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Bundesgesetz
über die Beseitigung von Benachteiligungen
von Menschen mit Behinderungen
(Behindertengleichstellungsgesetz, BehiG)

vom 13. Dezember 2002 (Stand am 1. Juli 2020)

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft,

gestützt auf die Artikel 8 Absatz 4, 87, 92 Absatz 1 und 112 Absatz 6
der Bundesverfassung1,
nach Einsicht in die Botschaft des Bundesrates vom 11. Dezember 20002,

beschliesst:

1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen

Art. 1 Zweck  

1 Das Ge­setz hat zum Zweck, Be­nach­tei­li­gun­gen zu ver­hin­dern, zu ver­rin­gern oder zu be­sei­ti­gen, de­nen Men­schen mit Be­hin­de­run­gen aus­ge­setzt sind.

2 Es setzt Rah­men­be­din­gun­gen, die es Men­schen mit Be­hin­de­run­gen er­leich­tern, am ge­sell­schaft­li­chen Le­ben teil­zu­neh­men und ins­be­son­de­re selbst­stän­dig so­zia­le Kon­tak­te zu pfle­gen, sich aus- und wei­ter­zu­bil­den und ei­ne Er­werbs­tä­tig­keit aus­zuü­ben.3

3 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. 3 des BG vom 20. Ju­ni 2014 über die Wei­ter­bil­dung, in Kraft seit 1. Jan. 2017 (AS 2016 689; BBl 2013 3729).

Art. 2 Begriffe  

1 In die­sem Ge­setz be­deu­tet Mensch mit Be­hin­de­run­gen (Be­hin­der­te, Be­hin­der­ter) ei­ne Per­son, der es ei­ne vor­aus­sicht­lich dau­ern­de kör­per­li­che, geis­ti­ge oder psy­chi­sche Be­ein­träch­ti­gung er­schwert oder ver­un­mög­licht, all­täg­li­che Ver­rich­tun­gen vor­zu­neh­men, so­zia­le Kon­tak­te zu pfle­gen, sich fort­zu­be­we­gen, sich aus- und wei­ter­zu­bil­den oder ei­ne Er­werbs­tä­tig­keit aus­zuü­ben.4

2 Ei­ne Be­nach­tei­li­gung liegt vor, wenn Be­hin­der­te recht­lich oder tat­säch­lich an­ders als nicht Be­hin­der­te be­han­delt und da­bei oh­ne sach­li­che Recht­fer­ti­gung schlech­ter ge­stellt wer­den als die­se, oder wenn ei­ne un­ter­schied­li­che Be­hand­lung fehlt, die zur tat­säch­li­chen Gleich­stel­lung Be­hin­der­ter und nicht Be­hin­der­ter not­wen­dig ist.

3 Ei­ne Be­nach­tei­li­gung beim Zu­gang zu ei­ner Bau­te, ei­ner An­la­ge, ei­ner Woh­nung oder ei­ner Ein­rich­tung oder ei­nem Fahr­zeug des öf­fent­li­chen Ver­kehrs liegt vor, wenn der Zu­gang für Be­hin­der­te aus bau­li­chen Grün­den nicht oder nur un­ter er­schwe­ren­den Be­din­gun­gen mög­lich ist.

4 Ei­ne Be­nach­tei­li­gung bei der In­an­spruch­nah­me ei­ner Dienst­leis­tung liegt vor, wenn die­se für Be­hin­der­te nicht oder nur un­ter er­schwe­ren­den Be­din­gun­gen mög­lich ist.

5 Ei­ne Be­nach­tei­li­gung bei der In­an­spruch­nah­me von Aus- und Wei­ter­bil­dung liegt ins­be­son­de­re vor, wenn:

a.
die Ver­wen­dung be­hin­der­ten­spe­zi­fi­scher Hilfs­mit­tel oder der Bei­zug not­wen­di­ger per­sön­li­cher As­sis­tenz er­schwert wer­den;
b.
die Dau­er und Aus­ge­stal­tung des Bil­dungs­an­ge­bots so­wie Prü­fun­gen den spe­zi­fi­schen Be­dürf­nis­sen Be­hin­der­ter nicht an­ge­passt sind.

4 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. 3 des BG vom 20. Ju­ni 2014 über die Wei­ter­bil­dung, in Kraft seit 1. Jan. 2017 (AS 2016 689; BBl 2013 3729).

Art. 3 Geltungsbereich  

Das Ge­setz gilt für:

a.
öf­fent­lich zu­gäng­li­che Bau­ten und An­la­gen, für wel­che nach In­kraft­tre­ten die­ses Ge­set­zes ei­ne Be­wil­li­gung für den Bau oder für die Er­neue­rung der öf­fent­lich zu­gäng­li­chen Be­rei­che er­teilt wird;
b.
öf­fent­lich zu­gäng­li­che Ein­rich­tun­gen des öf­fent­li­chen Ver­kehrs (Bau­ten, An­la­gen, Kom­mu­ni­ka­ti­ons­sys­te­me, Bil­lett­be­zug) und Fahr­zeu­ge, die ei­nem der fol­gen­den Ge­set­ze un­ter­ste­hen:
1.
dem Ei­sen­bahn­ge­setz vom 20. De­zem­ber 19575,
2.6
...
3.7
dem Per­so­nen­be­för­de­rungs­ge­setz vom 20. März 20098,
4.9
dem Trol­ley­bus-Ge­setz vom 29. März 195010,
5.11
dem Bun­des­ge­setz vom 3. Ok­to­ber 197512 über die Bin­nen­schiff­fahrt,
6.
dem Luft­fahrt­ge­setz vom 21. De­zem­ber 194813, oder
7.14
dem Seil­bahn­ge­setz vom 23. Ju­ni 200615, aus­ge­nom­men die Ski­lif­te so­wie Luft­seil­bah­nen mit we­ni­ger als neun Plät­zen pro Trans­por­t­ein­heit;
c.
Wohn­ge­bäu­de mit mehr als acht Wohn­ein­hei­ten, für wel­che nach In­kraft­tre­ten die­ses Ge­set­zes ei­ne Be­wil­li­gung für den Bau oder für die Er­neue­rung er­teilt wird;
d.
Ge­bäu­de mit mehr als 50 Ar­beitsplät­zen, für wel­che nach In­kraft­tre­ten die­ses Ge­set­zes ei­ne Be­wil­li­gung für den Bau oder für die Er­neue­rung er­teilt wird;
e.16
grund­sätz­lich von je­der­mann be­an­spruch­ba­re Dienst­leis­tun­gen Pri­va­ter, der Un­ter­neh­men mit ei­ner In­fra­struk­tur­kon­zes­si­on nach Ar­ti­kel 5 des Ei­sen­bahn­ge­set­zes vom 20. De­zem­ber 1957 oder ei­ner Per­so­nen­be­för­de­rungs­kon­zes­si­on nach Ar­ti­kel 6 des Per­so­nen­be­för­de­rungs­ge­set­zes vom 20. März 2009, wei­te­rer kon­zes­sio­nier­ter Un­ter­neh­men und des Ge­mein­we­sens;
f.
Aus- und Wei­ter­bil­dung;
g.
Ar­beits­ver­hält­nis­se nach dem Bun­des­per­so­nal­ge­setz vom 24. März 200017.

5 SR 742.101

6 Auf­ge­ho­ben durch Ziff. I 1 des BG vom 28. Sept. 2018 über die Or­ga­ni­sa­ti­on der Bahnin­fra­struk­tur, mit Wir­kung seit 1. Ju­li 2020 (AS 2020 1889; BBl 2016 8661).

7 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I 1 des BG vom 28. Sept. 2018 über die Or­ga­ni­sa­ti­on der Bahnin­fra­struk­tur, in Kraft seit 1. Ju­li 2020 (AS 2020 1889; BBl 2016 8661).

8 SR 745.1

9 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I 1 des BG vom 28. Sept. 2018 über die Or­ga­ni­sa­ti­on der Bahnin­fra­struk­tur, in Kraft seit 1. Ju­li 2020 (AS 2020 1889; BBl 2016 8661).

10 SR 744.21

11 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I 1 des BG vom 28. Sept. 2018 über die Or­ga­ni­sa­ti­on der Bahnin­fra­struk­tur, in Kraft seit 1. Ju­li 2020 (AS 2020 1889; BBl 2016 8661).

12 SR 747.201

13 SR 748.0

14 Ein­ge­fügt durch Ziff. I 1 des BG vom 28. Sept. 2018 über die Or­ga­ni­sa­ti­on der Bahnin­fra­struk­tur, in Kraft seit 1. Ju­li 2020 (AS 2020 1889; BBl 2016 8661).

15 SR 743.01

16 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I 1 des BG vom 28. Sept. 2018 über die Or­ga­ni­sa­ti­on der Bahnin­fra­struk­tur, in Kraft seit 1. Ju­li 2020 (AS 2020 1889; BBl 2016 8661).

17 SR 172.220.1

Art. 4 Verhältnis zum kantonalen Recht  

Die­ses Ge­setz steht wei­ter­ge­hen­den Be­stim­mun­gen der Kan­to­ne zu Guns­ten der Men­schen mit Be­hin­de­run­gen nicht ent­ge­gen.

Art. 5 Massnahmen von Bund und Kantonen  

1 Bund und Kan­to­ne er­grei­fen Mass­nah­men, um Be­nach­tei­li­gun­gen zu ver­hin­dern, zu ver­rin­gern oder zu be­sei­ti­gen; sie tra­gen da­bei den be­son­de­ren Be­dürf­nis­sen be­hin­der­ter Frau­en Rech­nung.

2 An­ge­mes­se­ne Mass­nah­men zum Aus­gleich von Be­nach­tei­li­gun­gen der Be­hin­der­ten stel­len kei­ne Un­gleich­be­hand­lung nach Ar­ti­kel 8 Ab­satz 1 der Bun­des­ver­fas­sung dar.

Art. 6 Dienstleistungen Privater  

Pri­va­te, die Dienst­leis­tun­gen öf­fent­lich an­bie­ten, dür­fen Be­hin­der­te nicht auf Grund ih­rer Be­hin­de­rung dis­kri­mi­nie­ren.

2. Abschnitt: Rechtsansprüche und Verfahren

Art. 7 Rechtsansprüche bei Bauten, Einrichtungen oder Fahrzeugen  

1 Wer im Sin­ne von Ar­ti­kel 2 Ab­satz 3 be­nach­tei­ligt wird, kann im Fal­le ei­nes Neu­baus oder ei­ner Er­neue­rung ei­ner Bau­te oder An­la­ge im Sin­ne von Ar­ti­kel 3 Buch­sta­ben a, c und d:

a.
wäh­rend des Bau­be­wil­li­gungs­ver­fah­rens von der zu­stän­di­gen Be­hör­de ver­lan­gen, dass die Be­nach­tei­li­gung un­ter­las­sen wird;
b.
nach Ab­schluss des Bau­be­wil­li­gungs­ver­fah­rens aus­nahms­wei­se im Zi­vil­ver­fah­ren einen Rechts­an­spruch auf Be­sei­ti­gung gel­tend ma­chen, wenn das Feh­len der ge­setz­lich ge­bo­te­nen Vor­keh­ren im Bau­be­wil­li­gungs­ver­fah­ren nicht er­kenn­bar war.

2 Wer im Sin­ne von Ar­ti­kel 2 Ab­satz 3 be­nach­tei­ligt wird, kann im Fal­le ei­ner Ein­rich­tung oder ei­nes Fahr­zeu­ges des öf­fent­li­chen Ver­kehrs im Sin­ne von Ar­ti­kel 3 Buch­sta­be b bei der zu­stän­di­gen Be­hör­de ver­lan­gen, dass das kon­zes­sio­nier­te Un­ter­neh­men die Be­nach­tei­li­gung be­sei­tigt oder un­ter­lässt.18

18 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I 1 des BG vom 16. März 2012 über den zwei­ten Schritt der Bahn­re­form 2, in Kraft seit 1. Ju­li 2013 (AS 2012 5619, 2013 1603; BBl 2011 911).

Art. 8 Rechtsansprüche bei Dienstleistungen  

1 Wer durch ein kon­zes­sio­nier­tes Un­ter­neh­men oder das Ge­mein­we­sen im Sin­ne von Ar­ti­kel 2 Ab­satz 4 be­nach­tei­ligt wird, kann beim Ge­richt oder bei der Ver­wal­tungs­be­hör­de ver­lan­gen, dass der An­bie­ter der Dienst­leis­tung die Be­nach­tei­li­gung be­sei­tigt oder un­ter­lässt.19

2 Wer durch das Ge­mein­we­sen im Sin­ne von Ar­ti­kel 2 Ab­satz 5 be­nach­tei­ligt wird, kann beim Ge­richt oder bei der Ver­wal­tungs­be­hör­de ver­lan­gen, dass das Ge­mein­we­sen die Be­nach­tei­li­gung be­sei­tigt oder un­ter­lässt.

3 Wer im Sin­ne von Ar­ti­kel 6 dis­kri­mi­niert wird, kann bei ei­nem Ge­richt ei­ne Ent­schä­di­gung be­an­tra­gen.

19 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I 1 des BG vom 16. März 2012 über den zwei­ten Schritt der Bahn­re­form 2, in Kraft seit 1. Ju­li 2013 (AS 2012 5619, 2013 1603; BBl 2011 911).

Art. 9 Beschwerde- und Klagelegitimation von Behindertenorganisationen  

1 Be­hin­der­ten­or­ga­ni­sa­tio­nen ge­samtschwei­ze­ri­scher Be­deu­tung, die seit min­des­tens zehn Jah­ren be­ste­hen, kön­nen Rechts­an­sprü­che auf Grund von Be­nach­tei­li­gun­gen, die sich auf ei­ne gros­se Zahl Be­hin­der­ter aus­wir­ken, gel­tend ma­chen.

2 Der Bun­des­rat be­zeich­net die zur Be­schwer­de be­rech­tig­ten Or­ga­ni­sa­tio­nen.

3 Die­sen Or­ga­ni­sa­tio­nen steht ein Be­schwer­de­recht zu:

a.
bei Zi­vil­ver­fah­ren zur Fest­stel­lung ei­ner Dis­kri­mi­nie­rung im Sin­ne von Ar­ti­kel 6;
b.
bei Ver­fah­ren zur Er­tei­lung ei­ner Be­wil­li­gung für den Bau oder die Er­neue­rung von Bau­ten und An­la­gen, um An­sprü­che im Sin­ne von Ar­ti­kel 7 gel­tend zu ma­chen;
c.
bei Ver­fah­ren der Bun­des­be­hör­den zur Plan­ge­neh­mi­gung so­wie zur Zu­las­sung oder Prü­fung von Fahr­zeu­gen nach:
1.
Ar­ti­kel 13 Ab­satz 1 des Stras­sen­ver­kehrs­ge­set­zes vom 19. De­zem­ber 195820,
2.
Ar­ti­kel 18 und 18w des Ei­sen­bahn­ge­set­zes vom 20. De­zem­ber 195721,
3.
Ar­ti­kel 11 und 13 des Bun­des­ge­set­zes vom 29. März 195022 über die Trol­ley­bus­un­ter­neh­mun­gen,
4.23
den Ar­ti­keln 8, 14 und 15b Ab­satz 2 des Bun­des­ge­set­zes vom 3. Ok­to­ber 197524 über die Bin­nen­schiff­fahrt,
5.
Ar­ti­kel 37 des Luft­fahrt­ge­set­zes vom 21. De­zem­ber 194825,
6.26
Ar­ti­kel 9 des Seil­bahn­ge­set­zes vom 23. Ju­ni 200627;
d.
ge­gen Ver­fü­gun­gen der Bun­des­be­hör­den über die Er­tei­lung von Kon­zes­sio­nen nach:
1.
Ar­ti­kel 28 und 30 des Luft­fahrt­ge­set­zes vom 21. De­zem­ber 1948,
2.
Ar­ti­kel 14 des Fern­mel­de­ge­set­zes vom 30. April 199728.
3.
Ar­ti­kel 10 des Bun­des­ge­set­zes vom 21. Ju­ni 199129 über Ra­dio und Fern­se­hen.

4 Die Be­hör­de er­öff­net Ver­fü­gun­gen nach Ab­satz 3 Buch­sta­ben c und d, die Ge­gen­stand ei­ner Be­schwer­de von Be­hin­der­ten­or­ga­ni­sa­tio­nen sein kön­nen, den Or­ga­ni­sa­tio­nen durch schrift­li­che Mit­tei­lung oder durch Ver­öf­fent­li­chung im Bun­des­blatt oder im kan­to­na­len Pu­bli­ka­ti­ons­or­gan. Ei­ne Or­ga­ni­sa­ti­on, die kein Rechts­mit­tel er­greift, kann sich am wei­te­ren Ver­fah­ren nur noch als Par­tei be­tei­li­gen, wenn die Ver­fü­gung so ge­än­dert wird, dass Be­hin­der­te da­durch be­nach­tei­ligt wer­den.

5 Wird vor dem Er­lass der Ver­fü­gung ein Ein­spra­che­ver­fah­ren durch­ge­führt, ist das Ge­such nach Ab­satz 4 mit­zu­tei­len. Ei­ne Or­ga­ni­sa­ti­on ist nur be­schwer­de­be­fugt, wenn sie sich am Ein­spra­che­ver­fah­ren be­tei­ligt hat.

20 SR 741.01

21 SR 742.101

22 SR 744.21

23 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. II 1 des BG vom 17. März 2017, in Kraft seit 1. Jan. 2020 (AS 2019 1749; BBl 2016 6435).

24 SR 747.201

25 SR 748.0

26 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I 1 des BG vom 16. März 2012 über den zwei­ten Schritt der Bahn­re­form 2, in Kraft seit 1. Ju­li 2013 (AS 2012 5619, 2013 1603; BBl 2011 911).

27 SR 743.01

28 SR 784.10

29 [AS 1992601, 19933354, 19972187An­hang Ziff. 4, 20001891Ziff. VIII 2, 20012790An­hang Ziff. 2,20021904Art. 36 Ziff. 2, 2004 297Ziff. I 3 1633 Ziff. I 9 4929 Art. 21 Ziff. 3, 2006 1039Art. 2. AS 2007 737An­hang Ziff. I]. Sie­he heu­te: das BG vom 24. März 2006 (SR 784.40).

Art. 10 Unentgeltlichkeit des Verfahrens  

1 Die Ver­fah­ren nach den Ar­ti­keln 7 und 8 sind un­ent­gelt­lich.

2 Ei­ner Par­tei, die sich mut­wil­lig oder leicht­sin­nig ver­hält, kön­nen Ver­fah­rens­kos­ten auf­er­legt wer­den.

3 Für das Ver­fah­ren vor dem Bun­des­ge­richt rich­ten sich die Ge­richts­kos­ten nach dem Bun­des­ge­richts­ge­setz vom 17. Ju­ni 200530.31

30 SR 173.110

31 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. 5 des Ver­wal­tungs­ge­richts­ge­set­zes vom 17. Ju­ni 2005, in Kraft seit 1. Jan. 2007 (AS 2006 21971069; BBl 2001 4202).

3. Abschnitt: Verhältnismässigkeit

Art. 11 Allgemeine Grundsätze  

1 Das Ge­richt oder die Ver­wal­tungs­be­hör­de ord­net die Be­sei­ti­gung der Be­nach­tei­li­gung nicht an, wenn der für Be­hin­der­te zu er­war­ten­de Nut­zen in ei­nem Miss­ver­hält­nis steht, ins­be­son­de­re:

a.
zum wirt­schaft­li­chen Auf­wand;
b.
zu In­ter­es­sen des Um­welt­schut­zes so­wie des Na­tur- und Hei­mat­schut­zes;
c.
zu An­lie­gen der Ver­kehrs- und Be­triebs­si­cher­heit.

2 Das Ge­richt trägt bei der Fest­set­zung der Ent­schä­di­gung nach Ar­ti­kel 8 Ab­satz 3 den Um­stän­den, der Schwe­re der Dis­kri­mi­nie­rung und dem Wert der Dienst­leis­tung Rech­nung. Die Ent­schä­di­gung be­trägt höchs­tens 5000 Fran­ken.

Art. 12 Besondere Fälle  

1 Bei der In­ter­es­sen­ab­wä­gung nach Ar­ti­kel 11 Ab­satz 1 ord­net das Ge­richt oder die Ver­wal­tungs­be­hör­de die Be­sei­ti­gung der Be­nach­tei­li­gung beim Zu­gang zu Bau­ten, An­la­gen und Woh­nun­gen nach Ar­ti­kel 3 Buch­sta­ben a, c und d nicht an, wenn der Auf­wand für die An­pas­sung 5 Pro­zent des Ge­bäu­de­ver­si­che­rungs­wer­tes be­zie­hungs­wei­se des Neu­wer­tes der An­la­ge oder 20 Pro­zent der Er­neue­rungs­kos­ten über­steigt.

2 Das Ge­richt oder die Ver­wal­tungs­be­hör­de trägt bei der In­ter­es­sen­ab­wä­gung nach Ar­ti­kel 11 Ab­satz 1 den Über­gangs­fris­ten für An­pas­sun­gen im öf­fent­li­chen Ver­kehr (Art. 22) Rech­nung; da­bei sind auch das Um­set­zungs­kon­zept des Bun­des für die Aus­rich­tung der Fi­nanz­hil­fen (Art. 23 Abs. 3) und die dar­auf ge­stütz­te Be­triebs- und In­ves­ti­ti­ons­pla­nung der Un­ter­neh­men des öf­fent­li­chen Ver­kehrs zu be­ach­ten.

3 Das Ge­richt oder die Ver­wal­tungs­be­hör­de ver­pflich­tet das kon­zes­sio­nier­te Un­ter­neh­men oder das Ge­mein­we­sen, ei­ne an­ge­mes­se­ne Er­satz­lö­sung an­zu­bie­ten, wenn es oder sie nach Ar­ti­kel 11 Ab­satz 1 dar­auf ver­zich­tet, die Be­sei­ti­gung ei­ner Be­nach­tei­li­gung an­zu­ord­nen.32

32 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I 1 des BG vom 16. März 2012 über den zwei­ten Schritt der Bahn­re­form 2, in Kraft seit 1. Ju­li 2013 (AS 2012 5619, 2013 1603; BBl 2011 911).

4. Abschnitt: Besondere Bestimmungen für den Bund

Art. 13 Massnahmen im Personalbereich  

1 Der Bund setzt als Ar­beit­ge­ber al­les dar­an, Be­hin­der­ten glei­che Chan­cen wie nicht Be­hin­der­ten an­zu­bie­ten. Bei al­len Ar­beits­ver­hält­nis­sen und auf al­len Ebe­nen, na­ment­lich je­doch bei den An­stel­lun­gen, trifft der Bund die zur Um­set­zung des Ge­set­zes er­for­der­li­chen Mass­nah­men.

2 Ab­satz 1 gilt für Ar­beit­ge­ber nach Ar­ti­kel 3 des Bun­des­per­so­nal­ge­set­zes vom 24. März 200033.

Art. 14 Massnahmen für Sprach-, Hör- oder Sehbehinderte  

1 Im Ver­kehr mit der Be­völ­ke­rung neh­men die Be­hör­den Rück­sicht auf die be­son­de­ren An­lie­gen der Sprach-, Hör- oder Seh­be­hin­der­ten.

2 So­weit sie ih­re Dienst­leis­tun­gen auf In­ter­net an­bie­ten, müs­sen die­se Seh­be­hin­der­ten oh­ne er­schwe­ren­de Be­din­gun­gen zu­gäng­lich sein. Der Bun­des­rat er­lässt die nö­ti­gen tech­ni­schen Vor­schrif­ten. Er kann tech­ni­sche Nor­men pri­va­ter Or­ga­ni­sa­tio­nen für ver­bind­lich er­klä­ren.

3 In Er­gän­zung zu den Leis­tun­gen der In­va­li­den­ver­si­che­rung kann der Bund:

a.
die Mass­nah­men der Kan­to­ne zur För­de­rung der schu­li­schen und der be­ruf­li­chen Aus­bil­dung Sprach- oder Hör­be­hin­der­ter in der Ge­bär­den- und Laut­spra­che so­wie zur För­de­rung der Sprach­kennt­nis­se Seh­be­hin­der­ter un­ter­stüt­zen;
b.
nicht ge­win­n­ori­en­tier­te Or­ga­ni­sa­tio­nen und In­sti­tu­tio­nen von ge­samtschwei­ze­ri­scher Be­deu­tung un­ter­stüt­zen, die sich um sprach- und ver­stän­di­gungs­po­li­ti­sche An­lie­gen Sprach-, Hör- oder Seh­be­hin­der­ter be­mü­hen.

4 Der Bund kann Mass­nah­men för­dern, die Fern­seh­sen­dun­gen Hör- und Seh­be­hin­der­ten zu­gäng­lich ma­chen.

Art. 15 Vorschriften über technische Normen  

1 Um ein be­hin­der­ten­ge­rech­tes öf­fent­li­ches Ver­kehrs­sys­tem si­cher­zu­stel­len, er­lässt der Bun­des­rat für die kon­zes­sio­nier­ten Un­ter­neh­men Vor­schrif­ten über die Ge­stal­tung:34

a.
der Bahn­hö­fe und Hal­te­stel­len so­wie der Flug­plät­ze;
b.
der Kom­mu­ni­ka­ti­ons­sys­te­me und der Bil­lett­aus­ga­be;
c.
der Fahr­zeu­ge.

2 Der Bun­des­rat er­lässt für Bau­ten und An­la­gen, die der Bund er­stellt oder mit­fi­nan­ziert, Vor­schrif­ten über Vor­keh­ren zu Guns­ten Be­hin­der­ter.

3 Die Vor­schrif­ten nach den Ab­sät­zen 1 und 2 wer­den pe­ri­odisch dem Stand der Tech­nik an­ge­passt. Der Bun­des­rat kann tech­ni­sche Nor­men oder an­de­re Fest­le­gun­gen pri­va­ter Or­ga­ni­sa­tio­nen für ver­bind­lich er­klä­ren.

4 Der Bun­des­rat hört die in­ter­es­sier­ten Krei­se vor dem Er­lass der Vor­schrif­ten nach den Ab­sät­zen 1 und 2 an.

5 Für be­ste­hen­de und für neue Bau­ten, An­la­gen, Kom­mu­ni­ka­ti­ons- und Bil­lettaus­ga­be­sys­te­me so­wie Fahr­zeu­ge kön­nen un­ter­schied­li­che Vor­schrif­ten er­las­sen wer­den.

34 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I 1 des BG vom 16. März 2012 über den zwei­ten Schritt der Bahn­re­form 2, in Kraft seit 1. Ju­li 2013 (AS 2012 5619, 2013 1603; BBl 2011 911).

Art. 16 Programme zur Integration Behinderter  

1 Der Bund kann Pro­gram­me durch­füh­ren, die der bes­se­ren In­te­gra­ti­on Be­hin­der­ter in die Ge­sell­schaft die­nen.

2 Die Pro­gram­me kön­nen ins­be­son­de­re fol­gen­de Be­rei­che be­tref­fen:

a.
Bil­dung;
b.
be­ruf­li­che Tä­tig­keit;
c.
Woh­nen;
d.
Per­so­nen­trans­port;
e.
Kul­tur;
f.
Sport.

3 Der Bund kann sich an sol­chen Pro­gram­men ge­samtschwei­ze­ri­scher oder sprach­re­gio­na­ler Or­ga­ni­sa­tio­nen be­tei­li­gen, ins­be­son­de­re mit Fi­nanz­hil­fen.

Art. 17 Pilotversuche zur Integration im Erwerbsleben  

Der Bun­des­rat kann zeit­lich be­fris­te­te Pi­lot­ver­su­che durch­füh­ren oder un­ter­stüt­zen, um An­reiz­sys­te­me für die Be­schäf­ti­gung Be­hin­der­ter zu er­pro­ben. Er kann zu die­sem Zwe­cke In­ves­ti­ti­ons­bei­trä­ge für die Schaf­fung oder Ein­rich­tung be­hin­der­ten­ge­rech­ter Ar­beitsplät­ze vor­se­hen.

Art. 18 Information, Beratung und Überprüfung der Wirksamkeit  

1 Der Bund kann In­for­ma­ti­ons­kam­pa­gnen durch­füh­ren, um das Ver­ständ­nis der Be­völ­ke­rung für die Pro­ble­me der Gleich­stel­lung und für die In­te­gra­ti­on Be­hin­der­ter zu er­hö­hen und um den be­trof­fe­nen Krei­sen die ver­schie­de­nen Hand­lungs­mög­lich­kei­ten auf­zu­zei­gen.

2 Er kann Pri­va­te und Be­hör­den be­ra­ten und ih­nen Emp­feh­lun­gen ab­ge­ben.

3 Er un­ter­sucht re­gel­mäs­sig, wie sich sei­ne Mass­nah­men auf die In­te­gra­ti­on aus­wir­ken. Er kann auch die Aus­wir­kun­gen von Mass­nah­men un­ter­su­chen, die an­de­re Ge­mein­we­sen oder Pri­vat­per­so­nen er­grei­fen.

Art. 19 Büro für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen  

Der Bun­des­rat schafft ein Bü­ro für die Gleich­stel­lung von Men­schen mit Be­hin­de­run­gen. Die­ses för­dert ins­be­son­de­re:

a.
die In­for­ma­ti­on über die Ge­set­zes­grund­la­gen und die Richt­li­ni­en zur Ver­hin­de­rung, Ver­rin­ge­rung oder Be­sei­ti­gung der Be­nach­tei­li­gun­gen von Men­schen mit Be­hin­de­run­gen;
b.
die Pro­gram­me und Kam­pa­gnen nach den Ar­ti­keln 16 und 18;
c.
die Ana­ly­se und Un­ter­su­chun­gen im Be­reich der Gleich­stel­lung und In­teg­ra­ti­on von Be­hin­der­ten;
d.
die Ko­or­di­na­ti­on der Tä­tig­kei­ten der auf die­sem Ge­biet tä­ti­gen öf­fent­li­chen und pri­va­ten Ein­rich­tun­gen.

5. Abschnitt: Besondere Bestimmungen für die Kantone

Art. 20  

1 Die Kan­to­ne sor­gen da­für, dass be­hin­der­te Kin­der und Ju­gend­li­che ei­ne Grund­schu­lung er­hal­ten, die ih­ren be­son­de­ren Be­dürf­nis­sen an­ge­passt ist.

2 Die Kan­to­ne för­dern, so­weit dies mög­lich ist und dem Wohl des be­hin­der­ten Kin­des oder Ju­gend­li­chen dient, mit ent­spre­chen­den Schu­lungs­for­men die In­te­gra­ti­on be­hin­der­ter Kin­der und Ju­gend­li­cher in die Re­gel­schu­le.

3 Ins­be­son­de­re sor­gen sie da­für, dass wahr­neh­mungs- oder ar­ti­ku­la­ti­ons­be­hin­der­te Kin­der und Ju­gend­li­che und ih­nen be­son­ders na­he ste­hen­den Per­so­nen ei­ne auf die Be­hin­de­rung ab­ge­stimm­te Kom­mu­ni­ka­ti­ons­tech­nik er­ler­nen kön­nen.

6. Abschnitt: Schlussbestimmungen

Art. 21 Änderung bisherigen Rechts  

Die Än­de­rung bis­he­ri­gen Rechts wird im An­hang ge­re­gelt.

Art. 22 Anpassungsfristen für den öffentlichen Verkehr  

1 Be­ste­hen­de Bau­ten und An­la­gen so­wie Fahr­zeu­ge für den öf­fent­li­chen Ver­kehr müs­sen spä­tes­tens nach 20 Jah­ren nach dem In­kraft­tre­ten die­ses Ge­set­zes be­hin­der­ten­ge­recht sein.

2 Kom­mu­ni­ka­ti­ons­sys­te­me und Bil­lett­aus­ga­be müs­sen spä­tes­tens zehn Jah­re nach In­kraft­tre­ten die­ses Ge­set­zes be­hin­der­ten­ge­recht an­ge­bo­ten wer­den.

3 Wäh­rend der An­pas­sungs­fris­ten nach Ab­satz 1 und 2 ha­ben die Un­ter­neh­men des öf­fent­li­chen Ver­kehrs einen An­spruch dar­auf, dass ih­re auf das Um­set­zungs­kon­zept des Bun­des für die Aus­rich­tung der Fi­nanz­hil­fen (Art. 23 Abs. 3) ge­stütz­te Be­triebs- und In­ves­ti­ti­ons­pla­nung be­ach­tet wird.

Art. 23 Finanzhilfen  

1 Der Bund und die Kan­to­ne rich­ten im Rah­men ih­rer Zu­stän­dig­keit für die Fi­nan­zie­rung des öf­fent­li­chen Ver­kehrs Fi­nanz­hil­fen aus für die Mass­nah­men nach Ar­ti­kel 22.

2 Der Bund legt einen Zah­lungs­rah­men für ei­ne Zeit­span­ne von 20 Jah­ren fest.

3 Der Bun­des­rat legt ins­be­son­de­re die Prio­ri­tä­ten, die Be­din­gun­gen und die an­wend­ba­ren Sät­ze für die Fi­nanz­hil­fen fest.

Art. 24 Referendum und Inkrafttreten  

1 Die­ses Ge­setz un­ter­steht dem fa­kul­ta­ti­ven Re­fe­ren­dum.

2 Der Bun­des­rat be­stimmt das In­kraft­tre­ten.

Da­tum des In­kraft­tre­tens:35 1. Jan. 2004
An­hang Ziff. 2 und 3: 1. Jan. 2005

35BRB vom 25. Ju­ni 2003

Anhang

(Art. 21)

Änderung bisherigen Rechts

Die nachstehenden Erlasse werden wie folgt geändert:

...36

36 Die Änderungen können unter AS 2003 4487konsultiert werden.

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