Art. 1 Gegenstand und Geltungsbereich
1 Diese Verordnung regelt: - a.
- die Ermittlung und Beurteilung der Gefahren und Risiken für das Leben und die Gesundheit des Menschen sowie für die Umwelt, die von Stoffen und Zubereitungen ausgehen können;
- b.
- die Voraussetzungen für das Inverkehrbringen von Stoffen und Zubereitungen, die den Menschen oder die Umwelt gefährden können;
- c.
- den Umgang mit Stoffen und Zubereitungen, die den Menschen oder die Umwelt gefährden können;
- d.
- die Bearbeitung von Daten über Stoffe und Zubereitungen durch die Vollzugsbehörden.
2 Für Biozidprodukte und deren Wirkstoffe sowie für Pflanzenschutzmittel und deren Wirkstoffe und Formulierungshilfsstoffe gilt diese Verordnung, soweit in der Biozidprodukteverordnung vom 18. Mai 20057 beziehungsweise in der Pflanzenschutzmittelverordnung vom 12. Mai 20108 darauf verwiesen wird. 3 Für radioaktive Stoffe und Zubereitungen gilt diese Verordnung, soweit es nicht um Wirkungen geht, die auf der radioaktiven Strahlung dieser Stoffe und Zubereitungen beruhen. 4 Für kosmetische Mittel im Sinne von Artikel 53 Absatz 1 der Lebensmittel- und Gebrauchsgegenständeverordnung vom 16. Dezember 20169in Form von Fertigerzeugnissen, die für private oder berufliche Verwenderinnen bestimmt sind, gelten ausschliesslich die Artikel 5–7 und 81 und nur insoweit, als es um die Belange des Umweltschutzes sowie die Einstufung und die Beurteilung hinsichtlich der Umweltgefährlichkeit geht.10 5 Diese Verordnung gilt nicht für: - a.
- den Transport von Stoffen und Zubereitungen auf der Strasse, der Schiene, dem Wasser, in der Luft und in Rohrleitungsanlagen, mit Ausnahme von Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe b;
- b.
- die Durchfuhr von Stoffen und Zubereitungen unter Zollüberwachung, sofern dabei keine Be- oder Verarbeitung erfolgt;
- c.
- Stoffe und Zubereitungen in Form folgender Fertigerzeugnisse, die für private und berufliche Verwenderinnen bestimmt sind:11
- 1.12
- Lebensmittel nach Artikel 4 des Lebensmittelgesetzes vom 20. Juni 201413 (LMG),
- 2.
- Arzneimittel nach Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a und Medizinprodukte nach Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b des Heilmittelgesetzes vom 15. Dezember 200014,
- 3.
- Futtermittel im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 der Futtermittel-Verordnung vom 26. Oktober 201115;
- d.
- Waffen und Munition nach Artikel 4 Absätze 1 und 5 des Waffengesetzes vom 20. Juni 199716;
- e.
- Stoffe, Zubereitungen und Gegenstände, die nach Artikel 7 Absatz 6 USG Abfälle sind.
6 Für eingeführte Stoffe und Zubereitungen, die ausschliesslich umetikettiert und ansonsten unverändert ausgeführt werden, gelten die Artikel 57, 62 und 67.17 7 Für gefährliche Stoffe und Zubereitungen, die ausgeführt werden, gilt zusätzlich die PIC-Verordnung vom 10. November 200418.19
|
Art. 2 Begriffe und anwendbares Recht
1 Im Sinne einer näheren Ausführung gegenüber dem ChemG bedeuten in dieser Verordnung: - a.
- Stoff:chemisches Element und seine Verbindungen in natürlicher Form oder gewonnen durch ein Herstellungsverfahren, einschliesslich der zur Wahrung seiner Stabilität notwendigen Zusatzstoffe und der durch das angewandte Verfahren bedingten Verunreinigungen, aber mit Ausnahme von Lösungsmitteln, die von dem Stoff ohne Beeinträchtigung seiner Stabilität und ohne Änderung seiner Zusammensetzung abgetrennt werden können;
- b.
- Herstellerin:
- 1.
- jede natürliche oder juristische Person mit Wohnsitz, Geschäftssitz oder Zweigniederlassung in der Schweiz, die Stoffe, Zubereitungen oder Gegenstände beruflich oder gewerblich herstellt, gewinnt oder einführt,
- 2.20
- als Herstellerin gilt auch, wer Stoffe, Zubereitungen oder Gegenstände in der Schweiz bezieht und sie in unveränderter Zusammensetzung gewerblich abgibt:
- –
- unter eigenem Namen ohne Angabe des Namens der ursprünglichen Herstellerin
- –
- unter eigenem Handelsnamen
- –
- in einer anderen als von der ursprünglichen Herstellerin vorgesehenen Verpackung
- –
- für einen anderen Verwendungszweck oder
- –
- an einem Ort, in dessen Amtssprache die Kennzeichnung nach Artikel 10 Absatz 3 Buchstabe b durch die ursprüngliche Herstellerin nicht erfolgt ist,
- 3.21
- als alleinige Herstellerin gilt eine Person, die einen Stoff, eine Zubereitung oder einen Gegenstand durch einen Dritten in der Schweiz herstellen lässt und in der Schweiz Wohnsitz, Geschäftssitz oder Zweigniederlassung hat; hat sie weder Wohnsitz noch Geschäftssitz oder Zweigniederlassung in der Schweiz, so ist der Dritte alleinige Herstellerin.
2 Darüber hinaus bedeuten in dieser Verordnung: - a.
- berufliche Verwenderin:
- 1.
- jede natürliche oder juristische Person, die Stoffe, Zubereitungen oder Gegenstände in der Schweiz bezieht, um sie zu Erwerbszwecken zu verwenden,
- 2.
- als berufliche Verwenderin gilt auch:
- –
- jede natürliche oder juristische Person, die Stoffe, Zubereitungen oder Gegenstände in der Schweiz bezieht, um sie im Rahmen einer Ausbildung oder zu Forschungszwecken zu verwenden
- –
- jede juristische Person, die Stoffe, Zubereitungen oder Gegenstände in der Schweiz bezieht, um sie im Rahmen einer gemeinnützigen Tätigkeit zu verwenden;
- b.
- private Verwenderin: jede natürliche Person, die Stoffe, Zubereitungen oder Gegenstände zu Nichterwerbszwecken bezieht oder verwendet;
- c.
- Händlerin: jede natürliche oder juristische Person, die Stoffe, Zubereitungen oder Gegenstände in der Schweiz bezieht und unverändert gewerblich abgibt;
- d.
- Alleinvertreterin: natürliche oder juristische Person, die von einer Herstellerin mit Wohnsitz oder Geschäftssitz im Ausland zur Anmeldung eines Stoffs in der Schweiz bevollmächtigt ist und mehrere von ihr benannte Importeurinnen vertritt;
- e.
- Gegenstand:Erzeugnis, bestehend aus einem oder mehreren Stoffen oder Zubereitungen, das bei der Herstellung eine spezifische Form, Oberfläche oder Gestalt erhält, die in grösserem Masse als die chemische Zusammensetzung seine Endfunktion bestimmt;
- f.22
- alter Stoff: Stoff, der nach Artikel 5 der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006
(EU-REACH-Verordnung)23 registriert ist, mit Ausnahme von Stoffen, die: - 1.24 in höheren Mengen in Verkehr gebracht werden, als sie im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) registriert sind, oder
- 2. ausschliesslich als Zwischenprodukte registriert sind, soweit sie keine Monomere sind;
- g.
- Polymer: Stoff, der aus Molekülen besteht, die durch Ketten einer oder mehrerer Arten von Monomereinheiten gekennzeichnet sind, und der enthält:
- 1.
- eine einfache Gewichtsmehrheit von Molekülen mit mindestens drei Monomereinheiten, die zumindest mit einer weiteren Monomereinheit oder einem sonstigen Reaktanden eine kovalente Bindung eingegangen sind, und
- 2.
- weniger als eine einfache Gewichtsmehrheit von Molekülen mit demselben Molekulargewicht; diese Moleküle liegen innerhalb eines bestimmten Molekulargewichtsbereichs, wobei die Unterschiede beim Molekulargewicht im Wesentlichen auf die Unterschiede in der Zahl der Monomereinheiten zurückzuführen sind;
- h.
- Monomer:ein Stoff, der unter den Bedingungen der für den jeweiligen Prozess verwendeten relevanten polymerbildenden Reaktion imstande ist, kovalente Bindungen mit einer Sequenz weiterer ähnlicher oder unähnlicher Moleküle einzugehen;
- i.
- Monomereinheit:die gebundene Form eines Monomerstoffes in einem Polymer;
- j.
- Zwischenprodukt: Stoff, der ausschliesslich für die chemische Weiterverarbeitung hergestellt und verbraucht wird und hierbei in einen oder mehrere andere Stoffe umgewandelt wird;
- k.
- Folgeprodukt: Stoff, der bei der Lagerung, Verwendung oder Entsorgung eines Stoffs oder einer Zubereitung durch chemische oder biochemische Umwandlung entsteht;
- l.
- wissenschaftliche Forschung und Entwicklung: unter kontrollierten Bedingungen durchgeführte wissenschaftliche Versuche, Analysen oder Forschungsarbeiten mit chemischen Stoffen in Mengen unter 1 Tonne pro Jahr;
- m.
- produkt- und verfahrensorientierte Forschung und Entwicklung: mit der Produktentwicklung oder der Weiterentwicklung eines Stoffs als solchem, in Zubereitungen oder Gegenständen zusammenhängende wissenschaftliche Entwicklung, bei der zur Entwicklung des Produktionsprozesses oder zur Erprobung der Anwendungsmöglichkeiten des Stoffs Versuche in Pilot- oder Produktionsanlagen durchgeführt werden;
- n.
- qualifizierte Prüfungszusammenfassung (robust study summary): detaillierte Zusammenfassung der Ziele, Methoden, Ergebnisse und Schlussfolgerungen eines umfassenden Prüfberichts mit Informationen, die für eine unabhängige Beurteilung der Prüfung ausreichen, sodass der umfassende Prüfbericht möglichst nicht mehr eingesehen werden muss;
- o.
- Expositionsszenario: Zusammenstellung von Bedingungen einschliesslich der Verwendungsbedingungen und Risikomanagementmassnahmen, mit denen dargestellt wird, wie der Stoff hergestellt oder während seines Lebenszyklus verwendet wird und wie die Herstellerin die Exposition von Mensch und Umwelt beherrscht oder den beruflichen Verwenderinnen zu beherrschen empfiehlt; ein Expositionsszenario kann ein spezifisches Verfahren oder eine spezifische Verwendung oder gegebenenfalls verschiedene Verfahren oder Verwendungen abdecken;
- p.
- Gefahrenklasse: Art der physikalischen Gefahr, der Gefahr für die Gesundheit des Menschen oder der Gefahr für die Umwelt;
- q.
- Nanomaterial: Material, das Partikel in ungebundenem Zustand, als Aggregat oder als Agglomerat enthält, bei denen ein oder mehrere Aussenmasse im Bereich von 1 bis 100 Nanometer liegen, oder ein Material, das ein spezifisches Oberflächen-Volumen-Verhältnis von über 60 m2/cm3 aufweist; ein Material gilt nur dann als Nanomaterial, wenn es gezielt zur Nutzung der Eigenschaften hergestellt wird, die sich aus den genannten Aussenmassen der enthaltenen Partikel oder dem genannten Oberflächen-Volumen-Verhältnis des Materials ergeben; Fullerene, Graphenflocken und einwandige Kohlenstoff-Nanoröhren mit einem oder mehreren Aussenmassen unter 1 Nanometer gelten als Nanomaterialien;
- r.25
- Farbmittel: Stoffe und Zubereitungen, die im Wesentlichen Farbstoffe, Farbpigmente und effektgebende Pigmente enthalten, die ausschliesslich zum Zwecke der Färbung oder der Effekte zugemischt werden.
3 Im Übrigen werden in dieser Verordnung Begriffe, die in den Gesetzen, die die Grundlage dieser Verordnung bilden, unterschiedlich verwendet werden, im Sinne des ChemG verwendet. 4 Es gelten die Entsprechungen von Ausdrücken zwischen der EU-REACH-Verordnung, der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (EU-CLP-Verordnung)26 und der Richtlinie 75/324/EWG27 und der vorliegenden Verordnung nach Anhang 1 Ziffer 1.28 5 Wird in dieser Verordnung auf Bestimmungen der EU-REACH-Verordnung, der EU-CLP-Verordnung oder der Richtlinie 75/324/EWG verwiesen, die ihrerseits auf andere Bestimmungen dieser Rechtsakte verweisen, so gelten auch diese anderen Bestimmungen; massgebend ist dabei die in der Fussnote zu Absatz 2 Buchstabe f beziehungsweise Absatz 4 festgelegte Fassung des betreffenden EU-Rechtsakts oder, bei Verweisen auf die Anhänge der EU-CLP-Verordnung oder der EU-REACH-Verordnung, die in Anhang 2 Ziffer 1 beziehungsweise Anhang 4 Ziffer 3 festgelegte Fassung. Ausgenommen sind Weiterverweise auf die Bestimmungen der EU-REACH-Verordnung und der EU-CLP-Verordnung nach Anhang 1 Ziffer 2; an deren Stelle gelten die in Anhang 1 Ziffer 2 aufgeführten schweizerischen Bestimmungen.29 6 Wird in dieser Verordnung auf Bestimmungen der EU-REACH-Verordnung oder der EU-CLP-Verordnung verwiesen, die ihrerseits auf anderes EU-Recht verweisen, so gilt statt dieses EU-Rechts das schweizerische Recht nach Anhang 1 Ziffer 3. 7 Für das Inverkehrbringen von Stoffen und Zubereitungen, deren Entwicklung auf genutzten genetischen Ressourcen oder auf sich darauf beziehendem traditionellem Wissen basiert, bleiben die Bestimmungen der Nagoya-Verordnung vom 11. Dezember 201530 vorbehalten.31 20 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 11. März 2022, in Kraft seit 1. Mai 2022 (AS 2022 220). 21 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 31. Jan. 2018, in Kraft seit 1. März 2018 (AS 2018 801). 22 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 11. März 2022, in Kraft seit 1. Mai 2022 (AS 2022 220). 23 Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Agentur für chemische Stoffe, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1488/94 der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien 91/155/EWG, 93/67/EWG, 93/105/EG und 2000/21/EG der Kommission, ABl. L 396 vom 30.12.2006, S. 1; zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 2021/2204, ABl. L 446 vom 14.12.2021, S. 34. 24 Die Berichtigung vom 5. Mai 2022 betrifft nur den französischen Text (AS 2022 273). 25 Eingefügt durch Ziff. I der V vom 11. März 2022, in Kraft seit 1. Mai 2022 (AS 2022 220). 26 Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien 67/548/EWG und 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006, ABl. L 353 vom 31.12.2008, S. 1; zuletzt geändert durch Delegierte Verordnung (EU) 2021/1962, ABl. L 400 vom 12.11.2021, S. 16. 27 Richtlinie 75/324/EWG des Rates vom 20. Mai 1975zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Aerosolpackungen, ABl. L 147 vom 9.6.1975, S. 40; zuletzt geändert durch Richtlinie (EU) 2016/2037, ABl. L 314 vom 22.11.2016, S. 11. 28 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 11. März 2022, in Kraft seit 1. Mai 2022 (AS 2022 220). 29 Fassung gemäss Anhang Ziff. 1 der V vom 15. Nov. 2023, in Kraft seit 1. Jan. 2024 (AS 2023 709). 30 SR 451.61 31 Eingefügt durch Anhang Ziff. 2 der Nagoya-Verordnung vom 11. Dez. 2015, in Kraft seit 1. Febr. 2016 (AS 2016 277).
|