerdeführerin bezeichnet die Verfügungen des Regierungsrates vom 6. und 13. November 1961 als "Zwischenentscheide" und behauptet, sie sei erst durch die Verfügung vom 30. Juli 1962 "konkret und aktuell" betroffen worden. Wieso es sich um blosse Zwischenentscheide handeln soll, wird indes nicht näher darzutun versucht und ist unerfindlich. Weder die Dispositive noch die Begründungen jener Verfügungen enthalten Anhaltspunkte dafür, dass sie bloss vorläufige Massnahmen darstellen und der endgültige Entscheid über die der Beschwerdeführerin damit auferlegten Pflichten in einem späteren Zeitpunkt erfolgen werde. Daran ändert nichts, dass die Verfügungen nur für eine beschränkte Zeit, bis zur bevorstehenden Übernahme der Energieverteilung in Engelberg durch das EWO, gelten und den Erlass einer (weiteren) Verfügung über die vorläufige Weiterführung der Energieverteilung durch die Beschwerdeführerin vorbehalten. Ihr Charakter als Zwischenentscheide wäre übrigens bedeutungslos, da die Anfechtbarkeit eines Vollzugsakts nicht davon abhängt, ob ihm ein End- oder Zwischenentscheid zugrunde liegt. Entscheidend ist vielmehr, ob die Verfügung vom 30. Juli 1962, gegen die sich die Beschwerde richtet, eine blosse Vollzugsverfügung zu den Verfügungen vom 6. und 13. November 1961 darstellt und von der Beschwerdeführerin nur wegen Verfassungswidrigkeit dieser früheren Verfügungen angefochten wird.
Durch die Verfügung vom 30. Juli 1962 wird der Beschwerdeführerin unter Androhung der Bestrafung nach
Art. 292 StGB
verboten, die Anlagen ihres Verteilnetzes in einem näher bezeichneten Teil der Gemeinde Engelberg
BGE 88 I 260 S. 269
über den derzeitigen Stand hinaus zu erweitern und irgendwelche Massnahmen zum Anschluss eines im Bau befindlichen Gebäudes an ihr Verteilnetz zu treffen (Ziff. 1-3); ferner wird das EWO ermächtigt und beauftragt, die Ausführung von Arbeiten, die der Beschwerdeführerin nach dieser oder einer früheren Verfügung verboten sind, zu verhindern, nötigenfalls mit polizeilicher Hilfe (Ziff. 4). Die Verfügung vom 30. Juli 1962 ist nicht etwa auf ein Gesuch der Beschwerdeführerin um Wiedererwägung der früheren Verfügungen hin erlassen worden, sondern weilsie Anstalten zur Erweiterung ihres Verteilnetzes durch Anschluss zweier Gebäude an dieses getroffen hatte. Nicht nur dieser Anlass, sondern auch der Inhalt der Verfügung vom 30. Juli 1962 zeigt, dass sie lediglich zum Vollzug der früheren Verfügungen erlassen wurde. Die Unterlassungspflichten, die sie der Beschwerdeführerin auferlegt, ergaben sich schon aus den an sie gerichteten Verfügungen vom 6. und 13. November 1961. Mit diesen hat der Regierungsrat die Erweiterung der Verteilanlagen der Beschwerdeführerin zwar nicht schlechthin verboten, sondern nur von der vorgängigen Bewilligung des EWO abhängig gemacht und ihr die Einstellung der Belieferung mit elektrischer Energie erst vom Zeitpunkt der Lieferungsbereitschaft des EWO an befohlen. Über diese Einschränkungen ist die angefochtene Verfügung indes nicht hinausgegangen. Das EWO hat der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 23. März 1962 mitgeteilt, dass es ihr die Bewilligung, irgendwelche Verteilanlagen auf den Grundstücken der beiden Appartementhäuser zu erstellen, verweigern und die Belieferung dieser Häuser selber übernehmen werde. Durch die Verfügung vom 30. Juli 1962, die auf diese Mitteilung Bezug nimmt, wurden somit die der Beschwerdeführerin bereits in den früheren Verfügungen für das ganze Gemeindegebiet in unmissverständlicher Weise auferlegten Unterlassungspflichten lediglich für einen Teil des Gebietes wiederholt und präzisiert. Dass die Verfügung vom 6. November 1961 noch keine Strafandrohung enthielt und nur das EWO ermächtigte,
BGE 88 I 260 S. 270
die Einstellung unzulässiger Erweiterungsarbeiten anzuordnen, ist bedeutungslos, da auch die Strafandrohung dem Vollzug dient und weil überdies die blosse Androhung einer Strafverfolgung nach
Art. 292 StGB
den Betroffenen in seiner Rechtsstellung nicht beeinträchtigt und daher keine mit staatsrechtlicher Beschwerde anfechtbare Verfügung darstellt (BIRCHMEIER, Handbuch des OG S. 317; nicht veröffentl. Urteile vom 5. Oktober 1942 i.S. Zimmerli und vom 30. Januar 1957 i.S. Wuthier AG). Da die von der Beschwerdeführerin geplante Erweiterung des Verteilnetzes durch Anschluss zweier Appartementhäuser ihr ohne jeden Zweifel schon nach der Verfügung vom 6. November 1961 ohne Bewilligung des EWO nicht mehr gestattet ist, würde ihr die Aufhebung der Verfügung vom 30. Juli 1962 auch nichts helfen. Die Beschwerde richtet sich somit gegen einen blossen Vollzugs- und Bestätigungsakt. Sodann ficht sie diesen nicht wegen einer selbständigen Verfassungsverletzung an, sondern macht geltend, das Gesetz vom 13. Mai 1956 und die gestützt auf dieses erlassenen, die Übernahme der Energieverteilung in Engelberg durch das EWO vorbereitenden Verfügungen vom 6. und 13. November 1961 seien verfassungswidrig. Da diese Verfügungen unangefochten geblieben und damit endgültig und vollstreckbar geworden sind, ist daher die vorliegende, im Anschluss an einen Vollzugsakt erhobene Beschwerde nach dem in Erw. 1 Gesagten nur zulässig, wenn und soweit mit ihr die Verletzung eines unverzichtbaren und unverjährbaren Rechtes gerügt wird.
3.
Die Beschwerdeführerin beruft sich auf die Art. 4, 5, 31 und 64 BV, 2 Üb. Best. der BV, 5, 6, 7 und 10 KV sowie auf die Gemeindeautonomie.
Die in
Art. 5 BV
ausgesprochene Garantie der verfassungsmässigen Rechte des Bürgers hat keine selbständige Bedeutung, sondern erhält ihren Inhalt erst durch diejenigen Bestimmungen der Bundes- oder Kantonsverfassung, die ein verfassungsmässiges Recht gewährleisten (
BGE 49 I 236
).
Art. 64 BV
gewährleistet kein solches
BGE 88 I 260 S. 271
Recht (
BGE 81 I 191
/92 mit Verweisungen,) ebensowenig Art. 10 KV. Zur Beschwerde wegen Verletzung der Gemeindeautonomie ist grundsätzlich nur die Gemeinde selber legitimiert, nicht auch der einzelne stimmberechtigte Gemeindebürger (
BGE 72 I 24
) und noch weniger eine Aktiengesellschaft, der als juristischer Person kein Stimmrecht zukommt. Die Rechtsgleichheit (
Art. 4 BV
), die Handels- und Gewerbefreiheit (
Art. 31 BV
, neben welchem Art. 5 KV keine selbständige Bedeutung hat), die derogatorische Kraft des Bundesrechts (Art. 2 Üb. Best. der BV) und die Eigentumsfreiheit (Art. 7 KV) gehören nicht zu denjenigen verfassungsmässigen Rechten, die als unverzichtbar und unverjährbar noch im Anschluss an blosse Vollzugs- und Bestätigungsakte angerufen werden können. Ein solches Recht stellt einzig die persönliche Freiheit dar, die zwar durch die BV nicht ausdrücklich, dagegen durch den von der Beschwerdeführerin angerufenen Art. 6 der Obwaldner KV und durch alle anderen Kantonsverfassungen gewährleistet wird.
Inwiefern diese Freiheit durch den angefochtenen Entscheid (oder durch die früheren Verfügungen) verletzt sein soll, wird indes in der Beschwerdeschrift nicht näher dargetan, so dass auf diese Rüge schon wegen Fehlens der nach
Art. 90 lit. b OG
erforderlichen Begründung nicht eingetreten werden kann. Das Eintreten darauf muss zudem noch aus einem weiteren Grunde abgelehnt werden. Nach dem Zusammenhang zu schliessen, in dem sich die Beschwerdeführerin auf die persönliche Freiheit beruft, scheint sie deren Verletzung darin zu erblicken, dass es ihr verwehrt werde, mit privaten Grundeigentümern und Unternehmern Abreden über die Erweiterung ihrer Energieverteilanlagen zu treffen. Vor Beschränkungen der privaten gewerblichen Tätigkeit und der Vertragsfreiheit schützen indes die
Art. 31 BV
und 2 Üb. Best. der BV. Die persönliche Freiheit, wie sie in Art. 6 der Obwaldner KV und den entsprechenden Bestimmungen der übrigen Kantonsverfassungen gewährleistet wird, ist nach übereinstimmender Rechtsprechung
BGE 88 I 260 S. 272
und Lehre die körperliche Freiheit. Daraus, dass Art. 6 KV die Gesetzgebung über das Strafrechtsverfahren vorbehält und einen Entschädigungsanspruch für ungesetzliche Haft gewährt, geht hervor, dass sich die persönliche Freiheit in erster Linie gegen ungesetzliche Verhaftung und Einsperrung richtet. Darüber hinaus gewährleistet sie die körperliche Freiheit in umfassender Weise, nämlich die freie Bewegung im Raum und die körperliche Unversehrtheit (
BGE 82 I 238
; GIACOMETTI, Staatsrecht der Kantone S. 159/60, SPOENDLIN, Die verfassungsmässige Garantie der persönlichen Freiheit S. 35 ff., BRÜHWILER, Freiheitsrechte der Kantonsverfassungen S. 74). Die persönliche Freiheit in diesem Sinne ist zwar die Voraussetzung der Ausübung aller andern Freiheitsrechte und deswegen besonders wichtig, schützt aber nicht gegen Beschränkungen anderer Rechte wie z.B. der Niederlassungsfreiheit, der Handels- und Gewerbefreiheit oder des Eigentums, sondern nur gegen Eingriffe in die körperliche Freiheit. Sie steht daher als eigentliches Menschenrecht nur den natürlichen nicht auch den juristischen Personen zu (SPOENDLIN a.a. O. S. 87), weshalb die Beschwerdeführerin als Aktiengesellschaft nicht legitimiert ist, sich auf sie zu berufen. Nicht anders würde es sich übrigens verhalten, wenn man annehmen wollte, dass die persönliche Freiheit nicht bloss die körperliche Freiheit, sondern auch die freie Ausübung gewisser anderer, der Person zustehenden Rechte schütze (vgl.
BGE 50 I 163
/64), da die freie wirtschaftliche Betätigung einer Handelsgesellschaft auch dann nicht darunter fallen würde.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.