Urteilskopf
95 I 398
58. Auszug aus dem Urteil vom 23. Mai 1969 i.S. X. gegen Schweizerische Eidgenossenschaft.
Regeste
Grundzulage zur Besoldung (Art. 55 BO III).
Einer der Beamtenordnung III unterstehenden ledigen Beamtin ist während der Zeit, da sie mit eigenen Kindern im Ausland im gemeinsamen Haushalt lebt und solange für diese ein Anspruch auf Kinderzulagen besteht, eine Grundzulage auszurichten, die derjenigen für Verheiratete entspricht.
Aus dem Tatbestand:
A.-
Art. 42 des BG vom 30. Juni 1927 über das Dienstverhältnis der Bundesbeamten (BtG) sieht vor, dass den im Ausland beschäftigten Beamten besondere Auslandzulagen ausgerichtet werden, wobei deren Ordnung dem Bundesrat übertragen wird. Was das Personal des Eidgenössischen Politischen Departements (EPD) betrifft, so findet sich die bezügliche Regelung in den Art. 54 ff. der Verordnung des Bundesrates vom 29. Dezember 1964 über das Dienstverhältnis der Beamten des Politischen Departements (Beamtenordnung III=BO III, AS 1965, 157 ff.). Laut Art. 54 Abs 1 dieses Erlasses besteht die Auslandzulage aus einer Grundzulage, sowie aus ergänzenden Zulagen und Vergütungen. Art. 55 der BO III bestimmt über die Grundzulage:
"Dem Beamten wird zur Deckung des mit dem Aufenthalt im Ausland verbundenen besonderen Aufwandes eine Grundzulage ausgerichtet.
Die Dienstorte werden nach den Schwierigkeiten, Erfordernissen oder Unzulänglichkeiten der örtlichen Lebensbedingungen und nach ihrer Entfernung in Grundzulagezonen eingereiht. Die Zulage richtet sich nach der Zone und in der Regel nach der Besoldungsklasse und dem Zivilstand des Beamten; die dem Beamten gewährte Steuerfreiheit wird berücksichtigt. Die Zulage kann gekürzt oder entzogen werden, wenn der Beamte der allgemeinen Dienste vor seiner Indienstnahme am Dienstort Wohnsitz hatte.
Für jedes Kind, für das Anspruch auf Kinderzulage besteht, erhält der Beamte einen Zuschlag zur Grundzulage, der sich nach dem Alter des Kindes und nach der Zone richtet. Der Zuschlag wird um die Hälfte gekürzt, wenn der Beamte nur Anspruch auf die halbe Kinderzulage hat; er wird entzogen, wenn für das Kind Anspruch auf eine Vergütung für Schulungskosten in der Schweiz besteht, wenn das minderjährige Kind nicht der Obhut des Beamten anvertraut ist oder wenn es seiner Obhut im Zeitpunkt der Volljährigkeit nicht anvertraut war.
Das Departement bestimmt im Einvernehmen mit dem Finanz- und Zolldepartement die Grundzulagezonen, die Einreihung der Dienstorte, sowie die Beträge der Zulagen und der Zuschläge für Kinder."
Das EPD hat die Bezüge seines Personals am 22. Dezember 1965 durch das Vollzugsreglement IV zur BO III (VR IV) näher geordnet. Dieses Reglement ist nicht veröffentlicht worden. Es enthält in bezug auf die Auslandszulagen u.a. folgende Vorschriften:
Art. 3 Abs. 1:
"Der Beamte erhält unter Vorbehalt von Artikel 7, Absatz 1 der Beamtenordnung III die seiner Besoldungsklasse, der Zone seines Dienstortes und seinem Zivilstand entsprechende Grundzulage."
Art. 4 Abs. 2 und 3:
"Der verwitwete oder geschiedene Beamte erhält die Zulage für Verheiratete, wenn er im eigenen Haushalt Kinder hat, für die ein Anspruch auf Kinderzulage besteht. Ist diese Bedingung nicht mehr erfüllt, so erhält er die Zulage für Verheiratete bis zu seiner Versetzung, aber längstens während sechs Monaten, vom Ende des Monats an gerechnet, an dem die Bedingung weggefallen ist."
"Einen Haushalt führt derjenige Beamte, der eigenen Herd und eigenes Licht hat."
B.-
Die Klägerin X., geboren am 6. Januar 1921, steht seit dem 15. Januar 1941 im Bundesdienst. Sie bekleidet den Rang eines Vizekonsuls. Im Oktober 1962 wurde sie der schweizerischen Botschaft in R. als Kanzleichef zugeteilt. Seit dem 16. Januar 1967 steht sie der Kanzlei der schweizerischen Mission in B. vor. - Frau X. ist Mutter von Zwillingen, zweier Knaben, welche am 29. März 1954 in Bern geboren und vier Monate später von ihrem Vater, dem spanischen Arzt Dr. A., mit Standesfolge anerkannt worden sind. Aus diesem Grunde tragen sie den Familiennamen A.; sie sind aber, wie ihre Mutter, Bürger der schweizerischen Gemeinde S.
Vom Oktober 1962 bis zum 1. Januar 1966, dem Datum des Inkrafttretens des VR IV vom 22. Dezember 1965, erhielt die Klägerin eine Auslandzulage, welche derjenigen für verheiratete bzw. verwitwete und geschiedene Beamte entsprach. Am 24. März 1966 eröffnete ihr die Abteilung für Verwaltungsangelegenheiten des EPD, dass ihr nach der neuen Regelung nurmehr die Grundzulage für ledige Beamte ausbezahlt werden könne. Frau X. stellte ein Gesuch um Wiedererwägung. Sie
BGE 95 I 398 S. 401
wies darauf hin, dass sie zusammen mit ihren beiden minderjährigen Kindern nach wie vor im eigenen gemeinsamen Haushalt lebe. Die Abteilung für Verwaltungsangelegenheiten des EPD teilte der Klägerin hierauf mit, dass ihr die Grundzulage für Verheiratete ausgerichtet werde, solange sie einen eigenen Haushalt führe und die beiden Kinder nicht anderweitig unterbringe.
In B. bezog die Klägerin zunächst wiederum bloss die Grundzulage für Ledige, weil sie ihre beiden Knaben im August 1966 in einem Internat in der Ostschweiz untergebracht hatte. Bereits im Februar 1967 musste die Klägerin jedoch einen der beiden Söhne zu sich kommen lassen, weil sich Angewöhnungsschwierigkeiten eingestellt hatten. Sie ersuchte deshalb die zuständige Behörde neuerdings, ihr die Grundzulage für Verheiratete auszurichten, was indessen am 4. April 1967 abgelehnt wurde. Ein Wiedererwägungsgesuch, welches von der Abteilung für Verwaltungsangelegenheiten des EPD unterstützt worden war, wies das Eidg. Personalamt am 20. Juli 1967 ab. Zur Begründung wurde vor allem auf den Wortlaut von Art. 4 Abs. 2 VR IV verwiesen und ausgeführt, diese Bestimmung sei im vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil die Klägerin weder verwitwet noch geschieden sei. Hierauf gelangte Frau X. an das Eidg. Finanz- und Zolldepartement (EFZD), welches indessen den Standpunkt des Eidg. Personalamts schützte und am 19. Januar 1968 einen entsprechenden Entscheid im Sinne von Art. 99 Abs. 1 BO III fällte.
C.-
Mit Klage vom 16. August 1968 beantragt Frau X., die Eidgenossenschaft sei zu verurteilen, ihr eine dem Ansatz für verheiratete Beamte entsprechende Grundzulage zur Besoldung (Art. 55 BO III und Art. 3 VR IV) auszurichten, solange eines oder beide Kinder im eigenen Haushalt mit ihr lebten; überdies sei ihr die Differenz zwischen der bisher zu Unrecht gekürzten und der ihr tatsächlich zustehenden Zulage mit Verzugszins nachzuzahlen.
Zur Begründung macht die Klägerin folgendes geltend: Nach Art. 4 Abs. 2 des VR IV erhalte der verwitwete oder geschiedene Beamte die Zulage für Verheiratete, wenn er im eigenen Haushalt Kinder habe, für die ein Anspruch auf Kinderzulage bestehe. Der Fall der ledigen Mutter mit Kindern im eigenen Haushalt sei nicht geordnet. Art. 55 Abs. 2 der BO III, auf welche sich das VR IV stütze, führe indessen aus, dass sich die
BGE 95 I 398 S. 402
Zulage "in der Regel" nach der Besoldungsklasse und nach dem Zivilstand des Beamten richte. Zweck dieser Bestimmung sei es, ein Abgehen vom massgeblichen Kriterium des Zivilstandes ausdrücklich zu gestatten, wenn besondere Umstände es rechtfertigen. Dies treffe insbesondere für den Fall der ledigen Mutter zu. Ihre tatsächliche Stellung als Familienhaupt und ihre sozialen und familiären Pflichten rechtfertigten eine Gleichstellung mit den verwitweten oder geschiedenen Beamtinnen. Dass Art. 4 Abs. 2 des VR IV die Formulierung von Art. 55 Abs. 2 der BO III nicht wiederhole, sei unbeachtlich. Das Vollzugsreglement sei vom EPD erlassen worden, welches im vorliegenden Fall wiederholt selbst die Auffassung vertreten habe, die erwähnte Gleichstellung durch analoge Anwendung von Art. 4 Abs. 2 des VR IV sei im Rahmen von Art. 55 Abs. 2 der BO III ohne weiteres möglich.
D.-
Im Namen der Beklagten schliesst der Rechtsdienst der Eidgenössischen Finanzverwaltung auf kostenfällige Abweisung der Klage.
Nach konstanter Praxis zu
Art. 37 BtG
bezögen zahlreiche ledige Beamtinnen, welche in der Schweiz mit eigenen Kindern einen gemeinsamen Haushalt führten, bloss den Ortszuschlag für Ledige. Das Personal des EPD müsse ebenso behandelt werden. Würde die ledige Beamtin des EPD, die im Ausland mit Kindern einen eigenen Haushalt führt, dem verheirateten Beamten gleichgestellt, so käme es dadurch zu einer rechtsungleichen Behandlung gegenüber den ledigen Bediensteten mit Kindern und Haushalt im Ausland, die nicht zum Personal des EPD zählen, und besonders gegenüber den zahlreichen ledigen Beamtinnen mit Kindern und eigenem Haushalt in der Schweiz. Der Wortlaut von Art. 55 Abs. 2 BO III vermöge eine Gleichstellung von Ledigen und Verheirateten nicht zu rechtfertigen. Die gesetzes- und verfassungskonforme Auslegung dieser Bestimmung führe zwangsläufig dazu, die von der Klägerin verlangte Gleichstellung mit einer Verheirateten abzulehnen.
Das Bundesgericht heisst die Klage gut.
Aus den Erwägungen:
3.
In
Art. 42 Abs. 1 BtG
wird bestimmt, dass dem Beamten schweizerischer Nationalität, der im Ausland wohnen muss, neben der Besoldung eine Auslandszulage ausgerichtet werden
BGE 95 I 398 S. 403
kann, wenn die Verhältnisse dies rechtfertigen. Diese Zulage entspricht dem Ortszuschlag der in der Schweiz wohnenden Beamten, von dessen Genuss die in
Art. 42 Abs. 1 BtG
genannten Bediensteten ausgeschlossen sind. Sie soll gewisse mit dem Aufenthalt im Ausland verbundene Nachteile und Unannehmlichkeiten abgelten (vgl. Botschaft des Bundesrats betreffend das BG über das Dienstverhältnis der Bundesbeamten vom 18. Juli 1924, BBl 1924 III S. 157; StenB Ständerat 1925, S. 146).
Der Ortszuschlag, welcher in
Art. 37 BtG
geregelt ist, stellt eine nach der Höhe der Kosten der Lebenshaltung und Steuern am Wohnort, soweit diese Faktoren das Landesmittel erreichen oder übersteigen, nach der Grösse des Dienstortes sowie nach dem Zivilstand des Beamten abgestufte Zulage zur Besoldung dar (
Art. 37 Abs. 1 BtG
). In den Beratungen des Beamtengesetzes in der Bundesversammlung war umstritten, ob der Ortszuschlag für Verheiratete höher sein sollte als derjenige für Ledige (vgl. StenB Nationalrat 1926, S. 635; StenB Ständerat 1925, S. 143 ff.). Der Antrag auf Gleichbehandlung der verheirateten und ledigen Beamten drang indessen nicht durch. Der Gesetzgeber hielt es vielmehr für angezeigt, noch weiter abzustufen und den Verheirateten die Verwitweten und Geschiedenen gleichzustellen, sofern diese einen eigenen Haushalt führen (Art. 37 Abs. 8 des BtG vom 30. Juni 1927, BS I S. 501; Art. 37 Abs. 8 des BtG in der Fassung des BG vom 3. Oktober 1958; Art. 37 Abs. 1 letzter Satz des BtG in der Fassung des BG vom 23. Juni 1964; vgl. dazu auch die bezügliche bundesrätliche Botschaft vom 23. Januar 1964, BBl 1964 I S. 125 ff.). In den Beamtenordnungen (V betr. das Dienstverhältnis der Beamten der allgemeinen Bundesverwaltung [BO I] in der Fassung des BRB vom 23. Juni 1964, Art. 41 Abs. 5; V betr. das Dienstverhältnis der Beamten der SBB [BO II] in der Fassung des BRB vom 23. Juni 1964, Art. 36 Abs. 5; BO III, Art. 53 Abs. 5) wird die Voraussetzung dieser Gleichstellung, das Führen eines eigenen Haushalts, definiert. Verlangt wird, dass der betreffende Beamte "eigenen Herd und eigenes Licht führt". Die gleiche Regelung findet sich in Art. 49 Abs. 7 der AO (V über das Dienstverhältnis der Angestellten der allgemeinen Bundesverwaltung in der Fassung des BRB vom 23. Juni 1964), wo die Gleichstellung der Verwitweten und Geschiedenen mit den Verheirateten ebenfalls erwähnt wird. Welcher Ortszuschlag der ledigen Beamtin zusteht, die mit ihren Kindern einen
BGE 95 I 398 S. 404
eigenen Haushalt führt, ist in den erwähnten Erlassen nicht ausdrücklich geregelt. Es fehlt insbesondere eine Bestimmung, die sie mit den Verheirateten gleichstellt, wie dies für die Verwitweten und Geschiedenen vorgesehen ist. Die Beklagte wendet deshalb in solchen Fällen den Ansatz für Ledige an.
Im vorliegenden Fall geht es indessen um die Auslandszulage. Diese erfüllt zwar - wie bereits erwähnt - den gleichen Zweck wie der Ortszuschlag. Der Bundesrat hat jedoch bereits in seiner Botschaft zum Beamtengesetz (BBl 1924 III S. 157) darauf hingewiesen, dass die Lebensbedingungen des im Ausland tätigen Personals mit den schweizerischen Verhältnissen sehr oft nicht übereinstimmen. Gerade die Kindererziehung bereitet oft Schwierigkeiten, weil die staatlichen Schulen häufig nicht benützbar sind. Die Kinder müssen deshalb in vielen Fällen in Privatschulen unterrichtet werden. Auch auf dem Wohnungsmarkt lassen sich oft erhebliche Unterschiede feststellen, welche ebenfalls vor allem denjenigen Beamten treffen, der eine Familie zu unterhalten hat. Wohl mit Rücksicht auf die von Land zu Land verschiedenen und nicht zum vorneherein überblickbaren Verhältnisse hat der Gesetzgeber in
Art. 42 BtG
nicht schlechtweg die für den Ortszuschlag aufgestellten Grundsätze (
Art. 37 Abs. 1 BtG
) für anwendbar erklärt, sondern den Bundesrat beauftragt, die Auslandszulage zu ordnen und dabei Kriterien aufzustellen, die seiner Ansicht nach geeignet sind, den Gegebenheiten des Einzelfalles gerecht zu werden. Der Bundesrat hat zwar in Erfüllung dieses Auftrags sowohl in Art. 42 Abs. 1 der BO I in der Fassung des BRB vom 23. Juni 1964 (Art. 42 Abs. 2 der ursprünglichen Fassung vom 10. November 1959) als auch in Art. 37 Abs. 1 der BO II in der Fassung des BRB vom 23. Juni 1964 (Art. 37 Abs. 2 der ursprünglichen Fassung vom 10. November 1959, AS 1959 S. 1161) auf die Vorschriften über den Ortszuschlag verwiesen. Auch in der BO III hat er den Zivilstand neben der Besoldungsklasse zum grundsätzlich massgebenden Kriterium erhoben und sich damit an die Regelung des Ortszuschlags angelehnt. Mit der Formulierung von Art. 55 Abs. 2 BO III hat der Bundesrat jedoch von dem ihm vom Gesetzgeber eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht und bestimmt, dass für die Festsetzung der Auslandszulage der Beamten des EPD bei Vorliegen besonderer Verhältnisse auf andere, dem Einzelfall besser gerecht werdende Kriterien abgestellt werden darf ("Die Zulage richtet sich nach
BGE 95 I 398 S. 405
der Zone und in der Regel nach der Besoldungsklasse und dem Zivilstand des Beamten"). Der Grund für diese Formulierung mag nicht zuletzt darin gelegen haben, dass - wie aus den Akten ersichtlich ist - die mit der Redaktion der BO III betrauten Verwaltungsorgane und die dabei mitwirkenden Personalvertreter den Fall der Klägerin kannten und in diesem Zusammenhang erörterten.
Aus der Systematik der Zulagenordnung im Beamtengesetz, aus der Ermächtigungsnorm von
Art. 42 Abs. 2 BtG
sowie aus der Entstehungsgeschichte und Formulierung von Art. 55 Abs. 2 BO III ergibt sich, dass für die Bemessung der Grundzulage im Sinne der letztgenannten Bestimmung nicht unbedingt die gleichen Kriterien massgebend sind wie für den Ortszuschlag der in der Schweiz wohnenden Beamten und Angestellten. Art. 55 Abs. 2 BO III ermächtigt vielmehr die zuständige Behörde, auch einer ledigen Mutter die Grundzulage für Verheiratete auszurichten, wenn sie der BO III untersteht und wenn die tatsächlichen Verhältnisse diese Sonderbehandlung rechtfertigen. Die gegenteilige Auffassung der Beklagten findet keine Stütze im Gesetz.
4.
Art. 55 Abs. 2 BO III hält sich offensichtlich im Rahmen der in
Art. 42 Abs. 2 BtG
delegierten Kompetenz. Er ist deshalb für das Bundesgericht verbindlich (
Art. 113 Abs. 3 und
Art. 114bis Abs. 3 BV
;
BGE 84 I 144
,
BGE 85 I 177
,
BGE 88 I 280
E. 3, 308,
BGE 92 I 432
ff.). Anders verhält es sich mit dem VR IV des EPD zur BO III. Dieses Vollzugsreglement vermag als blosse Verwaltungsverordnung die Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts nicht einzuschränken. Art. 4 Abs. 2 VR IV wiederholt den unbestimmten Rechtsbegriff "in der Regel" nicht, dessen sich der Bundesrat in Art. 55 Abs. 2 BO III bedient hat; er bestimmt lediglich, dass der verwitwete oder geschiedene Beamte die Grundzulage für Verheiratete erhält, wenn er im eigenen Haushalt Kinder hat, für die ein Anspruch auf Kinderzulagen besteht. Nach dem Gesagten kommt indessen nichts darauf an, ob das EPD damit die beiden häufigsten der in Art. 55 Abs. 2 BO III generell zugelassenen Ausnahmen ausdrücklich erwähnen wollte oder ob es tatsächlich darauf bedacht war, die Handhabung der Grundzulagen mit derjenigen des Ortszuschlags doch noch in Einklang zu bringen. Letzteres erscheint allerdings angesichts der von ihm im vorliegenden Fall eingenommenen Haltung unwahrscheinlich.
Auslegung und Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe unterliegen der Kontrolle des Bundesgerichts als einziger Instanz nach
Art. 110 OG
(
BGE 88 I 55
ff.; KIRCHHOFER, Verwaltungsrechtspflege beim Bundesgericht, S. 90). Das Bundesgericht prüft somit frei, ob im vorliegenden Fall besondere Verhältnisse vorliegen, welche es gestützt auf Art. 55 Abs. 2 BO III erlauben, die Klägerin in bezug auf die Grundzulage einer verheirateten Beamtin gleichzustellen und Art. 4 Abs. 2 VR IV analog auf sie anzuwenden.
5.
Verwitwete und geschiedene Beamte erhalten nach Art. 4 Abs. 2 VR IV die Grundzulage für Verheiratete, wenn sie im eigenen Haushalt Kinder haben, für die ein Anspruch auf Kinderzulagen besteht. Das EPD erblickt somit das entscheidende Kriterium für die Gewährung der höheren Grundzulage im grösseren Aufwand, der sich aus der Betreuung der leiblichen Kinder im eigenen Haushalt ergibt. Diese Ordnung verträgt sich sehr wohl mit dem Sinn und Zweck von Art. 55 Abs. 2 BO III. Das EPD tut in seinem Brief vom 3. Oktober 1967 an das EFZD überzeugend dar, dass der verwitwete oder geschiedene Beamte meistens Dienstpersonal einstellen muss, wenn er die Kinder im eigenen Haushalt betreuen will, und dass er als Haushaltungsvorstand die gleichen, wenn nicht sogar höhere finanzielle Verpflichtungen hat wie ein Verheirateter. Die Gleichstellung ist somit sachlich gerechtfertigt. Dies bestreitet auch die Beklagte nicht. - Ob der betreffende Beamte für die Kinder von einem Dritten Unterhaltsbeiträge erhält, ist unerheblich, wie die Beklagte mit Recht feststellt.
Die Klägerin lebt in Verhältnissen, die in tatsächlicher Hinsicht mit denjenigen eines verwitweten oder geschiedenen Beamten mit Kindern im eigenen Haushalt weitgehend übereinstimmen. Sie hat eigenen Herd und eigenes Licht (Art. 4 Abs. 3 VR IV), führt also in B. einen eigenen Haushalt und betreut darin einen der beiden Söhne, für die sie nach
Art. 43 Abs. 3 BtG
in Verbindung mit Art. 63 Abs. 1 BO III Anspruch auf Kinderzulagen hat. Aus den Akten geht hervor, dass sich ihre finanziellen Verpflichtungen, soweit sie sich auf den Haushalt und die Erziehung und Betreuung ihrer beiden Söhne beziehen, mit denjenigen eines verwitweten oder geschiedenen Beamten in ähnlichen Verhältnissen ohne weiteres vergleichen lassen. Es erscheint deshalb richtig, der Klägerin die gleiche Behandlung angedeihen zu lassen wie in den Jahren 1962 bis
BGE 95 I 398 S. 407
1966, als sie in R. tätig war und die Grundzulage für Verheiratete bezog; Art. 4 Abs. 2 VR IV kann gestützt auf Art.55 Abs. 2 BO III analog angewendet werden. Der Klägerin ist während der Zeit, da sie mit einem oder beiden Söhnen im Ausland im gemeinsamen Haushalt lebt und solange für diese ein Anspruch auf Kinderzulagen besteht, die Grundzulage für Verheiratete auszurichten. Die Klage ist demnach gutzuheissen.
6.
Die Beklagte befürchtet, dieses Ergebnis führe zu unerträglichen Rechtsungleichheiten, weil den in der Schweiz im Bundesdienst tätigen ledigen Müttern sowie den nicht der Beamtenordnung III unterstehenden im Ausland arbeitenden Beamtinnen in gleichen Verhältnissen nach der geltenden Rechtsordnung (
Art. 37 Abs. 1 BtG
) bloss der Ortszuschlag bzw. die Auslandszulage für Ledige zustehe. Man kann sich in der Tat fragen, ob eine Gleichstellung mit dem Verheirateten nicht auch in diesen Fällen sachlich gerechtfertigt wäre. Im modernen Steuerrecht ist der Mehrbelastung, welcher die ledige Mutter mit eigenem Haushalt ausgesetzt ist, bereits in diesem Sinne Rechnung getragen worden, indem in solchen Fällen kraft ausdrücklicher Vorschrift der Sozialabzug für Verheiratete zugestanden wird (vgl. z.B. Art. 39 Ziff. 1 BE-StG; § 31 Abs. 1 lit. b ZH-StG). Hinsichtlich des Ortszuschlags nach
Art. 37 Abs. 1 BtG
und der Auslandszulage nach Art. 42 Abs. 1 BO I und Art. 37 Abs. 1 BO II, wo auf die Ordnung des Ortszuschlags verwiesen wird, kann offen bleiben, ob sich diese Gleichstellung mittels einer analogen Anwendung des letzten Satzes von
Art. 37 Abs. 1 BtG
(Gleichbehandlung der Verheirateten, Verwitweten und Geschiedenen) erreichen liesse, oder ob dazu eine Gesetzesrevision notwendig wäre. Wie in Erw. 3 ausgeführt, ist
Art. 37 Abs. 1 BtG
im vorliegenden Fall nicht anwendbar, so dass sich die Frage nicht konkret stellt. Sollte sich hinsichtlich der Auslandszulage tatsächlich eine rechtsungleiche Behandlung der nicht der BO III unterstehenden ledigen Mütter mit eigenem Haushalt ergeben, so könnte der Bundesrat diesem Zustand auf Grund von
Art. 42 Abs. 2 BtG
jedenfalls ohne weiteres ein Ende bereiten. Was den Ortszuschlag anbelangt, so wurde im Zusammenhang mit dem Erlass des Beamtengesetzes in den Jahren 1925 und 1926 sowohl im Ständerat (Votum Moriaud, StenB Ständerat 1925 S. 145 ff.) als auch im Nationalrat (Votum Mercier, StenB Nationalrat 1926 S. 637 ff.) angeregt, dem Verheirateten den "soutien de famille ayant
BGE 95 I 398 S. 408
charge de ménage" gleichzustellen. Dabei dachte man allerdings mehr an den ledigen Beamten, der in seinem Haushalt seine Eltern oder Geschwister betreut. Beide Anträge unterlagen jedoch mit einem ungefähren Stimmenverhältnis von 2 zu 1, nachdem der Vertreter des Bundesrats, Bundespräsident Musy, sie unter Hinweis auf praktische Abgrenzungsschwierigkeiten zur Ablehnung empfohlen hatte (vgl. StenB a.a.O.). Seither haben sich die Verhältnisse gewandelt. Die Beklagte gibt selbst an, dass dem Bundespersonal zahlreiche ledige Beamtinnen angehören, welche mit ihren Kindern in der Schweiz einen eigenen Haushalt führen. Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass die Frage ihrer Gleichstellung mit Verheirateten in absehbarer Zeit neu aufgeworfen werden könnte. Im vorliegenden Fall gestattet es jedoch, wie aus den vorstehenden Erwägungen hervorgeht, die durch
Art. 42 BtG
gedeckte und in Art. 55 Abs. 2 BO III verankerte Sonderregelung für das Personal des EPD, die Klägerin in den Genuss der Grundzulage für Verheiratete kommen zu lassen, so dass sich das Bundesgericht nicht zu dieser Frage zu äussern braucht.