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Schweizerische Zivilprozessordnung

vom 19. Dezember 2008 (Stand am 1. Juli 2020)

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft,

gestützt auf Artikel 122 Absatz 1 der Bundesverfassung1, nach Einsicht in die Botschaft des Bundesrates vom 28. Juni 20062,

beschliesst:

1. Teil: Allgemeine Bestimmungen

1. Titel: Gegenstand und Geltungsbereich

Art. 1 Gegenstand  

Die­ses Ge­setz re­gelt das Ver­fah­ren vor den kan­to­na­len In­stan­zen für:

a.
strei­ti­ge Zi­vil­sa­chen;
b.
ge­richt­li­che An­ord­nun­gen der frei­wil­li­gen Ge­richts­bar­keit;
c.
ge­richt­li­che An­ge­le­gen­hei­ten des Schuld­be­trei­bungs- und Kon­kurs­rechts;
d.
die Schieds­ge­richts­bar­keit.
Art. 2 Internationale Verhältnisse  

Be­stim­mun­gen des Staats­ver­trags­rechts und die Be­stim­mun­gen des Bun­des­ge­set­zes vom 18. De­zem­ber 19871 über das In­ter­na­tio­na­le Pri­vat­recht (IPRG) blei­ben vor­be­hal­ten.


1 SR 291

Art. 3 Organisation der Gerichte und der Schlichtungsbehörden  

Die Or­ga­ni­sa­ti­on der Ge­rich­te und der Schlich­tungs­be­hör­den ist Sa­che der Kan­to­ne, so­weit das Ge­setz nichts an­de­res be­stimmt.

2. Titel: Zuständigkeit der Gerichte und Ausstand

1. Kapitel: Sachliche und funktionelle Zuständigkeit

Art. 4 Grundsätze  

1Das kan­to­na­le Recht re­gelt die sach­li­che und funk­tio­nel­le Zu­stän­dig­keit der Ge­rich­te, so­weit das Ge­setz nichts an­de­res be­stimmt.

2Hängt die sach­li­che Zu­stän­dig­keit vom Streit­wert ab, so er­folgt des­sen Be­rech­nung nach die­sem Ge­setz.

Art. 5 Einzige kantonale Instanz  

1Das kan­to­na­le Recht be­zeich­net das Ge­richt, wel­ches als ein­zi­ge kan­to­na­le In­stanz zu­stän­dig ist für:

a.
Strei­tig­kei­ten im Zu­sam­men­hang mit geis­ti­gem Ei­gen­tum ein­sch­liess­lich der Strei­tig­kei­ten be­tref­fend Nich­tig­keit, In­ha­ber­schaft, Li­zen­zie­rung, Über­tra­gung und Ver­let­zung sol­cher Rech­te;
b.
kar­tell­recht­li­che Strei­tig­kei­ten;
c.
Strei­tig­kei­ten über den Ge­brauch ei­ner Fir­ma;
d.
Strei­tig­kei­ten nach dem Bun­des­ge­setz vom 19. De­zem­ber 19861 ge­gen den un­lau­te­ren Wett­be­werb, so­fern der Streit­wert mehr als 30 000 Fran­ken be­trägt oder so­fern der Bund sein Kla­ge­recht aus­übt;
e.
Strei­tig­kei­ten nach dem Kern­ener­gie­haft­pflicht­ge­setz vom 18. März 19832;
f.
Kla­gen ge­gen den Bund;
g.
die Ein­set­zung ei­nes Son­der­prü­fers nach Ar­ti­kel 697b des Ob­li­ga­tio­nen­rechts (OR)3;
h.4
Strei­tig­kei­ten nach dem Kol­lek­ti­v­an­la­gen­ge­setz vom 23. Ju­ni 20065, nach dem Fi­nanz­marktin­fra­struk­tur­ge­setz vom 19. Ju­ni 20156 und nach dem Fi­nan­z­in­sti­tuts­ge­setz vom 15. Ju­ni 20187;
i.8
Strei­tig­kei­ten nach dem Wap­pen­schutz­ge­setz vom 21. Ju­ni 20139, dem Bun­des­ge­setz vom 25. März 195410 be­tref­fend den Schutz des Zei­chens und des Na­mens des Ro­ten Kreu­zes und dem Bun­des­ge­setz vom 15. De­zem­ber 196111 zum Schutz von Na­men und Zei­chen der Or­ga­ni­sa­ti­on der Ver­ein­ten Na­tio­nen und an­de­rer zwi­schen­staat­li­cher Or­ga­ni­sa­tio­nen.

2Die­se In­stanz ist auch für die An­ord­nung vor­sorg­li­cher Mass­nah­men vor Ein­tritt der Rechts­hän­gig­keit ei­ner Kla­ge zu­stän­dig.


1 SR 241
2 SR 732.44
3 SR 220
4 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. II 4 des Fi­nan­z­in­sti­tuts­ge­set­zes vom 15. Ju­ni 2018, in Kraft seit 1. Jan. 2020 (AS 2018 5247, 2019 4631; BBl 2015 8901).
5 SR 951.31
6 SR 958.1
7 SR 954.1
8 Ein­ge­fügt durch An­hang 3 Ziff. II 3 des Wap­pen­schutz­ge­set­zes vom 21. Ju­ni 2013, in Kraft seit 1. Jan. 2017 (AS 2015 3679; BBl 2009 8533).
9 SR 232.21
10 SR 232.22
11 SR 232.23

Art. 6 Handelsgericht  

1Die Kan­to­ne kön­nen ein Fach­ge­richt be­zeich­nen, wel­ches als ein­zi­ge kan­to­na­le In­stanz für han­dels­recht­li­che Strei­tig­kei­ten zu­stän­dig ist (Han­dels­ge­richt).

2Ei­ne Strei­tig­keit gilt als han­dels­recht­lich, wenn:

a.
die ge­schäft­li­che Tä­tig­keit min­des­tens ei­ner Par­tei be­trof­fen ist;
b.
ge­gen den Ent­scheid die Be­schwer­de in Zi­vil­sa­chen an das Bun­des­ge­richt of­fen steht; und
c.
die Par­tei­en im schwei­ze­ri­schen Han­dels­re­gis­ter oder in ei­nem ver­gleich­ba­ren aus­län­di­schen Re­gis­ter ein­ge­tra­gen sind.

3Ist nur die be­klag­te Par­tei im schwei­ze­ri­schen Han­dels­re­gis­ter oder in ei­nem ver­gleich­ba­ren aus­län­di­schen Re­gis­ter ein­ge­tra­gen, sind aber die üb­ri­gen Vor­aus­set­zun­gen er­füllt, so hat die kla­gen­de Par­tei die Wahl zwi­schen dem Han­dels­ge­richt und dem or­dent­li­chen Ge­richt.

4Die Kan­to­ne kön­nen das Han­dels­ge­richt aus­ser­dem zu­stän­dig er­klä­ren für:

a.
Strei­tig­kei­ten nach Ar­ti­kel 5 Ab­satz 1;
b.
Strei­tig­kei­ten aus dem Recht der Han­dels­ge­sell­schaf­ten und Ge­nos­sen­schaf­ten.

5Das Han­dels­ge­richt ist auch für die An­ord­nung vor­sorg­li­cher Mass­nah­men vor Ein­tritt der Rechts­hän­gig­keit ei­ner Kla­ge zu­stän­dig.

Art. 7 Gericht bei Streitigkeiten aus Zusatzversicherungen zur sozialen Krankenversicherung  

Die Kan­to­ne kön­nen ein Ge­richt be­zeich­nen, wel­ches als ein­zi­ge kan­to­na­le In­stanz für Strei­tig­kei­ten aus Zu­satz­ver­si­che­run­gen zur so­zia­len Kran­ken­ver­si­che­rung nach dem Bun­des­ge­setz vom 18. März 19941 über die Kran­ken­ver­si­che­rung zu­stän­dig ist.


Art. 8 Direkte Klage beim oberen Gericht  

1In ver­mö­gens­recht­li­chen Strei­tig­kei­ten kann die kla­gen­de Par­tei mit Zu­stim­mung der be­klag­ten Par­tei di­rekt an das obe­re Ge­richt ge­lan­gen, so­fern der Streit­wert min­des­tens 100 000 Fran­ken be­trägt.

2Die­ses Ge­richt ent­schei­det als ein­zi­ge kan­to­na­le In­stanz.

2. Kapitel: Örtliche Zuständigkeit

1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen

Art. 9 Zwingende Zuständigkeit  

1Ein Ge­richts­stand ist nur dann zwin­gend, wenn es das Ge­setz aus­drück­lich vor­schreibt.

2Von ei­nem zwin­gen­den Ge­richts­stand kön­nen die Par­tei­en nicht ab­wei­chen.

Art. 10 Wohnsitz und Sitz  

1Sieht die­ses Ge­setz nichts an­de­res vor, so ist zu­stän­dig:

a.
für Kla­gen ge­gen ei­ne na­tür­li­che Per­son: das Ge­richt an de­ren Wohn­sitz;
b.
für Kla­gen ge­gen ei­ne ju­ris­ti­sche Per­son und ge­gen öf­fent­lich-recht­li­che An­stal­ten und Kör­per­schaf­ten so­wie ge­gen Kol­lek­tiv- und Kom­man­dit­ge­sell­schaf­ten: das Ge­richt an de­ren Sitz;
c.
für Kla­gen ge­gen den Bund: das Ober­ge­richt des Kan­tons Bern oder das obe­re Ge­richt des Kan­tons, in dem die kla­gen­de Par­tei ih­ren Wohn­sitz, Sitz oder ge­wöhn­li­chen Auf­ent­halt hat;
d.
für Kla­gen ge­gen einen Kan­ton: ein Ge­richt am Kan­tons­haup­tort.

2Der Wohn­sitz be­stimmt sich nach dem Zi­vil­ge­setz­buch (ZGB)1. Ar­ti­kel 24 ZGB ist nicht an­wend­bar.


1 SR 210

Art. 11 Aufenthaltsort  

1Hat die be­klag­te Par­tei kei­nen Wohn­sitz, so ist das Ge­richt an ih­rem ge­wöhn­li­chen Auf­ent­halts­ort zu­stän­dig.

2Ge­wöhn­li­cher Auf­ent­halts­ort ist der Ort, an dem ei­ne Per­son wäh­rend län­ge­rer Zeit lebt, selbst wenn die Dau­er des Auf­ent­halts von vorn­her­ein be­fris­tet ist.

3Hat die be­klag­te Par­tei kei­nen ge­wöhn­li­chen Auf­ent­halts­ort, so ist das Ge­richt an ih­rem letz­ten be­kann­ten Auf­ent­halts­ort zu­stän­dig.

Art. 12 Niederlassung  

Für Kla­gen aus dem Be­trieb ei­ner ge­schäft­li­chen oder be­ruf­li­chen Nie­der­las­sung oder ei­ner Zweignie­der­las­sung ist das Ge­richt am Wohn­sitz oder Sitz der be­klag­ten Par­tei oder am Ort der Nie­der­las­sung zu­stän­dig.

Art. 13 Vorsorgliche Massnahmen  

So­weit das Ge­setz nichts an­de­res be­stimmt, ist für die An­ord­nung vor­sorg­li­cher Mass­nah­men zwin­gend zu­stän­dig das Ge­richt am Ort, an dem:

a.
die Zu­stän­dig­keit für die Haupt­sa­che ge­ge­ben ist; oder
b.
die Mass­nah­me voll­streckt wer­den soll.
Art. 14 Widerklage  

1Beim für die Haupt­kla­ge ört­lich zu­stän­di­gen Ge­richt kann Wi­der­kla­ge er­ho­ben wer­den, wenn die Wi­der­kla­ge mit der Haupt­kla­ge in ei­nem sach­li­chen Zu­sam­men­hang steht.

2Die­ser Ge­richts­stand bleibt auch be­ste­hen, wenn die Haupt­kla­ge aus ir­gend­ei­nem Grund da­hin­fällt.

Art. 15 Streitgenossenschaft und Klagenhäufung  

1Rich­tet sich die Kla­ge ge­gen meh­re­re Streit­ge­nos­sen, so ist das für ei­ne be­klag­te Par­tei zu­stän­di­ge Ge­richt für al­le be­klag­ten Par­tei­en zu­stän­dig, so­fern die­se Zu­stän­dig­keit nicht nur auf ei­ner Ge­richts­stands­ver­ein­ba­rung be­ruht.

2Ste­hen meh­re­re An­sprü­che ge­gen ei­ne be­klag­te Par­tei in ei­nem sach­li­chen Zu­sam­men­hang, so ist je­des Ge­richt zu­stän­dig, das für einen der An­sprü­che zu­stän­dig ist.

Art. 16 Streitverkündungsklage  

Für die Streit­ver­kün­dung mit Kla­ge ist das Ge­richt des Haupt­pro­zes­ses zu­stän­dig.

Art. 17 Gerichtsstandsvereinbarung  

1So­weit das Ge­setz nichts an­de­res be­stimmt, kön­nen die Par­tei­en für einen be­ste­hen­den oder für einen künf­ti­gen Rechtss­treit über An­sprü­che aus ei­nem be­stimm­ten Rechts­ver­hält­nis einen Ge­richts­stand ver­ein­ba­ren. Geht aus der Ver­ein­ba­rung nichts an­de­res her­vor, so kann die Kla­ge nur am ver­ein­bar­ten Ge­richts­stand er­ho­ben wer­den.

2Die Ver­ein­ba­rung muss schrift­lich oder in ei­ner an­de­ren Form er­fol­gen, die den Nach­weis durch Text er­mög­licht.

Art. 18 Einlassung  

So­weit das Ge­setz nichts an­de­res be­stimmt, wird das an­ge­ru­fe­ne Ge­richt zu­stän­dig, wenn sich die be­klag­te Par­tei oh­ne Ein­re­de der feh­len­den Zu­stän­dig­keit zur Sa­che äus­sert.

Art. 19 Freiwillige Gerichtsbarkeit  

In An­ge­le­gen­hei­ten der frei­wil­li­gen Ge­richts­bar­keit ist das Ge­richt oder die Be­hör­de am Wohn­sitz oder Sitz der ge­such­stel­len­den Par­tei zwin­gend zu­stän­dig, so­fern das Ge­setz nichts an­de­res be­stimmt.

2. Abschnitt: Personenrecht

Art. 20 Persönlichkeits- und Datenschutz  

Für die fol­gen­den Kla­gen und Be­geh­ren ist das Ge­richt am Wohn­sitz oder Sitz ei­ner der Par­tei­en zu­stän­dig:

a.
Kla­gen aus Per­sön­lich­keits­ver­let­zung;
b.
Be­geh­ren um Ge­gen­dar­stel­lung;
c.
Kla­gen auf Na­mens­schutz und auf An­fech­tung ei­ner Na­mens­än­de­rung;
d.
Kla­gen und Be­geh­ren nach Ar­ti­kel 15 des Bun­des­ge­set­zes vom 19. Ju­ni 19921 über den Da­ten­schutz.

1 SR 235.1

Art. 21 Todes- und Verschollenerklärung  

Für Ge­su­che, die ei­ne To­des- oder ei­ne Ver­schol­le­n­er­klä­rung be­tref­fen (Art. 34–38 ZGB1), ist das Ge­richt am letz­ten be­kann­ten Wohn­sitz der ver­schwun­de­nen Per­son zwin­gend zu­stän­dig.


1 SR 210

Art. 22 Bereinigung des Zivilstandsregisters  

Für Kla­gen, die ei­ne Be­rei­ni­gung des Zi­vil­stands­re­gis­ters be­tref­fen, ist zwin­gend das Ge­richt zu­stän­dig, in des­sen Amts­kreis die zu be­rei­ni­gen­de Be­ur­kun­dung von Per­so­nen­stands­da­ten er­folgt ist oder hät­te er­fol­gen müs­sen.

3. Abschnitt: Familienrecht

Art. 23 Eherechtliche Gesuche und Klagen  

1Für ehe­recht­li­che Ge­su­che und Kla­gen so­wie für Ge­su­che um An­ord­nung vor­sorg­li­cher Mass­nah­men ist das Ge­richt am Wohn­sitz ei­ner Par­tei zwin­gend zu­stän­dig.

2Für Ge­su­che der Auf­sichts­be­hör­de in Be­trei­bungs­sa­chen auf An­ord­nung der Gü­ter­tren­nung ist das Ge­richt am Wohn­sitz der Schuld­ne­rin oder des Schuld­ners zwin­gend zu­stän­dig.

Art. 24 Gesuche und Klagen bei eingetragener Partnerschaft  

Für Ge­su­che und Kla­gen bei ein­ge­tra­ge­ner Part­ner­schaft so­wie für Ge­su­che um An­ord­nung vor­sorg­li­cher Mass­nah­men ist das Ge­richt am Wohn­sitz ei­ner Par­tei zwin­gend zu­stän­dig.

Art. 25 Feststellung und Anfechtung des Kindesverhältnisses  

Für Kla­gen auf Fest­stel­lung und auf An­fech­tung des Kin­des­ver­hält­nis­ses ist das Ge­richt am Wohn­sitz ei­ner der Par­tei­en zwin­gend zu­stän­dig.

Art. 26 Unterhalts- und Unterstützungsklagen  

Für selbst­stän­di­ge Un­ter­halts­kla­gen der Kin­der ge­gen ih­re El­tern und für Kla­gen ge­gen un­ter­stüt­zungs­pflich­ti­ge Ver­wand­te ist das Ge­richt am Wohn­sitz ei­ner der Par­tei­en zwin­gend zu­stän­dig.

Art. 27 Ansprüche der unverheirateten Mutter  

Für An­sprü­che der un­ver­hei­ra­te­ten Mut­ter ist das Ge­richt am Wohn­sitz ei­ner der Par­tei­en zwin­gend zu­stän­dig.

4. Abschnitt: Erbrecht

Art. 28  

1Für erbrecht­li­che Kla­gen so­wie für Kla­gen auf gü­ter­recht­li­che Aus­ein­an­der­set­zung beim Tod ei­nes Ehe­gat­ten, ei­ner ein­ge­tra­ge­nen Part­ne­rin oder ei­nes ein­ge­tra­ge­nen Part­ners ist das Ge­richt am letz­ten Wohn­sitz der Erb­las­se­rin oder des Erb­las­sers zu­stän­dig.

2Für Mass­nah­men im Zu­sam­men­hang mit dem Erb­gang ist die Be­hör­de am letz­ten Wohn­sitz der Erb­las­se­rin oder des Erb­las­sers zwin­gend zu­stän­dig. Ist der Tod nicht am Wohn­sitz ein­ge­tre­ten, so macht die Be­hör­de des Ster­be­or­tes der­je­ni­gen des Wohn­or­tes Mit­tei­lung und trifft die nö­ti­gen Mass­nah­men, um die Ver­mö­gens­wer­te am Ster­be­ort zu si­chern.

3Selbst­stän­di­ge Kla­gen auf erbrecht­li­che Zu­wei­sung ei­nes land­wirt­schaft­li­chen Ge­wer­bes oder Grund­stückes kön­nen auch am Ort der ge­le­ge­nen Sa­che er­ho­ben wer­den.

5. Abschnitt: Sachenrecht

Art. 29 Grundstücke  

1Für die fol­gen­den Kla­gen ist das Ge­richt am Ort, an dem das Grund­stück im Grund­buch auf­ge­nom­men ist oder auf­zu­neh­men wä­re, zu­stän­dig:

a.
ding­li­che Kla­gen;
b.
Kla­gen ge­gen die Ge­mein­schaft der Stock­werk­ei­gen­tü­me­rin­nen und Stock­werk­ei­gen­tü­mer;
c.
Kla­gen auf Er­rich­tung ge­setz­li­cher Pfand­rech­te.

2An­de­re Kla­gen, die sich auf Rech­te an Grund­stücken be­zie­hen, kön­nen auch beim Ge­richt am Wohn­sitz oder Sitz der be­klag­ten Par­tei er­ho­ben wer­den.

3Be­zieht sich ei­ne Kla­ge auf meh­re­re Grund­stücke oder ist das Grund­stück in meh­re­ren Krei­sen in das Grund­buch auf­ge­nom­men wor­den, so ist das Ge­richt an dem Ort zu­stän­dig, an dem das flä­chen­mäs­sig gröss­te Grund­stück oder der flä­chen­mäs­sig gröss­te Teil des Grund­stücks liegt.

4Für An­ge­le­gen­hei­ten der frei­wil­li­gen Ge­richts­bar­keit, die sich auf Rech­te an Grund­stücken be­zie­hen, ist das Ge­richt an dem Ort zwin­gend zu­stän­dig, an dem das Grund­stück im Grund­buch auf­ge­nom­men ist oder auf­zu­neh­men wä­re.

Art. 30 Bewegliche Sachen  

1Für Kla­gen, wel­che ding­li­che Rech­te, den Be­sitz an be­weg­li­chen Sa­chen oder For­de­run­gen, die durch Fahr­nis­pfand ge­si­chert sind, be­tref­fen, ist das Ge­richt am Wohn­sitz oder Sitz der be­klag­ten Par­tei oder am Ort der ge­le­ge­nen Sa­che zu­stän­dig.

2Für An­ge­le­gen­hei­ten der frei­wil­li­gen Ge­richts­bar­keit ist das Ge­richt am Wohn­sitz oder Sitz der ge­such­stel­len­den Par­tei oder am Ort der ge­le­ge­nen Sa­che zwin­gend zu­stän­dig.

6. Abschnitt: Klagen aus Vertrag

Art. 31 Grundsatz  

Für Kla­gen aus Ver­trag ist das Ge­richt am Wohn­sitz oder Sitz der be­klag­ten Par­tei oder an dem Ort zu­stän­dig, an dem die cha­rak­te­ris­ti­sche Leis­tung zu er­brin­gen ist.

Art. 32 Konsumentenvertrag  

1Bei Strei­tig­kei­ten aus Kon­su­men­ten­ver­trä­gen ist zu­stän­dig:

a.
für Kla­gen der Kon­su­men­tin oder des Kon­su­men­ten: das Ge­richt am Wohn­sitz oder Sitz ei­ner der Par­tei­en;
b.
für Kla­gen der An­bie­te­rin oder des An­bie­ters: das Ge­richt am Wohn­sitz der be­klag­ten Par­tei.

2Als Kon­su­men­ten­ver­trä­ge gel­ten Ver­trä­ge über Leis­tun­gen des üb­li­chen Ver­brauchs, die für die per­sön­li­chen oder fa­mi­li­ären Be­dürf­nis­se der Kon­su­men­tin oder des Kon­su­men­ten be­stimmt sind und von der an­de­ren Par­tei im Rah­men ih­rer be­ruf­li­chen oder ge­werb­li­chen Tä­tig­keit an­ge­bo­ten wer­den.

Art. 33 Miete und Pacht unbeweglicher Sachen  

Für Kla­gen aus Mie­te und Pacht un­be­weg­li­cher Sa­chen ist das Ge­richt am Ort der ge­le­ge­nen Sa­che zu­stän­dig.

Art. 34 Arbeitsrecht  

1Für ar­beits­recht­li­che Kla­gen ist das Ge­richt am Wohn­sitz oder Sitz der be­klag­ten Par­tei oder an dem Ort, an dem die Ar­beit­neh­me­rin oder der Ar­beit­neh­mer ge­wöhn­lich die Ar­beit ver­rich­tet, zu­stän­dig.

2Für Kla­gen ei­ner stel­len­su­chen­den Per­son so­wie ei­ner Ar­beit­neh­me­rin oder ei­nes Ar­beit­neh­mers, die sich auf das Ar­beits­ver­mitt­lungs­ge­setz vom 6. Ok­to­ber 19891 stüt­zen, ist zu­sätz­lich das Ge­richt am Ort der Ge­schäfts­nie­der­las­sung der ver­mit­teln­den oder ver­lei­hen­den Per­son, mit wel­cher der Ver­trag ab­ge­schlos­sen wur­de, zu­stän­dig.


Art. 35 Verzicht auf die gesetzlichen Gerichtsstände  

1Auf die Ge­richts­stän­de nach den Ar­ti­keln 32–34 kön­nen nicht zum Vor­aus oder durch Ein­las­sung ver­zich­ten:

a.
die Kon­su­men­tin oder der Kon­su­ment;
b.
die Par­tei, die Wohn- oder Ge­schäfts­räu­me ge­mie­tet oder ge­pach­tet hat;
c.
bei land­wirt­schaft­li­chen Pacht­ver­hält­nis­sen: die pach­ten­de Par­tei;
d.
die stel­len­su­chen­de oder ar­beit­neh­men­de Par­tei.

2Vor­be­hal­ten bleibt der Ab­schluss ei­ner Ge­richts­stands­ver­ein­ba­rung nach Ent­ste­hung der Strei­tig­keit.

7. Abschnitt: Klagen aus unerlaubter Handlung

Art. 36 Grundsatz  

Für Kla­gen aus un­er­laub­ter Hand­lung ist das Ge­richt am Wohn­sitz oder Sitz der ge­schä­dig­ten Per­son oder der be­klag­ten Par­tei oder am Hand­lungs- oder am Er­folgs­ort zu­stän­dig.

Art. 37 Schadenersatz bei ungerechtfertigten vorsorglichen Massnahmen  

Für Scha­den­er­satz­kla­gen we­gen un­ge­recht­fer­tig­ter vor­sorg­li­cher Mass­nah­men ist das Ge­richt am Wohn­sitz oder Sitz der be­klag­ten Par­tei oder an dem Ort, an dem die vor­sorg­li­che Mass­nah­me an­ge­ord­net wur­de, zu­stän­dig.

Art. 38 Motorfahrzeug- und Fahrradunfälle  

1Für Kla­gen aus Mo­tor­fahr­zeug- und Fahr­ra­d­un­fäl­len ist das Ge­richt am Wohn­sitz oder Sitz der be­klag­ten Par­tei oder am Un­fall­ort zu­stän­dig.

2Für Kla­gen ge­gen das na­tio­na­le Ver­si­che­rungs­bü­ro (Art. 74 des Stras­sen­ver­kehrs­ge­set­zes vom 19. Dez. 19581; SVG) oder ge­gen den na­tio­na­len Ga­ran­tie­fonds (Art. 76 SVG) ist zu­sätz­lich das Ge­richt am Ort ei­ner Zweignie­der­las­sung die­ser Ein­rich­tun­gen zu­stän­dig.


Art. 39 Adhäsionsklage  

Für die Be­ur­tei­lung ad­hä­si­ons­wei­se gel­tend ge­mach­ter Zi­vil­an­sprü­che bleibt die Zu­stän­dig­keit des Straf­ge­richts vor­be­hal­ten.

8. Abschnitt: Handelsrecht

Art. 40 Gesellschaftsrecht  

Für Kla­gen aus ge­sell­schafts­recht­li­cher Ver­ant­wort­lich­keit ist das Ge­richt am Wohn­sitz oder Sitz der be­klag­ten Par­tei oder am Sitz der Ge­sell­schaft zu­stän­dig.

Art. 41  

1 Auf­ge­ho­ben durch Ziff. II 1 des BG vom 28. Sept. 2012, mit Wir­kung seit 1. Mai 2013 (AS 2013 1103; BBl 2011 6873).

Art. 42 Fusionen, Spaltungen, Umwandlungen und Vermögensübertragungen  

Für Kla­gen, die sich auf das Fu­si­ons­ge­setz vom 3. Ok­to­ber 20031 stüt­zen, ist das Ge­richt am Sitz ei­nes be­tei­lig­ten Rechts­trä­gers zu­stän­dig.


Art. 43 Kraftloserklärung von Wertpapieren und Versicherungspolicen; Zahlungsverbot  

1Für die Kraft­los­er­klä­rung von Be­tei­li­gungs­pa­pie­ren ist das Ge­richt am Sitz der Ge­sell­schaft zwin­gend zu­stän­dig.

2Für die Kraft­los­er­klä­rung von Grund­pfand­ti­teln ist das Ge­richt an dem Ort zwin­gend zu­stän­dig, an dem das Grund­stück im Grund­buch auf­ge­nom­men ist.

3Für die Kraft­los­er­klä­rung der üb­ri­gen Wert­pa­pie­re und der Ver­si­che­rungs­po­li­cen ist das Ge­richt am Wohn­sitz oder Sitz der Schuld­ne­rin oder des Schuld­ners zwin­gend zu­stän­dig.

4Für Zah­lungs­ver­bo­te aus Wech­sel und Check und für de­ren Kraft­los­er­klä­rung ist das Ge­richt am Zah­lungs­ort zwin­gend zu­stän­dig.

Art. 44 Anleihensobligationen  

Die ört­li­che Zu­stän­dig­keit für die Er­mäch­ti­gung zur Ein­be­ru­fung der Gläu­bi­ger­ver­samm­lung rich­tet sich nach Ar­ti­kel 1165 OR1.


1 SR 220

Art. 45 Kollektivanlagen  

Für Kla­gen der An­le­ge­rin­nen und An­le­ger so­wie der Ver­tre­tung der An­le­ger­ge­mein­schaft ist das Ge­richt am Sitz des je­weils be­trof­fe­nen Be­wil­li­gungs­trä­gers zwin­gend zu­stän­dig.

9. Abschnitt: Schuldbetreibungs- und Konkursrecht

Art. 46  

Für Kla­gen nach dem Bun­des­ge­setz vom 11. April 18891 über Schuld­be­trei­bung und Kon­kurs (SchKG) be­stimmt sich die ört­li­che Zu­stän­dig­keit nach die­sem Ka­pi­tel, so­weit das SchKG kei­nen Ge­richts­stand vor­sieht.


1 SR 281.1

3. Kapitel: Ausstand

Art. 47 Ausstandsgründe  

1Ei­ne Ge­richts­per­son tritt in den Aus­stand, wenn sie:

a.
in der Sa­che ein per­sön­li­ches In­ter­es­se hat;
b.
in ei­ner an­de­ren Stel­lung, ins­be­son­de­re als Mit­glied ei­ner Be­hör­de, als Rechts­bei­stän­din oder Rechts­bei­stand, als Sach­ver­stän­di­ge oder Sach­ver­stän­di­ger, als Zeu­gin oder Zeu­ge, als Me­dia­to­rin oder Me­dia­tor in der glei­chen Sa­che tä­tig war;
c.
mit ei­ner Par­tei, ih­rer Ver­tre­te­rin oder ih­rem Ver­tre­ter oder ei­ner Per­son, die in der glei­chen Sa­che als Mit­glied der Vor­in­stanz tä­tig war, ver­hei­ra­tet ist oder war, in ein­ge­tra­ge­ner Part­ner­schaft lebt oder leb­te oder ei­ne fak­ti­sche Le­bens­ge­mein­schaft führt;
d.
mit ei­ner Par­tei in ge­ra­der Li­nie oder in der Sei­ten­li­nie bis und mit dem drit­ten Grad ver­wandt oder ver­schwä­gert ist;
e.
mit der Ver­tre­te­rin oder dem Ver­tre­ter ei­ner Par­tei oder mit ei­ner Per­son, die in der glei­chen Sa­che als Mit­glied der Vor­in­stanz tä­tig war, in ge­ra­der Li­nie oder im zwei­ten Grad der Sei­ten­li­nie ver­wandt oder ver­schwä­gert ist;
f.
aus an­de­ren Grün­den, ins­be­son­de­re we­gen Freund­schaft oder Feind­schaft mit ei­ner Par­tei oder ih­rer Ver­tre­tung, be­fan­gen sein könn­te.

2Kein Aus­stands­grund für sich al­lein ist ins­be­son­de­re die Mit­wir­kung:

a.
beim Ent­scheid über die un­ent­gelt­li­che Rechts­pfle­ge;
b.
beim Schlich­tungs­ver­fah­ren;
c.
bei der Rechts­öff­nung nach den Ar­ti­keln 80–84 SchKG1;
d.
bei der An­ord­nung vor­sorg­li­cher Mass­nah­men;
e.
beim Ehe­schutz­ver­fah­ren.

1 SR 281.1

Art. 48 Mitteilungspflicht  

Die be­trof­fe­ne Ge­richts­per­son legt einen mög­li­chen Aus­stands­grund recht­zei­tig of­fen und tritt von sich aus in den Aus­stand, wenn sie den Grund als ge­ge­ben er­ach­tet.

Art. 49 Ausstandsgesuch  

1Ei­ne Par­tei, die ei­ne Ge­richts­per­son ab­leh­nen will, hat dem Ge­richt un­ver­züg­lich ein ent­spre­chen­des Ge­such zu stel­len, so­bald sie vom Aus­stands­grund Kennt­nis er­hal­ten hat. Die den Aus­stand be­grün­den­den Tat­sa­chen sind glaub­haft zu ma­chen.

2Die be­trof­fe­ne Ge­richts­per­son nimmt zum Ge­such Stel­lung.

Art. 50 Entscheid  

1Wird der gel­tend ge­mach­te Aus­stands­grund be­strit­ten, so ent­schei­det das Ge­richt.

2Der Ent­scheid ist mit Be­schwer­de an­fecht­bar.

Art. 51 Folgen der Verletzung der Ausstandsvorschriften  

1Amts­hand­lun­gen, an de­nen ei­ne zum Aus­stand ver­pflich­te­te Ge­richts­per­son mit­ge­wirkt hat, sind auf­zu­he­ben und zu wie­der­ho­len, so­fern dies ei­ne Par­tei in­nert zehn Ta­gen ver­langt, nach­dem sie vom Aus­stands­grund Kennt­nis er­hal­ten hat.

2Nicht wie­der­hol­ba­re Be­weis­mass­nah­men darf das ent­schei­den­de Ge­richt be­rück­sich­ti­gen.

3Wird der Aus­stands­grund erst nach Ab­schluss des Ver­fah­rens ent­deckt, so gel­ten die Be­stim­mun­gen über die Re­vi­si­on.

3. Titel: Verfahrensgrundsätze und Prozessvoraussetzungen

1. Kapitel: Verfahrensgrundsätze

Art. 52 Handeln nach Treu und Glauben  

Al­le am Ver­fah­ren be­tei­lig­ten Per­so­nen ha­ben nach Treu und Glau­ben zu han­deln.

Art. 53 Rechtliches Gehör  

1Die Par­tei­en ha­ben An­spruch auf recht­li­ches Ge­hör.

2Ins­be­son­de­re kön­nen sie die Ak­ten ein­se­hen und Ko­pi­en an­fer­ti­gen las­sen, so­weit kei­ne über­wie­gen­den öf­fent­li­chen oder pri­va­ten In­ter­es­sen ent­ge­gen­ste­hen.

Art. 54 Öffentlichkeit des Verfahrens  

1Ver­hand­lun­gen und ei­ne all­fäl­li­ge münd­li­che Er­öff­nung des Ur­teils sind öf­fent­lich. Die Ent­schei­de wer­den der Öf­fent­lich­keit zu­gäng­lich ge­macht.

2Das kan­to­na­le Recht be­stimmt, ob die Ur­teils­be­ra­tung öf­fent­lich ist.

3Die Öf­fent­lich­keit kann ganz oder teil­wei­se aus­ge­schlos­sen wer­den, wenn es das öf­fent­li­che In­ter­es­se oder das schutz­wür­di­ge In­ter­es­se ei­ner be­tei­lig­ten Per­son er­for­dert.

4Die fa­mi­li­en­recht­li­chen Ver­fah­ren sind nicht öf­fent­lich.

Art. 55 Verhandlungs- und Untersuchungsgrundsatz  

1Die Par­tei­en ha­ben dem Ge­richt die Tat­sa­chen, auf die sie ih­re Be­geh­ren stüt­zen, dar­zu­le­gen und die Be­weis­mit­tel an­zu­ge­ben.

2Vor­be­hal­ten blei­ben ge­setz­li­che Be­stim­mun­gen über die Fest­stel­lung des Sach­ver­hal­tes und die Be­weis­er­he­bung von Am­tes we­gen.

Art. 56 Gerichtliche Fragepflicht  

Ist das Vor­brin­gen ei­ner Par­tei un­klar, wi­der­sprüch­lich, un­be­stimmt oder of­fen­sicht­lich un­voll­stän­dig, so gibt ihr das Ge­richt durch ent­spre­chen­de Fra­gen Ge­le­gen­heit zur Klar­stel­lung und zur Er­gän­zung.

Art. 57 Rechtsanwendung von Amtes wegen  

Das Ge­richt wen­det das Recht von Am­tes we­gen an.

Art. 58 Dispositions- und Offizialgrundsatz  

1Das Ge­richt darf ei­ner Par­tei nicht mehr und nichts an­de­res zu­spre­chen, als sie ver­langt, und nicht we­ni­ger, als die Ge­gen­par­tei an­er­kannt hat.

2Vor­be­hal­ten blei­ben ge­setz­li­che Be­stim­mun­gen, nach de­nen das Ge­richt nicht an die Par­tei­an­trä­ge ge­bun­den ist.

2. Kapitel: Prozessvoraussetzungen

Art. 59 Grundsatz  

1Das Ge­richt tritt auf ei­ne Kla­ge oder auf ein Ge­such ein, so­fern die Pro­zess­vor­aus­set­zun­gen er­füllt sind.

2Pro­zess­vor­aus­set­zun­gen sind ins­be­son­de­re:

a.
die kla­gen­de oder ge­such­stel­len­de Par­tei hat ein schutz­wür­di­ges In­ter­es­se;
b.
das Ge­richt ist sach­lich und ört­lich zu­stän­dig;
c.
die Par­tei­en sind par­tei- und pro­zess­fä­hig;
d.
die Sa­che ist nicht an­der­wei­tig rechts­hän­gig;
e.
die Sa­che ist noch nicht rechts­kräf­tig ent­schie­den;
f.
der Vor­schuss und die Si­cher­heit für die Pro­zess­kos­ten sind ge­leis­tet wor­den.
Art. 60 Prüfung der Prozessvoraussetzungen  

Das Ge­richt prüft von Am­tes we­gen, ob die Pro­zess­vor­aus­set­zun­gen er­füllt sind.

Art. 61 Schiedsvereinbarung  

Ha­ben die Par­tei­en über ei­ne schieds­fä­hi­ge Streit­sa­che ei­ne Schieds­ver­ein­ba­rung ge­trof­fen, so lehnt das an­ge­ru­fe­ne staat­li­che Ge­richt sei­ne Zu­stän­dig­keit ab, es sei denn:

a.
die be­klag­te Par­tei ha­be sich vor­be­halt­los auf das Ver­fah­ren ein­ge­las­sen;
b.
das Ge­richt stel­le fest, dass die Schieds­ver­ein­ba­rung of­fen­sicht­lich un­gül­tig oder nicht er­füll­bar sei; oder
c.
das Schieds­ge­richt kön­ne nicht be­stellt wer­den aus Grün­den, für wel­che die im Schieds­ver­fah­ren be­klag­te Par­tei of­fen­sicht­lich ein­zu­ste­hen hat.

4. Titel: Rechtshängigkeit und Folgen des Klagerückzugs

Art. 62 Beginn der Rechtshängigkeit  

1Die Ein­rei­chung ei­nes Schlich­tungs­ge­su­ches, ei­ner Kla­ge, ei­nes Ge­su­ches oder ei­nes ge­mein­sa­men Schei­dungs­be­geh­rens be­grün­det Rechts­hän­gig­keit.

2Der Ein­gang die­ser Ein­ga­ben wird den Par­tei­en be­stä­tigt.

Art. 63 Rechtshängigkeit bei fehlender Zuständigkeit und falscher Verfahrensart  

1Wird ei­ne Ein­ga­be, die man­gels Zu­stän­dig­keit zu­rück­ge­zo­gen oder auf die nicht ein­ge­tre­ten wur­de, in­nert ei­nes Mo­na­tes seit dem Rück­zug oder dem Nicht­ein­tre­tens­ent­scheid bei der zu­stän­di­gen Schlich­tungs­be­hör­de oder beim zu­stän­di­gen Ge­richt neu ein­ge­reicht, so gilt als Zeit­punkt der Rechts­hän­gig­keit das Da­tum der ers­ten Ein­rei­chung.

2Glei­ches gilt, wenn ei­ne Kla­ge nicht im rich­ti­gen Ver­fah­ren ein­ge­reicht wur­de.

3Vor­be­hal­ten blei­ben die be­son­de­ren ge­setz­li­chen Kla­ge­fris­ten nach dem SchKG1.


1 SR 281.1

Art. 64 Wirkungen der Rechtshängigkeit  

1Die Rechts­hän­gig­keit hat ins­be­son­de­re fol­gen­de Wir­kun­gen:

a.
der Streit­ge­gen­stand kann zwi­schen den glei­chen Par­tei­en nicht an­der­wei­tig rechts­hän­gig ge­macht wer­den;
b.
die ört­li­che Zu­stän­dig­keit bleibt er­hal­ten.

2Für die Wah­rung ei­ner ge­setz­li­chen Frist des Pri­vat­rechts, die auf den Zeit­punkt der Kla­ge, der Kla­gean­he­bung oder auf einen an­de­ren ver­fah­rensein­lei­ten­den Schritt ab­stellt, ist die Rechts­hän­gig­keit nach die­sem Ge­setz mass­ge­bend.

Art. 65 Folgen des Klagerückzugs  

Wer ei­ne Kla­ge beim zum Ent­scheid zu­stän­di­gen Ge­richt zu­rück­zieht, kann ge­gen die glei­che Par­tei über den glei­chen Streit­ge­gen­stand kei­nen zwei­ten Pro­zess mehr füh­ren, so­fern das Ge­richt die Kla­ge der be­klag­ten Par­tei be­reits zu­ge­stellt hat und die­se dem Rück­zug nicht zu­stimmt.

5. Titel: Die Parteien und die Beteiligung Dritter

1. Kapitel: Partei- und Prozessfähigkeit

Art. 66 Parteifähigkeit  

Par­tei­fä­hig ist, wer rechts­fä­hig ist oder von Bun­des­rechts we­gen als Par­tei auf­tre­ten kann.

Art. 67 Prozessfähigkeit  

1Pro­zess­fä­hig ist, wer hand­lungs­fä­hig ist.

2Für ei­ne hand­lungs­un­fä­hi­ge Per­son han­delt ih­re ge­setz­li­che Ver­tre­tung.

3So­weit ei­ne hand­lungs­un­fä­hi­ge Per­son ur­teils­fä­hig ist, kann sie:

a.
selbst­stän­dig Rech­te aus­üben, die ihr um ih­rer Per­sön­lich­keit wil­len zu­ste­hen;
b.
vor­läu­fig selbst das Nö­ti­ge vor­keh­ren, wenn Ge­fahr in Ver­zug ist.

2. Kapitel: Parteivertretung

Art. 68 Vertragliche Vertretung  

1Je­de pro­zess­fä­hi­ge Par­tei kann sich im Pro­zess ver­tre­ten las­sen.

2Zur be­rufs­mäs­si­gen Ver­tre­tung sind be­fugt:

a.
in al­len Ver­fah­ren: An­wäl­tin­nen und An­wäl­te, die nach dem An­walts­ge­setz vom 23. Ju­ni 20001 be­rech­tigt sind, Par­tei­en vor schwei­ze­ri­schen Ge­rich­ten zu ver­tre­ten;
b.
vor der Schlich­tungs­be­hör­de, in ver­mö­gens­recht­li­chen Strei­tig­kei­ten des ver­ein­fach­ten Ver­fah­rens so­wie in den An­ge­le­gen­hei­ten des sum­ma­ri­schen Ver­fah­rens: pa­ten­tier­te Sach­wal­te­rin­nen und Sach­wal­ter so­wie Recht­s­agen­tin­nen und Recht­s­agen­ten, so­weit das kan­to­na­le Recht es vor­sieht;
c.
in den An­ge­le­gen­hei­ten des sum­ma­ri­schen Ver­fah­rens nach Ar­ti­kel 251 die­ses Ge­set­zes: ge­werbs­mäs­si­ge Ver­tre­te­rin­nen und Ver­tre­ter nach Ar­ti­kel 27 SchKG2;
d.
vor den Miet- und Ar­beits­ge­rich­ten be­ruf­lich qua­li­fi­zier­te Ver­tre­te­rin­nen und Ver­tre­ter, so­weit das kan­to­na­le Recht es vor­sieht.

3Die Ver­tre­te­rin oder der Ver­tre­ter hat sich durch ei­ne Voll­macht aus­zu­wei­sen.

4Das Ge­richt kann das per­sön­li­che Er­schei­nen ei­ner ver­tre­te­nen Par­tei an­ord­nen.


Art. 69 Unvermögen der Partei  

1Ist ei­ne Par­tei of­fen­sicht­lich nicht im­stan­de, den Pro­zess selbst zu füh­ren, so kann das Ge­richt sie auf­for­dern, ei­ne Ver­tre­te­rin oder einen Ver­tre­ter zu be­auf­tra­gen. Leis­tet die Par­tei in­nert der an­ge­setz­ten Frist kei­ne Fol­ge, so be­stellt ihr das Ge­richt ei­ne Ver­tre­tung.

2Das Ge­richt be­nach­rich­tigt die Er­wach­se­nen- und Kin­des­schutz­be­hör­de, wenn es Schutz­mass­nah­men für ge­bo­ten hält.1


1 Fas­sung ge­mä­ss An­hang 2 Ziff. 3, in Kraft seit 1. Jan. 2013 (AS 2010 1739; BBl 2006 7221; AS 2011 725; BBl 2006 7001).

3. Kapitel: Streitgenossenschaft

Art. 70 Notwendige Streitgenossenschaft  

1Sind meh­re­re Per­so­nen an ei­nem Rechts­ver­hält­nis be­tei­ligt, über das nur mit Wir­kung für al­le ent­schie­den wer­den kann, so müs­sen sie ge­mein­sam kla­gen oder be­klagt wer­den.

2Recht­zei­ti­ge Pro­zess­hand­lun­gen ei­nes Streit­ge­nos­sen wir­ken auch für säu­mi­ge Streit­ge­nos­sen; aus­ge­nom­men ist das Er­grei­fen von Rechts­mit­teln.

Art. 71 Einfache Streitgenossenschaft  

1Sol­len Rech­te und Pflich­ten be­ur­teilt wer­den, die auf gleich­ar­ti­gen Tat­sa­chen oder Rechts­grün­den be­ru­hen, so kön­nen meh­re­re Per­so­nen ge­mein­sam kla­gen oder be­klagt wer­den.

2Die ein­fa­che Streit­ge­nos­sen­schaft ist aus­ge­schlos­sen, wenn für die ein­zel­nen Kla­gen nicht die glei­che Ver­fah­rens­art an­wend­bar ist.

3Je­der Streit­ge­nos­se kann den Pro­zess un­ab­hän­gig von den an­dern Streit­ge­nos­sen füh­ren.

Art. 72 Gemeinsame Vertretung  

Die Streit­ge­nos­sen kön­nen ei­ne ge­mein­sa­me Ver­tre­tung be­zeich­nen, sonst er­ge­hen Zu­stel­lun­gen an je­den ein­zel­nen Streit­ge­nos­sen.

4. Kapitel: Intervention

1. Abschnitt: Hauptintervention

Art. 73  

1Wer am Streit­ge­gen­stand ein bes­se­res Recht be­haup­tet, das bei­de Par­tei­en ganz oder teil­wei­se aus­sch­liesst, kann beim Ge­richt, bei dem der Pro­zess ers­tin­stanz­lich rechts­hän­gig ist, ge­gen bei­de Par­tei­en Kla­ge er­he­ben.

2Das Ge­richt kann den Pro­zess bis zur rechts­kräf­ti­gen Er­le­di­gung der Kla­ge des Haupt­in­ter­ve­ni­en­ten ein­stel­len oder die Ver­fah­ren ver­ei­ni­gen.

2. Abschnitt: Nebenintervention

Art. 74 Grundsatz  

Wer ein recht­li­ches In­ter­es­se glaub­haft macht, dass ei­ne rechts­hän­gi­ge Strei­tig­keit zu­guns­ten der einen Par­tei ent­schie­den wer­de, kann im Pro­zess je­der­zeit als Ne­ben­par­tei in­ter­ve­nie­ren und zu die­sem Zweck beim Ge­richt ein In­ter­ven­ti­ons­ge­such stel­len.

Art. 75 Gesuch  

1Das In­ter­ven­ti­ons­ge­such ent­hält den Grund der In­ter­ven­ti­on und die Be­zeich­nung der Par­tei, zu de­ren Un­ter­stüt­zung in­ter­ve­niert wird.

2Das Ge­richt ent­schei­det über das Ge­such nach An­hö­rung der Par­tei­en. Der Ent­scheid ist mit Be­schwer­de an­fecht­bar.

Art. 76 Rechte der intervenierenden Person  

1Die in­ter­ve­nie­ren­de Per­son kann zur Un­ter­stüt­zung der Haupt­par­tei al­le Pro­zess­hand­lun­gen vor­neh­men, die nach dem Stand des Ver­fah­rens zu­läs­sig sind, ins­be­son­de­re al­le An­griffs- und Ver­tei­di­gungs­mit­tel gel­tend ma­chen und auch Rechts­mit­tel er­grei­fen.

2Ste­hen die Pro­zess­hand­lun­gen der in­ter­ve­nie­ren­den Per­son mit je­nen der Haupt­par­tei im Wi­der­spruch, so sind sie im Pro­zess un­be­acht­lich.

Art. 77 Wirkungen der Intervention  

Ein für die Haupt­par­tei un­güns­ti­ges Er­geb­nis des Pro­zes­ses wirkt auch ge­gen die in­ter­ve­nie­ren­de Per­son, es sei denn:

a.
sie sei durch die La­ge des Pro­zes­ses zur Zeit ih­res Ein­tritts oder durch Hand­lun­gen oder Un­ter­las­sun­gen der Haupt­par­tei ver­hin­dert ge­we­sen, An­griffs- und Ver­tei­di­gungs­mit­tel gel­tend zu ma­chen; oder
b.
ihr un­be­kann­te An­griffs- oder Ver­tei­di­gungs­mit­tel sei­en von der Haupt­par­tei ab­sicht­lich oder grob­fahr­läs­sig nicht gel­tend ge­macht wor­den.

5. Kapitel: Streitverkündung

1. Abschnitt: Einfache Streitverkündung

Art. 78 Grundsätze  

1Ei­ne Par­tei, die für den Fall ih­res Un­ter­lie­gens ei­ne drit­te Per­son be­lan­gen will oder den An­spruch ei­ner drit­ten Per­son be­fürch­tet, kann die­se auf­for­dern, sie im Pro­zess zu un­ter­stüt­zen.

2Die streit­be­ru­fe­ne Per­son kann den Streit wei­ter ver­kün­den.

Art. 79 Stellung der streitberufenen Person  

1Die streit­be­ru­fe­ne Per­son kann:

a.
zu­guns­ten der Par­tei, die ihr den Streit ver­kün­det hat, oh­ne wei­te­re Vor­aus­set­zun­gen in­ter­ve­nie­ren; oder
b.
an­stel­le der Par­tei, die ihr den Streit ver­kün­det hat, mit de­ren Ein­ver­ständ­nis den Pro­zess füh­ren.

2Lehnt sie den Ein­tritt ab oder er­klärt sie sich nicht, so wird der Pro­zess oh­ne Rück­sicht auf sie fort­ge­setzt.

Art. 80 Wirkungen der Streitverkündung  

Ar­ti­kel 77 gilt sinn­ge­mä­ss.

2. Abschnitt: Streitverkündungsklage

Art. 81 Grundsätze  

1Die streit­ver­kün­den­de Par­tei kann ih­re An­sprü­che, die sie im Fal­le des Un­ter­lie­gens ge­gen die streit­be­ru­fe­ne Per­son zu ha­ben glaubt, beim Ge­richt, das mit der Haupt­kla­ge be­fasst ist, gel­tend ma­chen.

2Die streit­be­ru­fe­ne Per­son kann kei­ne wei­te­re Streit­ver­kün­dungs­kla­ge er­he­ben.

3Im ver­ein­fach­ten und im sum­ma­ri­schen Ver­fah­ren ist die Streit­ver­kün­dungs­kla­ge un­zu­läs­sig.

Art. 82 Verfahren  

1Die Zu­las­sung der Streit­ver­kün­dungs­kla­ge ist mit der Kla­geant­wort oder mit der Re­plik im Haupt­pro­zess zu be­an­tra­gen. Die Rechts­be­geh­ren, wel­che die streit­ver­kün­den­de Par­tei ge­gen die streit­be­ru­fe­ne Per­son zu stel­len ge­denkt, sind zu nen­nen und kurz zu be­grün­den.

2Das Ge­richt gibt der Ge­gen­par­tei so­wie der streit­be­ru­fe­nen Per­son Ge­le­gen­heit zur Stel­lung­nah­me.

3Wird die Streit­ver­kün­dungs­kla­ge zu­ge­las­sen, so be­stimmt das Ge­richt Zeit­punkt und Um­fang des be­tref­fen­den Schrif­ten­wech­sels; Ar­ti­kel 125 bleibt vor­be­hal­ten.

4Der Ent­scheid über die Zu­las­sung der Kla­ge ist mit Be­schwer­de an­fecht­bar.

6. Kapitel: Parteiwechsel

Art. 83  

1Wird das Streit­ob­jekt wäh­rend des Pro­zes­ses ver­äus­sert, so kann die Er­wer­be­rin oder der Er­wer­ber an Stel­le der ver­äus­sern­den Par­tei in den Pro­zess ein­tre­ten.

2Die ein­tre­ten­de Par­tei haf­tet für die ge­sam­ten Pro­zess­kos­ten. Für die bis zum Partei­wech­sel auf­ge­lau­fe­nen Pro­zess­kos­ten haf­tet die aus­schei­den­de Par­tei so­li­da­risch mit.

3In be­grün­de­ten Fäl­len hat die ein­tre­ten­de Par­tei auf Ver­lan­gen der Ge­gen­par­tei für die Voll­stre­ckung des Ent­schei­des Si­cher­heit zu leis­ten.

4Oh­ne Ver­äus­se­rung des Streit­ob­jekts ist ein Partei­wech­sel nur mit Zu­stim­mung der Ge­gen­par­tei zu­läs­sig; be­son­de­re ge­setz­li­che Be­stim­mun­gen über die Rechts­nach­fol­ge blei­ben vor­be­hal­ten.

6. Titel: Klagen

Art. 84 Leistungsklage  

1Mit der Leis­tungs­kla­ge ver­langt die kla­gen­de Par­tei die Ver­ur­tei­lung der be­klag­ten Par­tei zu ei­nem be­stimm­ten Tun, Un­ter­las­sen oder Dul­den.

2Wird die Be­zah­lung ei­nes Geld­be­tra­ges ver­langt, so ist die­ser zu be­zif­fern.

Art. 85 Unbezifferte Forderungsklage  

1Ist es der kla­gen­den Par­tei un­mög­lich oder un­zu­mut­bar, ih­re For­de­rung be­reits zu Be­ginn des Pro­zes­ses zu be­zif­fern, so kann sie ei­ne un­be­zif­fer­te For­de­rungs­kla­ge er­he­ben. Sie muss je­doch einen Min­dest­wert an­ge­ben, der als vor­läu­fi­ger Streit­wert gilt.

2Die For­de­rung ist zu be­zif­fern, so­bald die kla­gen­de Par­tei nach Ab­schluss des Be­weis­ver­fah­rens oder nach Aus­kunft­s­er­tei­lung durch die be­klag­te Par­tei da­zu in der La­ge ist. Das an­ge­ru­fe­ne Ge­richt bleibt zu­stän­dig, auch wenn der Streit­wert die sach­li­che Zu­stän­dig­keit über­steigt.

Art. 86 Teilklage  

Ist ein An­spruch teil­bar, so kann auch nur ein Teil ein­ge­klagt wer­den.

Art. 87 Gestaltungsklage  

Mit der Ge­stal­tungs­kla­ge ver­langt die kla­gen­de Par­tei die Be­grün­dung, Än­de­rung oder Auf­he­bung ei­nes be­stimm­ten Rechts oder Rechts­ver­hält­nis­ses.

Art. 88 Feststellungsklage  

Mit der Fest­stel­lungs­kla­ge ver­langt die kla­gen­de Par­tei die ge­richt­li­che Fest­stel­lung, dass ein Recht oder Rechts­ver­hält­nis be­steht oder nicht be­steht.

Art. 89 Verbandsklage  

1Ver­ei­ne und an­de­re Or­ga­ni­sa­tio­nen von ge­samtschwei­ze­ri­scher oder re­gio­na­ler Be­deu­tung, die nach ih­ren Sta­tu­ten zur Wah­rung der In­ter­es­sen be­stimm­ter Per­so­nen­grup­pen be­fugt sind, kön­nen in ei­ge­nem Na­men auf Ver­let­zung der Per­sön­lich­keit der An­ge­hö­ri­gen die­ser Per­so­nen­grup­pen kla­gen.

2Mit der Ver­bands­kla­ge kann be­an­tragt wer­den:

a.
ei­ne dro­hen­de Ver­let­zung zu ver­bie­ten;
b.
ei­ne be­ste­hen­de Ver­let­zung zu be­sei­ti­gen;
c.
die Wi­der­recht­lich­keit ei­ner Ver­let­zung fest­zu­stel­len, wenn sich die­se wei­ter­hin stö­rend aus­wirkt.

3Be­son­de­re ge­setz­li­che Be­stim­mun­gen über die Ver­bands­kla­ge blei­ben vor­be­hal­ten.

Art. 90 Klagenhäufung  

Die kla­gen­de Par­tei kann meh­re­re An­sprü­che ge­gen die­sel­be Par­tei in ei­ner Kla­ge ver­ei­nen, so­fern:

a.
das glei­che Ge­richt da­für sach­lich zu­stän­dig ist; und
b.
die glei­che Ver­fah­rens­art an­wend­bar ist.

7. Titel: Streitwert

Art. 91 Grundsatz  

1Der Streit­wert wird durch das Rechts­be­geh­ren be­stimmt. Zin­sen und Kos­ten des lau­fen­den Ver­fah­rens oder ei­ner all­fäl­li­gen Pu­bli­ka­ti­on des Ent­scheids so­wie all­fäl­li­ge Even­tu­al­be­geh­ren wer­den nicht hin­zu­ge­rech­net.

2Lau­tet das Rechts­be­geh­ren nicht auf ei­ne be­stimm­te Geld­sum­me, so setzt das Ge­richt den Streit­wert fest, so­fern sich die Par­tei­en dar­über nicht ei­ni­gen oder ih­re An­ga­ben of­fen­sicht­lich un­rich­tig sind.

Art. 92 Wiederkehrende Nutzungen und Leistungen  

1Als Wert wie­der­keh­ren­der Nut­zun­gen oder Leis­tun­gen gilt der Ka­pi­tal­wert.

2Bei un­ge­wis­ser oder un­be­schränk­ter Dau­er gilt als Ka­pi­tal­wert der zwan­zig­fa­che Be­trag der ein­jäh­ri­gen Nut­zung oder Leis­tung und bei Leib­ren­ten der Bar­wert.

Art. 93 Streitgenossenschaft und Klagenhäufung  

1Bei ein­fa­cher Streit­ge­nos­sen­schaft und Kla­gen­häu­fung wer­den die gel­tend ge­mach­ten An­sprü­che zu­sam­men­ge­rech­net, so­fern sie sich nicht ge­gen­sei­tig aus­sch­lies­sen.

2Bei ein­fa­cher Streit­ge­nos­sen­schaft bleibt die Ver­fah­rens­art trotz Zu­sam­men­rech­nung des Streit­werts er­hal­ten.

Art. 94 Widerklage  

1Ste­hen sich Kla­ge und Wi­der­kla­ge ge­gen­über, so be­stimmt sich der Streit­wert nach dem hö­he­ren Rechts­be­geh­ren.

2Zur Be­stim­mung der Pro­zess­kos­ten wer­den die Streit­wer­te zu­sam­men­ge­rech­net, so­fern sich Kla­ge und Wi­der­kla­ge nicht ge­gen­sei­tig aus­sch­lies­sen.

8. Titel: Prozesskosten und unentgeltliche Rechtspflege

1. Kapitel: Prozesskosten

Art. 95 Begriffe  

1Pro­zess­kos­ten sind:

a.
die Ge­richts­kos­ten;
b.
die Par­tei­ent­schä­di­gung.

2Ge­richts­kos­ten sind:

a.
die Pau­scha­len für das Schlich­tungs­ver­fah­ren;
b.
die Pau­scha­len für den Ent­scheid (Ent­scheid­ge­bühr);
c.
die Kos­ten der Be­weis­füh­rung;
d.
die Kos­ten für die Über­set­zung;
e.
die Kos­ten für die Ver­tre­tung des Kin­des (Art. 299 und 300).

3Als Par­tei­ent­schä­di­gung gilt:

a.
der Er­satz not­wen­di­ger Aus­la­gen;
b.
die Kos­ten ei­ner be­rufs­mäs­si­gen Ver­tre­tung;
c.
in be­grün­de­ten Fäl­len: ei­ne an­ge­mes­se­ne Um­triebs­ent­schä­di­gung, wenn ei­ne Par­tei nicht be­rufs­mäs­sig ver­tre­ten ist.
Art. 96 Tarife  

Die Kan­to­ne set­zen die Ta­ri­fe für die Pro­zess­kos­ten fest.

Art. 97 Aufklärung über die Prozesskosten  

Das Ge­richt klärt die nicht an­walt­lich ver­tre­te­ne Par­tei über die mut­mass­li­che Hö­he der Pro­zess­kos­ten so­wie über die un­ent­gelt­li­che Rechts­pfle­ge auf.

Art. 98 Kostenvorschuss  

Das Ge­richt kann von der kla­gen­den Par­tei einen Vor­schuss bis zur Hö­he der mut­mass­li­chen Ge­richts­kos­ten ver­lan­gen.

Art. 99 Sicherheit für die Parteientschädigung  

1Die kla­gen­de Par­tei hat auf An­trag der be­klag­ten Par­tei für de­ren Par­tei­ent­schä­di­gung Si­cher­heit zu leis­ten, wenn sie:

a.
kei­nen Wohn­sitz oder Sitz in der Schweiz hat;
b.
zah­lungs­un­fä­hig er­scheint, na­ment­lich wenn ge­gen sie der Kon­kurs er­öff­net oder ein Nach­lass­ver­fah­ren im Gang ist oder Ver­lust­schei­ne be­ste­hen;
c.
Pro­zess­kos­ten aus frü­he­ren Ver­fah­ren schul­det; oder
d.
wenn an­de­re Grün­de für ei­ne er­heb­li­che Ge­fähr­dung der Par­tei­ent­schä­di­gung be­ste­hen.

2Bei not­wen­di­ger Streit­ge­nos­sen­schaft ist nur dann Si­cher­heit zu leis­ten, wenn bei al­len Streit­ge­nos­sen ei­ne der Vor­aus­set­zun­gen ge­ge­ben ist.

3Kei­ne Si­cher­heit ist zu leis­ten:

a.
im ver­ein­fach­ten Ver­fah­ren mit Aus­nah­me der ver­mö­gens­recht­li­chen Strei­tig­kei­ten nach Ar­ti­kel 243 Ab­satz 1;
b.
im Schei­dungs­ver­fah­ren;
c.
im sum­ma­ri­schen Ver­fah­ren mit Aus­nah­me des Rechts­schut­zes in kla­ren Fäl­len (Art. 257).
Art. 100 Art und Höhe der Sicherheit  

1Die Si­cher­heit kann in bar oder durch Ga­ran­tie ei­ner in der Schweiz nie­der­ge­las­se­nen Bank oder ei­nes zum Ge­schäfts­be­trieb in der Schweiz zu­ge­las­se­nen Ver­si­che­rungs­un­ter­neh­mens ge­leis­tet wer­den.

2Das Ge­richt kann die zu leis­ten­de Si­cher­heit nach­träg­lich er­hö­hen, her­ab­set­zen oder auf­he­ben.

Art. 101 Leistung des Vorschusses und der Sicherheit  

1Das Ge­richt setzt ei­ne Frist zur Leis­tung des Vor­schus­ses und der Si­cher­heit.

2Vor­sorg­li­che Mass­nah­men kann es schon vor Leis­tung der Si­cher­heit an­ord­nen.

3Wer­den der Vor­schuss oder die Si­cher­heit auch nicht in­nert ei­ner Nach­frist ge­leis­tet, so tritt das Ge­richt auf die Kla­ge oder auf das Ge­such nicht ein.

Art. 102 Vorschuss für Beweiserhebungen  

1Je­de Par­tei hat die Aus­la­gen des Ge­richts vor­zu­schies­sen, die durch von ihr be­an­trag­te Be­weis­er­he­bun­gen ver­an­lasst wer­den.

2Be­an­tra­gen die Par­tei­en das­sel­be Be­weis­mit­tel, so hat je­de Par­tei die Hälf­te vor­zu­schies­sen.

3Leis­tet ei­ne Par­tei ih­ren Vor­schuss nicht, so kann die an­de­re die Kos­ten vor­schies­sen; an­dern­falls un­ter­bleibt die Be­weis­er­he­bung. Vor­be­hal­ten blei­ben Strei­tig­kei­ten, in de­nen das Ge­richt den Sach­ver­halt von Am­tes we­gen zu er­for­schen hat.

Art. 103 Rechtsmittel  

Ent­schei­de über die Leis­tung von Vor­schüs­sen und Si­cher­hei­ten sind mit Be­schwer­de an­fecht­bar.

2. Kapitel: Verteilung und Liquidation der Prozesskosten

Art. 104 Entscheid über die Prozesskosten  

1Das Ge­richt ent­schei­det über die Pro­zess­kos­ten in der Re­gel im En­dent­scheid.

2Bei ei­nem Zwi­schen­ent­scheid (Art. 237) kön­nen die bis zu die­sem Zeit­punkt ent­stan­de­nen Pro­zess­kos­ten ver­teilt wer­den.

3Über die Pro­zess­kos­ten vor­sorg­li­cher Mass­nah­men kann zu­sam­men mit der Haupt­sa­che ent­schie­den wer­den.

4In ei­nem Rück­wei­sungs­ent­scheid kann die obe­re In­stanz die Ver­tei­lung der Pro­zess­kos­ten des Rechts­mit­tel­ver­fah­rens der Vor­in­stanz über­las­sen.

Art. 105 Festsetzung und Verteilung der Prozesskosten  

1Die Ge­richts­kos­ten wer­den von Am­tes we­gen fest­ge­setzt und ver­teilt.

2Die Par­tei­ent­schä­di­gung spricht das Ge­richt nach den Ta­ri­fen (Art. 96) zu. Die Par­tei­en kön­nen ei­ne Kos­ten­no­te ein­rei­chen.

Art. 106 Verteilungsgrundsätze  

1Die Pro­zess­kos­ten wer­den der un­ter­lie­gen­den Par­tei auf­er­legt. Bei Nicht­ein­tre­ten und bei Kla­ge­rück­zug gilt die kla­gen­de Par­tei, bei An­er­ken­nung der Kla­ge die be­klag­te Par­tei als un­ter­lie­gend.

2Hat kei­ne Par­tei voll­stän­dig ob­siegt, so wer­den die Pro­zess­kos­ten nach dem Aus­gang des Ver­fah­rens ver­teilt.

3Sind am Pro­zess meh­re­re Per­so­nen als Haupt- oder Ne­ben­par­tei­en be­tei­ligt, so be­stimmt das Ge­richt ih­ren An­teil an den Pro­zess­kos­ten. Es kann auf so­li­da­ri­sche Haf­tung er­ken­nen.

Art. 107 Verteilung nach Ermessen  

1Das Ge­richt kann von den Ver­tei­lungs­grund­sät­zen ab­wei­chen und die Pro­zess­kos­ten nach Er­mes­sen ver­tei­len:

a.
wenn die Kla­ge zwar grund­sätz­lich, aber nicht in der Hö­he der For­de­rung gut­ge­heis­sen wur­de und die­se Hö­he vom ge­richt­li­chen Er­mes­sen ab­hän­gig oder die Be­zif­fe­rung des An­spruchs schwie­rig war;
b.
wenn ei­ne Par­tei in gu­ten Treu­en zur Pro­zess­füh­rung ver­an­lasst war;
c.
in fa­mi­li­en­recht­li­chen Ver­fah­ren;
d.
in Ver­fah­ren bei ein­ge­tra­ge­ner Part­ner­schaft;
e.
wenn das Ver­fah­ren als ge­gen­stands­los ab­ge­schrie­ben wird und das Ge­setz nichts an­de­res vor­sieht;
f.
wenn an­de­re be­son­de­re Um­stän­de vor­lie­gen, die ei­ne Ver­tei­lung nach dem Aus­gang des Ver­fah­rens als un­bil­lig er­schei­nen las­sen.

2Das Ge­richt kann Ge­richts­kos­ten, die we­der ei­ne Par­tei noch Drit­te ver­an­lasst ha­ben, aus Bil­lig­keits­grün­den dem Kan­ton auf­er­le­gen.

Art. 108 Unnötige Prozesskosten  

Un­nö­ti­ge Pro­zess­kos­ten hat zu be­zah­len, wer sie ver­ur­sacht hat.

Art. 109 Verteilung bei Vergleich  

1Bei ei­nem ge­richt­li­chen Ver­gleich trägt je­de Par­tei die Pro­zess­kos­ten nach Mass­ga­be des Ver­gleichs.

2Die Kos­ten wer­den nach den Ar­ti­keln 106–108 ver­teilt, wenn:

a.
der Ver­gleich kei­ne Re­ge­lung ent­hält; oder
b.
die ge­trof­fe­ne Re­ge­lung ein­sei­tig zu­las­ten ei­ner Par­tei geht, wel­cher die un­ent­gelt­li­che Rechts­pfle­ge be­wil­ligt wor­den ist.
Art. 110 Rechtsmittel  

Der Kos­ten­ent­scheid ist selbst­stän­dig nur mit Be­schwer­de an­fecht­bar.

Art. 111 Liquidation der Prozesskosten  

1Die Ge­richts­kos­ten wer­den mit den ge­leis­te­ten Vor­schüs­sen der Par­tei­en ver­rech­net. Ein Fehl­be­trag wird von der kos­ten­pflich­ti­gen Per­son nach­ge­for­dert.

2Die kos­ten­pflich­ti­ge Par­tei hat der an­de­ren Par­tei die ge­leis­te­ten Vor­schüs­se zu er­set­zen so­wie die zu­ge­spro­che­ne Par­tei­ent­schä­di­gung zu be­zah­len.

3Vor­be­hal­ten blei­ben die Be­stim­mun­gen über die un­ent­gelt­li­che Rechts­pfle­ge.

Art. 112 Stundung, Erlass, Verjährung und Verzinsung der Gerichtskosten  

1Ge­richts­kos­ten kön­nen ge­stun­det oder bei dau­ern­der Mit­tel­lo­sig­keit er­las­sen wer­den.

2Die For­de­run­gen ver­jäh­ren zehn Jah­re nach Ab­schluss des Ver­fah­rens.

3Der Ver­zugs­zins be­trägt 5 Pro­zent.

3. Kapitel: Besondere Kostenregelungen

Art. 113 Schlichtungsverfahren  

1Im Schlich­tungs­ver­fah­ren wer­den kei­ne Par­tei­ent­schä­di­gun­gen ge­spro­chen. Vor­be­hal­ten bleibt die Ent­schä­di­gung ei­ner un­ent­gelt­li­chen Rechts­bei­stän­din oder ei­nes un­ent­gelt­li­chen Rechts­bei­stan­des durch den Kan­ton.

2Kei­ne Ge­richts­kos­ten wer­den ge­spro­chen in Strei­tig­kei­ten:

a.
nach dem Gleich­stel­lungs­ge­setz vom 24. März 19951;
b.
nach dem Be­hin­der­ten­gleich­stel­lungs­ge­setz vom 13. De­zem­ber 20022;
c.
aus Mie­te und Pacht von Wohn- und Ge­schäfts­räu­men so­wie aus land­wirt­schaft­li­cher Pacht;
d.
aus dem Ar­beits­ver­hält­nis so­wie nach dem Ar­beits­ver­mitt­lungs­ge­setz vom 6. Ok­to­ber 19893 bis zu ei­nem Streit­wert von 30 000 Fran­ken;
e.
nach dem Mit­wir­kungs­ge­setz vom 17. De­zem­ber 19934;
f.
aus Zu­satz­ver­si­che­run­gen zur so­zia­len Kran­ken­ver­si­che­rung nach dem Bun­des­ge­setz vom 18. März 19945 über die Kran­ken­ver­si­che­rung.

Art. 114 Entscheidverfahren  

Im Ent­scheid­ver­fah­ren wer­den kei­ne Ge­richts­kos­ten ge­spro­chen bei Strei­tig­kei­ten:

a.
nach dem Gleich­stel­lungs­ge­setz vom 24. März 19951;
b.
nach dem Be­hin­der­ten­gleich­stel­lungs­ge­setz vom 13. De­zem­ber 20022;
c.
aus dem Ar­beits­ver­hält­nis so­wie nach dem Ar­beits­ver­mitt­lungs­ge­setz vom 6. Ok­to­ber 19893 bis zu ei­nem Streit­wert von 30 000 Fran­ken;
d.
nach dem Mit­wir­kungs­ge­setz vom 17. De­zem­ber 19934;
e.
aus Zu­satz­ver­si­che­run­gen zur so­zia­len Kran­ken­ver­si­che­rung nach dem Bun­des­ge­setz vom 18. März 19945 über die Kran­ken­ver­si­che­rung;
f.6
we­gen Ge­walt, Dro­hun­gen oder Nach­stel­lun­gen nach Ar­ti­kel 28b ZGB7 oder be­tref­fend die elek­tro­ni­sche Über­wa­chung nach Ar­ti­kel 28c ZGB.

1 SR 151.1
2 SR 151.3
3 SR 823.11
4 SR 822.14
5 SR 832.10
6 Ein­ge­fügt durch Ziff. I 2 des BG vom 14. Dez. 2018 über die Ver­bes­se­rung des Schut­zes ge­walt­be­trof­fe­ner Per­so­nen, in Kraft seit 1. Ju­li 2020 (AS 2019 2273; BBl 2017 7307).
7 SR 210

Art. 115 Kostentragungspflicht  

1Bei bös- oder mut­wil­li­ger Pro­zess­füh­rung kön­nen die Ge­richts­kos­ten auch in den un­ent­gelt­li­chen Ver­fah­ren ei­ner Par­tei auf­er­legt wer­den.

2Bei Strei­tig­kei­ten nach Ar­ti­kel 114 Buch­sta­be f kön­nen die Ge­richts­kos­ten der un­ter­lie­gen­den Par­tei auf­er­legt wer­den, wenn ge­gen sie ein Ver­bot nach Ar­ti­kel 28b ZGB1 oder ei­ne elek­tro­ni­sche Über­wa­chung nach Ar­ti­kel 28c ZGB an­ge­ord­net wird.2


1 SR 210
2 Ein­ge­fügt durch Ziff. I 2 des BG vom 14. Dez. 2018 über die Ver­bes­se­rung des Schut­zes ge­walt­be­trof­fe­ner Per­so­nen, in Kraft seit 1. Ju­li 2020 (AS 2019 2273; BBl 2017 7307).

Art. 116 Kostenbefreiung nach kantonalem Recht  

1Die Kan­to­ne kön­nen wei­te­re Be­frei­un­gen von den Pro­zess­kos­ten ge­wäh­ren.

2Be­frei­un­gen, wel­che ein Kan­ton sich selbst, sei­nen Ge­mein­den und an­de­ren kan­to­nal­recht­li­chen Kör­per­schaf­ten ge­währt, gel­ten auch für den Bund.

4. Kapitel: Unentgeltliche Rechtspflege

Art. 117 Anspruch  

Ei­ne Per­son hat An­spruch auf un­ent­gelt­li­che Rechts­pfle­ge, wenn:

a.
sie nicht über die er­for­der­li­chen Mit­tel ver­fügt; und
b.
ihr Rechts­be­geh­ren nicht aus­sichts­los er­scheint.
Art. 118 Umfang  

1Die un­ent­gelt­li­che Rechts­pfle­ge um­fasst:

a.
die Be­frei­ung von Vor­schuss- und Si­cher­heits­leis­tun­gen;
b.
die Be­frei­ung von den Ge­richts­kos­ten;
c.
die ge­richt­li­che Be­stel­lung ei­ner Rechts­bei­stän­din oder ei­nes Rechts­bei­stan­des, wenn dies zur Wah­rung der Rech­te not­wen­dig ist, ins­be­son­de­re wenn die Ge­gen­par­tei an­walt­lich ver­tre­ten ist; die Rechts­bei­stän­din oder der Rechts­bei­stand kann be­reits zur Vor­be­rei­tung des Pro­zes­ses be­stellt wer­den.

2Sie kann ganz oder teil­wei­se ge­währt wer­den.

3Sie be­freit nicht von der Be­zah­lung ei­ner Par­tei­ent­schä­di­gung an die Ge­gen­par­tei.

Art. 119 Gesuch und Verfahren  

1Das Ge­such um un­ent­gelt­li­che Rechts­pfle­ge kann vor oder nach Ein­tritt der Rechts­hän­gig­keit ge­stellt wer­den.

2Die ge­such­stel­len­de Per­son hat ih­re Ein­kom­mens- und Ver­mö­gens­ver­hält­nis­se dar­zu­le­gen und sich zur Sa­che so­wie über ih­re Be­weis­mit­tel zu äus­sern. Sie kann die Per­son der ge­wünsch­ten Rechts­bei­stän­din oder des ge­wünsch­ten Rechts­bei­stands im Ge­such be­zeich­nen.

3Das Ge­richt ent­schei­det über das Ge­such im sum­ma­ri­schen Ver­fah­ren. Die Ge­gen­par­tei kann an­ge­hört wer­den. Sie ist im­mer an­zu­hö­ren, wenn die un­ent­gelt­li­che Rechts­pfle­ge die Leis­tung der Si­cher­heit für die Par­tei­ent­schä­di­gung um­fas­sen soll.

4Die un­ent­gelt­li­che Rechts­pfle­ge kann aus­nahms­wei­se rück­wir­kend be­wil­ligt wer­den.

5Im Rechts­mit­tel­ver­fah­ren ist die un­ent­gelt­li­che Rechts­pfle­ge neu zu be­an­tra­gen.

6Aus­ser bei Bös- oder Mut­wil­lig­keit wer­den im Ver­fah­ren um die un­ent­gelt­li­che Rechts­pfle­ge kei­ne Ge­richts­kos­ten er­ho­ben.

Art. 120 Entzug der unentgeltlichen Rechtspflege  

Das Ge­richt ent­zieht die un­ent­gelt­li­che Rechts­pfle­ge, wenn der An­spruch dar­auf nicht mehr be­steht oder nie be­stan­den hat.

Art. 121 Rechtsmittel  

Wird die un­ent­gelt­li­che Rechts­pfle­ge ganz oder teil­wei­se ab­ge­lehnt oder ent­zo­gen, so kann der Ent­scheid mit Be­schwer­de an­ge­foch­ten wer­den.

Art. 122 Liquidation der Prozesskosten  

1Un­ter­liegt die un­ent­gelt­lich pro­zess­füh­ren­de Par­tei, so wer­den die Pro­zess­kos­ten wie folgt li­qui­diert:

a.
die un­ent­gelt­li­che Rechts­bei­stän­din oder der un­ent­gelt­li­che Rechts­bei­stand wird vom Kan­ton an­ge­mes­sen ent­schä­digt;
b.
die Ge­richts­kos­ten ge­hen zu­las­ten des Kan­tons;
c.
der Ge­gen­par­tei wer­den die Vor­schüs­se, die sie ge­leis­tet hat, zu­rück­er­stat­tet;
d.
die un­ent­gelt­lich pro­zess­füh­ren­de Par­tei hat der Ge­gen­par­tei die Par­tei­ent­schä­di­gung zu be­zah­len.

2Ob­siegt die un­ent­gelt­lich pro­zess­füh­ren­de Par­tei und ist die Par­tei­ent­schä­di­gung bei der Ge­gen­par­tei nicht oder vor­aus­sicht­lich nicht ein­bring­lich, so wird die un­ent­gelt­li­che Rechts­bei­stän­din oder der un­ent­gelt­li­che Rechts­bei­stand vom Kan­ton an­ge­mes­sen ent­schä­digt. Mit der Zah­lung geht der An­spruch auf den Kan­ton über.

Art. 123 Nachzahlung  

1Ei­ne Par­tei, der die un­ent­gelt­li­che Rechts­pfle­ge ge­währt wur­de, ist zur Nach­zah­lung ver­pflich­tet, so­bald sie da­zu in der La­ge ist.

2Der An­spruch des Kan­tons ver­jährt zehn Jah­re nach Ab­schluss des Ver­fah­rens.

9. Titel: Prozessleitung, prozessuales Handeln und Fristen

1. Kapitel: Prozessleitung

Art. 124 Grundsätze  

1Das Ge­richt lei­tet den Pro­zess. Es er­lässt die not­wen­di­gen pro­zess­lei­ten­den Ver­fü­gun­gen zur zü­gi­gen Vor­be­rei­tung und Durch­füh­rung des Ver­fah­rens.

2Die Pro­zess­lei­tung kann an ei­nes der Ge­richts­mit­glie­der de­le­giert wer­den.

3Das Ge­richt kann je­der­zeit ver­su­chen, ei­ne Ei­ni­gung zwi­schen den Par­tei­en her­bei­zu­füh­ren.

Art. 125 Vereinfachung des Prozesses  

Zur Ver­ein­fa­chung des Pro­zes­ses kann das Ge­richt ins­be­son­de­re:

a.
das Ver­fah­ren auf ein­zel­ne Fra­gen oder auf ein­zel­ne Rechts­be­geh­ren be­schrän­ken;
b.
ge­mein­sam ein­ge­reich­te Kla­gen tren­nen;
c.
selbst­stän­dig ein­ge­reich­te Kla­gen ver­ei­ni­gen;
d.
ei­ne Wi­der­kla­ge vom Haupt­ver­fah­ren tren­nen.
Art. 126 Sistierung des Verfahrens  

1Das Ge­richt kann das Ver­fah­ren sis­tie­ren, wenn die Zweck­mäs­sig­keit dies ver­langt. Das Ver­fah­ren kann na­ment­lich sis­tiert wer­den, wenn der Ent­scheid vom Aus­gang ei­nes an­de­ren Ver­fah­rens ab­hän­gig ist.

2Die Sis­tie­rung ist mit Be­schwer­de an­fecht­bar.

Art. 127 Überweisung bei zusammenhängenden Verfahren  

1Sind bei ver­schie­de­nen Ge­rich­ten Kla­gen rechts­hän­gig, die mit­ein­an­der in ei­nem sach­li­chen Zu­sam­men­hang ste­hen, so kann ein spä­ter an­ge­ru­fe­nes Ge­richt die bei ihm rechts­hän­gi­ge Kla­ge an das zu­erst an­ge­ru­fe­ne Ge­richt über­wei­sen, wenn die­ses mit der Über­nah­me ein­ver­stan­den ist.

2Die Über­wei­sung ist mit Be­schwer­de an­fecht­bar.

Art. 128 Verfahrensdisziplin und mutwillige Prozessführung  

1Wer im Ver­fah­ren vor Ge­richt den An­stand ver­letzt oder den Ge­schäfts­gang stört, wird mit ei­nem Ver­weis oder ei­ner Ord­nungs­bus­se bis zu 1000 Fran­ken be­straft. Das Ge­richt kann zu­dem den Aus­schluss von der Ver­hand­lung an­ord­nen.

2Das Ge­richt kann zur Durch­set­zung sei­ner An­ord­nun­gen die Po­li­zei bei­zie­hen.

3Bei bös- oder mut­wil­li­ger Pro­zess­füh­rung kön­nen die Par­tei­en und ih­re Ver­tre­tun­gen mit ei­ner Ord­nungs­bus­se bis zu 2000 Fran­ken und bei Wie­der­ho­lung bis zu 5000 Fran­ken be­straft wer­den.

4Die Ord­nungs­bus­se ist mit Be­schwer­de an­fecht­bar.

2. Kapitel: Formen des prozessualen Handelns

1. Abschnitt: Verfahrenssprache

Art. 129  

Das Ver­fah­ren wird in der Amtss­pra­che des zu­stän­di­gen Kan­tons ge­führt. Bei meh­re­ren Amtss­pra­chen re­geln die Kan­to­ne den Ge­brauch der Spra­chen.

2. Abschnitt: Eingaben der Parteien

Art. 130 Form  

1Ein­ga­ben sind dem Ge­richt in Pa­pier­form oder elek­tro­nisch ein­zu­rei­chen. Sie sind zu un­ter­zeich­nen.

2Bei elek­tro­ni­scher Ein­rei­chung muss die Ein­ga­be mit ei­ner qua­li­fi­zier­ten elek­tro­ni­schen Si­gna­tur ge­mä­ss Bun­des­ge­setz vom 18. März 20162 über die elek­tro­ni­sche Si­gna­tur ver­se­hen wer­den. Der Bun­des­rat re­gelt:

a.
das For­mat der Ein­ga­be und ih­rer Bei­la­gen;
b.
die Art und Wei­se der Über­mitt­lung;
c.
die Vor­aus­set­zun­gen, un­ter de­nen bei tech­ni­schen Pro­ble­men die Nach­rei­chung von Do­ku­men­ten auf Pa­pier ver­langt wer­den kann.

1 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. II 5 des BG vom 18. März 2016 über die elek­tro­ni­sche Si­gna­tur, in Kraft seit 1. Jan. 2017 (AS 2016 4651; BBl 2014 1001).
2 SR 943.03

Art. 131 Anzahl  

Ein­ga­ben und Bei­la­gen in Pa­pier­form sind in je ei­nem Ex­em­plar für das Ge­richt und für je­de Ge­gen­par­tei ein­zu­rei­chen; an­dern­falls kann das Ge­richt ei­ne Nach­frist an­set­zen oder die not­wen­di­gen Ko­pi­en auf Kos­ten der Par­tei er­stel­len.

Art. 132 Mangelhafte, querulatorische und rechtsmissbräuchliche Eingaben  

1Män­gel wie feh­len­de Un­ter­schrift und feh­len­de Voll­macht sind in­nert ei­ner ge­richt­li­chen Nach­frist zu ver­bes­sern. An­dern­falls gilt die Ein­ga­be als nicht er­folgt.

2Glei­ches gilt für un­le­ser­li­che, un­ge­bühr­li­che, un­ver­ständ­li­che oder weit­schwei­fi­ge Ein­ga­ben.

3Que­ru­la­to­ri­sche und rechts­miss­bräuch­li­che Ein­ga­ben wer­den oh­ne Wei­te­res zu­rück­ge­schickt.

3. Abschnitt: Gerichtliche Vorladung

Art. 133 Inhalt  

Die Vor­la­dung ent­hält:

a.
Na­me und Adres­se der vor­ge­la­de­nen Per­son;
b.
die Pro­zess­sa­che und die Par­tei­en;
c.
die Ei­gen­schaft, in wel­cher die Per­son vor­ge­la­den wird;
d.
Ort, Da­tum und Zeit des ge­for­der­ten Er­schei­nens;
e.
die Pro­zess­hand­lung, zu der vor­ge­la­den wird;
f.
die Säum­nis­fol­gen;
g.
das Da­tum der Vor­la­dung und die Un­ter­schrift des Ge­richts.
Art. 134 Zeitpunkt  

Die Vor­la­dung muss min­des­tens zehn Ta­ge vor dem Er­schei­nungs­ter­min ver­sandt wer­den, so­fern das Ge­setz nichts an­de­res be­stimmt.

Art. 135 Verschiebung des Erscheinungstermins  

Das Ge­richt kann einen Er­schei­nungs­ter­min aus zu­rei­chen­den Grün­den ver­schie­ben:

a.
von Am­tes we­gen; oder
b.
wenn es vor dem Ter­min dar­um er­sucht wird.

4. Abschnitt: Gerichtliche Zustellung

Art. 136 Zuzustellende Urkunden  

Das Ge­richt stellt den be­trof­fe­nen Per­so­nen ins­be­son­de­re zu:

a.
Vor­la­dun­gen;
b.
Ver­fü­gun­gen und Ent­schei­de;
c.
Ein­ga­ben der Ge­gen­par­tei.
Art. 137 Bei Vertretung  

Ist ei­ne Par­tei ver­tre­ten, so er­folgt die Zu­stel­lung an die Ver­tre­tung.

Art. 138 Form  

1Die Zu­stel­lung von Vor­la­dun­gen, Ver­fü­gun­gen und Ent­schei­den er­folgt durch ein­ge­schrie­be­ne Post­sen­dung oder auf an­de­re Wei­se ge­gen Emp­fangs­be­stä­ti­gung.

2Sie ist er­folgt, wenn die Sen­dung von der Adres­sa­tin oder vom Adres­sa­ten oder von ei­ner an­ge­stell­ten oder im glei­chen Haus­halt le­ben­den, min­des­tens 16 Jah­re al­ten Per­son ent­ge­gen­ge­nom­men wur­de. Vor­be­hal­ten blei­ben An­wei­sun­gen des Ge­richts, ei­ne Ur­kun­de dem Adres­sa­ten oder der Adres­sa­tin per­sön­lich zu­zu­stel­len.

3Sie gilt zu­dem als er­folgt:

a.
bei ei­ner ein­ge­schrie­be­nen Post­sen­dung, die nicht ab­ge­holt wor­den ist: am sieb­ten Tag nach dem er­folg­lo­sen Zu­stel­lungs­ver­such, so­fern die Per­son mit ei­ner Zu­stel­lung rech­nen muss­te;
b.
bei per­sön­li­cher Zu­stel­lung, wenn die Adres­sa­tin oder der Adres­sat die An­nah­me ver­wei­gert und dies von der über­brin­gen­den Per­son fest­ge­hal­ten wird: am Tag der Wei­ge­rung.

4An­de­re Sen­dun­gen kann das Ge­richt durch ge­wöhn­li­che Post zu­stel­len.

Art. 139 Elektronische Zustellung  

1Mit dem Ein­ver­ständ­nis der be­trof­fe­nen Per­son kön­nen Vor­la­dun­gen, Ver­fü­gun­gen und Ent­schei­de elek­tro­nisch zu­ge­stellt wer­den. Sie sind mit ei­ner elek­tro­ni­schen Si­gna­tur ge­mä­ss Bun­des­ge­setz vom 18. März 20162 über die elek­tro­ni­sche Si­gna­tur zu ver­se­hen.

2Der Bun­des­rat re­gelt:

a.
die zu ver­wen­den­de Si­gna­tur;
b.
das For­mat der Vor­la­dun­gen, Ver­fü­gun­gen und Ent­schei­de so­wie ih­rer Bei­la­gen;
c.
die Art und Wei­se der Über­mitt­lung;
d.
den Zeit­punkt, zu dem die Vor­la­dung, die Ver­fü­gung oder der Ent­scheid als zu­ge­stellt gilt.

1 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. II 5 des BG vom 18. März 2016 über die elek­tro­ni­sche Si­gna­tur, in Kraft seit 1. Jan. 2017 (AS 2016 4651; BBl 2014 1001).
2 SR 943.03

Art. 140 Zustellungsdomizil  

Das Ge­richt kann Par­tei­en mit Wohn­sitz oder Sitz im Aus­land an­wei­sen, ein Zu­stel­lungs­do­mi­zil in der Schweiz zu be­zeich­nen.

Art. 141 Öffentliche Bekanntmachung  

1Die Zu­stel­lung er­folgt durch Pu­bli­ka­ti­on im kan­to­na­len Amts­blatt oder im Schwei­ze­ri­schen Han­delsamts­blatt, wenn:

a.
der Auf­ent­halts­ort der Adres­sa­tin oder des Adres­sa­ten un­be­kannt ist und trotz zu­mut­ba­rer Nach­for­schun­gen nicht er­mit­telt wer­den kann;
b.
ei­ne Zu­stel­lung un­mög­lich ist oder mit aus­ser­or­dent­li­chen Um­trie­ben ver­bun­den wä­re;
c.
ei­ne Par­tei mit Wohn­sitz oder Sitz im Aus­land ent­ge­gen der An­wei­sung des Ge­richts kein Zu­stel­lungs­do­mi­zil in der Schweiz be­zeich­net hat.

2Die Zu­stel­lung gilt am Tag der Pu­bli­ka­ti­on als er­folgt.

3. Kapitel: Fristen, Säumnis und Wiederherstellung

1. Abschnitt: Fristen

Art. 142 Beginn und Berechnung  

1Fris­ten, die durch ei­ne Mit­tei­lung oder den Ein­tritt ei­nes Er­eig­nis­ses aus­ge­löst wer­den, be­gin­nen am fol­gen­den Tag zu lau­fen.

2Be­rech­net sich ei­ne Frist nach Mo­na­ten, so en­det sie im letz­ten Mo­nat an dem Tag, der die­sel­be Zahl trägt wie der Tag, an dem die Frist zu lau­fen be­gann. Fehlt der ent­spre­chen­de Tag, so en­det die Frist am letz­ten Tag des Mo­nats.

3Fällt der letz­te Tag ei­ner Frist auf einen Sams­tag, einen Sonn­tag oder einen am Ge­richts­ort vom Bun­des­recht oder vom kan­to­na­len Recht an­er­kann­ten Fei­er­tag, so en­det sie am nächs­ten Werk­tag.

Art. 143 Einhaltung  

1Ein­ga­ben müs­sen spä­tes­tens am letz­ten Tag der Frist beim Ge­richt ein­ge­reicht oder zu des­sen Han­den der Schwei­ze­ri­schen Post oder ei­ner schwei­ze­ri­schen di­plo­ma­ti­schen oder kon­su­la­ri­schen Ver­tre­tung über­ge­ben wer­den.

2Bei elek­tro­ni­scher Ein­rei­chung ist für die Wah­rung ei­ner Frist der Zeit­punkt mass­ge­bend, in dem die Quit­tung aus­ge­stellt wird, die be­stä­tigt, dass al­le Schrit­te ab­ge­schlos­sen sind, die auf der Sei­te der Par­tei für die Über­mitt­lung not­wen­dig sind.1

3Die Frist für ei­ne Zah­lung an das Ge­richt ist ein­ge­hal­ten, wenn der Be­trag spä­tes­tens am letz­ten Tag der Frist zu­guns­ten des Ge­richts der Schwei­ze­ri­schen Post über­ge­ben oder ei­nem Post- oder Bank­kon­to in der Schweiz be­las­tet wor­den ist.


1 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. II 5 des BG vom 18. März 2016 über die elek­tro­ni­sche Si­gna­tur, in Kraft seit 1. Jan. 2017 (AS 2016 4651; BBl 2014 1001).

Art. 144 Erstreckung  

1Ge­setz­li­che Fris­ten kön­nen nicht er­streckt wer­den.

2Ge­richt­li­che Fris­ten kön­nen aus zu­rei­chen­den Grün­den er­streckt wer­den, wenn das Ge­richt vor Fri­sta­blauf dar­um er­sucht wird.

Art. 145 Stillstand der Fristen  

1Ge­setz­li­che und ge­richt­li­che Fris­ten ste­hen still:

a.
vom sieb­ten Tag vor Os­tern bis und mit dem sieb­ten Tag nach Os­tern;
b.
vom 15. Ju­li bis und mit dem 15. Au­gust;
c.
vom 18. De­zem­ber bis und mit dem 2. Ja­nu­ar.

2Die­ser Fris­ten­still­stand gilt nicht für:

a.
das Schlich­tungs­ver­fah­ren;
b.
das sum­ma­ri­sche Ver­fah­ren.

3Die Par­tei­en sind auf die Aus­nah­men nach Ab­satz 2 hin­zu­wei­sen.

4Vor­be­hal­ten blei­ben die Be­stim­mun­gen des SchKG1 über die Be­trei­bungs­fe­ri­en und den Rechts­s­till­stand.


1 SR 281.1

Art. 146 Wirkungen des Stillstandes  

1Bei Zu­stel­lung wäh­rend des Still­stan­des be­ginnt der Fris­ten­lauf am ers­ten Tag nach En­de des Still­stan­des.

2Wäh­rend des Still­stan­des der Fris­ten fin­den kei­ne Ge­richts­ver­hand­lun­gen statt, es sei denn, die Par­tei­en sei­en ein­ver­stan­den.

2. Abschnitt: Säumnis und Wiederherstellung

Art. 147 Säumnis und Säumnisfolgen  

1Ei­ne Par­tei ist säu­mig, wenn sie ei­ne Pro­zess­hand­lung nicht frist­ge­recht vor­nimmt oder zu ei­nem Ter­min nicht er­scheint.

2Das Ver­fah­ren wird oh­ne die ver­säum­te Hand­lung wei­ter­ge­führt, so­fern das Ge­setz nichts an­de­res be­stimmt.

3Das Ge­richt weist die Par­tei­en auf die Säum­nis­fol­gen hin.

Art. 148 Wiederherstellung  

1Das Ge­richt kann auf Ge­such ei­ner säu­mi­gen Par­tei ei­ne Nach­frist ge­wäh­ren oder zu ei­nem Ter­min er­neut vor­la­den, wenn die Par­tei glaub­haft macht, dass sie kein oder nur ein leich­tes Ver­schul­den trifft.

2Das Ge­such ist in­nert zehn Ta­gen seit Weg­fall des Säum­nis­grun­des ein­zu­rei­chen.

3Ist ein Ent­scheid er­öff­net wor­den, so kann die Wie­der­her­stel­lung nur in­ner­halb von sechs Mo­na­ten seit Ein­tritt der Rechts­kraft ver­langt wer­den.

Art. 149 Verfahren der Wiederherstellung  

Das Ge­richt gibt der Ge­gen­par­tei Ge­le­gen­heit zur Stel­lung­nah­me und ent­schei­det end­gül­tig.

10. Titel: Beweis

1. Kapitel: Allgemeine Bestimmungen

Art. 150 Beweisgegenstand  

1Ge­gen­stand des Be­wei­ses sind recht­s­er­heb­li­che, strei­ti­ge Tat­sa­chen.

2Be­weis­ge­gen­stand kön­nen auch Übung, Orts­ge­brauch und, bei ver­mö­gens­recht­li­chen Strei­tig­kei­ten, aus­län­di­sches Recht sein.

Art. 151 Bekannte Tatsachen  

Of­fen­kun­di­ge und ge­richts­no­to­ri­sche Tat­sa­chen so­wie all­ge­mein an­er­kann­te Er­fah­rungs­sät­ze be­dür­fen kei­nes Be­wei­ses.

Art. 152 Recht auf Beweis  

1Je­de Par­tei hat das Recht, dass das Ge­richt die von ihr form- und frist­ge­recht an­ge­bo­te­nen taug­li­chen Be­weis­mit­tel ab­nimmt.

2Rechts­wid­rig be­schaff­te Be­weis­mit­tel wer­den nur be­rück­sich­tigt, wenn das In­ter­es­se an der Wahr­heits­fin­dung über­wiegt.

Art. 153 Beweiserhebung von Amtes wegen  

1Das Ge­richt er­hebt von Am­tes we­gen Be­weis, wenn der Sach­ver­halt von Am­tes we­gen fest­zu­stel­len ist.

2Es kann von Am­tes we­gen Be­weis er­he­ben, wenn an der Rich­tig­keit ei­ner nicht strei­ti­gen Tat­sa­che er­heb­li­che Zwei­fel be­ste­hen.

Art. 154 Beweisverfügung  

Vor der Be­weis­ab­nah­me wer­den die er­for­der­li­chen Be­weis­ver­fü­gun­gen ge­trof­fen. Dar­in wer­den ins­be­son­de­re die zu­ge­las­se­nen Be­weis­mit­tel be­zeich­net und wird be­stimmt, wel­cher Par­tei zu wel­chen Tat­sa­chen der Haupt- oder der Ge­gen­be­weis ob­liegt. Be­weis­ver­fü­gun­gen kön­nen je­der­zeit ab­ge­än­dert oder er­gänzt wer­den.

Art. 155 Beweisabnahme  

1Die Be­weis­ab­nah­me kann an ei­nes oder meh­re­re der Ge­richts­mit­glie­der de­le­giert wer­den.

2Aus wich­ti­gen Grün­den kann ei­ne Par­tei die Be­weis­ab­nah­me durch das ur­tei­len­de Ge­richt ver­lan­gen.

3Die Par­tei­en ha­ben das Recht, an der Be­weis­ab­nah­me teil­zu­neh­men.

Art. 156 Wahrung schutzwürdiger Interessen  

Ge­fähr­det die Be­weis­ab­nah­me die schutz­wür­di­gen In­ter­es­sen ei­ner Par­tei oder Drit­ter, wie ins­be­son­de­re de­ren Ge­schäfts­ge­heim­nis­se, so trifft das Ge­richt die er­for­der­li­chen Mass­nah­men.

Art. 157 Freie Beweiswürdigung  

Das Ge­richt bil­det sich sei­ne Über­zeu­gung nach frei­er Wür­di­gung der Be­wei­se.

Art. 158 Vorsorgliche Beweisführung  

1Das Ge­richt nimmt je­der­zeit Be­weis ab, wenn:

a.
das Ge­setz einen ent­spre­chen­den An­spruch ge­währt; oder
b.
die ge­such­stel­len­de Par­tei ei­ne Ge­fähr­dung der Be­weis­mit­tel oder ein schutz­wür­di­ges In­ter­es­se glaub­haft macht.

2An­zu­wen­den sind die Be­stim­mun­gen über die vor­sorg­li­chen Mass­nah­men.

Art. 159 Organe einer juristischen Person  

Ist ei­ne ju­ris­ti­sche Per­son Par­tei, so wer­den ih­re Or­ga­ne im Be­weis­ver­fah­ren wie ei­ne Par­tei be­han­delt.

2. Kapitel: Mitwirkungspflicht und Verweigerungsrecht

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