Bei grossen Gesetzen wie OR und ZGB kann dies bis zu 30 Sekunden dauern

Bundesgesetz
über das Vernehmlassungsverfahren
(Vernehmlassungsgesetz, VlG)

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft,

gestützt auf Artikel 147 der Bundesverfassung1,
nach Einsicht in die Botschaft des Bundesrates vom 21. Januar 20042,

beschliesst:

1

Art. 1 Geltungsbereich  

1 Die­ses Ge­setz re­gelt die Grund­zü­ge des Ver­nehm­las­sungs­ver­fah­rens.

2 Es gilt für Ver­nehm­las­sungs­ver­fah­ren, die vom Bun­des­rat, von ei­nem De­par­te­ment, der Bun­des­kanz­lei, ei­ner Ein­heit der Bun­des­ver­wal­tung oder ei­ner par­la­men­ta­ri­schen Kom­mis­si­on er­öff­net wer­den.3

3 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I des BG vom 26. Sept. 2014, in Kraft seit 1. April 2016 (AS 2016925; BBl 2013 8875).

Art. 2 Zweck des Vernehmlassungsverfahrens  

1 Das Ver­nehm­las­sungs­ver­fah­ren bezweckt die Be­tei­li­gung der Kan­to­ne, der po­li­ti­schen Par­tei­en und der in­ter­es­sier­ten Krei­se an der Mei­nungs­bil­dung und Ent­scheid­fin­dung des Bun­des.

2 Es soll Auf­schluss ge­ben über die sach­li­che Rich­tig­keit, die Voll­zug­staug­lich­keit und die Ak­zep­tanz ei­nes Vor­ha­bens des Bun­des.

Art. 3 Gegenstand des Vernehmlassungsverfahrens 4  

1 Ein Ver­nehm­las­sungs­ver­fah­ren fin­det statt bei der Vor­be­rei­tung von:

a.
Ver­fas­sungs­än­de­run­gen;
b.
Ge­set­zes­vor­la­gen im Sin­ne von Ar­ti­kel 164 Ab­satz 1 der Bun­des­ver­fas­sung;
c.
völ­ker­recht­li­chen Ver­trä­gen, die nach Ar­ti­kel 140 Ab­satz 1 Buch­sta­be b oder nach Ar­ti­kel 141 Ab­satz 1 Buch­sta­be d Zif­fer 3 der Bun­des­ver­fas­sung dem Re­fe­ren­dum un­ter­lie­gen oder we­sent­li­che In­ter­es­sen der Kan­to­ne be­tref­fen;
d.
Ver­ord­nun­gen und an­de­ren Vor­ha­ben, die von gros­ser po­li­ti­scher, fi­nan­zi­el­ler, wirt­schaft­li­cher, öko­lo­gi­scher, so­zia­ler oder kul­tu­rel­ler Trag­wei­te sind;
e.
Ver­ord­nun­gen und an­de­ren Vor­ha­ben, die nicht un­ter Buch­sta­be d fal­len, aber ein­zel­ne oder al­le Kan­to­ne in er­heb­li­chem Mass be­tref­fen oder in er­heb­li­chem Mass aus­ser­halb der Bun­des­ver­wal­tung voll­zo­gen wer­den.

2 Ei­ne Ver­nehm­las­sung kann auch bei Vor­ha­ben durch­ge­führt wer­den, die kei­ne der Vor­aus­set­zun­gen nach Ab­satz 1 er­fül­len.

4 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I des BG vom 26. Sept. 2014, in Kraft seit 1. April 2016 (AS 2016925; BBl 2013 8875).

Art. 3a Verzicht auf ein Vernehmlassungsverfahren 5  

1 Auf ein Ver­nehm­las­sungs­ver­fah­ren kann ver­zich­tet wer­den, wenn:

a.
das Vor­ha­ben vor­wie­gend die Or­ga­ni­sa­ti­on oder das Ver­fah­ren von Bun­des­be­hör­den oder die Ver­tei­lung der Zu­stän­dig­kei­ten zwi­schen Bun­des­be­hör­den be­trifft;
b.
kei­ne neu­en Er­kennt­nis­se zu er­war­ten sind, weil die Po­si­tio­nen der in­ter­es­sier­ten Krei­se be­kannt sind, ins­be­son­de­re weil über den Ge­gen­stand des Vor­ha­bens be­reits ei­ne Ver­nehm­las­sung durch­ge­führt wor­den ist; oder
c.6
das Vor­ha­ben den Er­lass oder die Än­de­rung ei­nes Bun­des­ge­set­zes nach Ar­ti­kel 165 der Bun­des­ver­fas­sung oder ei­ner Ver­ord­nung nach Ar­ti­kel 173 Ab­satz 1 Buch­sta­be c, Ar­ti­kel 184 Ab­satz 3 oder Ar­ti­kel 185 Ab­satz 3 der Bun­des­ver­fas­sung be­trifft.

2 Der Ver­zicht auf ein Ver­nehm­las­sungs­ver­fah­ren muss sach­lich be­grün­det wer­den.

5 Ein­ge­fügt durch Ziff. I des BG vom 26. Sept. 2014, in Kraft seit 1. April 2016 (AS 2016925; BBl 2013 8875).

6 Ein­ge­fügt durch Ziff. III 2 des BG vom 17. März 2023 (Ver­bes­se­run­gen der Funk­ti­ons­wei­se des Par­la­men­tes, ins­be­son­de­re in Kri­sen­si­tua­tio­nen), in Kraft seit 4. Dez. 2023 (AS 2023 483; BBl 2022 301, 433).

Art. 4 Teilnahme  

1 Je­de Per­son und je­de Or­ga­ni­sa­ti­on kann sich an ei­nem Ver­nehm­las­sungs­ver­fah­ren be­tei­li­gen und ei­ne Stel­lung­nah­me ein­rei­chen.

2 Zur Stel­lung­nah­me ein­ge­la­den wer­den:

a.7
die Kan­tons­re­gie­run­gen;
b.
die in der Bun­des­ver­samm­lung ver­tre­te­nen po­li­ti­schen Par­tei­en;
c.
die ge­samtschwei­ze­ri­schen Dach­ver­bän­de der Ge­mein­den, Städ­te und Berg­ge­bie­te;
d.
die ge­samtschwei­ze­ri­schen Dach­ver­bän­de der Wirt­schaft;
e.8
die im Ein­zel­fall in­ter­es­sier­ten aus­ser­par­la­men­ta­ri­schen Kom­mis­sio­nen und wei­te­ren Krei­se.

3 Die Bun­des­kanz­lei führt die Lis­te der Ver­nehm­las­sungs­adres­sa­ten nach Ab­satz 2 Buch­sta­ben a–d.

7 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I des BG vom 26. Sept. 2014, in Kraft seit 1. April 2016 (AS 2016925; BBl 2013 8875).

8 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I des BG vom 26. Sept. 2014, in Kraft seit 1. April 2016 (AS 2016925; BBl 2013 8875).

Art. 5 Eröffnung 9  

1 Ver­nehm­las­sungs­ver­fah­ren zu Vor­ha­ben, die von der Bun­des­ver­wal­tung aus­ge­hen, wer­den er­öff­net:

a.
vom Bun­des­rat bei Vor­ha­ben nach Ar­ti­kel 3 Ab­satz 1;
b.
vom zu­stän­di­gen De­par­te­ment oder von der Bun­des­kanz­lei bei Vor­ha­ben nach Ar­ti­kel 3 Ab­satz 2;
c.
von der zu­stän­di­gen Ein­heit der zen­tra­len oder der de­zen­tra­len Bun­des­ver­wal­tung, wenn sie zur Recht­set­zung be­fugt ist.

2 Ver­nehm­las­sungs­ver­fah­ren zu Vor­ha­ben, die von der Bun­des­ver­samm­lung aus­ge­hen, wer­den von der zu­stän­di­gen par­la­men­ta­ri­schen Kom­mis­si­on er­öff­net.

3 Die Bun­des­kanz­lei ko­or­di­niert die Ver­nehm­las­sun­gen. Sie gibt je­de Er­öff­nung ei­nes Ver­nehm­las­sungs­ver­fah­rens öf­fent­lich be­kannt und gibt da­bei die Ver­nehm­las­sungs­frist und die Stel­le für den Be­zug der Ver­nehm­las­sungs­un­ter­la­gen an.

9 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I des BG vom 26. Sept. 2014, in Kraft seit 1. April 2016 (AS 2016925; BBl 2013 8875).

Art. 6 Durchführung 10  

1 Die für die Er­öff­nung der Ver­nehm­las­sung zu­stän­di­ge Be­hör­de be­rei­tet das Ver­nehm­las­sungs­ver­fah­ren vor, führt es durch, stellt die Ver­nehm­las­sungs­er­geb­nis­se zu­sam­men und wer­tet sie aus. Er­öff­net der Bun­des­rat ei­ne Ver­nehm­las­sung, so er­füllt die­se Auf­ga­ben das zu­stän­di­ge De­par­te­ment.

2 Par­la­men­ta­ri­sche Kom­mis­sio­nen kön­nen für die Vor­be­rei­tung der Ver­nehm­las­sun­gen und für die Zu­sam­men­stel­lung der Er­geb­nis­se Dienst­stel­len der Bun­des­ver­wal­tung bei­zie­hen.

10 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I des BG vom 26. Sept. 2014, in Kraft seit 1. April 2016 (AS 2016925; BBl 2013 8875).

Art. 6a Anforderungen an die Erläuterung des Vorhabens 11  

Für die Er­läu­te­rung des Vor­ha­bens gel­ten die An­for­de­run­gen an die Bot­schaf­ten des Bun­des­ra­tes nach Ar­ti­kel 141 Ab­satz 2 des Par­la­ments­ge­set­zes vom 13. De­zem­ber 200212 sinn­ge­mä­ss.

11 Ein­ge­fügt durch Ziff. II 2 des BG vom 15. Ju­ni 2018 (Ver­schie­de­ne Än­de­run­gen des Par­la­ments­rechts), in Kraft seit 26. Nov. 2018 (AS 2018 3461; BBl 2017 67976865).

12 SR 171.10

Art. 7 Form und Frist 13  

1 Die Ver­nehm­las­sungs­un­ter­la­gen wer­den in Pa­pier­form oder in elek­tro­ni­scher Form zur Ver­fü­gung ge­stellt. Der Bun­des­rat kann vor­se­hen, dass Ver­nehm­las­sun­gen aus­sch­liess­lich elek­tro­nisch durch­ge­führt wer­den, wenn die nö­ti­gen tech­ni­schen Vor­aus­set­zun­gen ge­ge­ben sind.

2 Die für die Durch­füh­rung des Ver­nehm­las­sungs­ver­fah­rens zu­stän­di­ge Be­hör­de kann die in­ter­es­sier­ten Krei­se zu­sätz­lich zu Sit­zun­gen ein­la­den. Die­se sind zu pro­to­kol­lie­ren.

3 Die Ver­nehm­las­sungs­frist be­trägt min­des­tens drei Mo­na­te. Sie wird un­ter Be­rück­sich­ti­gung von Fe­ri­en- und Fei­er­ta­gen so­wie von In­halt und Um­fang der Vor­la­ge an­ge­mes­sen ver­län­gert. Die Min­dest­frist ver­län­gert sich bei ei­ner Ver­nehm­las­sung:

a.
wel­che die Zeit vom 15. Ju­li bis zum 15. Au­gust um­fasst: um drei Wo­chen;
b.
wel­che die Zeit von Weih­nach­ten und Neu­jahr um­fasst: um zwei Wo­chen;
c.
wel­che die Os­ter­ta­ge um­fasst: um ei­ne Wo­che.

4 Dul­det das Vor­ha­ben kei­nen Auf­schub, so kann die Frist aus­nahms­wei­se ver­kürzt wer­den. Die Dring­lich­keit ist ge­gen­über den Ver­nehm­las­sungs­adres­sa­ten sach­lich zu be­grün­den.

13 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I des BG vom 26. Sept. 2014, in Kraft seit 1. April 2016 (AS 2016925; BBl 2013 8875).

Art. 8 Behandlung der Stellungnahmen  

1 Die Stel­lung­nah­men wer­den zur Kennt­nis ge­nom­men, ge­wich­tet und aus­ge­wer­tet.

2 Die Er­geb­nis­se der Ver­nehm­las­sung wer­den in ei­nem Be­richt zu­sam­men­ge­fasst.14

14 Ein­ge­fügt durch Ziff. I des BG vom 26. Sept. 2014, in Kraft seit 1. April 2016 (AS 2016925; BBl 2013 8875).

Art. 9 Öffentlichkeit  

1 Öf­fent­lich zu­gäng­lich sind:

a.
die Ver­nehm­las­sungs­un­ter­la­gen so­wie al­le Do­ku­men­te, Stel­lung­nah­men oder Gut­ach­ten, die im er­läu­tern­den Be­richt er­wähnt wer­den;
b.
nach Ab­lauf der Ver­nehm­las­sungs­frist: die Stel­lung­nah­men und ge­ge­be­nen­falls das Pro­to­koll der Sit­zun­gen nach Ar­ti­kel 7 Ab­satz 2;
c.
nach der Kennt­nis­nah­me durch die er­öff­nen­de Be­hör­de: der Er­geb­nis­be­richt (Art. 8 Abs. 2).15

2 Die Stel­lung­nah­men wer­den durch Ge­wäh­rung der Ein­sicht­nah­me, Ab­ga­be von Ko­pi­en oder Ver­öf­fent­li­chung in elek­tro­ni­scher Form zu­gäng­lich ge­macht und kön­nen zu die­sem Zweck tech­nisch auf­be­rei­tet wer­den.

3 Das Öf­fent­lich­keits­ge­setz vom 17. De­zem­ber 200416 fin­det kei­ne An­wen­dung.

15 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I des BG vom 26. Sept. 2014, in Kraft seit 1. April 2016 (AS 2016925; BBl 2013 8875).

16 SR 152.3

Art. 10 Konsultation in dringlichen Fällen 17  

Wird auf der Grund­la­ge von Ar­ti­kel 3a Ab­satz 1 Buch­sta­be c auf ei­ne Ver­nehm­las­sung ver­zich­tet, so kon­sul­tiert die zu­stän­di­ge Be­hör­de wenn mög­lich die Kan­tons­re­gie­run­gen und die vom Vor­ha­ben in er­heb­li­chem Mass be­trof­fe­ne Krei­se.

17 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. III 2 des BG vom 17. März 2023 (Ver­bes­se­run­gen der Funk­ti­ons­wei­se des Par­la­men­tes, ins­be­son­de­re in Kri­sen­si­tua­tio­nen), in Kraft seit 4. Dez. 2023 (AS 2023 483; BBl 2022 301, 433).

Art. 11 Ausführungsbestimmungen  

Der Bun­des­rat re­gelt in ei­ner Ver­ord­nung die Ein­zel­hei­ten, na­ment­lich:

a.
die Pla­nung und die Ko­or­di­na­ti­on der ein­zel­nen Ver­nehm­las­sungs­ver­fah­ren;
b.
den In­halt der Ver­nehm­las­sungs­un­ter­la­gen, de­ren Be­reit­stel­lung und Ab­ga­be;
c.
die Durch­füh­rung des Ver­nehm­las­sungs­ver­fah­rens in elek­tro­ni­scher Form;
d.
die Be­hand­lung der ein­ge­reich­ten Stel­lung­nah­men, na­ment­lich de­ren Aus­wer­tung, tech­ni­sche Auf­be­rei­tung, Ver­öf­fent­li­chung und Ar­chi­vie­rung.
Art. 12 Änderung bisherigen Rechts  

Die nach­ste­hen­den Bun­des­ge­set­ze wer­den wie folgt ge­än­dert:

18

18 Die Än­de­run­gen kön­nen un­ter AS 2005 4099kon­sul­tiert wer­den.

Art. 13 Referendum und Inkrafttreten  

1 Die­ses Ge­setz un­ter­steht dem fa­kul­ta­ti­ven Re­fe­ren­dum.

2 Der Bun­des­rat be­stimmt das In­kraft­tre­ten.

Da­tum des In­kraft­tre­tens: 1. Sep­tem­ber 200519

19 BRB vom 17. Au­gust 2005

Diese Seite ist durch reCAPTCHA geschützt und die Google Datenschutzrichtlinie und Nutzungsbedingungen gelten.

Feedback
Laden