Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen
Zweck (1 - 1)
Geltungsbereich und Begriffe (2 - 7)
Grundsätze und Teilnahmebedingungen (8 - 12)
Vergabeverfahren (13 - 25)
Verfahren und Rechtsschutz (26 - 35)
Schlussbestimmungen (36 - 38)
Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Artikel 173 Absatz 2 der Bundesverfassung1, in Ausführung des Übereinkommens vom 15. April 19942 über das öffentliche Beschaffungswesen (GPA), nach Einsicht in die Botschaft des Bundesrates vom 19. September 19943,4 beschliesst: |
1. Abschnitt: Zweck |
Art. 1
1Der Bund will mit diesem Gesetz:
2Er will auch die Gleichbehandlung aller Anbieter und Anbieterinnen gewährleisten. |
2. Abschnitt: Geltungsbereich und Begriffe |
Art. 2 Auftraggeberinnen
1Diesem Gesetz unterstehen als Auftraggeberinnen:
2Der Bundesrat bezeichnet die öffentlich-rechtlichen und die privatrechtlichen Organisationen, die in der Schweiz Tätigkeiten in den Bereichen der Wasser-, der Energie- und der Verkehrsversorgung sowie der Telekommunikation ausüben und für diese Tätigkeiten nach dem GPA und andern völkerrechtlichen Verträgen auch unter dieses Gesetz fallen. 3Er kann dieses Gesetz oder einzelne Bestimmungen auf weitere öffentliche Aufträge des Bundes anwendbar erklären. Gegenüber ausländischen Anbietern und Anbieterinnen gilt eine solche Ausdehnung des Geltungsbereiches nur, soweit schweizerischen Anbietern und Anbieterinnen im betreffenden Staat Gegenrecht gewährt wird. In jedem Fall gelten die Grundsätze nach Artikel 8. Die Anwendung des Rechtsmittelverfahrens (5. Abschnitt) auf solche Aufträge ist ausgeschlossen. 1 Fassung gemäss Anhang Ziff. 3 des Postorganisationsgesetzes vom 30. April 1997, in Kraft seit 1. Jan. 1998 (AS 1997 2465; BBl 1996 III 1306). |
Art. 3 Ausnahmen
1Dieses Gesetz ist nicht anwendbar für:
2Die Auftraggeberin braucht einen Auftrag nicht nach den Bestimmungen dieses Gesetzes zu vergeben, wenn:
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Art. 4 Ausländische Anbieter und Anbieterinnen
Dieses Gesetz ist anwendbar auf Angebote von Anbietern und Anbieterinnen aus:
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Art. 5 Begriffe
1In diesem Gesetz bedeuten:
2Ein Bauwerk ist das Ergebnis der Gesamtheit von Hoch- und Tiefbauarbeiten nach Absatz 1 Buchstabe c. |
Art. 6 Umfang des Auftrags
1Dieses Gesetz ist nur anwendbar, wenn der geschätzte Wert des zu vergebenden öffentlichen Auftrages folgenden Schwellenwert ohne Mehrwertsteuer erreicht:
2Das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF)2 passt die Schwellenwerte im Einvernehmen mit dem Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD) periodisch den Vorgaben des GPA an. 1 Bereinigt gemäss Art. 1 der V des WBF vom 19. Nov. 2019 über die Anpassung der Schwellenwerte im öffentlichen Beschaffungswesen für die Jahre 2020 und 2021, in Kraft vom 1. Jan. 2020 bis 31. Dez. 2021 (AS 2019 4101). |
Art. 7 Auftragswert
1Ein Auftrag darf nicht in der Absicht aufgeteilt werden, die Anwendbarkeit dieses Gesetzes zu umgehen. 2Vergibt die Auftraggeberin für die Realisierung eines Bauwerkes mehrere Bauaufträge, so ist deren Gesamtwert massgebend. Der Bundesrat legt den Wert der einzelnen Bauaufträge fest, die auf jeden Fall den Bestimmungen dieses Gesetzes unterstehen. Er bestimmt, welchen prozentualen Anteil sie am Gesamtbauwerk ausmachen müssen (Bagatellklausel). 3Vergibt die Auftraggeberin mehrere gleichartige Liefer- oder Dienstleistungsaufträge oder teilt sie einen Liefer- oder Dienstleistungsauftrag in mehrere gleichartige Einzelaufträge (Lose), so berechnet sich der Auftragswert aufgrund:
4Enthält ein Auftrag die Option auf Folgeaufträge, so ist der Gesamtwert massgebend. |
3. Abschnitt: Grundsätze und Teilnahmebedingungen |
Art. 8 Verfahrensgrundsätze
1Bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen sind folgende Grundsätze zu beachten:
2Der Auftraggeberin steht das Recht zu, die Einhaltung der Arbeitsschutzbestimmungen, der Arbeitsbedingungen und der Gleichbehandlung von Frau und Mann zu kontrollieren oder kontrollieren zu lassen. Auf Verlangen hat der Anbieter oder die Anbieterin deren Einhaltung nachzuweisen. |
Art. 9 Eignungskriterien
1Die Auftraggeberin kann die Anbieter und Anbieterinnen auffordern, einen Nachweis ihrer finanziellen, wirtschaftlichen und technischen Leistungsfähigkeit zu erbringen. Sie stellt dazu Eignungskriterien auf. 2Sie gibt die Eignungskriterien und die erforderlichen Nachweise in der Ausschreibung oder in den Ausschreibungsunterlagen bekannt. |
Art. 11 Ausschluss und Widerruf des Zuschlags
Die Auftraggeberin kann den Zuschlag widerrufen oder Anbieter und Anbieterinnen vom Verfahren ausschliessen sowie aus dem Verzeichnis nach Artikel 10 streichen, insbesondere wenn sie:
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Art. 12 Technische Spezifikationen
1Die Auftraggeberin bezeichnet die erforderlichen technischen Spezifikationen in den Ausschreibungs-, den Vergabe- und den Vertragsunterlagen. 2Sie berücksichtigt dabei soweit als möglich internationale Normen oder nationale Normen, die internationale Normen umsetzen. |
4. Abschnitt: Vergabeverfahren |
Art. 13 Verfahrensarten und Wahl des Verfahrens
1Die Auftraggeberin kann einen öffentlichen Auftrag im offenen oder im selektiven Verfahren oder, unter bestimmten Voraussetzungen, freihändig vergeben. 2Der Bundesrat regelt die Voraussetzungen nach GPA, unter denen das freihändige Verfahren gewählt werden darf. 3Er regelt den Planungs- und Gesamtleistungswettbewerb. |
Art. 15 Selektives Verfahren
1Die Auftraggeberin schreibt den geplanten Auftrag öffentlich aus. 2Alle Anbieter und Anbieterinnen können einen Antrag auf Teilnahme einreichen. 3Die Auftraggeberin bezeichnet aufgrund der Eignung nach Artikel 9 oder Artikel 10 die Anbieter und Anbieterinnen, die ein Angebot einreichen dürfen. 4Sie kann die Zahl der zur Angebotsabgabe Einzuladenden beschränken, wenn sonst die Auftragsvergabe nicht effizient abgewickelt werden kann. Dabei muss ein wirksamer Wettbewerb gewährleistet sein. |
Art. 18 Ausschreibung
1Jeder geplante Auftrag, der im offenen oder im selektiven Verfahren vergeben wird, muss einzeln ausgeschrieben werden. 2 Auftraggeberinnen nach Artikel 2 Absatz 2 und die Automobildienste der Schweizerischen Post, soweit sie Aufträge zur Durchführung ihrer in der Schweiz ausgeübten Tätigkeit im Bereich des Personentransports vergeben, dürfen statt dessen Aufträge, die für einen bestimmten Zeitraum geplant sind, gesamthaft in einer einzigen Publikation veröffentlichen. Sie dürfen diese Aufträge auch im Rahmen eines Prüfungssystems nach Artikel 10 ausschreiben.1 1 Fassung gemäss Anhang Ziff. 3 des Postorganisationsgesetzes vom 30. April 1997, in Kraft seit 1. Jan. 1998 (AS 1997 2465; BBl 1996 III 1306). |
Art. 19 Formvorschriften
1Die Anbieter und Anbieterinnen müssen ihre Anträge auf Teilnahme und ihr Angebot schriftlich, vollständig und fristgerecht einreichen. Anträge auf Teilnahme am Verfahren können auch per Telegramm, Telex oder Telefax eingereicht werden. 2Der Bundesrat kann Ausnahmen vorsehen. 3Die Auftraggeberin schliesst Angebote und Anträge auf Teilnahme mit wesentlichen Formfehlern vom weiteren Verfahren aus. |
Art. 20 Verhandlungen
1Es dürfen Verhandlungen geführt werden, vorausgesetzt:
2Der Bundesrat regelt das Verfahren nach den Grundsätzen der Vertraulichkeit, der Schriftlichkeit und der Gleichbehandlung. |
Art. 21 Zuschlagskriterien
1Das wirtschaftlich günstigste Angebot erhält den Zuschlag. Es wird ermittelt, indem verschiedene Kriterien berücksichtigt werden, insbesondere Termin, Qualität, Preis, Wirtschaftlichkeit, Betriebskosten, Kundendienst, Zweckmässigkeit der Leistung, Ästhetik, Umweltverträglichkeit, technischer Wert, Ausbildung von Lernenden in der beruflichen Grundbildung. Dieses letzte Kriterium kann nur ausserhalb des Staatsvertragsbereichs berücksichtigt werden.1 1bisTeilt die Auftraggeberin die zu beschaffenden Leistungen in Teilleistungen (Lose) auf, so kann sie festlegen, dass ein einzelner Anbieter oder eine einzelne Anbieterin nur eine beschränkte Anzahl Lose erhalten kann. Sie kündigt dies in der Ausschreibung an.2 2Die Zuschlagskriterien sind in den Ausschreibungsunterlagen in der Reihenfolge ihrer Bedeutung aufzuführen. 3Der Zuschlag für weitgehend standardisierte Güter kann auch ausschliesslich nach dem Kriterium des niedrigsten Preises erfolgen. 1 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 26. Sept. 2014, in Kraft seit 1. April 2015 (AS 2015 773; BBl 2013 5441 5457). |
Art. 22 Vertragsschluss
1Der Vertrag mit dem Anbieter oder der Anbieterin darf nach dem Zuschlag abgeschlossen werden, es sei denn, das Bundesverwaltungsgericht habe einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung nach Artikel 28 Absatz 2 erteilt. 2Ist ein Beschwerdeverfahren gegen die Zuschlagsverfügung hängig, so teilt die Auftraggeberin den Vertragsschluss umgehend dem Bundesverwaltungsgericht mit. 1 Fassung gemäss Anhang Ziff. 11 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005, in Kraft seit 1. Jan. 2007 (AS 2006 2197 1069; BBl 2001 4202). |
Art. 23 Eröffnung von Verfügungen
1Die Auftraggeberin eröffnet summarisch begründete Verfügungen nach Artikel 29 durch Veröffentlichung nach Artikel 24 Absatz 1 oder durch Zustellung. 2Auf Gesuch hin muss die Auftraggeberin den nicht berücksichtigten Anbietern und Anbieterinnen umgehend folgendes bekanntgeben:
3Die Auftraggeberin muss Informationen nach Absatz 2 nicht liefern, wenn dadurch:
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Art. 24 Veröffentlichungen
1Veröffentlichungen erfolgen in einem vom Bundesrat bezeichneten Publikationsorgan. 2Ausschreibung und Zuschlag sind immer zu veröffentlichen. 3Bei Bauaufträgen und damit verbundenen Lieferungen sowie Dienstleistungen im Zusammenhang mit Bauvorhaben sind die Ausschreibung und der Zuschlag wenigstens in der Amtssprache des Standortes der Baute zu veröffentlichen, bei allen übrigen Lieferungen und Dienstleistungen in wenigstens zwei Amtssprachen. 4Wird ein geplanter Auftrag nicht in französischer Sprache ausgeschrieben, so muss der Ausschreibung zusätzlich eine Zusammenfassung in französischer, englischer oder spanischer Sprache beigefügt werden. |
5. Abschnitt: Verfahren und Rechtsschutz |
Art. 26 Anwendbares Recht
1Das Verfahren richtet sich nach den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesverwaltungsrechtspflege, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. 2Für das Verfügungsverfahren nach dem 4. Abschnitt sind zudem die Artikel 22a, 24–28, 30, 30a und 31 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 19681 über das Verwaltungsverfahren nicht anwendbar. |
Art. 27 Beschwerde
1Gegen Verfügungen der Auftraggeberin ist die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zulässig. 2Das Bundesverwaltungsgericht informiert die Auftraggeberin umgehend über den Eingang einer Beschwerde. 1 Fassung gemäss Anhang Ziff. 11 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005, in Kraft seit 1. Jan. 2007 (AS 2006 2197 1069; BBl 2001 4202). |
Art. 28 Aufschiebende Wirkung
1Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung. 2Das Bundesverwaltungsgericht kann die aufschiebende Wirkung auf Gesuch hin erteilen.1 1 Fassung gemäss Anhang Ziff. 11 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005, in Kraft seit 1. Jan. 2007 (AS 2006 2197 1069; BBl 2001 4202). |
Art. 29 Anfechtbare Verfügungen
Als durch Beschwerde selbständig anfechtbare Verfügungen gelten:
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Art. 32 Beschwerdeentscheid
1Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet in der Sache selbst oder weist diese mit verbindlichen Weisungen an die Auftraggeberin zurück. 2Erweist sich die Beschwerde als begründet und ist der Vertrag mit dem Anbieter oder der Anbieterin bereits abgeschlossen worden, so stellt das Bundesverwaltungsgericht lediglich fest, inwiefern die angefochtene Verfügung Bundesrecht verletzt. 1 Fassung gemäss Anhang Ziff. 11 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005, in Kraft seit 1. Jan. 2007 (AS 2006 2197 1069; BBl 2001 4202). |
Art. 33 Revision
Hat das Bundesverwaltungsgericht über ein Revisionsgesuch zu entscheiden, so gilt Artikel 32 Absatz 2 sinngemäss. 1 Fassung gemäss Anhang Ziff. 11 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005, in Kraft seit 1. Jan. 2007 (AS 2006 2197 1069; BBl 2001 4202). |
Art. 34 Schadenersatz
1Der Bund oder die Auftraggeberinnen ausserhalb der ordentlichen Bundesverwaltung haften für einen Schaden, den sie durch eine Verfügung verursacht haben, deren Rechtswidrigkeit im Verfahren nach Artikel 32 Absatz 2 oder Artikel 33 festgestellt worden ist. 2Die Haftung nach Absatz 1 beschränkt sich auf Aufwendungen, die dem Anbieter oder der Anbieterin im Zusammenhang mit dem Vergabe- und Rechtsmittelverfahren erwachsen sind. 3Im Übrigen ist das Verantwortlichkeitsgesetz vom 14. März 19581 anwendbar. |
Art. 35 Schadenersatzbegehren und Frist
1Der Anbieter oder die Anbieterin reicht das Schadenersatzbegehren bei der Auftraggeberin ein. Der Bundesrat bezeichnet die für den Entscheid zuständige Stelle. 2Gegen deren Verfügung ist die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zulässig.1 3Das Schadenersatzbegehren muss spätestens ein Jahr nach Feststellung der Rechtswidrigkeit im Verfahren nach Artikel 32 Absatz 2 oder Artikel 33 eingereicht werden. 1 Fassung gemäss Anhang Ziff. 11 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005, in Kraft seit 1. Jan. 2007 (AS 2006 2197 1069; BBl 2001 4202). |