BGE 95 II 109 vom 4. Februar 1969

Datum: 4. Februar 1969

Artikelreferenzen:  Art. 2 ZGB, Art. 8 ZGB, Art. 559 ZGB, Art. 21 OR, Art. 164 OR, Art. 167 OR, Art. 966 OR , Art. 164 - 174 OR, Art. 63 Abs. 2 OG, Art. 167 Abs. 1 OR

BGE referenzen:  120 IB 97, 125 I 14 , 92 II 118, 84 II 112, 90 II 179, 84 II 363, 82 I 197, 94 II 41, 81 II 528, 83 II 173, 82 I 197, 94 II 41, 81 II 528, 83 II 173

Quelle: bger.ch

Urteilskopf

95 II 109


16. Urteil der I. Zivilabteilung vom 4. Februar 1969 i.S. Schweizerische Bankgesellschaft gegen Poljak.

Regeste

Internationales Privatrecht, Kauf, Abtretung.
Anwendbares Recht beim Kauf (Erw. 2 a).
Übervorteilung. Nichtigkeit des Vertrages wegen tatsächlicher Unmöglichkeit der Anfechtung; Frage offen gelassen (Erw. 2 b).
Abstrakter oder kausaler Charakter der Abtretung; Frage offen gelassen (Erw. 2 b).
Materielle Gültigkeit der Abtretung; anwendbares Recht (Erw. 3 a). Devisenrechtliches Abtretungsverbot. Verstoss gegen die schweizerische öffentliche Ordnung (Erw. 3 c).
Rechtsmissbräuchliche Geltendmachung einer Forderung, deren Erwerb dem Schuldner nicht innert der Verjährungsfrist angezeigt wird (Erw. 4).
Befreiende Wirkung einer Zahlung, die der Schuldner auf Grund eines ausländischen Erbscheines vornimmt (Erw. 5).

Sachverhalt ab Seite 110

BGE 95 II 109 S. 110

A.- Der jüdische Bankdirektor Leo Keppich besass seit 1927 bei der Schweizerischen Bankgesellschaft (SBG) ein Konto, das 1932 in ein Nummernkonto umgewandelt wurde. Die SBG bezahlte daraus die Prämien einer Lebensversicherung, die Keppich im Jahre 1928 mit der Basler-Lebensversicherungsgesellschaft abgeschlossen hatte, und nahm im Jahre 1947 die zur Zahlung fällig gewordene Versicherungssumme entgegen.
Im Juli 1948 gelangte Elemer Fogel, der Bruder der Ehefrau Keppichs, im Namen seiner Eltern Lajos und Matild Fogel-Fried, an die SBG und verlangte die Auszahlung des Kontos. Auf Grund beigebrachter Urkunden soll Keppich im Jahre 1943 in Auschwitz umgekommen, seine Ehefrau am 18. Juni 1944 in Bacsalmas gestorben und ihre Eltern die alleinigen Erben sein. Gestützt darauf zahlte die SBG das Guthaben Keppichs am 27. Oktober 1949 mit Fr. 33 481.-- und - nach ihrer Darstellung - am 23. November 1949 mit Fr. 15 057.-- an Fogel aus.
Im April 1958 teilte Dezsö Poljak der SBG mit, Keppich habe ihm das Guthaben in den Jahren 1943/44 abgetreten. Als die SBG erklärte, sie habe es bereits ausbezahlt, und weitere Verhandlungen erfolglos blieben, erstattete Poljak am 11. Februar 1959 Strafanzeige gegen Unbekannt.

B.- Am 19. September 1961 klagte Poljak gegen die SBG auf Zahlung von Fr. 33 481.-- nebst Zins zu 5% seit 27. Oktober 1949 und Fr. 15 507.-- nebst 5% Zins seit 23. November 1949.
BGE 95 II 109 S. 111
Das Bezirksgericht Zürich wies die Klage am 3. Dezember 1963 ab, weil die Beklagte in Unkenntnis der vom Kläger behaupteten Abtretung verpflichtet gewesen sei, das Guthaben an Elemer Fogel auszuzahlen.
Das Obergericht des Kantons Zürich hob am 15. Mai 1964 dieses Urteil auf und wies das Bezirksgericht an, die bestrittene Sachlegitimation des Klägers zu beurteilen. Das Bezirksgericht Zürich holte hierauf ein Gutachten ein über die Echtheit der Urkunden, auf die der Kläger seinen Anspruch stützte, und wies die Klage am 28. Juni 1966 erneut ab.
Das Obergericht verpflichtete am 25. Juni 1968 die Beklagte, dem Kläger Fr. 48 538.-- nebst 5% Zins seit 30. Dezember 1958 zu bezahlen.

C.- Die Beklagte beantragt mit der Berufung, das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen; eventuell sei die Klage im Umfange von Fr. 10 348.30 (einkassierte Versicherungssumme) abzuweisen; subeventuell sei die Sache zur Aktenergänzung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Erwägungen

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. In der "Vereinbarung" vom 18. Mai 1932 haben Keppich und die Beklagte ausdrücklich schweizerisches Recht als anwendbar erklärt. Da durch die Abtretung die Rechtslage der Beklagten als Schuldnerin nicht erschwert werden durfte (vgl. SCHÖNENBERGER/JÄGGI, Das Obligationenrecht - Einleitung, internationales Privatrecht - N. 379; VISCHER, Internationales Vertragsrecht, Bern 1962, S. 238), bindet die getroffene Rechtswahl auch den Kläger.

2. Die Beklagte bestreitet im Berufungsverfahren die Echtheit der Abtretungserklärungen nicht mehr. Sie hält aber am Einwand fest, die Abtretung sei wegen Ungültigkeit des Grundgeschäftes unwirksam.
a) Wie die Vorinstanz feststellt, liegt der Abtretung ein Kaufvertrag zu Grunde. Dieser untersteht nicht dem Recht des abzutretenden Anspruchs, sondern seinem eigenen Statut ( BGE 61 II 245 , BGE 62 II 110 , BGE 74 II 87 , BGE 78 II 392 , BGE 79 II 165 /66, 297/98).
Nach verbindlicher Feststellung der Vorinstanz wohnte Keppich im Zeitpunkt der Abtretung in Subotica, einer etwa 170 km südlich von Budapest gelegenen Stadt, die bis 1941 zu Jugoslawien und dann bis 1945 infolge völkerrechtlicher Annektion
BGE 95 II 109 S. 112
unter dem Namen Szabadka zu Ungarn gehörte und seither wieder jugoslawisch ist; dort fand auch die Zession statt. Der 1943/44 abgeschlossene Kaufvertrag unterstand daher dem ungarischen Recht. Dieses wurde allerdings im kantonalen Verfahren nicht nachgewiesen, weshalb die Vorinstanz ersatzweise schweizerisches Recht anwendete. Es ist daher in diesem Punkt auf die Berufung einzutreten ( BGE 92 II 118 ff.).
b) Die Beklagte hält in der Berufung daran fest, dass zwischen dem Wert der abgetretenen Forderung und dem dafür bezahlten Preis ein offenbares Missverhältnis bestanden habe. Sie ist der Auffassung, der Vertrag sei auf dem Wege der Lückenfüllung als nichtig zu erklären, weil weder Keppich noch seine Erben zur Anfechtung in der Lage gewesen seien.
Nach Art. 21 OR ist der Vertrag bei Übervorteilung einer Partei bloss anfechtbar (vgl. BGE 84 II 112 /13, BGE 90 II 179 ). Die Anfechtung steht nur dem "Verletzten", d.h. dem Vertragspartner zu. Die Beklagte nahm aber am Vertrag nicht teil und ist daher zur Anfechtung nicht legitimiert. Ob der Vertrag ausnahmsweise nichtig ist, wenn der Verletzte verhindert war, ihn rechtzeitig anzufechten, kann dahingestellt bleiben, weil es an den Voraussetzungen der Übervorteilung fehlt.
Die Übervorteilung setzt nach Art. 21 OR unter anderem ein offenbares Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung voraus. Das Obergericht stellt in dieser Beziehung fest, Keppich habe sein Guthaben zum amtlichen Wechselkurs von Fr. 1.- zu 1 pengö statt zum freien Kurs von Fr. 1.- zu 6,5 pengö verkauft. Es vertritt die Auffassung, dem Kläger habe die Zahlung des freien Kurses nicht zugemutet werden können, weil damals durchaus ungewiss gewesen sei, ob er dieses Guthaben in der Schweiz je werde einlösen können. Unter diesen Umständen kann von einem offenbaren Missverhältnis nicht die Rede sein.
Zudem stellt die Vorinstanz fest, die Beklagte habe die angebliche Übervorteilung nicht in einer für die Durchführung eines Beweisverfahrens tauglichen Art substanziert. Es ist somit nicht nachgewiesen, dass der Kläger bei Abschluss des Kaufvertrages die Notlage, Unerfahrenheit oder den Leichtsinn Keppichs gekannt, also die Möglichkeit der Übervorteilung bewusst zu seinen Gunsten ausgenützt hat. Unter diesen Umständen kann wie in BGE 84 II 363 /64 offen bleiben, ob die Abtretung einen gültigen Rechtsgrund voraussetzt.

3. Die Beklagte macht unter Berufung auf GULDENER
BGE 95 II 109 S. 113
(Zession, Legalzession und Subrogation im internationalen Privatrecht, Diss. Zürich 1929, S. 41 f. und 63 N. 3) geltend, die Gültigkeit der Abtretung beurteile sich grundsätzlich nach eigenem Recht, d.h. nach dem Recht des engsten räumlichen Zusammenhanges und unterstehe nur soweit dem Recht der abzutretenden Forderung, als es der Schutz des Schuldners gebiete. Im vorliegenden Fall liege der Schwerpunkt der Abtretung und des ihr zugrunde liegenden Kaufvertrages (Verpflichtungsgeschäftes) im ungarischen Rechtsraum. Die Abtretung sei nach dem massgebenden ungarischen Devisenrecht ungültig, weil die Verfügung über das Konto ohne Erlaubnis der ungarischen Nationalbank erfolgt sei.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes beurteilt sich die Gültigkeit der Abtretung nach dem Recht der zu übertragenden Forderung (vgl. BGE 23 I 143 , BGE 39 II 76 f., BGE 41 II 134 Erw. 1, BGE 61 II 245 , BGE 62 II 110 , BGE 74 II 87 , BGE 78 II 392 ). Auf dem gleichen Boden steht auch die herrschende Lehre (vgl. BECKER, N. 13 zu den Vorbemerkungen zu Art. 164 - 174 OR ; SCHÖNENBERGER/JÄGGI, a.a.O. N. 377; VISCHER, a.a.O. S. 238; SCHNITZER, Internationales Privatrecht II, 4. Aufl. 1958, S. 657; LEWALD, Das deutsche internationale Privatrecht, S. 274; KEGEL, Internationales Privatrecht, 2. Aufl. 1964, S. 247). Zu einer neuen Überprüfung der Frage besteht kein Anlass, weil die Vorinstanz auch hier ersatzweise schweizerisches Recht angewendet hat.
b) Die Vorinstanz stellt fest, die Beklagte habe das der Abtretung angeblich entgegenstehende ungarische Devisenrecht nicht nachgewiesen. Sie weist darauf hin, dass auf ein Schreiben, welches das Gericht in einer andern Frage des Prozesses an das Eidg. Politische Departement gerichtet habe, ein Bericht des Vertrauensanwaltes der schweizerischen Botschaft in Budapest eingetroffen sei, welcher unter anderem wie folgt laute:
"Als Ergebnis teile ich mit, dass im Sinne der vor dem Krieg gültigen Rechtsvorschriften die aus Subotica stammende Person jüdischer Abstammung die fraglichen Werte aller Wahrscheinlichkeit nach unter Hintergehung der ungarischen Rechtsvorschriften in die Schweiz brachte oder bringen liess, was eine verbotene Handlung war, die strafrechtliche Folgen hatte, ja sogar die Konfiszierung der ausgeführten Werte nach sich gezogen hätte. Der jugoslavische Flüchtling, der 1943-44 diese Vermögenswerte kaufte, hätte dieses Geschäft nur mit der Erlaubnis der Ungarischen Nationalbank abwickeln dürfen, mangels deren er auf dem Deliktwege in den Besitz der Werte gelangte."
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Dieser Bericht beruht nach Auffassung des Obergerichtes auf unrichtigen tatsächlichen Voraussetzungen, weil Keppich das Guthaben nicht unter Umgehung ungarischer Devisenbestimmungen in die Schweiz gebracht, sondern es in einer Zeit begründet habe, als Subotica unter jugoslawischer Herrschaft stand. Die Beklagte behaupte denn auch nicht, dass Keppich bei der Eröffnung des Kontos im Jahre 1927 jugoslawische Bestimmungen verletzt habe. Ob jene ungarischen Bestimmungen auch auf solche befugtermassen im Ausland begründete Guthaben anwendbar seien, gehe aus jener Auskunft nicht hervor. Die Frage könne aber offen gelassen werden.
Diese Feststellungen sind für das Bundesgericht verbindlich, wenn sie nicht unter Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften zustande gekommen sind oder offensichtlich auf Versehen beruhen ( Art. 63 Abs. 2 OG ).
Die Beklagte behauptet, die Vorinstanz habe den zweiten Absatz des Berichtes übergangen, in welchem der Vertrauensanwalt erkläre, der jugoslawische Flüchtling könne seines Erachtens den Anspruch nicht durchsetzen, wenn er nicht beweise, dass die ungarische Nationalbank sowohl die Zustimmung zur Einfuhr der fraglichen Vermögenswerte in die Schweiz als auch zu deren Übereignung erteilt habe. Das ändert aber an der Feststellung der Vorinstanz nichts. Von einem offensichtlichen Versehen, wie die Beklagte es anscheinend dartun will, kann somit keine Rede sein.
c) Die Vorinstanz hat die Anwendung des ungarischen Rechtes abgelehnt, weil es gegen die schweizerische öffentliche Ordnung verstosse.
Oeffentliches Recht gilt nach einem allgemein anerkannten Grundsatz des Völkerrechtes in der Regel nur in jenem Staat, der es erlassen hat (Territorialitätsprinzip). Es kann daher in der Schweiz nicht angewendet oder vollzogen werden, es wäre denn, die schweizerische Rechtsordnung selbst verlange das, insbesondere weil die Schweiz sich hiezu durch Staatsvertrag verpflichtet habe oder weil das ausländische öffentliche Recht das von ihr als anwendbar anerkannte Privatrecht unterstütze, z.B. in das Privatrecht oder in privatrechtliche Verhältnisse vorwiegend oder ausschliesslich zum Schutze privater Interessen eingreife (vgl. BGE 82 I 197 /98 und die dort erwähnten Entscheide).
Das Bundesgericht hat Eingriffe in die Gläubigerrechte durch
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die ausländische Gesetzgebung wegen Unvereinbarkeit mit der schweizerischen öffentlichen Ordnung wiederholt als unzulässig erklärt (vgl. z.B. BGE 62 II 110 , BGE 61 II 246 Erw. 3, wo wie im vorliegenden Fall die Gültigkeit einer Abtretung zu beurteilen war). Gegen die Anwendung der Vorbehaltsklausel erheben sich umso weniger Bedenken, als nach dem Bericht des Vertrauensanwaltes die angeblichen Devisenvorschriften offenbar nur Juden betrafen und damit einen ausgesprochen rassenfeindlichen Einschlag hatten.

4. Die Beklagte folgert aus dem Umstand, dass der Kläger seit der angeblich im Jahre 1946 erfolgten Anzeige der Abtretung während 12 Jahren mit der Geltendmachung des Anspruches zugewartet habe, dürfe ihr der gute Glaube nicht mehr abgesprochen werden und habe sie umso mehr auf die Berechtigung der durch die vorgelegte Bescheinigung ausgewiesenen Erben vertrauen dürfen. Durch das lange Zuwarten dürfe sich der Kläger nach Treu und Glauben ihr gegenüber überhaupt nicht auf mangelnde Sorgfalt berufen und sei ihm auch nicht mehr gestattet, seinen Anspruch geltend zu machen. Jedenfalls sei die Anzeige der Abtretung und die Legitimationsführung später als 10 Jahre nach dem Abtretungsakt nicht mehr zulässig; ansonst wäre - die abstrakte Natur der Abtretung vorausgesetzt - die Bereicherungsklage wegen der absoluten Verjährungsfrist von 10 Jahren nicht mehr durchsetzbar.
Das Obergericht stellt - beweiswürdigend - für das Bundesgericht verbindlich fest, der Kläger habe den Nachweis dafür, dass er der Beklagten die Abtretung angezeigt habe, nicht erbracht.
Die Abtretung ist jedoch auch gültig, wenn sie dem Schuldner nicht angezeigt wird. Unterbleibt die Mitteilung, so läuft der Zessionar nur Gefahr, dass sich der gutgläubige Schuldner durch Leistung an den früheren Gläubiger befreit ( Art. 167 Abs. 1 OR ). Auch wird die Forderung in ihrem Bestand nicht verändert, wenn die Mitteilung an den Schuldner unterbleibt. Der Anspruch unterliegt nach wie vor der gleichen Verjährungsfrist. Die Beklagte beruft sich nicht auf Verjährung, sondern auf Anspruchsverwirkung infolge Rechtsverzögerung.
Die Vorinstanz erklärt, die Beklagte habe die Einrede des Rechtsmissbrauchs zu spät erhoben. Das schadet der Beklagten nicht. Art. 2 ZGB ist in jeder Instanz von Amtes wegen zu beachten. Die Anwendung dieser Vorschrift setzt aber voraus,
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dass eine Partei im kantonalen Verfahren Sachumstände behauptet hat, die geeignet sind, den geltend gemachten Anspruch zu vernichten. Damit missbräuchliche Verzögerung in der Rechtsausübung angenommen werden darf, genügt der blosse Zeitablauf nicht, sondern müssen weitere Umstände hinzukommen. Das ist dann der Fall, wenn die Rechtsausübung mit der früheren Untätigkeit des Berechtigten in einem unvereinbaren Widerspruch steht oder wenn der Gläubiger mit der Geltendmachung des Anspruchs in der Absicht zuwartet, eine für den Schuldner nachteilige Beweisverdunkelung herbeizuführen (vgl. BGE 94 II 41 /42). Auf solche Umstände beruft sich die Beklagte jedoch nicht. Wie die Vorinstanz - im Zusammenhang mit der Frage nach der Echtheit der Abtretungsurkunden - ausführt, hätte die Nachkriegs-Devisengesetzgebung Jugoslawiens dem Kläger die freie Verwendung über sein Guthaben nicht gestattet und wäre es schon aus diesen Gründen für den Kläger schwierig gewesen, mit der Beklagten in Verbindung zu treten. Diese Tatsache ist gerichtsnotorisch. Die Behauptung der Beklagten, die Vorinstanz habe in Verletzung von Art. 8 ZGB auf eine unbewiesene Behauptung abgestellt, ist daher unbegründet.
Der Einwand der Beklagten, die Forderung hätte innert 10 Jahren seit der Abtretung geltend gemacht werden müssen, nützt nichts; er scheitert an der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz, dass die Unterlassung der Anzeige für die Auszahlung des Guthabens an Fogel nicht kausal war; denn die Beklagte befände sich in der gleichen Lage, wenn der Kläger auch nur einen Tag nach der im Jahre 1949 erfolgten Auszahlung des Guthabens - also innerhalb der von ihr behaupteten Verwirkungsfrist - seine Forderung gegen sie geltend gemacht hätte.
Da der Kläger das Zuwarten mit der Geltendmachung der Forderung zu rechtfertigen vermag, besteht für die ohnehin sonderbare Auffassung der Beklagten, er dürfe sich ihr gegenüber nicht auf mangelnde Sorgfalt berufen, kein Raum. Dasselbe gilt für die Ansicht der Beklagten, ihr dürfe der gute Glaube im Zusammenhang mit der Auszahlung des Guthabens überhaupt nicht abgesprochen werden. Im übrigen ist dieser Gesichtspunkt, wie noch dargetan wird, nicht entscheidend (vgl. Erw. 5).

5. Das Obergericht stellt verbindlich fest, Keppich sei
BGE 95 II 109 S. 117
nicht im Jahre 1943, sondern im Jahre 1944 gestorben und habe seine Ehefrau überlebt. Die Eltern der Ehefrau Keppichs, Lajos und Matild Fogel-Fried, fielen somit als gesetzliche Erben Keppichs ausser Betracht, weshalb die Beklagte durch Auszahlung des Kontos an Elemer Fogel nicht befreit worden sei.
a) Die Beklagte macht geltend, sie habe die auftragsrechtliche Ablieferungspflicht auf Grund der von Elemer Fogel vorgelegten Erbenbescheinigung erfüllt, da sie - rückblickend - die nach den konkreten Umständen von ihr zu erwartende Sorgfalt bei der Legitimationsprüfung der Ansprecher beachtet habe. Sie beruft sich hiefür auf JÄGGI, N. 52 und 60 zu Art. 966 OR .
b) Die Anerkennung eines ausländischen Erbscheines setzt voraus, dass er nach dem Recht des betreffenden Staates entweder eine endgültige oder entsprechend Art. 559 ZGB mindestens eine vorläufige Legitimationswirkung hat und von der zuständigen Behörde ausgestellt worden ist (vgl. ESCHER, N. 26 und TUOR/PICENONI, N. 27 zu Art. 559 ZGB ). Dabei ist mit GULDENER (Das internationale und interkantonale Zivilprozessrecht der Schweiz, S. 196 und 99) als genügend zu erachten, wenn die Zuständigkeit der Behörde des Staates feststeht, in welchem der Erbgang eröffnet werden durfte. Ausserdem ist erforderlich, dass der Schuldner auf Grund der nach den Umständen gebotenen Aufmerksamkeit nicht erkennen kann, dass die Urkunde materiell unrichtig oder ungenügend sei.
Die Beklagte hat die Auszahlung des Guthabens auf Grund einer Kopie des Nachlassprotokolls eines Budapester Notars vom 27. Juni 1949 sowie eines darauf bezugnehmenden Beschlusses des Zentral-Bezirksgerichtes Budapest vorgenommen, der nach dem Wortlaut mangels Anfechtung durch die Berechtigten als rechtskräftig gilt. Der Gerichtsbeschluss bestätigt den Inhalt des notariellen Protokolls und damit auch die darin enthaltene Feststellung, die Eheleute Fogel-Fried seien die gesetzlichen Erben Keppichs. Der Beschluss kann somit an sich als Legitimationsurkunde in Betracht fallen.
Die Vorinstanz stellt sodann auf Grund der unwiderlegten Behauptung des Klägers fest, dass nach ungarischem wie nach jugoslawischem Recht die Behörde am letzten Wohnsitz des Erblassers zur Ausstellung einer Erbenbescheinigung sachlich zuständig sei. Diese in Auslegung prozessualer Erklärungen getroffene Feststellung ist für das Bundesgericht verbindlich
BGE 95 II 109 S. 118
( BGE 81 II 528 Erw. 5, BGE 83 II 173 ). Ausserdem stellt das Obergericht fest, Keppich sei, solange die Beklagte mit ihm verkehrte, in Subotica wohnhaft gewesen. Diese Stadt gehörte, wie erwähnt (vgl. Erw. 2), im Jahre 1949 wieder zu Jugoslawien. Die ungarischen Behörden waren daher zur Ausstellung einer Erbenbescheinigung nicht zuständig.
Im Gegensatz zum deutschen Recht (§ 2366 und 2367 BGB) verurkundet der Erbschein im schweizerischen Recht keine endgültige Entscheidung über die Erbberechtigung (ESCHER, N. 8 und 9 a und TUOR/PICENONI, N. 23 zu Art. 559 ZGB ; TUOR/SCHNYDER, 8. Aufl. ZGB, S. 371). Umstritten ist daher, ob der gutgläubige Schuldner durch Leistung an die durch Erbenbescheinigung im Sinne von Art. 559 ZGB ausgewiesenen Erben befreit wird. InBGE 41 II 213wurde die Frage ohne nähere Begründung bejaht. In der Lehre sind die Auffassungen geteilt (zustimmend JÄGGI, N. 52 und 60 zu Art. 966 OR ; SOMMER, Die Erbbescheinigung nach schweizerischem Recht, Diss. Zürich 1941 S. 84 und 88; ablehnend ESCHER, N. 8 zu Art. 559 ZGB und VON TUHR/SIEGWART, OR II S. 459, vgl. aber auch S. 524 N. 76, wo die gegenteilige Auffassung vertreten wird). Die Frage kann indessen offen bleiben, weil die Auszahlung, wie erwähnt, auf Grund einer ausländischen Erbenbescheinigung erfolgt ist.
Im vorliegenden Fall kommt der Beklagten die Berufung auf JÄGGI (a.a.O.) schon deshalb nicht zustatten, weil dieser Autor das Vertrauen des Schuldners nur unter der Voraussetzung geschützt wissen will, dass die Erbenbescheinigung echt ist, d.h. von der (sachlich) zuständigen Behörde stammt. JÄGGI erklärt denn auch ausdrücklich, dass der Schuldner die Gefahr eines ungenügenden oder unechten Rechtsnachfolgeausweises trage. Das stimmt mit dem Grundsatz überein, dass der Schuldner nur durch Leistung an den Gläubiger oder an einen von ihm bezeichneten oder bevollmächtigten Vertreter befreit wird (vgl. VON TUHR/SIEGWART, a.a.O. S. 458/59; GUHL, Das schweiz. Obligationenrecht, 5. Aufl. S. 185). Die Beklagte kann sich weder auf eine gesetzliche oder vertragliche Ausnahme noch auf ein Mitverschulden des Klägers berufen, um die Leistung an einen Nichtberechtigten zu rechtfertigen. Da die Legitimationsurkunde von der Behörde eines nicht zuständigen Staates stammte, kann offen bleiben, ob sich die Beklagte in gutem Glauben befunden hat oder nicht.
BGE 95 II 109 S. 119

Dispositiv

Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 25. Juni 1968 bestätigt.

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