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Verfassung
des Kantons Bern

vom 6. Juni 1993 (Stand am 11. März 2015) 1

1 Diese Veröffentlichung basiert auf jenen der Änderungen im Rahmen der Gewährleis­tungsbotschaften im BBl. Sie kann vorübergehend von der Veröffentlichung in der kantonalen Gesetzessammlung abweichen. Der Stand bezeichnet daher das Datum des letzten im BBl veröffentlichten Gewährleistungsbeschlusses der Bundesversammlung.

In der Absicht, Freiheit und Recht zu schützen und ein Gemeinwesen zu gestalten, in dem alle in Verantwortung gegenüber der Schöpfung zusammenleben,

gibt sich das Volk des Kantons Bern folgende Verfassung:

1 Allgemeine Grundsätze

Art. 1

1 Der Kan­ton Bern ist ein frei­heit­li­cher, de­mo­kra­ti­scher und so­zia­ler Rechts­staat.

2 Die Staats­ge­walt be­ruht auf dem Volk. Sie wird durch die Stimm­be­rech­tig­ten und die Be­hör­den aus­ge­übt.

Art. 2

1 Der Kan­ton Bern ist ein Stand der Schwei­ze­ri­schen Eid­ge­nos­sen­schaft.

2 Er ar­bei­tet mit dem Bund und den an­de­ren Kan­to­nen zu­sam­men und ver­steht sich als Mitt­ler zwi­schen der deutsch­spra­chi­gen und der fran­zö­sisch­spra­chi­gen Schweiz.

Art. 3

1 Der Kan­ton um­fasst das Ge­biet, das ihm durch die Eid­ge­nos­sen­schaft ge­währ­leis­tet ist.

2 Er ist in Ver­wal­tungs­re­gio­nen, Ver­wal­tungs­krei­se, Amts­be­zir­ke so­wie Ge­mein­den ge­glie­dert.2

3 Zur Lö­sung be­son­de­rer Auf­ga­ben kön­nen re­gio­na­le Or­ga­ni­sa­tio­nen ge­bil­det wer­den.

2 An­ge­nom­men in der Volks­ab­stim­mung vom 24. Sept. 2006, in Kraft seit 1. Jan. 2010. Ge­währ­leis­tungs­be­schluss vom 12. Ju­ni 2008 (BBl 2008 5787Art. 1 Ziff. 1 1417).

Art. 4

1 Den Be­dürf­nis­sen von sprach­li­chen, kul­tu­rel­len und re­gio­na­len Min­der­hei­ten ist Rech­nung zu tra­gen.

2 Zu die­sem Zweck kön­nen die­sen Min­der­hei­ten be­son­de­re Be­fug­nis­se zu­er­kannt wer­den.

Art. 5

1 Dem Ber­ner Ju­ra, der die Ver­wal­tungs­re­gi­on Ber­ner Ju­ra bil­det, wird ei­ne be­son­de­re Stel­lung zu­er­kannt. Die­se soll es ihm er­mög­li­chen, sei­ne Iden­ti­tät zu be­wah­ren, sei­ne sprach­li­che und kul­tu­rel­le Ei­gen­art zu er­hal­ten und an der kan­to­na­len Po­li­tik ak­tiv teil­zu­neh­men.3

2 Der Kan­ton trifft Vor­keh­ren, um die Ver­bun­den­heit zwi­schen dem Ber­ner Ju­ra und dem üb­ri­gen Kan­ton zu stär­ken.

3 An­ge­nom­men in der Volks­ab­stim­mung vom 24. Sept. 2006, in Kraft seit 1. Jan. 2010. Ge­währ­leis­tungs­be­schluss vom 12. Ju­ni 2008 (BBl 2008 5787Art. 1 Ziff. 1 1417).

Art. 6

1 Das Deut­sche und das Fran­zö­si­sche sind die ber­ni­schen Lan­des- und Amts­spra­chen.

2 Die Amtss­pra­chen sind:

a.
das Fran­zö­si­sche in der Ver­wal­tungs­re­gi­on Ber­ner Ju­ra;
b.
das Deut­sche und das Fran­zö­si­sche in der Ver­wal­tungs­re­gi­on See­land so­wie im Ver­wal­tungs­kreis Bi­el/Bi­enne;
c.
das Deut­sche in den üb­ri­gen Ver­wal­tungs­re­gio­nen so­wie im Ver­wal­tungs­kreis See­land.4

3 Die Amtss­pra­chen der Ge­mein­den in der Ver­wal­tungs­re­gi­on See­land sind:

a.
das Deut­sche und das Fran­zö­si­sche für die Ge­mein­den Bi­el/Bi­enne und Leu­brin­gen;
b.
das Deut­sche für die üb­ri­gen Ge­mein­den.5

4 Kan­ton und Ge­mein­den kön­nen be­son­de­ren Ver­hält­nis­sen, die sich aus der Zwei­spra­chig­keit des Kan­tons er­ge­ben, Rech­nung tra­gen.6

5 An die für den gan­zen Kan­ton zu­stän­di­gen Be­hör­den kön­nen sich al­le in der Amtss­pra­che ih­rer Wahl wen­den.7

4 An­ge­nom­men in der Volks­ab­stim­mung vom 24. Sept. 2006, in Kraft seit 1. Jan. 2010. Ge­währ­leis­tungs­be­schluss vom 12. Ju­ni 2008 (BBl 2008 5787Art. 1 Ziff. 1 1417).

5 An­ge­nom­men in der Volks­ab­stim­mung vom 24. Sept. 2006, in Kraft seit 1. Jan. 2010. Ge­währ­leis­tungs­be­schluss vom 12. Ju­ni 2008 (BBl 2008 5787Art. 1 Ziff. 1 1417).

6 Ur­sprüng­lich Abs. 3.

7 Ur­sprüng­lich Abs. 4.

Art. 7

1 Er­werb und Ver­lust des Kan­tons- und des Ge­mein­de­bür­ger­rechts wer­den im Rah­men des Bun­des­rechts durch die Ge­setz­ge­bung un­ter Vor­be­halt fol­gen­der Grund­sät­ze ge­re­gelt.8

2 Das Kan­tons­bür­ger­recht be­ruht auf dem Ge­mein­de­bür­ger­recht.

3 Nicht ein­ge­bür­gert wird na­ment­lich, wer:

a.
we­gen ei­nes Ver­bre­chens rechts­kräf­tig ver­ur­teilt wor­den ist oder wer für ei­ne Straf­tat zu ei­ner Frei­heits­s­tra­fe von min­des­tens zwei Jah­ren rechts­kräf­tig ver­ur­teilt wor­den ist;
b.
Leis­tun­gen von der So­zi­al­hil­fe be­zieht oder be­zo­ge­ne Leis­tun­gen nicht voll­um­fäng­lich zu­rück­be­zahlt hat;
c.
nicht nach­weis­lich über gu­te Kennt­nis­se ei­ner Amtss­pra­che ver­fügt;
d.
nicht nach­weis­lich über aus­rei­chen­de Kennt­nis­se des schwei­ze­ri­schen und kan­to­na­len Staats­auf­baus und sei­ner Ge­schich­te ver­fügt;
e.
nicht über ei­ne Nie­der­las­sungs­ver­fü­gung ver­fügt.9

4 Es be­steht kein An­spruch auf Ein­bür­ge­rung.10

8 An­ge­nom­men in der Volks­ab­stim­mung vom 24. Nov. 2013, in Kraft seit 11. Dez. 2013. Ge­währ­leis­tungs­be­schluss vom 11. März 2015 (BBl 2015 3035Art. 1 Ziff. 1, 2014 9091).

9 An­ge­nom­men in der Volks­ab­stim­mung vom 24. Nov. 2013, in Kraft seit 11. Dez. 2013. Ge­währ­leis­tungs­be­schluss vom 11. März 2015 (BBl 2015 3035Art. 1 Ziff. 1, 2014 9091).

10 An­ge­nom­men in der Volks­ab­stim­mung vom 24. Nov. 2013, in Kraft seit 11. Dez. 2013. Ge­währ­leis­tungs­be­schluss vom 11. März 2015 (BBl 2015 3035Art. 1 Ziff. 1, 2014 9091).

Art. 8

1 Je­de Per­son hat die Pflich­ten zu er­fül­len, die ihr durch die Ver­fas­sung und die auf ihr be­ru­hen­de Ge­setz­ge­bung auf­er­legt wer­den.

2 Ne­ben der Ver­ant­wor­tung für sich selbst trägt je­de Per­son Ver­ant­wor­tung ge­gen­über den Mit­menschen so­wie Mit­ver­ant­wor­tung da­für, dass das Recht zur Selbst­be­stim­mung auch künf­ti­gen Ge­ne­ra­tio­nen ge­wahrt bleibt.

2 Grundrechte, Sozialrechte, Sozialziele

2.1 Grundrechte

Art. 9

Die Wür­de des Men­schen ist zu ach­ten und zu schüt­zen.

Art. 10

1 Die Rechts­gleich­heit ist ge­währ­leis­tet. Dis­kri­mi­nie­run­gen, ins­be­son­de­re auf­grund von Ras­se, Haut­far­be, Ge­schlecht, Spra­che, Her­kunft, Le­bens­form so­wie po­li­ti­scher oder re­li­gi­öser Über­zeu­gung sind in kei­nem Fall zu­läs­sig.

2 Mann und Frau sind gleich­be­rech­tigt. Sie ha­ben ein Recht auf glei­chen Zu­gang zu öf­fent­li­chen Bil­dungs­ein­rich­tun­gen und Äm­tern, auf glei­che Aus­bil­dung so­wie auf glei­chen Lohn für gleich­wer­ti­ge Ar­beit.

3 Kan­ton und Ge­mein­den för­dern die tat­säch­li­che Gleich­stel­lung von Mann und Frau.

Art. 11

1 Je­de Per­son hat ein Recht auf Schutz vor staat­li­cher Will­kür.

2 Der Schutz von Treu und Glau­ben ist ge­währ­leis­tet.

Art. 12

1 Die per­sön­li­che Frei­heit ist ge­währ­leis­tet, ins­be­son­de­re das Recht auf kör­per­li­che und geis­ti­ge Un­ver­sehrt­heit und auf Be­we­gungs­frei­heit.

2 Fol­ter, un­mensch­li­che und er­nied­ri­gen­de Stra­fen oder Be­hand­lun­gen sind in kei­nem Fall zu­läs­sig.

3 Je­de Per­son hat ein Recht auf Ach­tung ih­rer Pri­vat­sphä­re, ih­rer Woh­nung und ih­res Brief- und Fern­mel­de­ver­kehrs.

Art. 13

1 Das Recht auf Ehe und Fa­mi­li­en­le­ben ist ge­schützt.

2 Die freie Wahl ei­ner an­de­ren Form des ge­mein­schaft­li­chen Zu­sam­men­le­bens ist ge­währ­leis­tet.

Art. 14

1 Die Glau­bens- und Ge­wis­sens­frei­heit und ih­re Aus­übung sind ge­währ­leis­tet.

2 In kei­nem Fall ist es zu­läs­sig, je­man­den zu ei­ner re­li­gi­ösen Hand­lung oder zu ei­nem Be­kennt­nis zu zwin­gen.

Art. 15

Die Spra­chen­frei­heit ist ge­währ­leis­tet.

Art. 16

Die freie Wahl von Wohn­sitz und Auf­ent­halt ist ge­währ­leis­tet.

Art. 17

1 Je­de Per­son hat das Recht, ih­re Mei­nung frei zu bil­den, sie un­ge­hin­dert zu äus­sern und in Wort, Schrift, Bild oder in an­de­rer Wei­se zu ver­brei­ten.

2 Aus­ser­halb be­son­de­rer Rechts­ver­hält­nis­se ist die Vor­zen­sur in kei­nem Fall zu­läs­sig.

3 Je­de Per­son hat ein Recht auf Ein­sicht in amt­li­che Ak­ten, so­weit kei­ne über­wie­gen­den öf­fent­li­chen oder pri­va­ten In­ter­es­sen ent­ge­gen­ste­hen.

Art. 18

1 Je­de Per­son hat das Recht, die über sie be­ar­bei­te­ten Da­ten ein­zu­se­hen und zu ver­lan­gen, dass un­rich­ti­ge Da­ten be­rich­tigt und un­ge­eig­ne­te oder un­nö­ti­ge Da­ten ver­nich­tet wer­den.

2 Be­hör­den dür­fen Per­so­nen­da­ten nur be­ar­bei­ten, wenn ei­ne ge­setz­li­che Grund­la­ge be­steht und die Da­ten für die Er­fül­lung ih­rer Auf­ga­ben ge­eig­net und not­wen­dig sind.

3 Sie ver­ge­wis­sern sich, dass die be­ar­bei­te­ten Da­ten rich­tig sind, und sie si­chern sie vor miss­bräuch­li­cher Ver­wen­dung.

Art. 19

1 Je­de Per­son hat das Recht, sich mit an­dern zu ver­sam­meln und zu Ver­ei­ni­gun­gen zu­sam­men­zu­sch­lies­sen oder Ver­samm­lun­gen und Ver­ei­ni­gun­gen fern­zu­blei­ben.

2 Kund­ge­bun­gen auf öf­fent­li­chem Grund kön­nen durch Ge­setz oder Ge­mein­de­re­gle­ment be­wil­li­gungs­pflich­tig er­klärt wer­den. Sie sind zu ge­stat­ten, wenn ein ge­ord­ne­ter Ab­lauf ge­si­chert und die Be­ein­träch­ti­gung der an­de­ren Be­nut­ze­rin­nen und Be­nut­zer zu­mut­bar er­scheint.

Art. 20

1 Je­de Per­son hat das Recht, Pe­ti­tio­nen an Be­hör­den zu rich­ten und da­für Un­ter­schrif­ten zu sam­meln, oh­ne Nach­tei­le zu er­lei­den.

2 Ein­schrän­kun­gen des Rechts, in­di­vi­du­el­le Pe­ti­tio­nen ein­zu­rei­chen, sind in kei­nem Fall zu­läs­sig.

3 Pe­ti­tio­nen müs­sen von der zu­stän­di­gen Be­hör­de in­ner­halb ei­nes Jah­res ge­prüft und be­ant­wor­tet wer­den.

Art. 21

1 Die Be­fug­nis zu un­ter­rich­ten so­wie die Frei­heit von For­schung und Leh­re sind ge­währ­leis­tet.

2 Die in Wis­sen­schaft, For­schung und Leh­re tä­ti­gen Per­so­nen neh­men ih­re Ver­ant­wor­tung ge­gen­über der In­te­gri­tät des Le­bens von Men­schen, Tie­ren, Pflan­zen und de­ren Le­bens­grund­la­gen wahr.

Art. 22

Die Frei­heit des künst­le­ri­schen Aus­drucks ist ge­währ­leis­tet.

Art. 23

1 Die freie Wahl des Be­ru­fes und des Ar­beits­plat­zes, die freie wirt­schaft­li­che Be­tä­ti­gung so­wie das Recht zu be­ruf­li­chem und ge­werk­schaft­li­chem Zu­sam­menschluss sind ge­währ­leis­tet.

2 Das In­sti­tut der Ver­trags­frei­heit ist un­an­tast­bar.

Art. 24

1 Das Ei­gen­tum ist ge­währ­leis­tet und als In­sti­tut un­an­tast­bar.

2 Bei Ent­eig­nun­gen und Ei­gen­tums­be­schrän­kun­gen, die ei­ner Enteig­nung gleich­kom­men, ist vol­le Ent­schä­di­gung zu leis­ten.

3 Kan­ton und Ge­mein­den schaf­fen güns­ti­ge Vor­aus­set­zun­gen zur brei­ten Streu­ung des pri­va­ten Grund­ei­gen­tums, ins­be­son­de­re zur Selbst­nut­zung und Selbst­be­wirt­schaf­tung.

Art. 25

1 Die Frei­heit darf ei­ner Per­son nur in den vom Ge­setz be­stimm­ten Fäl­len und For­men ent­zo­gen wer­den.

2 Je­de Per­son, der die Frei­heit ent­zo­gen wird, muss un­ver­züg­lich in ei­ner ihr ver­ständ­li­chen Spra­che über die Grün­de und die ihr zu­ste­hen­den Rech­te un­ter­rich­tet wer­den. Sie hat das Recht, ih­re An­ge­hö­ri­gen so bald als mög­lich be­nach­rich­ti­gen zu las­sen.

3 Je­de ei­ner Straf­tat ver­däch­tig­te, po­li­zei­lich fest­ge­nom­me­ne Per­son muss in­nert mög­lichst kur­z­er Frist von ei­ner rich­ter­li­chen In­stanz an­ge­hört wer­den, wel­che über die Fort­dau­er des Frei­heits­ent­zu­ges zu ent­schei­den hat. Bleibt die Per­son in Haft, hat sie das Recht, in­nert an­ge­mes­se­ner Frist be­ur­teilt oder aus der Haft ent­las­sen zu wer­den.

4 Je­de Per­son, der die Frei­heit ent­zo­gen wor­den ist, hat das Recht:

a.
einen Rechts­bei­stand bei­zu­zie­hen und mit ihm frei zu ver­keh­ren;
b.
den Frei­heits­ent­zug in ei­nem ein­fa­chen und ra­schen ge­richt­li­chen Ver­fah­ren über­prü­fen zu las­sen.

5 Er­weist sich der Frei­heits­ent­zug als wi­der­recht­lich oder un­ge­recht­fer­tigt, schul­det das Ge­mein­we­sen der be­trof­fe­nen Per­son vol­len Er­satz des Scha­dens und al­len­falls Ge­nug­tu­ung.

6 Ein­schrän­kun­gen der Ga­ran­ti­en der Ab­sät­ze 1 bis 3 sind in kei­nem Fall zu­läs­sig.

Art. 26

1 Je­de Per­son hat ein un­an­tast­ba­res Recht auf un­ab­hän­gi­ge, un­par­tei­ische und vom Ge­setz vor­ge­se­he­ne Rich­te­rin­nen und Rich­ter.

2 Die Par­tei­en ha­ben in al­len Ver­fah­ren ein Recht auf An­hö­rung, auf Ak­ten­ein­sicht, auf einen be­grün­de­ten Ent­scheid in­nert an­ge­mes­se­ner Frist so­wie auf ei­ne Rechts­mit­tel­be­leh­rung.

3 Min­der­be­mit­tel­te ha­ben ein Recht auf un­ent­gelt­li­chen Rechts­schutz.

4 Je­de Per­son gilt als un­schul­dig, bis sie in ei­nem ge­richt­li­chen Ver­fah­ren rechts­kräf­tig ver­ur­teilt ist. Im Zwei­fel ist zu­guns­ten der An­ge­schul­dig­ten zu ent­schei­den.

5 Die Ver­ur­tei­lung we­gen ei­ner Hand­lung oder Un­ter­las­sung, die zur Zeit ih­rer Be­ge­hung nicht straf­bar war, ist in kei­nem Fall zu­läs­sig.

Art. 27

1 Die Grund­rech­te müs­sen in der gan­zen Rechts­ord­nung zur Gel­tung kom­men.

2 Wer öf­fent­li­che Auf­ga­ben wahr­nimmt, ist an die Grund­rech­te ge­bun­den und trägt zu ih­rer Ver­wirk­li­chung bei.

3 Die Grund­rech­te gel­ten auch für Aus­län­de­rin­nen und Aus­län­der, so­fern das Bun­des­recht nichts an­de­res vor­sieht.

4 Ur­teils­fä­hi­ge Un­mün­di­ge und Ent­mün­dig­te kön­nen die ih­nen um ih­rer Per­sön­lich­keit wil­len zu­ste­hen­den Rech­te selb­stän­dig gel­tend ma­chen.

Art. 28

1 Je­de Ein­schrän­kung ei­nes Grund­rechts be­darf ei­ner Grund­la­ge im Ge­setz. In­halt, Zweck und Um­fang sind hin­rei­chend zu be­stim­men. Vor­be­hal­ten blei­ben Fäl­le erns­ter, un­mit­tel­ba­rer und of­fen­sicht­li­cher Ge­fahr, ins­be­son­de­re wenn Le­ben und Ge­sund­heit von Men­schen, die Aus­übung de­mo­kra­ti­scher Rech­te oder nicht wie­der­gutz­u­ma­chen­de Schä­den an der Um­welt in Fra­ge ste­hen.

2 Die Grund­rech­te kön­nen nur ein­ge­schränkt wer­den, wenn der Schutz ei­nes über­wie­gen­den öf­fent­li­chen In­ter­es­ses oder ei­nes ent­ge­gens­te­hen­den Grund­rechts ei­nes Pri­va­ten es recht­fer­tigt.

3 Die Ein­schrän­kun­gen müs­sen ver­hält­nis­mäs­sig sein.

4 Der Kern der Grund­rech­te ist un­an­tast­bar. Zum Kern­ge­halt ge­hö­ren ins­be­son­de­re Ge­währ­leis­tun­gen, wel­che die­se Ver­fas­sung als un­an­tast­bar be­zeich­net oder bei de­nen sie Ein­schrän­kun­gen in kei­nem Fall zu­lässt.

2.2 Sozialrechte

Art. 29

1 Je­de Per­son hat bei Not­la­gen An­spruch auf ein Ob­dach, auf die für ein men­schen­wür­di­ges Le­ben not­wen­di­gen Mit­tel und auf grund­le­gen­de me­di­zi­ni­sche Ver­sor­gung.

2 Je­des Kind hat An­spruch auf Schutz, Für­sor­ge und Be­treu­ung so­wie auf ei­ne sei­nen Fä­hig­kei­ten ent­spre­chen­de, un­ent­gelt­li­che Schul­bil­dung.

3 Op­fer schwe­rer Straf­ta­ten ha­ben An­spruch auf Hil­fe zur Über­win­dung ih­rer Schwie­rig­kei­ten.

2.3 Sozialziele

Art. 30

1 Kan­ton und Ge­mein­den set­zen sich zum Ziel, dass:

a.
al­le ih­ren Un­ter­halt durch Ar­beit zu an­ge­mes­se­nen Be­din­gun­gen be­strei­ten kön­nen, ge­gen die Fol­gen von un­ver­schul­de­ter Ar­beits­lo­sig­keit ge­schützt sind und in den Ge­nuss von be­zahl­ten Fe­ri­en ge­lan­gen;
b.
al­le zu trag­ba­ren Be­din­gun­gen woh­nen kön­nen;
c.
Frau­en vor und nach ei­ner Ge­burt ma­te­ri­ell ge­si­chert sind;
d.
ge­eig­ne­te Be­din­gun­gen für die Be­treu­ung von Kin­dern ge­schaf­fen und die Fa­mi­li­en in der Er­fül­lung ih­rer Auf­ga­ben un­ter­stützt wer­den;
e.
die An­lie­gen und Be­dürf­nis­se der Kin­der und der Ju­gend­li­chen be­rück­sich­tigt wer­den;
f.
al­le sich ge­mä­ss ih­ren Fä­hig­kei­ten und Nei­gun­gen bil­den und wei­ter­bil­den kön­nen;
g.
al­le Men­schen, die we­gen Al­ter, Ge­brech­lich­keit, Krank­heit oder Be­hin­de­rung der Hil­fe be­dür­fen, aus­rei­chen­de Pfle­ge und Un­ter­stüt­zung er­hal­ten.

2 Sie ver­wirk­li­chen die­se Zie­le in Er­gän­zung der pri­va­ten In­itia­ti­ve und Ver­ant­wor­tung so­wie im Rah­men der ver­füg­ba­ren Mit­tel.

3 Öffentliche Aufgaben

3.1 Umwelt-, Landschafts- und Heimatschutz

Art. 31

1 Die na­tür­li­che Um­welt ist für die ge­gen­wär­ti­gen und künf­ti­gen Ge­ne­ra­tio­nen ge­sund zu er­hal­ten. Sie soll durch staat­li­che und pri­va­te Tä­tig­kei­ten so we­nig wie mög­lich be­las­tet wer­den.

2 Die na­tür­li­chen Le­bens­grund­la­gen dür­fen nur so­weit be­an­sprucht wer­den, als ih­re Er­neue­rungs­fä­hig­keit und ih­re Ver­füg­bar­keit wei­ter­hin ge­währ­leis­tet blei­ben.

3 Kan­ton und Ge­mein­den sor­gen für den Schutz des Men­schen und der na­tür­li­chen Um­welt vor schäd­li­chen und läs­ti­gen Ein­wir­kun­gen. Der Kan­ton sorgt zu­dem für den Schutz vor mög­li­chen Ge­fah­ren gen­tech­ni­scher Ver­fah­ren oder Pro­duk­te.

4 Kan­ton und Ge­mein­den schüt­zen die Tier- und Pflan­zen­welt so­wie de­ren Le­bens­räu­me.

5 Kos­ten für Um­welt­schutz­mass­nah­men sind in der Re­gel nach dem Ver­ur­sa­cher­prin­zip zu tra­gen.

Art. 32

Kan­ton und Ge­mein­den tref­fen in Zu­sam­men­ar­beit mit pri­va­ten Or­ga­ni­sa­tio­nen Mass­nah­men für die Er­hal­tung schüt­zens­wer­ter Land­schafts- und Orts­bil­der so­wie der Na­tur­denk­mä­ler und Kul­tur­gü­ter

3.2 Raum- und Bauordnung

Art. 33

1 Kan­ton und Ge­mein­den stel­len ei­ne haus­häl­te­ri­sche Nut­zung des Bo­dens, ei­ne ge­ord­ne­te Be­sied­lung des Lan­des und die Er­hal­tung von Er­ho­lungs­raum si­cher.

2 Die Raum- und Bau­ord­nung ist auf die er­wünsch­te Ent­wick­lung des Kan­tons aus­zu­rich­ten. Sie be­rück­sich­tigt die ver­schie­den­ar­ti­gen Be­dürf­nis­se der Be­völ­ke­rung und der Wirt­schaft so­wie den Schutz der Um­welt.

3 Der Kan­ton sorgt für die Er­hal­tung von ge­nü­gend land­wirt­schaft­lich nutz­ba­rem Kul­tur­land.

3.3 Verkehr, Wasser, Energie und Abfälle

Art. 34

1 Kan­ton und Ge­mein­den sor­gen für ei­ne si­che­re, wirt­schaft­li­che, um­welt­ge­rech­te und ener­gie­spa­ren­de Ver­kehrs­ord­nung.

2 Sie för­dern den öf­fent­li­chen Ver­kehr und das Um­stei­gen auf um­welt­freund­li­che Ver­kehrs­mit­tel.

3 Sie be­rück­sich­ti­gen beim Stras­sen­bau die Be­dürf­nis­se des nicht mo­to­ri­sier­ten Ver­kehrs.

4 Sie be­rück­sich­ti­gen bei der Er­fül­lung ih­rer Auf­ga­ben die Aus­wir­kun­gen auf das Ver­kehrs­auf­kom­men.

Art. 35

1 Kan­ton und Ge­mein­den si­chern die Was­ser­ver­sor­gung.

2 Sie tref­fen Mass­nah­men für ei­ne um­welt­ge­rech­te, wirt­schaft­li­che und aus­rei­chen­de Ener­gie­ver­sor­gung. Sie för­dern die Nut­zung er­neu­er­ba­rer Ener­gi­en.

3 Sie set­zen sich für ei­ne spar­sa­me und ra­tio­nel­le Ver­wen­dung von Was­ser und Ener­gie ein.

Art. 36

1 Kan­ton und Ge­mein­den wir­ken auf ei­ne ver­min­der­te Be­las­tung des Was­sers hin und sor­gen für ei­ne um­welt­ge­rech­te Rei­ni­gung der Ab­wäs­ser.

2 Sie tref­fen Mass­nah­men zur Ver­min­de­rung der Ab­fäl­le und für de­ren Wie­der­ver­wer­tung. Nicht ver­wert­ba­re Ab­fäl­le sind um­welt­ge­recht zu ent­sor­gen.

3.4 Öffentliche Ordnung und Sicherheit

Art. 37

Kan­ton und Ge­mein­den sor­gen für die öf­fent­li­che Ord­nung und Si­cher­heit.

3.5 Soziale Sicherheit

Art. 38

1 Kan­ton und Ge­mein­den sor­gen zu­sam­men mit öf­fent­li­chen und pri­va­ten Or­ga­ni­sa­tio­nen für hilfs­be­dürf­ti­ge Men­schen.

2 Sie för­dern die Vor­sor­ge und Selbst­hil­fe, be­kämp­fen die Ur­sa­chen der Ar­mut und beu­gen so­zia­len Not­la­gen vor.

3 Sie kön­nen die Leis­tun­gen des Bun­des für die so­zia­le Si­cher­heit er­gän­zen.

Art. 39

1 Kan­ton und Ge­mein­den tref­fen Mass­nah­men, um Ar­beits­lo­sig­keit zu ver­mei­den und de­ren Fol­gen zu mil­dern. Sie un­ter­stüt­zen die be­ruf­li­che Um­schu­lung und Wie­der­ein­glie­de­rung.

2 Der Kan­ton för­dert die Ar­beits­si­cher­heit und die Ar­beits­me­di­zin.

3 Kan­ton und Ge­mein­den neh­men bei recht­mäs­si­gen Kampf­mass­nah­men zwi­schen So­zi­al­part­nern nicht Par­tei.

4 Sie för­dern die Ver­ein­bar­keit von Er­werbs­tä­tig­keit und Be­treu­ungs­auf­ga­ben.

Art. 40

Kan­ton und Ge­mein­den tref­fen Mass­nah­men für die Er­hal­tung preis­güns­ti­ger Woh­nun­gen und für die Ver­bes­se­rung un­ge­nü­gen­der Wohn­ver­hält­nis­se. Sie för­dern den preis­güns­ti­gen Woh­nungs­bau.

3.6 Gesundheitswesen

Art. 41

1 Kan­ton und Ge­mein­den schüt­zen und för­dern die Ge­sund­heit. Sie sor­gen für ei­ne aus­rei­chen­de und wirt­schaft­lich trag­ba­re me­di­zi­ni­sche und pfle­ge­ri­sche Ver­sor­gung der Be­völ­ke­rung und stel­len die da­für not­wen­di­gen Ein­rich­tun­gen be­reit.

2 Der Kan­ton si­chert durch Pla­nung und ein zweck­mäs­si­ges Fi­nan­zie­rungs­sys­tem den wirk­sa­men und wirt­schaft­li­chen Ein­satz der öf­fent­li­chen Mit­tel. Er stellt die Ko­or­di­na­ti­on mit pri­va­ten Ein­rich­tun­gen si­cher.

3 Kan­ton und Ge­mein­den för­dern die Hil­fe und die Pfle­ge zu Hau­se. Sie un­ter­stüt­zen wirk­sa­me Mass­nah­men im Be­reich der Sucht­prä­ven­ti­on.

4 Der Kan­ton för­dert na­tür­li­che Heil­me­tho­den.

5 Er be­auf­sich­tigt die öf­fent­li­chen und pri­va­ten Ein­rich­tun­gen, die Ge­sund­heits­be­ru­fe und das Heil­mit­tel­we­sen.

3.7 Bildung und Forschung

Art. 42

1 Das Bil­dungs­we­sen hat zum Ziel, die har­mo­ni­sche Ent­wick­lung der kör­per­li­chen, geis­ti­gen, schöp­fe­ri­schen, emo­tio­na­len und so­zia­len Fä­hig­kei­ten zu för­dern so­wie das Ver­ant­wor­tungs­be­wusst­sein ge­gen­über der Um­welt zu stär­ken.

2 Kan­ton und Ge­mein­den un­ter­stüt­zen die El­tern in der Er­zie­hung und Aus­bil­dung der Kin­der.

Art. 43

1 Kan­ton und Ge­mein­den füh­ren öf­fent­li­che Kin­der­gär­ten und Schu­len. Der Un­ter­richt ist kon­fes­sio­nell und po­li­tisch neu­tral.

2 Sie kön­nen an Pri­vat­schu­len, die öf­fent­li­che Auf­ga­ben er­fül­len, Bei­trä­ge leis­ten.

3 Der Kan­ton ord­net die Auf­sicht über die Pri­vat­schu­len und den Pri­vat­un­ter­richt.

Art. 44

1 Der Kan­ton un­ter­hält ei­ne Uni­ver­si­tät und Fach­hoch­schu­len. Sie er­fül­len ih­re Auf­ga­ben im Dienst der All­ge­mein­heit.

2 Sie för­dern die wis­sen­schaft­li­che Er­kennt­nis durch Leh­re und For­schung und er­brin­gen Dienst­leis­tun­gen.

Art. 45

1 Kan­ton und Ge­mein­den un­ter­stüt­zen die be­ruf­li­che und die nicht­be­ruf­li­che Er­wach­se­nen­bil­dung.

2 Der Kan­ton er­leich­tert die Aus­bil­dung durch fi­nan­zi­el­le Bei­trä­ge oder an­de­re Mass­nah­men zur För­de­rung der Chan­cen­gleich­heit.

3 Der Kan­ton setzt sich für Zu­sam­men­ar­beit und Ko­or­di­na­ti­on im Bil­dungs­we­sen ein.

3.8 Medien

Art. 46

Der Kan­ton un­ter­stützt die Un­ab­hän­gig­keit und Viel­falt der In­for­ma­tio­nen. Das Ge­setz re­gelt das Re­dak­ti­ons­ge­heim­nis für Me­dien­schaf­fen­de.

3.9 Sonntagsruhe, Kultur und Freizeit

Art. 47

Die Sonn­ta­ge so­wie die vom Ge­setz an­er­kann­ten Fei­er­ta­ge sind öf­fent­li­che Ru­he­ta­ge.

Art. 48

1 Kan­ton und Ge­mein­den er­leich­tern den Zu­gang zur Kul­tur. Sie för­dern das kul­tu­rel­le Schaf­fen so­wie den kul­tu­rel­len Aus­tausch.

2 Sie be­rück­sich­ti­gen da­bei die Be­dürf­nis­se al­ler Tei­le der Be­völ­ke­rung und die kul­tu­rel­le Viel­falt des Kan­tons.

Art. 49

Kan­ton und Ge­mein­den un­ter­stüt­zen die sinn­vol­le Ge­stal­tung der Frei­zeit und Mass­nah­men zur För­de­rung von Sport und Er­ho­lung.

3.10 Wirtschaft

Art. 50

1 Kan­ton und Ge­mein­den schaf­fen güns­ti­ge Rah­men­be­din­gun­gen für ei­ne struk­tu­rell und re­gio­nal aus­ge­wo­ge­ne, leis­tungs­fä­hi­ge Wirt­schaft.

2 Sie stre­ben die Er­hal­tung exis­tenz­fä­hi­ger Klein- und Mit­tel­be­trie­be so­wie ei­nes breit ge­streu­ten De­tail­han­dels an.

Art. 51

1 Der Kan­ton trifft Mass­nah­men für ei­ne leis­tungs­fä­hi­ge und um­welt­ge­rech­te Land- und Forst­wirt­schaft.

2 Er un­ter­stützt bäu­er­li­che Fa­mi­li­en­be­trie­be, be­güns­tigt die Selbst­be­wirt­schaf­tung und för­dert na­tur­na­he Be­wirt­schaf­tungs­wei­sen.

3 Er si­chert die Er­hal­tung der Wäl­der in ih­rer Schutz-, Nutz- und Wohl­fahrts­funk­ti­on.

Art. 52

1 Die Re­gal­rech­te des Kan­tons sind:

a.
das Salz­re­gal;
b.
das Was­ser­re­gal;
c.
das Ber­gre­gal ein­sch­liess­lich der Nut­zung der Erd­wär­me;
d.
das Jagd- und Fi­sche­rei­re­gal.

2 Die be­ste­hen­den Pri­vat­rech­te blei­ben vor­be­hal­ten.

3 Die Re­gal­rech­te ge­ben dem Kan­ton das aus­sch­liess­li­che Recht zur Nut­zung. Er kann die­ses Recht den Ge­mein­den oder Pri­va­ten über­tra­gen.

Art. 53

Der Kan­ton be­treibt zur För­de­rung der volks­wirt­schaft­li­chen und so­zia­len Ent­wick­lung ei­ne Bank. Sie un­ter­stützt den Kan­ton und die Ge­mein­den bei der Er­fül­lung ih­rer Auf­ga­ben.

3.11 Internationale Zusammenarbeit und Hilfe

Art. 54

1 Der Kan­ton be­tei­ligt sich an der Zu­sam­men­ar­beit der Re­gio­nen Eu­ro­pas.

2 Er leis­tet einen Bei­trag zum wirt­schaft­li­chen, so­zia­len und öko­lo­gi­schen Auf­bau in be­nach­tei­lig­ten Län­dern und un­ter­stützt die hu­ma­ni­tä­re Hil­fe für not­lei­den­de Men­schen und Völ­ker. Er för­dert da­bei die Ein­hal­tung der Men­schen­rech­te.

4 Volksrechte

4.1 Stimmrecht

Art. 55

1 Das Stimm­recht in kan­to­na­len An­ge­le­gen­hei­ten steht al­len Schwei­zer­bür­ge­rin­nen und Schwei­zer­bür­gern zu, die im Kan­ton woh­nen und das 18. Al­ters­jahr zu­rück­ge­legt ha­ben.

2 Das Ge­setz re­gelt das Stimm­recht der Aus­land­schwei­ze­rin­nen und Aus­land­schwei­zer so­wie den Aus­schluss vom Stimm­recht we­gen Un­mün­dig­keit und Ur­teil­s­un­fä­hig­keit.

4.2 Wahlen

Art. 56

1 Das Volk wählt:

a.
den Gros­sen Rat;
b.
den Re­gie­rungs­rat;
c.
die ber­ni­schen Mit­glie­der des Na­tio­nal­ra­tes;
d.
die ber­ni­schen Mit­glie­der des Stän­de­ra­tes.

2 Die ber­ni­schen Mit­glie­der des Stän­de­ra­tes wer­den gleich­zei­tig mit dem Na­tio­nal­rat und für die­sel­be Amts­dau­er ge­wählt. Es gilt das Mehr­heits­wahl­ver­fah­ren.

Art. 57

1 30 000 Stimm­be­rech­tig­te kön­nen je­der­zeit die Ge­sam­ter­neue­rung des Gros­sen Ra­tes oder des Re­gie­rungs­ra­tes ver­lan­gen. Die neu ge­wähl­te Be­hör­de be­en­det die Amts­dau­er der ab­tre­ten­den Be­hör­de.

2 Das Be­geh­ren ist in­nert drei Mo­na­ten nach Ein­rei­chung der Volks­­ab­stim­mung zu un­ter­brei­ten. Stimmt das Volk zu, so sind un­ver­züg­lich Neu­wah­len an­zu­ord­nen.

4.3 Initiativen

Art. 58

1 Mit ei­ner In­itia­ti­ve kann das Be­geh­ren ge­stellt wer­den auf:

a.
To­tal- oder Teil­re­vi­si­on der Ver­fas­sung;
b.
Er­lass, Auf­he­bung oder Än­de­rung ei­nes Ge­set­zes;
c.
Kün­di­gung oder Auf­nah­me von Ver­hand­lun­gen über Ab­schluss oder Än­de­rung ei­nes in­ter­kan­to­na­len oder in­ter­na­tio­na­len Ver­trags, so­weit er der Volks­ab­stim­mung un­ter­steht; so­wie auf
d.
Aus­ar­bei­tung ei­nes Gross­rats­be­schlus­ses, wel­cher der Volks­ab­stim­mung un­ter­steht.

2 Ei­ne In­itia­ti­ve ist zu­stan­de ge­kom­men, wenn in­nert sechs Mo­na­ten 15 000 Stimm­be­rech­tig­te das Be­geh­ren un­ter­zeich­nen. Für das Be­geh­ren um To­tal­re­vi­si­on der Ver­fas­sung sind 30 000 Un­ter­schrif­ten not­wen­dig.

3 Ei­ne In­itia­ti­ve kann die Form der ein­fa­chen An­re­gung oder, so­fern sie nicht die To­tal­re­vi­si­on der Ver­fas­sung oder die Aus­ar­bei­tung ei­nes Gross­rats­be­schlus­ses ver­langt, die Form des aus­ge­ar­bei­te­ten Ent­wur­fes auf­wei­sen.

Art. 59

1 Der Re­gie­rungs­rat be­ur­teilt das Zu­stan­de­kom­men, der Gros­se Rat die Gül­tig­keit von In­itia­ti­ven.

2 In­itia­ti­ven sind ganz oder teil­wei­se un­gül­tig zu er­klä­ren, wenn sie:

a.
ge­gen über­ge­ord­ne­tes Recht ver­stos­sen;
b.
un­durch­führ­bar sind;
c.
die Ein­heit der Form oder der Ma­te­rie nicht wah­ren.

3 Bei ein­fa­chen An­re­gun­gen be­stimmt der Gros­se Rat ab­sch­lies­send dar­über, in wel­cher Rechts­form die Vor­la­ge aus­ge­ar­bei­tet wer­den soll.

4 In­itia­ti­ven sind oh­ne Ver­zug zu be­han­deln.

Art. 60

1 Der Gros­se Rat kann so­wohl ei­ner aus­for­mu­lier­ten In­itia­ti­ve wie auch ei­ner Vor­la­ge, die er auf­grund ei­ner In­itia­ti­ve in der Form der ein­fa­chen An­re­gung aus­for­mu­liert hat, einen Ge­gen­vor­schlag ge­gen­über­stel­len.

2 Die Ab­stim­mung über die In­itia­ti­ve und den Ge­gen­vor­schlag fin­det gleich­zei­tig statt. Die Stimm­be­rech­tig­ten kön­nen gül­tig bei­den Vor­la­gen zu­stim­men und dar­über be­fin­den, wel­cher sie im Fal­le der An­nah­me bei­der Vor­la­gen den Vor­zug ge­ben wür­den.

4.4 Volksabstimmungen

Art. 61

1 Ob­li­ga­to­risch un­ter­lie­gen der Volks­ab­stim­mung:

a.
Ver­fas­sungs­re­vi­sio­nen;
b.
In­itia­ti­ven, de­nen der Gros­se Rat nicht zu­stimmt oder de­nen er einen Ge­gen­vor­schlag ge­gen­über­stellt;
c.
in­ter­kan­to­na­le und in­ter­na­tio­na­le Ver­trä­ge, die mit der Ver­fas­sung nicht ver­ein­bar sind;
d.
Än­de­run­gen des Kan­tons­ge­bie­tes, aus­ge­nom­men Grenz­kor­rek­tu­ren.

2 Vor­la­gen, die der fa­kul­ta­ti­ven Volks­ab­stim­mung un­ter­lie­gen, wer­den der ob­li­ga­to­ri­schen Volks­ab­stim­mung un­ter­stellt, wenn 100 Mit­glie­der des Gros­sen Ra­tes es ver­lan­gen.11

11 An­ge­nom­men in der Volks­ab­stim­mung vom 22. Sept. 2002, in Kraft seit 1. Ju­ni 2006. Ge­währ­leis­tungs­be­schluss vom 24. Sept. 2003 (BBl 2003 6875Art. 1 Ziff. 1 3388).

Art. 62

1 Fer­ner un­ter­lie­gen der Volks­ab­stim­mung, wenn das Re­fe­ren­dum zu­stan­de ge­kom­men ist:

a.
Ge­set­ze;
b.
in­ter­kan­to­na­le und in­ter­na­tio­na­le Ver­trä­ge, die einen Ge­gen­stand zum In­halt ha­ben, wel­cher im Kan­ton der fa­kul­ta­ti­ven Volks­ab­stim­mung un­ter­steht;
c.
Aus­ga­ben­be­schlüs­se des Gros­sen Ra­tes, so­fern sie ein­ma­li­ge Aus­ga­ben über zwei Mil­lio­nen Fran­ken oder wie­der­keh­ren­de Aus­ga­ben über 400 000 Fran­ken be­tref­fen;
d.
Kon­zes­si­ons­be­schlüs­se des Gros­sen Ra­tes;
e.
Grund­satz­be­schlüs­se des Gros­sen Ra­tes;
f.12
wei­te­re Sach­be­schlüs­se des Gros­sen Ra­tes, wenn das Ge­setz es vor­schreibt so­wie wenn der Gros­se Rat oder 70 sei­ner Mit­glie­der es ver­lan­gen. Nicht re­fe­ren­dums­fä­hig sind Wahlen, Jus­ti­z­ge­schäf­te, der Ge­schäfts­be­richt und der Vor­an­schlag.

2 Das Re­fe­ren­dum ist zu­stan­de ge­kom­men, wenn in­nert drei Mo­na­ten seit Pu­bli­ka­ti­on der Vor­la­ge 10 000 Stimm­be­rech­tig­te die Volks­ab­stim­mung über den Ge­gen­stand ver­lan­gen.

12 An­ge­nom­men in der Volks­ab­stim­mung vom 24. Fe­br. 2008, in Kraft seit 1. Jan. 2008. Ge­währ­leis­tungs­be­schluss vom 18. Dez. 2008 (BBl 2009 555Art. 1 Ziff. 1, 2008 6053).

Art. 63

1 Ei­ne Ab­stim­mungs­vor­la­ge ist an­ge­nom­men, wenn sie die Mehr­heit der im Kan­ton gül­tig ab­ge­ge­be­nen Stim­men er­hal­ten hat.

2 Der Gros­se Rat kann in ei­ner Vor­la­ge, die der Volks­ab­stim­mung un­ter­steht, einen Even­tualan­trag stel­len. Fin­det die Volks­ab­stim­mung statt, so ist ne­ben der Haupt­vor­la­ge auch der Even­tualan­trag den Stimm­be­rech­tig­ten zu un­ter­brei­ten. Fin­det kei­ne Volks­ab­stim­mung statt, so fällt der Even­tualan­trag da­hin.

3 Stellt der Gros­se Rat kei­nen Even­tualan­trag, kön­nen 10 000 Stimm­be­rech­tig­te in­nert drei Mo­na­ten seit Pu­bli­ka­ti­on ei­nes Ge­set­zes oder ei­nes Grund­satz­be­schlus­ses einen Volks­vor­schlag ein­rei­chen. Die­ser gilt als Re­fe­ren­dum.

4 Bei Even­tualan­trä­gen und Volks­vor­schlä­gen fin­det das glei­che Ab­stim­mungs­ver­fah­ren wie bei ei­nem Ge­gen­vor­schlag zu ei­ner In­itia­ti­ve An­wen­dung.

4.5 Mitwirkung

Art. 64

1 Das Recht, im Rah­men von Ver­nehm­las­sun­gen zu Ver­fas­sungs- und Ge­set­ze­sent­wür­fen so­wie zu wei­te­ren Vor­ha­ben von all­ge­mei­ner Trag­wei­te Stel­lung zu neh­men, steht al­len of­fen.

2 Die Stel­lung­nah­men sind öf­fent­lich zu­gäng­lich.

Art. 65

1 Die po­li­ti­schen Par­tei­en wir­ken bei der Mei­nungs- und Wil­lens­bil­dung mit.

2 Kan­ton und Ge­mein­den kön­nen sie in die­ser Auf­ga­be un­ter­stüt­zen.

5 Kantonale Behörden

5.1 Grundsätze

Art. 66

1 Die Or­ga­ni­sa­ti­on der Be­hör­den rich­tet sich nach dem Grund­satz der Ge­wal­ten­tei­lung. Kei­ne Be­hör­de darf staat­li­che Macht un­kon­trol­liert und un­be­grenzt aus­üben.

2 Wer öf­fent­li­che Auf­ga­ben wahr­nimmt, ist an die Ver­fas­sung und Ge­setz­ge­bung ge­bun­den.

3 Kan­to­na­le Er­las­se, die hö­her­ran­gi­gem Recht wi­der­spre­chen, dür­fen von den Jus­tiz­be­hör­den nicht an­ge­wandt wer­den.

Art. 67

1 In den Gros­sen Rat, in den Re­gie­rungs­rat, in den Stän­de­rat und in die kan­to­na­len rich­ter­li­chen Be­hör­den sind al­le Stimm­be­rech­tig­ten des Kan­tons wähl­bar, so­weit Ver­fas­sung oder Ge­setz nicht zu­sätz­li­che Vor­aus­set­zun­gen ver­lan­gen.

2 Das Ge­setz re­gelt die Wähl­bar­keit der üb­ri­gen Be­hör­de­mit­glie­der und des Per­so­nals der kan­to­na­len Ver­wal­tung.

3 Die Ge­setz­ge­bung ord­net das Dienst­ver­hält­nis.

Art. 68

1 Dem Gros­sen Rat dür­fen nicht gleich­zei­tig an­ge­hö­ren:

a.
die Mit­glie­der des Re­gie­rungs­ra­tes;
b.
die Mit­glie­der der kan­to­na­len rich­ter­li­chen Be­hör­den;
c.13
das Per­so­nal der zen­tra­len und der de­zen­tra­len kan­to­na­len Ver­wal­tung;
d.
wei­te­re Per­so­nen, so­fern das Ge­setz es vor­sieht.

2 Wer Mit­glied ei­ner kan­to­na­len rich­ter­li­chen Be­hör­de ist, darf nicht gleich­zei­tig dem Re­gie­rungs­rat oder der kan­to­na­len Ver­wal­tung an­ge­hö­ren.

3 Die Mit­glie­der des Re­gie­rungs­ra­tes dür­fen nicht der Bun­des­ver­samm­lung an­gehö­ren.

4 Mit­glie­der von Be­hör­den so­wie Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter der kan­to­na­len Ver­wal­tung ha­ben sich bei Ge­schäf­ten, die sie un­mit­tel­bar be­tref­fen, in den Aus­stand zu be­ge­ben.

13 An­ge­nom­men in der Volks­ab­stim­mung vom 24. Sept. 2006, in Kraft seit 1. Jan. 2010. Ge­währ­leis­tungs­be­schluss vom 12. Ju­ni 2008 (BBl 2008 5787Art. 1 Ziff. 1 1417).

Art. 69

1 Be­fug­nis­se des Vol­kes kön­nen an den Gros­sen Rat und an den Re­gie­rungs­rat über­tra­gen wer­den, falls die De­le­ga­ti­on auf ein be­stimm­tes Ge­biet be­schränkt ist und das Ge­setz den Rah­men der De­le­ga­ti­on fest­legt. Die di­rek­te De­le­ga­ti­on an an­de­re Be­hör­den ist aus­ge­schlos­sen.

2 Un­ter den glei­chen Vor­aus­set­zun­gen kön­nen Be­fug­nis­se des Gros­sen Ra­tes an den Re­gie­rungs­rat über­tra­gen wer­den.

3 Der Re­gie­rungs­rat darf sei­ne Be­fug­nis­se auf an­de­re Or­ga­ne über­tra­gen, wenn ihn das Ge­setz da­zu er­mäch­tigt. Be­fug­nis­se der Di­rek­tio­nen darf er oh­ne Er­mäch­ti­gung im Ge­setz über­tra­gen.

4 Al­le grund­le­gen­den und wich­ti­gen Rechts­sät­ze des kan­to­na­len Rechts sind in der Form des Ge­set­zes zu er­las­sen. Da­zu ge­hö­ren Be­stim­mun­gen, für wel­che die Ver­fas­sung aus­drück­lich das Ge­setz vor­sieht, so­wie Be­stim­mun­gen über:

a.
die Grund­zü­ge der Rechts­stel­lung der ein­zel­nen;
b.
den Ge­gen­stand von Ab­ga­ben, die Grund­sät­ze ih­rer Be­mes­sung und den Kreis der Ab­ga­be­pflich­ti­gen mit Aus­nah­me von Ge­büh­ren in ge­rin­ger Hö­he;
c.
Zweck, Art und Rah­men von be­deu­ten­den kan­to­na­len Leistun­gen;
d.
die Grund­zü­ge der Or­ga­ni­sa­ti­on und der Auf­ga­ben der Be­hör­den;
e.
die An­hand­nah­me ei­ner neu­en dau­ern­den Auf­ga­be.

Art. 70

Die Be­hör­den müs­sen über ih­re Tä­tig­keit aus­rei­chend in­for­mie­ren.

Art. 71

1 Der Kan­ton und die an­de­ren Trä­ger öf­fent­li­cher Auf­ga­ben haf­ten für den Scha­den, den ih­re Or­ga­ne bei der Aus­übung ih­rer ho­heit­li­chen Tä­tig­kei­ten wi­der­recht­lich ver­ur­sa­chen.

2 Das Ge­setz um­schreibt die Haf­tung in wei­te­ren Fäl­len. Es re­gelt die Ver­ant­wort­lich­keit der Be­hör­den und des Per­so­nals der kan­to­na­len Ver­wal­tung.

3 Das Ge­setz be­stimmt, un­ter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen der Kan­ton auch für Schä­den ein­zu­ste­hen hat, die sei­ne Or­ga­ne durch recht­mäs­si­ges Han­deln ver­ur­sa­chen.

5.2 Grosser Rat

Art. 7214

Der Gros­se Rat be­steht aus 160 Mit­glie­dern, die für ei­ne vier­jäh­ri­ge Amts­dau­er ge­wählt wer­den.

14 An­ge­nom­men in der Volks­ab­stim­mung vom 22. Sept. 2002, in Kraft seit 1. Jan. 2006. Ge­währ­leis­tungs­be­schluss vom 24. Sept. 2003 (BBl 2003 6875Art. 1 Ziff. 1 3388).

Art. 73

1 Der Gros­se Rat wird im Ver­hält­nis­wahl­ver­fah­ren ge­wählt.

2 Das Ge­setz be­zeich­net die Wahl­krei­se.15

3 Die Man­da­te wer­den ent­spre­chend der Ein­wohner­zahl den Wahl­krei­sen zu­ge­ord­net. Dem Wahl­kreis Ber­ner Ju­ra wer­den zwölf Man­da­te ga­ran­tiert. Es ist ei­ne an­ge­mes­se­ne Ver­tre­tung der fran­zö­sisch­spra­chi­gen Min­der­heit des Wahl­krei­ses Bi­el-See­land si­cher­zu­stel­len.16

4 Die Sitz­ver­tei­lung an die Lis­ten rich­tet sich nach den in den Wahl­krei­sen er­ziel­ten Par­tei­stim­men.17

15 An­ge­nom­men in der Volks­ab­stim­mung vom 22. Sept. 2002, in Kraft seit 1. Jan. 2006. Ge­währ­leis­tungs­be­schluss vom 24. Sept. 2003 (BBl 2003 6875Art. 1 Ziff. 1 3388).

16 An­ge­nom­men in der Volks­ab­stim­mung vom 22. Sept. 2002, in Kraft seit 1. Jan. 2006. Ge­währ­leis­tungs­be­schluss vom 24. Sept. 2003 (BBl 2003 6875Art. 1 Ziff. 1 3388).

17 An­ge­nom­men in der Volks­ab­stim­mung vom 30. Nov. 2008, in Kraft seit 1. Jan. 2010. Ge­währ­leis­tungs­be­schluss vom 10. Dez. 2009 (BBl 2009 9137Art. 1 Ziff. 1 5961).

Art. 74

1 Der Gros­se Rat er­lässt Ge­set­ze und De­kre­te. Im Ge­setz sind die­je­ni­gen Be­stim­mun­gen zu be­zeich­nen, die durch De­kret nä­her aus­zu­füh­ren sind.

2 Er ge­neh­migt

a.
die in­ter­na­tio­na­len Ver­trä­ge so­wie
b.
die in­ter­kan­to­na­len Ver­trä­ge, so­weit die­se nicht in die al­lei­ni­ge Zu­stän­dig­keit des Re­gie­rungs­ra­tes fal­len.

Art. 7518

Der Gros­se Rat be­han­delt den Be­richt über die Richt­li­ni­en der Re­gie­rungs­po­li­tik, den Auf­ga­ben- und Fi­nanz­plan so­wie wei­te­re grund­le­gen­de Plä­ne in ein­zel­nen Auf­ga­ben­be­rei­chen.

18 An­ge­nom­men in der Volks­ab­stim­mung vom 24. Fe­br. 2008, in Kraft seit 1. Jan. 2008. Ge­währ­leis­tungs­be­schluss vom 18. Dez. 2008 (BBl 2009 555Art. 1 Ziff. 1, 2008 6053).

Art. 76

Der Gros­se Rat be­schliesst über:

a.
den Vor­an­schlag;
b.19
den Ge­schäfts­be­richt;
c.
die Steu­er­an­la­ge;
d.
den Rah­men ei­ner Neu­ver­schjul­dung;
e.
Aus­ga­ben, so­weit sie nicht in die Zu­stän­dig­keit des Re­gie­rungs­ra­tes fal­len.

19 An­ge­nom­men in der Volks­ab­stim­mung vom 24. Fe­br. 2008, in Kraft seit 1. Jan. 2008. Ge­währ­leis­tungs­be­schluss vom 18. Dez. 2008 (BBl 2009 555Art. 1 Ziff. 1, 2008 6053).

Art. 77

1 Der Gros­se Rat wählt:

a.
die Gross­rats­prä­si­den­tin oder den Gross­rats­prä­si­den­ten;
b.
die Re­gie­rungs­prä­si­den­tin oder den Re­gie­rungs­prä­si­den­ten;
c.
die Staats­schrei­be­rin oder den Staats­schrei­ber;
d.
die Prä­si­den­tin oder den Prä­si­den­ten von Ober­ge­richt und Ver­wal­tungs­ge­richt;
e.
die üb­ri­gen Mit­glie­der der Ge­rich­te, so­weit die­se Be­fug­nis nicht dem Volk über­tra­gen ist;
f.
die Ge­ne­ral­pro­ku­ra­to­rin oder den Ge­ne­ral­pro­ku­ra­tor.

2 Das Ge­setz kann ihm wei­te­re Wahlen über­tra­gen.

Art. 78

Der Gros­se Rat be­auf­sich­tigt die Re­gie­rung und die Ge­schäfts­füh­rung der obers­ten Ge­rich­te und führt die Ober­auf­sicht über die Ver­wal­tung und die an­de­ren Trä­ger öf­fent­li­cher Auf­ga­ben.

Art. 79

1 Der Gros­se Rat:

a.
berät und be­schliesst über al­le Ge­gen­stän­de, die der Volks­ab­stim­mung un­ter­lie­gen;
b.
übt die von der Bun­des­ver­fas­sung20 den Kan­to­nen ein­ge­rä­um­ten Mit­wir­kungs­rech­te aus;
c.
kann bei Ver­nehm­las­sun­gen an Bun­des­be­hör­den Stel­lung neh­men;
d.
ent­schei­det Zu­stän­dig­keits­kon­flik­te zwi­schen den obers­ten kan­to­na­len Be­hör­den;
e.
be­schliesst über Amnes­tie und Be­gna­di­gun­gen;
f.21
g.
er­füllt wei­te­re Auf­ga­ben, die ihm durch Ver­fas­sung oder Ge­setz­ge­bung über­tra­gen wer­den.

2 Das Ge­setz über­trägt die Kom­pe­tenz zur Ver­lei­hung, Än­de­rung, Er­neue­rung und Über­tra­gung von wich­ti­gen Kon­zes­sio­nen dem Gros­sen Rat.

20SR 101

21 Auf­ge­ho­ben in der Volks­ab­stim­mung vom 25. Sept. 2005, mit Wir­kung seit 1. Ju­ni 2006. Ge­währ­leis­tungs­be­schluss vom 18. Ju­ni 2007 (BBl 2007 4933Art. 1 Ziff. 1 629).

Art. 80

1 Der Gros­se Rat kann dem Re­gie­rungs­rat Auf­trä­ge er­tei­len. So­weit der Re­gie­rungs­rat ab­sch­lies­send zu ent­schei­den hat, kommt ei­nem Auf­trag der Cha­rak­ter ei­ner Richt­li­nie zu.

2 Der Gros­se Rat kann im Be­reich sei­ner Zu­stän­dig­kei­ten Grund­satz­be­schlüs­se fas­sen.

Art. 81

1 Der Gros­se Rat kann zur Vor­be­rei­tung sei­ner Be­ra­tun­gen Kom­mis­sio­nen bil­den.

2 Er kann die­sen ein­zel­ne sei­ner Ent­schei­dungs­be­fug­nis­se über­tra­gen. Dem Gros­sen Rat muss die Mög­lich­keit ge­wahrt blei­ben, ein ein­zel­nes Ge­schäft wie­der an sich zu zie­hen.

3 Die Kom­mis­sio­nen ver­fü­gen zur Er­fül­lung ih­rer Auf­ga­ben über die vom Ge­setz be­zeich­ne­ten be­son­de­ren Aus­kunfts­rech­te, Ein­sichts­rech­te und Un­ter­su­chungs­be­fug­nis­se.

4 Die Mit­glie­der des Gros­sen Ra­tes kön­nen Frak­tio­nen bil­den.

Art. 82

1 Die Mit­glie­der des Gros­sen Ra­tes be­ra­ten und stim­men oh­ne In­struk­tio­nen. Sie müs­sen un­ter Vor­be­halt des Be­rufs­ge­heim­nis­ses ih­re In­ter­es­sen­bin­dun­gen of­fen­le­gen.

2 Sie sind in ih­ren par­la­men­ta­ri­schen Äus­se­run­gen frei und kön­nen da­für nur in den ge­setz­lich vor­ge­se­he­nen Fäl­len zur Ver­ant­wor­tung ge­zo­gen wer­den.

3 Sie sind zu den ge­setz­lich vor­ge­se­he­nen par­la­men­ta­ri­schen Vor­stös­sen und zur par­la­men­ta­ri­schen In­itia­ti­ve be­rech­tigt.

4 Sie ver­fü­gen ge­gen­über der Ver­wal­tung über die vom Ge­setz be­zeich­ne­ten be­son­de­ren Aus­kunfts- und Ein­sichts­rech­te. Die Ratsprä­si­den­tin oder der Rats­prä­si­dent kann je­der­zeit Ein­sicht in die Ak­ten des Re­gie­rungs­ra­tes neh­men.

Art. 83

1 Der Re­gie­rungs­rat hat das Recht, dem Gros­sen Rat An­trä­ge zu stel­len.

2 Er nimmt an den Sit­zun­gen des Gros­sen Ra­tes mit be­ra­ten­der Stim­me teil.

3 Er kann sich durch sei­ne Mit­glie­der ver­tre­ten las­sen.

5.3 Regierungsrat

Art. 84

1 Der Re­gie­rungs­rat be­steht aus sie­ben Mit­glie­dern.

2 Dem Ber­ner Ju­ra ist ein Sitz ge­währ­leis­tet. Wähl­bar sind die fran­zö­sisch­spra­chi­gen Stimm­be­rech­tig­ten, die in ei­nem der drei Amts­be­zir­ke Cour­tela­ry, Mou­tier oder La Neu­ve­ville woh­nen.

Art. 85

1 Die Mit­glie­der des Re­gie­rungs­ra­tes wer­den gleich­zei­tig mit der or­dent­li­chen Ge­sam­ter­neue­rung des Gros­sen Ra­tes und für die­sel­be Amts­dau­er im Mehr­heits­wahl­ver­fah­ren ge­wählt.

2 Für die Wahl bil­det das gan­ze Kan­tons­ge­biet einen ein­zi­gen Wahl­kreis.

3 Un­ter Vor­be­halt des dem Ber­ner Ju­ra ga­ran­tier­ten Sit­zes sind in den Re­gie­rungs­rat ge­wählt:

a.
im ers­ten Wahl­gang in der Rei­hen­fol­ge der Stim­men­zahl die­je­ni­gen, die das ab­so­lu­te Mehr der gül­ti­gen Stim­men auf sich ve­rei­ni­gen;
b.
im zwei­ten Wahl­gang die­je­ni­gen mit der höchs­ten Stim­men­zahl.

4 Die von den Kan­di­da­tin­nen und Kan­di­da­ten des Ber­ner Ju­ra er­ziel­ten Stim­men wer­den für den Ge­samt­kan­ton und für den Ber­ner Ju­ra ge­trennt er­mit­telt. Mass­ge­bend für die Zu­tei­lung des dem Ber­ner Ju­ra vor­be­hal­te­nen Sit­zes ist das höchs­te geo­me­tri­sche Mit­tel der bei­den Er­geb­nis­se. Für die Wahl im ers­ten Wahl­gang ist gleich­zei­tig die ab­so­lu­te Mehr­heit der Stim­men des Ge­samt­kan­tons er­for­der­lich.

Art. 86

Der Re­gie­rungs­rat be­stimmt un­ter Vor­be­halt der Zu­stän­dig­kei­ten des Gros­sen Ra­tes die Zie­le des staat­li­chen Han­delns. Er plant und ko­or­di­niert die Tä­tig­kei­ten des Kan­tons.

Art. 87

1 Der Re­gie­rungs­rat führt die Ver­wal­tung. Er teilt die Di­rek­tio­nen un­ter sei­nen Mit­glie­dern auf. Je­des Mit­glied der Re­gie­rung steht ei­ner oder meh­re­ren Di­rek­tio­nen vor.

2 Er be­stimmt im Rah­men von Ver­fas­sung und Ge­setz die zweck­mäs­si­ge Or­ga­ni­sa­ti­on und sorgt für ei­ne recht­mäs­si­ge, bür­ger­na­he und wir­kungs­vol­le Ver­wal­tungs­tä­tig­keit.

3 Er er­nennt al­le ihm un­ter­ge­ord­ne­ten Be­hör­den und das kan­to­na­le Per­so­nal, so­weit da­für nicht ge­mä­ss Ver­fas­sung oder Ge­setz ein an­de­res Or­gan zu­stän­dig ist.

4 Er legt dem Gros­sen Rat jähr­lich, oder so oft es die­ser ver­langt, über die Tä­tig­keit der Ver­wal­tung Re­chen­schaft ab.

Art. 88

1 Der Re­gie­rungs­rat lei­tet in der Re­gel das Vor­ver­fah­ren der Recht­set­zung.

2 Er er­lässt im Rah­men der Ver­fas­sung und der Ge­setz­ge­bung Ver­ord­nun­gen.

3 Er kann in Fäl­len zeit­li­cher Dring­lich­keit Be­stim­mun­gen, die zur Ein­füh­rung über­ge­ord­ne­ten Rechts nö­tig sind, in ei­ner Ver­ord­nung re­geln. Dring­li­che Ein­füh­rungs­be­stim­mun­gen sind oh­ne Ver­zug durch or­dent­li­ches Recht ab­zu­lö­sen.

4 Er kann un­ter Vor­be­halt des Ge­neh­mi­gungs­rechts des Gros­sen Ra­tes in­ter­kan­to­na­le und in­ter­na­tio­na­le Ver­trä­ge ab­sch­lies­sen. In die al­lei­ni­ge Zu­stän­dig­keit des Re­gie­rungs­ra­tes fal­len kurz­fris­tig künd­ba­re in­ter­kan­to­na­le Ver­trä­ge, die ent­we­der im Be­reich sei­ner Ver­ord­nungs­kom­pe­ten­zen lie­gen oder von un­ter­ge­ord­ne­ter Be­deu­tung sind.

Art. 89

1 Der Re­gie­rungs­rat er­stellt den Auf­ga­ben- und Fi­nanz­plan und ver­ab­schie­det den Vor­an­schlag und den Ge­schäfts­be­richt zu­han­den des Gros­sen Ra­tes.22

2 Er be­schliesst über:

a.
neue ein­ma­li­ge Aus­ga­ben bis ei­ne Mil­li­on Fran­ken;
b.
neue wie­der­keh­ren­de Aus­ga­ben bis 200 000 Fran­ken;
c.
ge­bun­de­ne Aus­ga­ben.

3 Er be­schliesst über Grund­stücks­ver­käu­fe so­wie über Grund­stücks­käu­fe zu An­la­ge­zwe­cken.

4 Er stellt die not­wen­di­gen Fi­nan­zie­rungs­mit­tel be­reit.

22 An­ge­nom­men in der Volks­ab­stim­mung vom 24. Fe­br. 2008, in Kraft seit 1. Jan. 2008. Ge­währ­leis­tungs­be­schluss vom 18. Dez. 2008 (BBl 2009 555Art. 1 Ziff. 1, 2008 6053).

Art. 90

Dem Re­gie­rungs­rat ob­liegt wei­ter:

a.
die Ver­tre­tung des Kan­tons nach in­nen und nach aus­sen;
b.
die Ver­ant­wor­tung für die Wah­rung der öf­fent­li­chen Ord­nung und Si­cher­heit;
c.
die Vor­be­rei­tung der Ge­schäf­te des Gros­sen Ra­tes, so­weit die­ser sie nicht al­lein be­ar­bei­ten will;
d.
der Voll­zug der Ge­setz­ge­bung, der Be­schlüs­se des Gros­sen Ra­tes und der rechts­kräf­ti­gen Ur­tei­le;
e.
die Ver­ab­schie­dung von Ver­nehm­las­sun­gen an Bun­des­be­hör­den. Er ist da­bei an Stel­lung­nah­men des Gros­sen Ra­tes ge­bun­den;
f.
der Ent­scheid über Be­schwer­den, so­weit das Ge­setz es vor­sieht;
g.
der Ent­scheid über Kor­rek­tu­ren von kan­to­na­len und kom­mu­na­len Gren­zen;
h.
die Er­fül­lung wei­te­rer Auf­ga­ben, die ihm durch Ver­fas­sung oder Ge­setz­ge­bung über­tra­gen wer­den.

Art. 91

Der Re­gie­rungs­rat kann oh­ne ge­setz­li­che Grund­la­ge Mass­nah­men er­grei­fen, um ein­ge­tre­te­nen oder un­mit­tel­bar dro­hen­den Stö­run­gen der öf­fent­li­chen Ord­nung und Si­cher­heit so­wie so­zia­len Not­stän­den zu be­geg­nen. Ver­ord­nun­gen sind so­fort durch den Gros­sen Rat ge­neh­mi­gen zu las­sen; sie fal­len spä­tes­tens ein Jahr nach ih­rem In­kraft­tre­ten da­hin.

5.4 Kantonale Verwaltung

Art. 92

1 Die Zen­tral­ver­wal­tung des Kan­tons ist in Di­rek­tio­nen ge­glie­dert.

2 Die Staats­kanz­lei ist Stabs- und Ver­bin­dungs­stel­le des Gros­sen Ra­tes und des Re­gie­rungs­ra­tes.

3 Ein an­ge­mes­se­ner An­teil des Per­so­nals ist fran­zö­si­scher Spra­che.

Art. 9323

1 Die Ver­wal­tungs­re­gio­nen und die Ver­wal­tungs­krei­se sind die or­dent­li­chen de­zen­tra­len Ver­wal­tungs­ein­hei­ten des Kan­tons. Sie wer­den durch das Ge­setz be­zeich­net.

2 Die Stimm­be­rech­tig­ten wäh­len für je­den Ver­wal­tungs­kreis ei­ne Re­gie­rungs­statt­hal­te­rin oder einen Re­gie­rungs­statt­hal­ter.

3 Das Ge­setz legt die Auf­ga­ben der Re­gie­rungs­statt­hal­te­rin­nen und Re­gie­rungs­statt­hal­ter fest.

4 Das Ge­setz be­stimmt, wel­che wei­te­ren Re­gio­nal- oder Kreis­be­hör­den durch die Stimm­be­rech­tig­ten ge­wählt wer­den.

5 Das Ge­setz be­zeich­net die Amts­be­zir­ke.

23 An­ge­nom­men in der Volks­ab­stim­mung vom 24. Sept. 2006, in Kraft seit 1. Jan. 2010. Ge­währ­leis­tungs­be­schluss vom 12. Ju­ni 2008 (BBl 2008 5787Art. 1 Ziff. 1 1417).

Art. 94

Das Ge­setz kann vor­se­hen, dass be­stimm­te kan­to­na­le Auf­ga­ben auf re­gio­na­ler Ebe­ne wahr­ge­nom­men wer­den.

Art. 95

1 Der Kan­ton kann:

a.
An­stal­ten und an­de­re In­sti­tu­tio­nen des öf­fent­li­chen und pri­va­ten Rechts er­rich­ten;
b.
sich an In­sti­tu­tio­nen des öf­fent­li­chen und pri­va­ten Rechts be­tei­li­gen;
c.
öf­fent­li­che Auf­ga­ben an Pri­va­te und In­sti­tu­tio­nen aus­ser­halb der Ver­wal­tung über­tra­gen.

2 Im Ge­setz zu re­geln sind na­ment­lich:

a.
die Grund­zü­ge der Or­ga­ni­sa­ti­on und der Auf­ga­ben der An­stal­ten und In­sti­tu­tio­nen, die vom Kan­ton er­rich­tet wer­den;
b.
Art und Rah­men der De­le­ga­ti­on von Recht­set­zungs­be­fug­nis­sen;
c.
Art und Um­fang von be­deu­ten­den kan­to­na­len Be­tei­li­gun­gen;
d.
Art und Um­fang der Über­tra­gung ei­ner öf­fent­li­chen Auf­ga­be, so­fern die­se ei­ne be­deu­ten­de Leis­tung zum Ge­gen­stand hat oder zur Ein­schrän­kung von Grund­rech­ten oder zur Er­he­bung von Ab­ga­ben er­mäch­tigt.

3 Die­se Trä­ger öf­fent­li­cher Auf­ga­ben ste­hen un­ter der Auf­sicht des Re­gie­rungs­ra­tes. Das Ge­setz sorgt für ei­ne an­ge­mes­se­ne Mit­wir­kung des Gros­sen Ra­tes.

Art. 96

Durch Ge­setz kann ei­ne kan­to­na­le Om­buds­stel­le ge­schaf­fen wer­den.

5.5 Gerichte

Art. 97

1 Die Un­ab­hän­gig­keit der Ge­rich­te ist ge­währ­leis­tet.

2 Die Ge­richts­ver­hand­lun­gen sind öf­fent­lich. Die Ur­tei­le sind schrift­lich zu be­grün­den. Das Ge­setz be­zeich­net die Aus­nah­men.

3 Das Ge­setz re­gelt die Zu­stän­dig­keit der Ge­rich­te.24

24 An­ge­nom­men in der Volks­ab­stim­mung vom 24. Sept. 2006, in Kraft seit 1. Jan. 2011. Ge­währ­leis­tungs­be­schluss vom 12. Ju­ni 2008 (BBl 2008 5787Art. 1 Ziff. 1 1417).

Art. 98

1 Die Zi­vil­ge­richts­bar­keit wird aus­ge­übt durch:

a.
die Ge­richts­prä­si­den­tin­nen und Ge­richts­prä­si­den­ten;
b.
das Ober­ge­richt.

2 Durch Ge­setz kön­nen be­son­de­re rich­ter­li­che Be­hör­den ein­ge­setzt wer­den, na­ment­lich für die Be­ur­tei­lung von ar­beits­recht­li­chen, miet­recht­li­chen oder han­dels­recht­li­chen Strei­tig­kei­ten.

Art. 99

1 Die Straf­ge­richts­bar­keit wird aus­ge­übt durch:

a.
die Ge­richts­prä­si­den­tin­nen und Ge­richts­prä­si­den­ten;
b.25
die Kreis­ge­rich­te oder die re­gio­na­len Kol­le­gi­al­ge­rich­te;
c.
die Ju­gend­ge­rich­te;
d.
das Wirt­schaftss­traf­ge­richt;
e.
das Ober­ge­richt.

2 Durch Ge­setz kön­nen Ver­wal­tungs­straf­be­fug­nis­se auch den Ver­wal­tungs­be­hör­den des Kan­tons und der Ge­mein­den über­tra­gen wer­den. Die rich­ter­li­che Über­prü­fung bleibt vor­be­hal­ten.

25 An­ge­nom­men in der Volks­ab­stim­mung vom 24. Sept. 2006, in Kraft seit 1. Jan. 2011. Ge­währ­leis­tungs­be­schluss vom 12. Ju­ni 2008 (BBl 2008 5787Art. 1 Ziff. 1 1417).

Art. 100

1 Das Ver­wal­tungs­ge­richt be­ur­teilt letz­tin­stanz­lich ver­wal­tungs­recht­li­che Strei­tig­kei­ten, so­weit das Ge­setz sie nicht in die end­gül­ti­ge Zu­stän­dig­keit ei­ner an­de­ren Be­hör­de legt.

2 Durch Ge­setz kön­nen für die Be­ur­tei­lung von ver­wal­tungs­recht­li­chen Strei­tig­kei­ten be­son­de­re rich­ter­li­che Be­hör­den ein­ge­setzt wer­den.

6 Finanzordnung

Art. 101

1 Der Fi­nanz­haus­halt ist spar­sam, wirt­schaft­lich so­wie kon­junk­tur- und ver­ur­sa­cher­ge­recht zu füh­ren. Er soll mit­tel­fris­tig aus­ge­gli­chen sein.

2 Der Kan­ton be­treibt ei­ne um­fas­sen­de Fi­nanz­pla­nung und stimmt sie, so­weit mög­lich, auf die Fi­nanz­pla­nung des Bun­des ab.

3 Vor der Über­nah­me ei­ner neu­en Auf­ga­be ist dar­zu­le­gen, wie sie fi­nan­ziert wer­den kann.

4 Al­le Auf­ga­ben sind pe­ri­odisch auf ih­re Not­wen­dig­keit und Zweck­mäs­sig­keit so­wie auf ih­re fi­nan­zi­el­len Aus­wir­kun­gen und de­ren Trag­bar­keit zu über­prü­fen.

Art. 101a27

1 Der Vor­an­schlag darf kei­nen Auf­wan­d­über­schuss aus­wei­sen.

2 Ein Auf­wan­d­über­schuss des Ge­schäfts­be­richts wird dem Vor­an­schlag des über­nächs­ten Jah­res be­las­tet, so­weit er nicht durch Ei­gen­ka­pi­tal ge­deckt ist.28

3 Der Gros­se Rat kann bei der Ver­ab­schie­dung des Vor­an­schlags von Ab­satz 1 ab­wei­chen, wenn min­des­tens drei Fünf­tel sei­ner Mit­glie­der es be­schlies­sen. Bei der Ge­neh­mi­gung des Ge­schäfts­be­richts ist Ab­satz 2 im Um­fang des im Vor­an­schlag be­schlos­se­nen Auf­wan­d­über­schus­ses nicht an­wend­bar. Der Fehl­be­trag ist in­nert vier Jah­ren ab­zu­tra­gen.29

4 Der Gros­se Rat kann bei der Ge­neh­mi­gung des Ge­schäfts­be­richts von Ab­satz 2 in ei­nem fest­zu­le­gen­den Um­fang ab­wei­chen, wenn min­des­tens drei Fünf­tel sei­ner Mit­glie­der es be­schlies­sen. Ein Fehl­be­trag ist in­nert vier Jah­ren ab­zu­tra­gen.30

5 Buch­ge­win­ne und Ab­schrei­bun­gen auf An­la­gen des Fi­nanz­ver­mö­gens wer­den für die An­wen­dung der Ab­sät­ze 1 und 2 nicht be­rück­sich­tigt.31

27 An­ge­nom­men in der Volks­ab­stim­mung vom 3. März 2002, in Kraft seit 1. Mai 2002. Ge­währ­leis­tungs­be­schluss vom 12. März 2003 (BBl 2003 2887Art. 1 Ziff. 1, 2002 6686).

28 An­ge­nom­men in der Volks­ab­stim­mung vom 24. Fe­br. 2008, in Kraft seit 1. Jan. 2008. Ge­währ­leis­tungs­be­schluss vom 18. Dez. 2008 (BBl 2009 555Art. 1 Ziff. 1, 2008 6053).

29 An­ge­nom­men in der Volks­ab­stim­mung vom 24. Fe­br. 2008, in Kraft seit 1. Jan. 2008. Ge­währ­leis­tungs­be­schluss vom 18. Dez. 2008 (BBl 2009 555Art. 1 Ziff. 1, 20086053).

30 An­ge­nom­men in der Volks­ab­stim­mung vom 24. Fe­br. 2008, in Kraft seit 1. Jan. 2008. Ge­währ­leis­tungs­be­schluss vom 18. Dez. 2008 (BBl 2009 555Art. 1 Ziff. 1, 2008 6053).

31 An­ge­nom­men in der Volks­ab­stim­mung vom 24. Fe­br. 2008, in Kraft seit 1. Jan. 2008. Ge­währ­leis­tungs­be­schluss vom 18. Dez. 2008 (BBl 2009 555Art. 1 Ziff. 1, 2008 6053).

Art. 101b32

1 Der Selbst­fi­nan­zie­rungs­grad der Net­to­in­ves­ti­tio­nen hat mit­tel­fris­tig min­des­tens 100 Pro­zent zu be­tra­gen.

2 Ein Selbst­fi­nan­zie­rungs­rad der Net­to­in­ves­ti­tio­nen un­ter 100 Pro­zent im Vor­an­schlag ist im Auf­ga­ben- und Fi­nanz­plan zu kom­pen­sie­ren.

3 Ein Fi­nan­zie­rungs­fehl­be­trag im Ge­schäfts­be­richt ist im Vor­an­schlag des über­nächs­ten Jah­res und der drei dar­an an­sch­lies­sen­den Jah­re zu kom­pen­sie­ren.

4 Der Gros­se Rat kann die Frist für die Kom­pen­sa­ti­on des Fi­nan­zie­rungs­fehl­be­trags auf acht Jah­re ver­län­gern oder auf die Kom­pen­sa­ti­on ganz ver­zich­ten, wenn min­des­tens drei Fünf­tel sei­ner Mit­glie­der es be­schlies­sen.

5 Die Ab­sät­ze 1‒4 ge­lan­gen zur An­wen­dung, wenn die Brut­to­schul­den­quo­te, de­fi­niert als Brut­to­schuld re­la­tiv zum kan­to­na­len Volks­ein­kom­men, einen Wert von 12 Pro­zent über­steigt. Mass­ge­bend ist die Quo­te am En­de des vor­aus­ge­gan­ge­nen Ka­len­der­jah­res.

32 An­ge­nom­men in der Volks­ab­stim­mung vom 24. Fe­br. 2008, in Kraft seit 1. Jan. 2008. Ge­währ­leis­tungs­be­schluss vom 18. Dez. 2008 (BBl 2009 555Art. 1 Ziff. 1, 2008 6053).

Art. 101c33

Je­de Er­hö­hung der Steu­er­an­la­ge durch den Gros­sen Rat, die ge­samt­haft zu mehr Steuer­ein­nah­men des Kan­tons führt, be­darf der Zu­stim­mung der Mehr­heit sei­ner Mit­glie­der.

33 An­ge­nom­men in der Volks­ab­stim­mung vom 24. Fe­br. 2008, in Kraft seit 1. Jan. 2008. Ge­währ­leis­tungs­be­schluss vom 18. Dez. 2008 (BBl 2009 555Art. 1 Ziff. 1, 2008 6053).

Art. 102

Der Kan­ton be­schafft sich sei­ne Mit­tel ins­be­son­de­re:

a.
durch die Er­he­bung von Steu­ern und an­de­ren Ab­ga­ben;
b.
aus den Er­träg­nis­sen sei­nes Ver­mö­gens;
c.
aus Leis­tun­gen des Bun­des und Drit­ter;
d.
durch die Auf­nah­me von Dar­le­hen und An­lei­hen.

Art. 103

1 Der Kan­ton er­hebt:

a.
ei­ne Ein­kom­mens- und Ver­mö­gens­steu­er von den na­tür­li­chen Per­so­nen;
b.
ei­ne Ge­winn- und Ka­pi­tal­steu­er von den ju­ris­ti­schen Per­so­nen;
c.
ei­ne Ver­mö­gens­ge­winn­steu­er.

2 Er er­hebt zu­dem ei­ne Erb­schafts- und Schen­kungs­steu­er, ei­ne Mo­tor­fahr­zeug­steu­er so­wie wei­te­re Auf­wand- und Ver­kehrs­steu­ern nach Mass­ga­be der Ge­setz­ge­bung.

Art. 104

1 Bei der Aus­ge­stal­tung der Steu­ern sind die Grund­sät­ze der All­ge­mein­heit, der Rechts­gleich­heit und der wirt­schaft­li­chen Leis­tungs­fä­hig­keit zu be­ach­ten.

2 Die Steu­ern der na­tür­li­chen Per­so­nen sind so zu be­mes­sen, dass die wirt­schaft­lich Schwa­chen ge­schont wer­den, der Leis­tungs­wil­le der ein­zel­nen er­hal­ten bleibt und die Selbst­vor­sor­ge ge­för­dert wird.

3 Die Steu­ern der ju­ris­ti­schen Per­so­nen sind so zu be­mes­sen, dass die Wett­be­werbs­fä­hig­keit ge­wahrt wird und die So­zi­al­leis­tun­gen so­wie die An­stren­gun­gen zur Si­che­rung der Voll­be­schäf­ti­gung be­rück­sich­tigt wer­den.

4 Steu­er­hin­ter­zie­hung und Steu­er­be­trug sind wirk­sam zu ahn­den.

Art. 105

Je­de Aus­ga­be setzt ei­ne Rechts­grund­la­ge, einen Vor­an­schlags­kre­dit so­wie einen Aus­ga­ben­be­schluss des zu­stän­di­gen Or­gans vor­aus.

Art. 106

1 Die Fi­nan­z­auf­sicht des Kan­tons ist durch un­ab­hän­gi­ge Kon­troll­or­ga­ne si­cher­zu­stel­len.

2 Die Ge­setz­ge­bung re­gelt die Fi­nan­z­auf­sicht über die Or­ga­ni­sa­tio­nen und Per­so­nen, die kan­to­na­le Leis­tun­gen emp­fan­gen.

7 Gemeinden

7.1 Allgemeine Bestimmungen

Art. 107

1 Die Ge­mein­den sind öf­fent­lichrecht­li­che Kör­per­schaf­ten mit ei­ge­ner Rechts­per­sön­lich­keit.

2 Der Kan­ton Bern kennt fol­gen­de Ge­mein­de­ar­ten:

a.
die Ein­woh­ner­ge­mein­den;
b.
die Bur­ger­ge­mein­den;
c.
die ge­misch­ten Ge­mein­den;
d.
die Kirch­ge­mein­den.

3 Die Un­ter­ab­tei­lun­gen und die öf­fent­lichrecht­li­chen Ge­mein­de­ver­bän­de sind den Ge­mein­den grund­sätz­lich gleich­ge­stellt. Das Ge­setz kann wei­te­re Kör­per­schaf­ten dem Ge­mein­de­recht un­ter­stel­len.

4 Wo die­se Ver­fas­sung den Ge­mein­den Auf­ga­ben über­trägt, ob­lie­gen die­se den Ein­woh­ner­ge­mein­den und den ge­misch­ten Ge­mein­den. Sie kön­nen auch durch an­de­re Ge­mein­den wahr­ge­nom­men wer­den, falls dies das kan­to­na­le Recht zu­lässt.

Art. 108

1 Be­stand, Ge­biet und Ver­mö­gen der Ge­mein­den sind ge­währ­leis­tet.

2 Der Re­gie­rungs­rat ge­neh­migt die Bil­dung, Auf­he­bung oder Ver­än­de­rung des Ge­biets so­wie den Zu­sam­menschluss von Ge­mein­den, wenn die be­trof­fe­nen Ge­mein­den zu­ge­stimmt ha­ben. Lehnt er die Ge­neh­mi­gung ab, ent­schei­det der Gros­se Rat.34

3 Der Gros­se Rat kann den Zu­sam­menschluss von Ge­mein­den ge­gen ih­ren Wil­len an­ord­nen, wenn es über­wie­gen­de kom­mu­na­le, re­gio­na­le oder kan­to­na­le In­ter­es­sen er­for­dern. Die be­trof­fe­nen Ge­mein­den sind vor­her an­zu­hö­ren.35

4 Das Ge­setz re­gelt das Nä­he­re, ins­be­son­de­re die Vor­aus­set­zun­gen und das Ver­fah­ren für die An­ord­nung ei­nes Zu­sam­menschlus­ses von Ge­mein­den ge­gen ih­ren­Wil­len.36

5 Der Kan­ton för­dert den Zu­sam­menschluss von Ge­mein­den.37

34 An­ge­nom­men in der Volks­ab­stim­mung vom 23. Sept. 2012, in Kraft seit 1. Jan. 2013. Ge­währ­leis­tungs­be­schluss vom 24. Sept. 2014 (BBl 2014 7859Art. 1 Ziff. 2 3723).

35 An­ge­nom­men in der Volks­ab­stim­mung vom 23. Sept. 2012, in Kraft seit 1. Jan. 2013. Ge­währ­leis­tungs­be­schluss vom 24. Sept. 2014 (BBl 2014 7859Art. 1 Ziff. 2 3723).

36 An­ge­nom­men in der Volks­ab­stim­mung vom 23. Sept. 2012, in Kraft seit 1. Jan. 2013. Ge­währ­leis­tungs­be­schluss vom 24. Sept. 2014 (BBl 2014 7859Art. 1 Ziff. 2 3723).

37 An­ge­nom­men in der Volks­ab­stim­mung vom 23. Sept. 2012, in Kraft seit 1. Jan. 2013. Ge­währ­leis­tungs­be­schluss vom 24. Sept. 2014 (BBl 2014 7859Art. 1 Ziff. 2 3723).

Art. 109

1 Die Au­to­no­mie der Ge­mein­den ist ge­währ­leis­tet. Ihr Um­fang wird durch das kan­to­na­le und das eid­ge­nös­si­sche Recht be­stimmt.

2 Das kan­to­na­le Recht ge­währt den Ge­mein­den einen mög­lichst wei­ten Hand­lungs­spiel­raum.

Art. 110

1 Der Kan­ton för­dert die Zu­sam­men­ar­beit der Ge­mein­den.

2 Die Ge­mein­den kön­nen sich für die Er­fül­lung ge­mein­sa­mer Auf­ga­ben zu Ge­mein­de­ver­bän­den oder zu an­de­ren Or­ga­ni­sa­tio­nen zu­sam­mensch­lies­sen. Das Ge­setz kann sie da­zu ver­pflich­ten.

3 Das Ge­setz be­stimmt, was zwin­gend in den Ver­bands­re­gle­men­ten zu re­geln ist.

4 Die Mit­wir­kungs­rech­te der Stimm­be­rech­tig­ten und der Be­hör­den der ein­zel­nen Ge­mein­den sind zu wah­ren.

Art. 110a38

1 Der Kan­ton sieht be­son­de­re ge­mein­de­recht­li­che Kör­per­schaf­ten für die ver­bind­li­che re­gio­na­le Zu­sam­men­ar­beit der Ge­mein­den vor.

2 Die Ge­setz­ge­bung legt die Auf­ga­ben und das Ge­biet der Kör­per­schaf­ten fest und re­gelt die Or­ga­ni­sa­ti­on und das Ver­fah­ren.

3 Bil­dung und Auf­lö­sung ei­ner Kör­per­schaft be­dür­fen der Zu­stim­mung der Mehr­heit der Stim­men­den und der Mehr­heit der be­tei­lig­ten Ge­mein­den.

4 Die Stimm­be­rech­tig­ten äus­sern ih­ren Wil­len in re­gio­na­len Ab­stim­mun­gen. Stimm­be­rech­tigt sind die im Ge­biet der Kör­per­schaft wohn­haf­ten, in kan­to­na­len An­ge­le­gen­hei­ten stimm­be­rech­tig­ten Per­so­nen.

38 An­ge­nom­men in der Volks­ab­stim­mung vom 17. Ju­ni 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2008. Ge­währ­leis­tungs­be­schluss vom 12. Ju­ni 2008 (BBl 2008 5787Art. 1 Ziff. 1 1417).

Art. 111

1 Der Kan­ton re­gelt die Grund­zü­ge der Ge­mein­de­or­ga­ni­sa­ti­on, die Fi­nan­z­ord­nung so­wie die kan­to­na­le Auf­sicht.

2 So­weit das Ge­setz nichts an­de­res vor­sieht, un­ter­lie­gen die Ge­mein­den den glei­chen Haf­tungs­be­stim­mun­gen wie der Kan­ton.

7.2 Besondere Bestimmungen

7.2.1 Einwohnergemeinden

Art. 112

1 Die Ein­woh­ner­ge­mein­den er­fül­len die Auf­ga­ben, die ih­nen von Bund und Kan­ton über­tra­gen wer­den.

2 Sie kön­nen wei­te­re Auf­ga­ben über­neh­men, so­weit nicht Bund, Kan­ton oder an­de­re Or­ga­ni­sa­tio­nen da­für aus­sch­liess­lich zu­stän­dig sind.

Art. 113

1 Die Ein­woh­ner­ge­mein­den er­he­ben Ein­kom­mens- und Ver­mö­gens­steu­ern, Ge­winn- und Ka­pi­tal­steu­ern so­wie Ver­mö­gens­ge­winn­steu­ern auf den Ver­an­la­gungs­grund­la­gen der kan­to­na­len Steu­ern. Sie set­zen die Steu­er­an­la­ge fest.

2 Sie kön­nen wei­te­re Steu­ern er­he­ben, so­weit das Ge­setz dies vor­sieht.

3 Durch einen Fi­nanz­aus­gleich ist die Steu­er­kraft der Ein­woh­ner­ge­mein­den aus­zu­glei­chen, und es sind aus­ge­wo­ge­ne Ver­hält­nis­se in der Steu­er­be­las­tung an­zu­stre­ben. In den ge­setz­lich vor­ge­se­he­nen Fäl­len kön­nen Leis­tun­gen aus dem Fi­nanz­aus­gleich ge­kürzt oder ver­wei­gert wer­den.39

39 An­ge­nom­men in der Volks­ab­stim­mung vom 23. Sept. 2012, in Kraft seit 1. Jan. 2013. Ge­währ­leis­tungs­be­schluss vom 24. Sept. 2014 (BBl 2014 7859Art. 1 Ziff. 2 3723).

Art. 114

Das Stimm­recht steht je­der Per­son zu, die in kan­to­na­len An­ge­le­gen­hei­ten stimm­be­rech­tigt ist und seit drei Mo­na­ten in der Ein­woh­ner­ge­mein­de wohnt.

Art. 115

1 Die Stimm­be­rech­tig­ten wäh­len den Ge­mein­de­rat und das Ge­mein­de­par­la­ment, falls das Or­ga­ni­sa­ti­ons­re­gle­ment ein sol­ches vor­sieht.

2 Bei der Be­stel­lung von Be­hör­den ist auf die Ver­tre­tung der Min­der­hei­ten Rück­sicht zu neh­men.

Art. 116

1 Das Or­ga­ni­sa­ti­ons­re­gle­ment un­ter­liegt ob­li­ga­to­risch der Volks­ab­stim­mung. Das Ge­setz be­stimmt, wel­che Ge­gen­stän­de zwin­gend im Or­ga­ni­sa­ti­ons­re­gle­ment zu re­geln sind.

2 Das Ge­setz kann wei­te­re grund­le­gen­de und wich­ti­ge Ge­gen­stän­de be­zeich­nen, die den Stimm­be­rech­tig­ten ob­li­ga­to­risch zu un­ter­brei­ten sind. Ge­mein­den mit ei­nem Ge­mein­de­par­la­ment kön­nen die­se Ge­gen­stän­de der fa­kul­ta­ti­ven Volks­ab­stim­mung un­ter­stel­len. Die für das Re­fe­ren­dum er­for­der­li­che Zahl der Un­ter­schrif­ten darf fünf Pro­zent der Stimm­be­rech­tig­ten nicht über­schrei­ten.

Art. 117

1 Zehn Pro­zent der Stimm­be­rech­tig­ten kön­nen mit ei­ner In­itia­ti­ve den Er­lass, die Än­de­rung oder die Auf­he­bung von Re­gle­men­ten oder Be­schlüs­sen ver­lan­gen, die in der Zu­stän­dig­keit der Stimm­be­rech­tig­ten oder des Ge­mein­de­par­la­men­tes lie­gen.

2 Das Or­ga­ni­sa­ti­ons­re­gle­ment kann wei­te­re Ge­gen­stän­de dem In­itia­ti­vrecht un­ter­stel­len und die Zahl der er­for­der­li­chen Un­ter­schrif­ten her­ab­set­zen.

3 Ei­ne In­itia­ti­ve ist den Stimm­be­rech­tig­ten zu un­ter­brei­ten, wenn sie einen Ge­gen­stand re­gelt, wel­cher der ob­li­ga­to­ri­schen Volks­ab­stim­mung un­ter­liegt, oder wenn ihr die zu­stän­di­ge Ge­mein­de­be­hör­de nicht zu­stimmt.

Art. 118

1 Die Ein­woh­ner­ge­mein­den kön­nen mit Zu­stim­mung des Re­gie­rungs­ra­tes Un­ter­ab­tei­lun­gen bil­den und die­sen be­stimm­te dau­ern­de Auf­ga­ben zu­wei­sen.

2 Die Un­ter­ab­tei­lun­gen kön­nen wei­te­re Auf­ga­ben an die Hand neh­men, so­weit die Ein­woh­ner­ge­mein­den die­se nicht sel­ber er­fül­len

7.2.2 Andere Gemeinden

Art. 119

1 Die Bur­ger­ge­mein­den set­zen sich nach Mass­ga­be ih­rer Mit­tel zum Wohl der All­ge­mein­heit ein.

2 Sie neh­men ih­re an­ge­stamm­ten Auf­ga­ben wahr.

Art. 120

1 Ei­ne ge­misch­te Ge­mein­de ent­steht durch die Ver­ei­ni­gung der Ein­woh­ner­ge­mein­de mit ei­ner oder meh­re­ren am Or­te be­ste­hen­den Bur­ger­ge­mein­den.

2 Sie un­ter­steht den­sel­ben Vor­schrif­ten wie die Ein­woh­ner­ge­mein­de und er­füllt de­ren Auf­ga­ben.

3 Sie be­sorgt die be­stim­mungs­ge­mäs­se Ver­wal­tung des bur­ger­li­chen Ver­mö­gens.

8 Landeskirchen und andere Religionsgemeinschaften

8.1 Landeskirchen

Art. 121

1 Die evan­ge­lisch-re­for­mier­te, die rö­misch-ka­tho­li­sche und die christ­ka­tho­li­sche Kir­che sind die vom Kan­ton an­er­kann­ten Lan­des­kir­chen.

2 Sie sind öf­fent­lichrecht­li­che Kör­per­schaf­ten mit ei­ge­ner Rechts­per­sön­lich­keit.

Art. 122

1 Die Lan­des­kir­chen ord­nen ih­re in­ne­ren An­ge­le­gen­hei­ten im Rah­men des kan­to­na­len Rechts selb­stän­dig.

2 Sie ord­nen das Stimm­recht ih­rer Mit­glie­der in ih­ren ei­ge­nen so­wie in den An­ge­le­gen­hei­ten ih­rer Kirch­ge­mein­den.

3 Sie ha­ben ein Vor­be­ra­tungs- und An­trags­recht in den sie be­tref­fen­den kan­to­na­len und in­ter­kan­to­na­len An­ge­le­gen­hei­ten.

Art. 123

1 Die Lan­des­kir­chen be­stel­len ih­re Be­hör­den nach de­mo­kra­ti­schen Grund­sät­zen.

2 Sie glie­dern sich in Kirch­ge­mein­den.

3 Sie be­strei­ten ih­ren Auf­wand durch die Bei­trä­ge ih­rer Kirch­ge­mein­den und durch die vom Ge­setz be­zeich­ne­ten Leis­tun­gen des Kan­tons.

Art. 124

1 Die Zu­ge­hö­rig­keit zu ei­ner Lan­des­kir­che rich­tet sich nach de­ren kirch­li­cher Ord­nung.

2 Der Aus­tritt ist je­der­zeit durch schrift­li­che Er­klä­rung mög­lich.

Art. 125

1 Je­der Kirch­ge­mein­de ge­hö­ren die in ih­rem Ge­biet wohn­haf­ten Mit­glie­der der be­tref­fen­den Lan­des­kir­che an.

2 Die Kirch­ge­mein­den wäh­len ih­re Geist­li­chen.

3 Sie sind zur Er­he­bung ei­ner Kir­chen­steu­er be­fugt.

8.2 Israelitische Gemeinden und andere Religionsgemein­schaften

Art. 126

1 Die is­rae­li­ti­schen Ge­mein­den sind öf­fent­lichrecht­lich an­er­kannt. Das Ge­setz re­gelt die Wir­kun­gen.

2 Wei­te­re Re­li­gi­ons­ge­mein­schaf­ten kön­nen öf­fent­lichrecht­lich an­er­kannt wer­den. Das Ge­setz re­gelt die Vor­aus­set­zun­gen, das Ver­fah­ren und die Wir­kun­gen.

9 Verfassungsrevisionen

Art. 127

1 Die Ver­fas­sung kann je­der­zeit ganz oder teil­wei­se re­vi­diert wer­den.

2 Die Vor­la­ge ist zwei­mal zu be­ra­ten.

3 So­weit die Ver­fas­sung nichts an­de­res be­stimmt, wer­den Ver­fas­sungs­re­vi­sio­nen im Ver­fah­ren der Ge­setz­ge­bung vor­ge­nom­men.

Art. 128

Mit ei­ner Teil­re­vi­si­on kön­nen ei­ne ein­zel­ne oder meh­re­re sach­lich zu­sam­men­hän­gen­de Ver­fas­sungs­be­stim­mun­gen ge­än­dert wer­den.

Art. 129

1 Die Ein­lei­tung der To­tal­re­vi­si­on wird durch das Volk be­schlos­sen. Es ent­schei­det zu­dem, ob ein Ver­fas­sungs­rat oder der Gros­se Rat die Re­vi­si­on vor­be­rei­ten soll.

2 Soll die To­tal­re­vi­si­on durch einen Ver­fas­sungs­rat vor­be­rei­tet wer­den, so ist die­ser nach den Vor­schrif­ten über die Wahl des Gros­sen Ra­tes oh­ne Ver­zug zu wäh­len. Die Be­stim­mun­gen über die Un­ver­ein­bar­kei­ten und die Amts­dau­er kom­men nicht zur An­wen­dung. Der Ver­fas­sungs­rat gibt sich ei­ne Ge­schäfts­ord­nung.

3 An­stel­le ei­nes Even­tualan­tra­ges ge­mä­ss Ar­ti­kel 63 kann die Ver­fas­sungs­vor­la­ge auch Va­ri­an­ten ent­hal­ten, über die vor­gän­gig oder gleich­zei­tig ge­son­dert ab­zu­stim­men ist.

4 Lehnt das Volk die Vor­la­ge ab, so er­ar­bei­tet der mit der Re­vi­si­on be­auf­trag­te Rat einen zwei­ten Ent­wurf. Wird auch die­ser vom Volk ab­ge­lehnt, so fällt der Re­vi­si­ons­be­schluss da­hin.

10 Übergangs- und Schlussbestimmungen

Art. 130

1 Die­se Ver­fas­sung tritt am 1. Ja­nu­ar 1995 in Kraft.

2 Die neu­en Aus­ga­ben­kom­pe­ten­zen des Re­gie­rungs­ra­tes ge­mä­ss Ar­ti­kel 89 Ab­satz 2 gel­ten mit An­nah­me die­ser Ver­fas­sung. Ge­schäf­te, die der Re­gie­rungs­rat be­reits an den Gros­sen Rat über­wie­sen hat, wer­den nach bis­he­ri­gem Recht be­han­delt.

3 Die Ge­sam­ter­neue­rungs­wah­len für den Re­gie­rungs­rat fin­den im Jahr 1994 ge­mä­ss den Vor­schrif­ten die­ser Ver­fas­sung statt.

4 Für Re­gie­rungs­statt­hal­te­rin­nen und Re­gie­rungs­statt­hal­ter, die zu­gleich als Ge­richts­prä­si­den­tin­nen oder Ge­richts­prä­si­den­ten tä­tig sind, gilt Ar­ti­kel 68 Ab­satz 2 erst mit Er­lass der neu­en Ge­set­zes­be­stim­mun­gen über die Ge­richts­or­ga­ni­sa­ti­on, spä­tes­tens aber nach Ab­lauf der or­dent­li­chen Amts­dau­er am 31. De­zem­ber 1998.

5 Ar­ti­kel 117 über das In­itia­tivrecht in den Ge­mein­den gilt erst nach An­pas­sung der ent­spre­chen­den Ge­mein­de­re­gle­men­te, spä­tes­tens aber am 1. Ja­nu­ar 1997.

Art. 131

1 Die Staats­ver­fas­sung des Kan­tons Bern vom 4. Ju­ni 1893, der Zu­satz zur Staats­ver­fas­sung des Kan­tons Bern hin­sicht­lich des ju­ras­si­schen Lan­des­tei­les vom 1. März 1970 so­wie die Ver­fas­sungs­grund­la­ge für den Kan­ton Bern in sei­nen neu­en Gren­zen vom 5. De­zem­ber 1976 sind auf­ge­ho­ben.

2 Be­stim­mun­gen des bis­he­ri­gen Rechts, wel­che die­ser Ver­fas­sung wi­der­spre­chen, sind auf­ge­ho­ben.

Art. 132

1 Er­las­se, die von ei­ner nicht mehr zu­stän­di­gen Be­hör­de oder in ei­nem nicht mehr zu­läs­si­gen Ver­fah­ren ge­schaf­fen wor­den sind, blei­ben vor­läu­fig in Kraft. Än­de­run­gen rich­ten sich nach die­ser Ver­fas­sung.

2 Wahl und Amts­dau­er der Re­gie­rungs­prä­si­den­tin oder des Re­gie­rungs­prä­si­den­ten rich­ten sich bis zum Er­lass der ge­setz­li­chen Be­stim­mun­gen nach Ar­ti­kel 35 der bis­he­ri­gen Ver­fas­sung.

3 Ar­ti­kel 49 bis 62 der bis­he­ri­gen Ver­fas­sung über die Ge­richts­be­hör­den gel­ten bis zur ge­setz­li­chen Neu­ord­nung, längs­tens aber bis 31. De­zem­ber 1998.

4 Ar­ti­kel 113 der bis­he­ri­gen Ver­fas­sung über den Eid und das Ge­lüb­de gilt bis zum Er­lass ei­ner ge­setz­li­chen Re­ge­lung wei­ter.

Art. 133

1 Ist nach die­ser Ver­fas­sung neu­es Recht zu er­las­sen, so muss dies oh­ne Ver­zug ge­sche­hen.

2 Der Gros­se Rat er­lässt ein Recht­set­zungs­pro­gramm.

Art. 134

1 Das bis­he­ri­ge Recht ist mass­ge­bend für In­itia­ti­ven, die vor dem 1. Ja­nu­ar 1995 hin­ter­legt wer­den, so­wie für Re­fe­ren­den, die sich ge­gen Vor­la­gen rich­ten, wel­che vor die­sem Da­tum ver­ab­schie­det wer­den.

2 In­itia­ti­ven auf Teil­re­vi­si­on der bis­he­ri­gen Ver­fas­sung, die bis zur An­nah­me der neu­en Ver­fas­sung hin­ter­legt wer­den, wan­delt der Gros­se Rat in Vor­la­gen zur Teil­re­vi­si­on der neu­en Ver­fas­sung um.

Art. 135

1 Für die Ab­tren­nung des Amts­be­zir­kes Lau­fen vom Kan­ton Bern gel­ten die Ar­ti­kel 105 bis 108 der bis­he­ri­gen Ver­fas­sung.

2 Die­se Be­stim­mung tritt in Kraft, so­bald die­ser Ab­tren­nung in der eid­ge­nös­si­schen Volks­ab­stim­mung zu­ge­stimmt wird.

Sachregister