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Art. 176
I. Geltungsbereich. Sitz des Schiedsgerichts
1 Die Bestimmungen dieses Kapitels gelten für Schiedsgerichte mit Sitz in der Schweiz, sofern wenigstens eine Partei der Schiedsvereinbarung beim Abschluss ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihren Sitz nicht in der Schweiz hatte.132 2 Die Parteien können die Geltung dieses Kapitels durch eine Erklärung in der Schiedsvereinbarung oder in einer späteren Übereinkunft ausschliessen und die Anwendung des dritten Teils der ZPO133 vereinbaren. Die Erklärung bedarf der Form gemäss Artikel 178 Absatz 1.134 3 Der Sitz des Schiedsgerichts wird von den Parteien oder der von ihnen benannten Schiedsgerichtsinstitution, andernfalls vom Schiedsgericht135 bezeichnet.
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Art. 177
1 Gegenstand eines Schiedsverfahrens kann jeder vermögensrechtliche Anspruch sein. 2 Ist eine Partei ein Staat, ein staatlich beherrschtes Unternehmen oder eine staatlich kontrollierte Organisation, so kann sie nicht unter Berufung auf ihr eigenes Recht ihre Parteifähigkeit im Schiedsverfahren oder die Schiedsfähigkeit einer Streitsache in Frage stellen, die Gegenstand der Schiedsvereinbarung ist.
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Art. 178
III. Schiedsvereinbarung und Schiedsklausel
1 Die Schiedsvereinbarung hat schriftlich oder in einer anderen Form zu erfolgen, die den Nachweis durch Text ermöglicht.137 2 Die Schiedsvereinbarung ist im Übrigen gültig, wenn sie dem von den Parteien gewählten, dem auf die Streitsache, insbesondere dem auf den Hauptvertrag anwendbaren oder dem schweizerischen Recht entspricht. 3 Gegen eine Schiedsvereinbarung kann nicht eingewendet werden, der Hauptvertrag sei ungültig oder die Schiedsvereinbarung beziehe sich auf einen noch nicht entstandenen Streit. 4 Für eine Schiedsklausel, die in einem einseitigen Rechtsgeschäft oder in Statuten vorgesehen ist, gelten die Bestimmungen dieses Kapitels sinngemäss.138
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Art. 179139
IV. Mitglieder des Schiedsgerichts
1. Ernennung und Ersetzung
1 Die Mitglieder des Schiedsgerichts werden gemäss Vereinbarung der Parteien ernannt oder ersetzt. Haben die Parteien nichts anderes vereinbart, besteht das Schiedsgericht aus drei Mitgliedern, wobei die Parteien je ein Mitglied ernennen; die Mitglieder wählen einstimmig eine Präsidentin oder einen Präsidenten. 2 Fehlt eine Vereinbarung oder können die Mitglieder des Schiedsgerichts aus anderen Gründen nicht ernannt oder ersetzt werden, so kann das staatliche Gericht am Sitz des Schiedsgerichts angerufen werden. Haben die Parteien keinen Sitz bestimmt oder lediglich vereinbart, dass der Sitz des Schiedsgerichts in der Schweiz liegt, ist das zuerst angerufene staatliche Gericht zuständig. 3 Ist ein staatliches Gericht mit der Ernennung oder Ersetzung eines Mitglieds des Schiedsgerichts betraut, so muss es diesem Begehren stattgeben, es sei denn, eine summarische Prüfung ergebe, dass zwischen den Parteien keine Schiedsvereinbarung besteht. 4 Das staatliche Gericht trifft auf Antrag einer Partei die erforderlichen Massnahmen zur Bestellung des Schiedsgerichts, wenn die Parteien oder Mitglieder des Schiedsgerichts ihren Pflichten nicht innert 30 Tagen seit einer entsprechenden Aufforderung nachkommen. 5 Im Falle einer Mehrparteienschiedssache kann das staatliche Gericht alle Mitglieder des Schiedsgerichts ernennen. 6 Eine Person, der ein Schiedsrichteramt angetragen wird, hat das Vorliegen von Umständen, die berechtigte Zweifel an ihrer Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit wecken können, unverzüglich offenzulegen. Diese Pflicht bleibt während des ganzen Verfahrens bestehen.
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Art. 180
2. Ablehnung
a. Gründe
1 Ein Mitglied des Schiedsgerichts kann abgelehnt werden:141 - a.
- wenn es nicht den von den Parteien vereinbarten Anforderungen entspricht;
- b.
- wenn ein in der von den Parteien vereinbarten Verfahrensordnung enthaltener Ablehnungsgrund vorliegt, oder
- c.142
- wenn Umstände vorliegen, die Anlass zu berechtigten Zweifeln an seiner Unabhängigkeit oder seiner Unparteilichkeit geben.
2 Eine Partei kann ein Mitglied des Schiedsgerichts, das sie ernannt hat oder an dessen Ernennung sie mitgewirkt hat, nur aus Gründen ablehnen, von denen sie trotz gehöriger Aufmerksamkeit erst nach dessen Ernennung Kenntnis erhalten hat.143 3 …144
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Art. 180a145
1 Haben die Parteien nichts anderes vereinbart und ist das Schiedsverfahren noch nicht abgeschlossen, so ist das Ablehnungsgesuch schriftlich und begründet innert 30 Tagen seit die gesuchstellende Partei Kenntnis vom Ablehnungsgrund hat oder bei gehöriger Aufmerksamkeit haben konnte an das abgelehnte Mitglied des Schiedsgerichts zu richten und den übrigen Mitgliedern des Schiedsgerichts mitzuteilen. 2 Die gesuchstellende Partei kann innert 30 Tagen seit Einreichung des Ablehnungsgesuchs beim staatlichen Gericht die Ablehnung verlangen. Das staatliche Gericht entscheidet endgültig. 3 Während des Ablehnungsverfahrens kann das Schiedsgericht das Verfahren ohne Ausschluss des abgelehnten Mitglieds bis und mit Entscheid weiterführen, sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben.
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Art. 180b146
1 Jedes Mitglied des Schiedsgerichts kann durch Vereinbarung der Parteien abberufen werden. 2 Ist ein Mitglied des Schiedsgerichts ausser Stande, seine Aufgaben innert nützlicher Frist oder mit gehöriger Sorgfalt zu erfüllen, und haben die Parteien nichts anderes vereinbart, so kann eine Partei schriftlich und begründet beim staatlichen Gericht die Abberufung verlangen. Das staatliche Gericht entscheidet endgültig.
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Art. 181147
Das Schiedsverfahren ist hängig, sobald eine Partei mit einem Rechtsbegehren das in der Schiedsvereinbarung bezeichnete Mitglied oder die darin bezeichneten Mitglieder des Schiedsgerichts anruft oder, wenn die Vereinbarung kein Mitglied des Schiedsgerichts bezeichnet, sobald eine Partei das Verfahren zur Bestellung des Schiedsgerichts einleitet.
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Art. 182
VI. Verfahren
1. Grundsatz
1 Die Parteien können das schiedsgerichtliche Verfahren selber oder durch Verweis auf eine schiedsgerichtliche Verfahrensordnung regeln; sie können es auch einem Verfahrensrecht ihrer Wahl unterstellen.148 2 Haben die Parteien das Verfahren nicht selber geregelt, so wird dieses, soweit nötig, vom Schiedsgericht festgelegt, sei es direkt, sei es durch Bezugnahme auf ein Gesetz oder eine schiedsgerichtliche Verfahrensordnung. 3 Unabhängig vom gewählten Verfahren muss das Schiedsgericht in allen Fällen die Gleichbehandlung der Parteien sowie ihren Anspruch auf rechtliches Gehör in einem kontradiktorischen Verfahren gewährleisten. 4 Eine Partei, die das Schiedsverfahren fortsetzt, ohne einen erkannten oder bei gehöriger Aufmerksamkeit erkennbaren Verstoss gegen die Verfahrensregeln unverzüglich zu rügen, kann diesen später nicht mehr geltend machen.149
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Art. 183
2. Vorsorgliche und sichernde Massnahmen
1 Haben die Parteien nichts anderes vereinbart, so kann das Schiedsgericht auf Antrag einer Partei vorsorgliche oder sichernde Massnahmen anordnen. 2 Unterzieht sich die betroffene Partei nicht freiwillig der angeordneten Massnahme, so kann das Schiedsgericht oder eine Partei das staatliche Gericht um Mitwirkung ersuchen; dieses wendet sein eigenes Recht an.150 3 Das Schiedsgericht oder das staatliche Gericht151 können die Anordnung vorsorglicher oder sichernder Massnahmen von der Leistung angemessener Sicherheiten abhängig machen. 150 Fassung gemäss Ziff. 1 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4179; BBl 2018 7163). 151 Ausdruck gemäss Ziff. 1 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4179; BBl 2018 7163). Die Änd. wurde im ganzen Text berücksichtigt.
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Art. 184
1 Das Schiedsgericht nimmt die Beweise selber ab. 2 Ist für die Durchführung des Beweisverfahrens staatliche Rechtshilfe erforderlich, so kann das Schiedsgericht oder eine Partei mit Zustimmung des Schiedsgerichts das staatliche Gericht am Sitz des Schiedsgerichts um Mitwirkung ersuchen.152 3 Das staatliche Gericht wendet sein eigenes Recht an. Auf Antrag kann es andere Verfahrensformen anwenden oder berücksichtigen.153
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Art. 185
4. Weitere Mitwirkung des staatlichen Richters
Ist eine weitere Mitwirkung des staatlichen Gerichts erforderlich, so ist der Richter am Sitz des Schiedsgerichts zuständig.
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Art. 185a154
5. Mitwirkung des staatlichen Gerichts bei ausländischen Schiedsverfahren
1 Ein Schiedsgericht mit Sitz im Ausland oder eine Partei eines ausländischen Schiedsverfahrens kann das staatliche Gericht am Ort, an dem eine vorsorgliche oder sichernde Massnahme vollstreckt werden soll, um Mitwirkung ersuchen. Artikel 183 Absätze 2 und 3 gilt sinngemäss. 2 Ein Schiedsgericht mit Sitz im Ausland oder eine Partei eines ausländischen Schiedsverfahrens mit Zustimmung des Schiedsgerichts kann das staatliche Gericht am Ort, an dem die Beweisaufnahme erfolgen soll, um Mitwirkung ersuchen. Artikel 184 Absätze 2 und 3 gilt sinngemäss.
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Art. 186
1 Das Schiedsgericht entscheidet selbst über seine Zuständigkeit. 1bis Es entscheidet über seine Zuständigkeit ungeachtet einer bereits vor einem staatlichen Gericht oder einem anderen Schiedsgericht hängigen Klage über denselben Gegenstand zwischen denselben Parteien, es sei denn, dass beachtenswerte Gründe ein Aussetzen des Verfahrens erfordern.155 2 Die Einrede der Unzuständigkeit ist vor der Einlassung auf die Hauptsache zu erheben. 3 Das Schiedsgericht entscheidet über seine Zuständigkeit in der Regel durch Vorentscheid. 155 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 6. Okt. 2006 (Schiedsgerichtsbarkeit. Zuständigkeit), in Kraft seit 1. März 2007 (AS 2007387; BBl 2006 46774691).
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Art. 187
VIII. Schiedsentscheid
1. Anwendbares Recht
1 Das Schiedsgericht entscheidet die Streitsache nach den von den Parteien gewählten Rechtsregeln oder, bei Fehlen einer Rechtswahl, nach den Rechtsregeln, mit denen die Streitsache am engsten zusammenhängt.157 2 Die Parteien können das Schiedsgericht ermächtigen, nach Billigkeit zu entscheiden.
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Art. 188
Haben die Parteien nichts anderes vereinbart, so kann das Schiedsgericht Teilentscheide treffen.
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Art. 189
1 Der Entscheid ergeht nach dem Verfahren und in der Form, welche die Parteien vereinbart haben. 2 Fehlt eine solche Vereinbarung, so wird er mit Stimmenmehrheit gefällt oder, falls sich keine Stimmenmehrheit ergibt, durch die Präsidentin oder den Präsidenten159 des Schiedsgerichts. Der Entscheid ist schriftlich abzufassen, zu begründen, zu datieren und zu unterzeichnen. Es genügt die Unterschrift der Präsidentin oder des Präsidenten. 159 Ausdruck gemäss Ziff. 1 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4179; BBl 2018 7163). Diese Änd. wurde in der in der AS genannten Bestimmung vorgenommen.
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Art. 189a160
4. Berichtigung, Erläuterung und Ergänzung
1 Haben die Parteien nichts anderes vereinbart, kann jede Partei beim Schiedsgericht innert 30 Tagen seit Eröffnung des Entscheids beantragen, dass dieses Redaktions- und Rechnungsfehler im Entscheid berichtigt, bestimmte Teile des Entscheids erläutert oder einen ergänzenden Schiedsentscheid über Ansprüche fällt, die im Schiedsverfahren zwar geltend gemacht wurden, im Entscheid aber nicht behandelt worden sind. Innert gleicher Frist kann das Schiedsgericht von sich aus eine Berichtigung, Erläuterung oder Ergänzung vornehmen. 2 Der Antrag hemmt die Rechtsmittelfristen nicht. Bezüglich des berichtigten, erläuterten oder ergänzten Teils des Entscheids läuft die Rechtsmittelfrist von Neuem.
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Art. 190
IX. Endgültigkeit, Anfechtung, Revision
1. Anfechtung
1 Mit der Eröffnung ist der Entscheid endgültig. 2 Der Entscheid kann nur angefochten werden: - a.
- wenn die Einzelschiedsrichterin oder der Einzelschiedsrichter162 vorschriftswidrig ernannt oder das Schiedsgericht vorschriftswidrig zusammengesetzt wurde;
- b.
- wenn sich das Schiedsgericht zu Unrecht für zuständig oder unzuständig erklärt hat;
- c.
- wenn das Schiedsgericht über Streitpunkte entschieden hat, die ihm nicht unterbreitet wurden oder wenn es Rechtsbegehren unbeurteilt gelassen hat;
- d.
- wenn der Grundsatz der Gleichbehandlung der Parteien oder der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt wurde;
- e.
- wenn der Entscheid mit dem Ordre public unvereinbar ist.
3 Vorentscheide können nur aus den in Absatz 2, Buchstaben a und b genannten Gründen angefochten werden; die Beschwerdefrist beginnt mit der Zustellung des Vorentscheides. 4 Die Beschwerdefrist beträgt 30 Tage ab Eröffnung des Entscheids.163
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Art. 190a164
1 Eine Partei kann die Revision eines Entscheids verlangen, wenn: - a.
- sie nachträglich erhebliche Tatsachen erfährt oder entscheidende Beweismittel findet, die sie im früheren Verfahren trotz gehöriger Aufmerksamkeit nicht beibringen konnte; ausgeschlossen sind Tatsachen und Beweismittel, die erst nach dem Schiedsentscheid entstanden sind;
- b.
- ein Strafverfahren ergeben hat, dass durch ein Verbrechen oder ein Vergehen zum Nachteil der betreffenden Partei auf den Schiedsentscheid eingewirkt wurde; eine Verurteilung durch das Strafgericht ist nicht erforderlich; ist das Strafverfahren nicht durchführbar, so kann der Beweis auf andere Weise erbracht werden;
- c.
- ein Ablehnungsgrund gemäss Artikel 180 Absatz 1 Buchstabe c trotz gehöriger Aufmerksamkeit erst nach Abschluss des Schiedsverfahrens entdeckt wurde und kein anderes Rechtsmittel zur Verfügung steht.
2 Das Revisionsgesuch ist innert 90 Tagen seit Entdeckung des Revisionsgrundes einzureichen. Nach Ablauf von zehn Jahren seit Eintritt der Rechtskraft des Entscheids kann die Revision nicht mehr verlangt werden, ausser im Falle von Absatz 1 Buchstabe b.
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Art. 191165
3. Einzige Rechtsmittelinstanz
Einzige Rechtsmittelinstanz ist das schweizerische Bundesgericht. Die Verfahren richten sich nach den Artikeln 77 und 119a des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005166.
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Art. 192
X. Verzicht auf Rechtsmittel
1 Hat keine der Parteien ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihren Sitz in der Schweiz, so können sie durch eine Erklärung in der Schiedsvereinbarung oder in einer späteren Übereinkunft Rechtsmittel gegen Schiedsentscheide vollständig oder teilweise ausschliessen; auf eine Revision gemäss Artikel 190a Absatz 1 Buchstabe b kann nicht verzichtet werden. Die Übereinkunft bedarf der Form gemäss Artikel 178 Absatz 1.167 2 Haben die Parteien eine Anfechtung der Entscheide vollständig ausgeschlossen und sollen die Entscheide in der Schweiz vollstreckt werden, so gilt das New Yorker Übereinkommen vom 10. Juni 1958168 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche sinngemäss.
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Art. 193
XI. Hinterlegung und Vollstreckbarkeitsbescheinigung
1 Jede Partei kann auf ihre Kosten beim staatlichen Gericht am Sitz des Schiedsgerichts eine Ausfertigung des Entscheides hinterlegen.170 2 Auf Antrag einer Partei stellt das staatliche Gericht am Sitz des Schiedsgerichts eine Vollstreckbarkeitsbescheinigung aus.171 3 Auf Antrag einer Partei bescheinigt das Schiedsgericht, dass der Schiedsspruch nach den Bestimmungen dieses Gesetzes ergangen ist; eine solche Bescheinigung ist der gerichtlichen Hinterlegung gleichwertig.
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Art. 194
XII. Ausländische Schiedssprüche
Für die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche gilt das New Yorker Übereinkommen vom 10. Juni 1958172 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche.
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