Bei grossen Gesetzen wie OR und ZGB kann dies bis zu 30 Sekunden dauern

Sechster Unterabschnitt: Die Mitwirkung der Erwachsenenschutzbehörde

Art. 415  

A. Prü­fung der Rech­nung und des Be­richts

 

1 Die Er­wach­se­nen­schutz­be­hör­de prüft die Rech­nung und er­teilt oder ver­wei­gert die Ge­neh­mi­gung; wenn nö­tig, ver­langt sie ei­ne Be­rich­ti­gung.

2 Sie prüft den Be­richt und ver­langt, wenn nö­tig, des­sen Er­gän­zung.

3 Sie trifft nö­ti­gen­falls Mass­nah­men, die zur Wah­rung der In­ter­es­sen der be­trof­fe­nen Per­son an­ge­zeigt sind.

Art. 416  

B. Zu­stim­mungs­be­dürf­ti­ge Ge­schäf­te

I. Von Ge­set­zes we­gen

 

1 Für fol­gen­de Ge­schäf­te, die der Bei­stand oder die Bei­stän­din in Ver­tre­tung der be­trof­fe­nen Per­son vor­nimmt, ist die Zu­stim­mung der Er­wach­se­nen­schutz­be­hör­de er­for­der­lich:

1.
Li­qui­da­ti­on des Haus­halts, Kün­di­gung des Ver­trags über Räum­lich­kei­ten, in de­nen die be­trof­fe­ne Per­son wohnt;
2.
Dau­er­ver­trä­ge über die Un­ter­brin­gung der be­trof­fe­nen Per­son;
3.
An­nah­me oder Aus­schla­gung ei­ner Erb­schaft, wenn da­für ei­ne aus­drück­li­che Er­klä­rung er­for­der­lich ist, so­wie Erb­ver­trä­ge und Erb­tei­lungs­ver­trä­ge;
4.
Er­werb, Ver­äus­se­rung, Ver­pfän­dung und an­de­re ding­li­che Be­las­tung von Grund­stücken so­wie Er­stel­len von Bau­ten, das über or­dent­li­che Ver­wal­tungs­hand­lun­gen hin­aus­geht;
5.
Er­werb, Ver­äus­se­rung und Ver­pfän­dung an­de­rer Ver­mö­gens­wer­te so­wie Er­rich­tung ei­ner Nutz­nies­sung dar­an, wenn die­se Ge­schäf­te nicht un­ter die Füh­rung der or­dent­li­chen Ver­wal­tung und Be­wirt­schaf­tung fal­len;
6.
Auf­nah­me und Ge­wäh­rung von er­heb­li­chen Dar­le­hen, Ein­ge­hung von wech­sel­recht­li­chen Ver­bind­lich­kei­ten;
7.
Leib­ren­ten- und Ver­pfrün­dungs­ver­trä­ge so­wie Le­bens­ver­si­che­run­gen, so­weit die­se nicht im Rah­men der be­ruf­li­chen Vor­sor­ge mit ei­nem Ar­beits­ver­trag zu­sam­men­hän­gen;
8.
Über­nah­me oder Li­qui­da­ti­on ei­nes Ge­schäfts, Ein­tritt in ei­ne Ge­sell­schaft mit per­sön­li­cher Haf­tung oder er­heb­li­cher Ka­pi­tal­be­tei­li­gung;
9.
Er­klä­rung der Zah­lungs­un­fä­hig­keit, Pro­zess­füh­rung, Ab­schluss ei­nes Ver­gleichs, ei­nes Schieds­ver­trags oder ei­nes Nach­lass­ver­trags, un­ter Vor­be­halt vor­läu­fi­ger Mass­nah­men des Bei­stands oder der Bei­stän­din in drin­gen­den Fäl­len.

2 Die Zu­stim­mung der Er­wach­se­nen­schutz­be­hör­de ist nicht er­for­der­lich, wenn die ur­teils­fä­hi­ge be­trof­fe­ne Per­son ihr Ein­ver­ständ­nis er­teilt und ih­re Hand­lungs­fä­hig­keit durch die Bei­stand­schaft nicht ein­ge­schränkt ist.

3 Im­mer der Zu­stim­mung der Er­wach­se­nen­schutz­be­hör­de be­dür­fen Ver­trä­ge zwi­schen dem Bei­stand oder der Bei­stän­din und der be­trof­fe­nen Per­son, aus­ser die­se er­teilt einen un­ent­gelt­li­chen Auf­trag.

Art. 417  

II. Auf An­ord­nung

 

Die Er­wach­se­nen­schutz­be­hör­de kann aus wich­ti­gen Grün­den an­ord­nen, dass ihr wei­te­re Ge­schäf­te zur Zu­stim­mung un­ter­brei­tet wer­den.

Art. 418  

III. Feh­len der Zu­stim­mung

 

Ist ein Ge­schäft oh­ne die er­for­der­li­che Zu­stim­mung der Er­wach­se­nen­schutz­be­hör­de ab­ge­schlos­sen wor­den, so hat es für die be­trof­fe­ne Per­son nur die Wir­kung, die nach der Be­stim­mung des Per­so­nen­rechts über das Feh­len der Zu­stim­mung des ge­setz­li­chen Ver­tre­ters vor­ge­se­hen ist.

Siebter Unterabschnitt: Einschreiten der Erwachsenenschutzbehörde

Art. 419  
 

Ge­gen Hand­lun­gen oder Un­ter­las­sun­gen des Bei­stands oder der Bei­stän­din so­wie ei­ner Dritt­per­son oder Stel­le, der die Er­wach­se­nen­schutz­be­hör­de einen Auf­trag er­teilt hat, kann die be­trof­fe­ne oder ei­ne ihr na­he­ste­hen­de Per­son und je­de Per­son, die ein recht­lich ge­schütz­tes In­ter­es­se hat, die Er­wach­se­nen­schutz­be­hör­de an­ru­fen.

Achter Unterabschnitt: Besondere Bestimmungen für Angehörige

Art. 420  
 

Wer­den der Ehe­gat­te, die ein­ge­tra­ge­ne Part­ne­rin oder der ein­ge­tra­ge­ne Part­ner, die El­tern, ein Nach­kom­me, ein Ge­schwis­ter, die fak­ti­sche Le­ben­s­part­ne­rin oder der fak­ti­sche Le­ben­s­part­ner der be­trof­fe­nen Per­son als Bei­stand oder Bei­stän­din ein­ge­setzt, so kann die Er­wach­se­nen­schutz­be­hör­de sie von der In­ven­tar­pflicht, der Pflicht zur pe­ri­odi­schen Be­richt­er­stat­tung und Rech­nungs­ab­la­ge und der Pflicht, für be­stimm­te Ge­schäf­te die Zu­stim­mung ein­zu­ho­len, ganz oder teil­wei­se ent­bin­den, wenn die Um­stän­de es recht­fer­ti­gen.

Neunter Unterabschnitt: Das Ende des Amtes des Beistands oder der Beiständin

Art. 421  

A. Von Ge­set­zes we­gen

 

Das Amt des Bei­stands oder der Bei­stän­din en­det von Ge­set­zes we­gen:

1.
mit Ab­lauf ei­ner von der Er­wach­se­nen­schutz­be­hör­de fest­ge­leg­ten Amts­dau­er, so­fern kei­ne Be­stä­ti­gung im Amt er­folgt;
2.
mit dem En­de der Bei­stand­schaft;
3.
mit dem En­de des Ar­beits­ver­hält­nis­ses als Be­rufs­bei­stand oder Be­rufs­bei­stän­din;
4.
im Zeit­punkt, in dem der Bei­stand oder die Bei­stän­din ver­bei­stän­det oder ur­teil­s­un­fä­hig wird oder stirbt.
Art. 422  

B. Ent­las­sung

I. Auf Be­geh­ren des Bei­stands oder der Bei­stän­din

 

1 Der Bei­stand oder die Bei­stän­din hat frü­he­s­tens nach vier Jah­ren Amts­dau­er An­spruch auf Ent­las­sung.

2 Vor­her kann der Bei­stand oder die Bei­stän­din die Ent­las­sung aus wich­ti­gen Grün­den ver­lan­gen.

Art. 423  

II. Üb­ri­ge Fäl­le

 

1 Die Er­wach­se­nen­schutz­be­hör­de ent­lässt den Bei­stand oder die Bei­stän­din, wenn:

1.
die Eig­nung für die Auf­ga­ben nicht mehr be­steht;
2.
ein an­de­rer wich­ti­ger Grund für die Ent­las­sung vor­liegt.

2 Die Ent­las­sung kann von der be­trof­fe­nen oder ei­ner ihr na­he­ste­hen­den Per­son be­an­tragt wer­den.

Art. 424  

C. Wei­ter­füh­rung der Ge­schäf­te

 

Der Bei­stand oder die Bei­stän­din ist ver­pflich­tet, nicht auf­schieb­ba­re Ge­schäf­te wei­ter­zu­füh­ren, bis der Nach­fol­ger oder die Nach­fol­ge­rin das Amt über­nimmt, so­fern die Er­wach­se­nen­schutz­be­hör­de nichts an­de­res an­ord­net. Die­se Be­stim­mung gilt nicht für den Be­rufs­bei­stand oder die Be­rufs­bei­stän­din.

Art. 425  

D. Schluss­be­richt und Schluss­rech­nung

 

1 En­det das Amt, so er­stat­tet der Bei­stand oder die Bei­stän­din der Er­wach­se­nen­schutz­be­hör­de den Schluss­be­richt und reicht ge­ge­be­nen­falls die Schluss­rech­nung ein. Die Er­wach­se­nen­schutz­be­hör­de kann den Be­rufs­bei­stand oder die Be­rufs­bei­stän­din von die­ser Pflicht ent­bin­den, wenn das Ar­beits­ver­hält­nis en­det.

2 Die Er­wach­se­nen­schutz­be­hör­de prüft und ge­neh­migt den Schluss­be­richt und die Schluss­rech­nung auf die glei­che Wei­se wie die pe­ri­odi­schen Be­rich­te und Rech­nun­gen.

3 Sie stellt den Schluss­be­richt und die Schluss­rech­nung der be­trof­fe­nen Per­son oder de­ren Er­ben und ge­ge­be­nen­falls der neu­en Bei­stän­din oder dem neu­en Bei­stand zu und weist die­se Per­so­nen gleich­zei­tig auf die Be­stim­mun­gen über die Ver­ant­wort­lich­keit hin.

4 Sie teilt ih­nen zu­dem mit, ob sie den Bei­stand oder die Bei­stän­din ent­las­tet oder die Ge­neh­mi­gung des Schluss­be­richts oder der Schluss­rech­nung ver­wei­gert hat.

Dritter Abschnitt: Die fürsorgerische Unterbringung

Art. 426  

A. Die Mass­nah­men

I. Un­ter­brin­gung zur Be­hand­lung oder Be­treu­ung

 

1 Ei­ne Per­son, die an ei­ner psy­chi­schen Stö­rung oder an geis­ti­ger Be­hin­de­rung lei­det oder schwer ver­wahr­lost ist, darf in ei­ner ge­eig­ne­ten Ein­rich­tung un­ter­ge­bracht wer­den, wenn die nö­ti­ge Be­hand­lung oder Be­treu­ung nicht an­ders er­fol­gen kann.

2 Die Be­las­tung und der Schutz von An­ge­hö­ri­gen und Drit­ten sind zu be­rück­sich­ti­gen.

3 Die be­trof­fe­ne Per­son wird ent­las­sen, so­bald die Vor­aus­set­zun­gen für die Un­ter­brin­gung nicht mehr er­füllt sind.

4 Die be­trof­fe­ne oder ei­ne ihr na­he­ste­hen­de Per­son kann je­der­zeit um Ent­las­sung er­su­chen. Über die­ses Ge­such ist oh­ne Ver­zug zu ent­schei­den.

Art. 427  

II. Zu­rück­be­hal­tung frei­wil­lig Ein­ge­tre­te­ner

 

1 Will ei­ne Per­son, die an ei­ner psy­chi­schen Stö­rung lei­det und frei­wil­lig in ei­ne Ein­rich­tung ein­ge­tre­ten ist, die­se wie­der ver­las­sen, so kann sie von der ärzt­li­chen Lei­tung der Ein­rich­tung für höchs­tens drei Ta­ge zu­rück­be­hal­ten wer­den, wenn sie:

1.
sich selbst an Leib und Le­ben ge­fähr­det; oder
2.
das Le­ben oder die kör­per­li­che In­te­gri­tät Drit­ter ernst­haft ge­fähr­det.

2 Nach Ab­lauf der Frist kann die be­trof­fe­ne Per­son die Ein­rich­tung ver­las­sen, wenn nicht ein voll­streck­ba­rer Un­ter­brin­gungs­ent­scheid vor­liegt.

3 Die be­trof­fe­ne Per­son wird schrift­lich dar­auf auf­merk­sam ge­macht, dass sie das Ge­richt an­ru­fen kann.

Art. 428  

B. Zu­stän­dig­keit für die Un­ter­brin­gung und die Ent­las­sung

I. Er­wach­se­nen­schutz­be­hör­de

 

1 Für die An­ord­nung der Un­ter­brin­gung und die Ent­las­sung ist die Er­wach­se­nen­schutz­be­hör­de zu­stän­dig.

2 Sie kann im Ein­zel­fall die Zu­stän­dig­keit für die Ent­las­sung der Ein­rich­tung über­tra­gen.

Art. 429  

II. Ärz­tin­nen und Ärz­te

1. Zu­stän­dig­keit

 

1 Die Kan­to­ne kön­nen Ärz­te und Ärz­tin­nen be­zeich­nen, die ne­ben der Er­wach­se­nen­schutz­be­hör­de ei­ne Un­ter­brin­gung wäh­rend ei­ner vom kan­to­na­len Recht fest­ge­leg­ten Dau­er an­ord­nen dür­fen. Die Dau­er darf höchs­tens sechs Wo­chen be­tra­gen.

2 Die ärzt­li­che Un­ter­brin­gung fällt spä­tes­tens nach Ab­lauf der fest­ge­leg­ten Dau­er da­hin, so­fern nicht ein voll­streck­ba­rer Un­ter­brin­gungs­ent­scheid der Er­wach­se­nen­schutz­be­hör­de vor­liegt.

3 Über die Ent­las­sung ent­schei­det die Ein­rich­tung.

Art. 430  

2. Ver­fah­ren

 

1 Die Ärz­tin oder der Arzt un­ter­sucht per­sön­lich die be­trof­fe­ne Per­son und hört sie an.

2 Der Un­ter­brin­gungs­ent­scheid ent­hält min­des­tens fol­gen­de An­ga­ben:

1.
Ort und Da­tum der Un­ter­su­chung;
2.
Na­me der Ärz­tin oder des Arz­tes;
3.
Be­fund, Grün­de und Zweck der Un­ter­brin­gung;
4.
die Rechts­mit­tel­be­leh­rung.

3 Das Rechts­mit­tel hat kei­ne auf­schie­ben­de Wir­kung, so­fern die Ärz­tin oder der Arzt oder das zu­stän­di­ge Ge­richt nichts an­de­res ver­fügt.

4 Ein Ex­em­plar des Un­ter­brin­gungs­ent­scheids wird der be­trof­fe­nen Per­son aus­ge­hän­digt; ein wei­te­res Ex­em­plar wird der Ein­rich­tung bei der Auf­nah­me der be­trof­fe­nen Per­son vor­ge­legt.

5 Die Ärz­tin oder der Arzt in­for­miert, so­fern mög­lich, ei­ne der be­trof­fe­nen Per­son na­he­ste­hen­de Per­son schrift­lich über die Un­ter­brin­gung und die Be­fug­nis, das Ge­richt an­zu­ru­fen.

Art. 431  

C. Pe­ri­odi­sche Über­prü­fung

 

1 Die Er­wach­se­nen­schutz­be­hör­de über­prüft spä­tes­tens sechs Mo­na­te nach Be­ginn der Un­ter­brin­gung, ob die Vor­aus­set­zun­gen noch er­füllt sind und ob die Ein­rich­tung wei­ter­hin ge­eig­net ist.

2 Sie führt in­ner­halb von wei­te­ren sechs Mo­na­ten ei­ne zwei­te Über­prü­fung durch. An­sch­lies­send führt sie die Über­prü­fung so oft wie nö­tig, min­des­tens aber jähr­lich durch.

Art. 432  

D. Ver­trau­ens­per­son

 

Je­de Per­son, die in ei­ner Ein­rich­tung un­ter­ge­bracht wird, kann ei­ne Per­son ih­res Ver­trau­ens bei­zie­hen, die sie wäh­rend des Auf­ent­halts und bis zum Ab­schluss al­ler da­mit zu­sam­men­hän­gen­den Ver­fah­ren un­ter­stützt.

Art. 433  

E. Me­di­zi­ni­sche Mass­nah­men bei ei­ner psy­chi­schen Stö­rung

I. Be­hand­lungs­plan

 

1 Wird ei­ne Per­son zur Be­hand­lung ei­ner psy­chi­schen Stö­rung in ei­ner Ein­rich­tung un­ter­ge­bracht, so er­stellt die be­han­deln­de Ärz­tin oder der be­han­deln­de Arzt un­ter Bei­zug der be­trof­fe­nen Per­son und ge­ge­be­nen­falls ih­rer Ver­trau­ens­per­son einen schrift­li­chen Be­hand­lungs­plan.

2 Die Ärz­tin oder der Arzt in­for­miert die be­trof­fe­ne Per­son und de­ren Ver­trau­ens­per­son über al­le Um­stän­de, die im Hin­blick auf die in Aus­sicht ge­nom­me­nen me­di­zi­ni­schen Mass­nah­men we­sent­lich sind, ins­be­son­de­re über de­ren Grün­de, Zweck, Art, Mo­da­li­tä­ten, Ri­si­ken und Ne­ben­wir­kun­gen, über Fol­gen ei­nes Un­ter­las­sens der Be­hand­lung so­wie über all­fäl­li­ge al­ter­na­ti­ve Be­hand­lungs­mög­lich­kei­ten.

3 Der Be­hand­lungs­plan wird der be­trof­fe­nen Per­son zur Zu­stim­mung un­ter­brei­tet. Bei ei­ner ur­teil­s­un­fä­hi­gen Per­son ist ei­ne all­fäl­li­ge Pa­ti­en­ten­ver­fü­gung zu be­rück­sich­ti­gen.

4 Der Be­hand­lungs­plan wird der lau­fen­den Ent­wick­lung an­ge­passt.

Art. 434  

II. Be­hand­lung oh­ne Zu­stim­mung

 

1 Fehlt die Zu­stim­mung der be­trof­fe­nen Per­son, so kann die Chef­ärz­tin oder der Chef­arzt der Ab­tei­lung die im Be­hand­lungs­plan vor­ge­se­he­nen me­di­zi­ni­schen Mass­nah­men schrift­lich an­ord­nen, wenn:

1.
oh­ne Be­hand­lung der be­trof­fe­nen Per­son ein ernst­haf­ter ge­sund­heit­li­cher Scha­den droht oder das Le­ben oder die kör­per­li­che In­te­gri­tät Drit­ter ernst­haft ge­fähr­det ist;
2.
die be­trof­fe­ne Per­son be­züg­lich ih­rer Be­hand­lungs­be­dürf­tig­keit ur­teil­s­un­fä­hig ist; und
3.
kei­ne an­ge­mes­se­ne Mass­nah­me zur Ver­fü­gung steht, die we­ni­ger ein­schnei­dend ist.

2 Die An­ord­nung wird der be­trof­fe­nen Per­son und ih­rer Ver­trau­ens­per­son ver­bun­den mit ei­ner Rechts­mit­tel­be­leh­rung schrift­lich mit­ge­teilt.

Art. 435  

III. Not­fäl­le

 

1 In ei­ner Not­fall­si­tua­ti­on kön­nen die zum Schutz der be­trof­fe­nen Per­son oder Drit­ter un­er­läss­li­chen me­di­zi­ni­schen Mass­nah­men so­fort er­grif­fen wer­den.

2 Ist der Ein­rich­tung be­kannt, wie die Per­son be­han­delt wer­den will, so wird de­ren Wil­le be­rück­sich­tigt.

Art. 436  

IV. Aus­tritts­ge­spräch

 

1 Be­steht ei­ne Rück­fall­ge­fahr, so ver­sucht die be­han­deln­de Ärz­tin oder der be­han­deln­de Arzt mit der be­trof­fe­nen Per­son vor de­ren Ent­las­sung Be­hand­lungs­grund­sät­ze für den Fall ei­ner er­neu­ten Un­ter­brin­gung in der Ein­rich­tung zu ver­ein­ba­ren.

2 Das Aus­tritts­ge­spräch ist zu do­ku­men­tie­ren.

Art. 437  

V. Kan­to­na­les Recht

 

1 Die Kan­to­ne re­geln die Nach­be­treu­ung.

2 Sie kön­nen am­bu­lan­te Mass­nah­men vor­se­hen.

Art. 438  

F. Mass­nah­men zur Ein­schrän­kung der Be­we­gungs­frei­heit

 

Auf Mass­nah­men, die die Be­we­gungs­frei­heit der be­trof­fe­nen Per­so­nen in der Ein­rich­tung ein­schrän­ken, sind die Be­stim­mun­gen über die Ein­schrän­kung der Be­we­gungs­frei­heit in Wohn- oder Pfle­ge­ein­rich­tun­gen sinn­ge­mä­ss an­wend­bar. Vor­be­hal­ten bleibt die An­ru­fung des Ge­richts.

Art. 439  

G. An­ru­fung des Ge­richts

 

1 Die be­trof­fe­ne oder ei­ne ihr na­he­ste­hen­de Per­son kann in fol­gen­den Fäl­len schrift­lich das zu­stän­di­ge Ge­richt an­ru­fen:

1.
bei ärzt­lich an­ge­ord­ne­ter Un­ter­brin­gung;
2.
bei Zu­rück­be­hal­tung durch die Ein­rich­tung;
3.
bei Ab­wei­sung ei­nes Ent­las­sungs­ge­suchs durch die Ein­rich­tung;
4.
bei Be­hand­lung ei­ner psy­chi­schen Stö­rung oh­ne Zu­stim­mung;
5.
bei Mass­nah­men zur Ein­schrän­kung der Be­we­gungs­frei­heit.

2 Die Frist zur An­ru­fung des Ge­richts be­trägt zehn Ta­ge seit Mit­tei­lung des Ent­scheids. Bei Mass­nah­men zur Ein­schrän­kung der Be­we­gungs­frei­heit kann das Ge­richt je­der­zeit an­ge­ru­fen wer­den.

3 Das Ver­fah­ren rich­tet sich sinn­ge­mä­ss nach den Be­stim­mun­gen über das Ver­fah­ren vor der ge­richt­li­chen Be­schwer­de­in­stanz.

4 Je­des Be­geh­ren um ge­richt­li­che Be­ur­tei­lung ist un­ver­züg­lich an das zu­stän­di­ge Ge­richt wei­ter­zu­lei­ten.

Zwölfter Titel: Organisation

Erster Abschnitt: Behörden und örtliche Zuständigkeit

Art. 440  

A. Er­wach­se­nen­schutz­be­hör­de

 

1 Die Er­wach­se­nen­schutz­be­hör­de ist ei­ne Fach­be­hör­de. Sie wird von den Kan­to­nen be­stimmt.

2 Sie fällt ih­re Ent­schei­de mit min­des­tens drei Mit­glie­dern. Die Kan­to­ne kön­nen für be­stimm­te Ge­schäf­te Aus­nah­men vor­se­hen.

3 Sie hat auch die Auf­ga­ben der Kin­des­schutz­be­hör­de.

Art. 441  

B. Auf­sichts­be­hör­de

 

1 Die Kan­to­ne be­stim­men die Auf­sichts­be­hör­den.

2 Der Bun­des­rat kann Be­stim­mun­gen über die Auf­sicht er­las­sen.

Art. 442  

C. Ört­li­che Zu­stän­dig­keit

 

1 Zu­stän­dig ist die Er­wach­se­nen­schutz­be­hör­de am Wohn­sitz der be­trof­fe­nen Per­son. Ist ein Ver­fah­ren rechts­hän­gig, so bleibt die Zu­stän­dig­keit bis zu des­sen Ab­schluss auf je­den Fall er­hal­ten.

2 Ist Ge­fahr im Ver­zug, so ist auch die Be­hör­de am Ort zu­stän­dig, wo sich die be­trof­fe­ne Per­son auf­hält. Trifft die­se Be­hör­de ei­ne Mass­nah­me, so be­nach­rich­tigt sie die Wohn­sitz­be­hör­de.

3 Für ei­ne Bei­stand­schaft we­gen Ab­we­sen­heit ist auch die Be­hör­de des Or­tes zu­stän­dig, wo das Ver­mö­gen in sei­nem Haupt­be­stand­teil ver­wal­tet wor­den oder der be­trof­fe­nen Per­son zu­ge­fal­len ist.

4 Die Kan­to­ne sind be­rech­tigt, für ih­re Bür­ge­rin­nen und Bür­ger, die Wohn­sitz im Kan­ton ha­ben, statt der Wohn­sitz­be­hör­de die Be­hör­de des Hei­mator­tes zu­stän­dig zu er­klä­ren, so­fern auch die Un­ter­stüt­zung be­dürf­ti­ger Per­so­nen ganz oder teil­wei­se der Hei­mat­ge­mein­de ob­liegt.

5 Wech­selt ei­ne Per­son, für die ei­ne Mass­nah­me be­steht, ih­ren Wohn­sitz, so über­nimmt die Be­hör­de am neu­en Ort die Mass­nah­me oh­ne Ver­zug, so­fern kei­ne wich­ti­gen Grün­de da­ge­gen spre­chen.

Zweiter Abschnitt: Verfahren

Erster Unterabschnitt: Vor der Erwachsenenschutzbehörde

Art. 443  

A. Mel­de­rech­te und -pflich­ten

 

1 Je­de Per­son kann der Er­wach­se­nen­schutz­be­hör­de Mel­dung er­stat­ten, wenn ei­ne Per­son hilfs­be­dürf­tig er­scheint. Vor­be­hal­ten blei­ben die Be­stim­mun­gen über das Be­rufs­ge­heim­nis.

2 Wer in amt­li­cher Tä­tig­keit von ei­ner sol­chen Per­son er­fährt und der Hilfs­be­dürf­tig­keit im Rah­men sei­ner Tä­tig­keit nicht Ab­hil­fe schaf­fen kann, ist mel­de­pflich­tig. Vor­be­hal­ten blei­ben die Be­stim­mun­gen über das Be­rufs­ge­heim­nis.471

3 Die Kan­to­ne kön­nen wei­te­re Mel­de­pflich­ten vor­se­hen.472

471Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I des BG vom 15. Dez. 2017 (Kin­des­schutz), in Kraft seit 1. Jan. 2019 (AS 2018 2947; BBl 2015 3431).

472Ein­ge­fügt durch Ziff. I des BG vom 15. Dez. 2017 (Kin­des­schutz), in Kraft seit 1. Jan. 2019 (AS 2018 2947; BBl 2015 3431).

Art. 444  

B. Prü­fung der Zu­stän­dig­keit

 

1 Die Er­wach­se­nen­schutz­be­hör­de prüft ih­re Zu­stän­dig­keit von Am­tes we­gen.

2 Hält sie sich nicht für zu­stän­dig, so über­weist sie die Sa­che un­ver­züg­lich der Be­hör­de, die sie als zu­stän­dig er­ach­tet.

3 Zwei­felt sie an ih­rer Zu­stän­dig­keit, so pflegt sie einen Mei­nungs­aus­tausch mit der Be­hör­de, de­ren Zu­stän­dig­keit in Fra­ge kommt.

4 Kann im Mei­nungs­aus­tausch kei­ne Ei­ni­gung er­zielt wer­den, so un­ter­brei­tet die zu­erst be­fass­te Be­hör­de die Fra­ge ih­rer Zu­stän­dig­keit der ge­richt­li­chen Be­schwer­de­in­stanz.

Art. 445  

C. Vor­sorg­li­che Mass­nah­men

 

1 Die Er­wach­se­nen­schutz­be­hör­de trifft auf An­trag ei­ner am Ver­fah­ren be­tei­lig­ten Per­son oder von Am­tes we­gen al­le für die Dau­er des Ver­fah­rens not­wen­di­gen vor­sorg­li­chen Mass­nah­men. Sie kann ins­be­son­de­re ei­ne Mass­nah­me des Er­wach­se­nen­schut­zes vor­sorg­lich an­ord­nen.

2 Bei be­son­de­rer Dring­lich­keit kann sie vor­sorg­li­che Mass­nah­men so­fort oh­ne An­hö­rung der am Ver­fah­ren be­tei­lig­ten Per­so­nen tref­fen. Gleich­zei­tig gibt sie die­sen Ge­le­gen­heit zur Stel­lung­nah­me; an­sch­lies­send ent­schei­det sie neu.

3 Ge­gen Ent­schei­de über vor­sorg­li­che Mass­nah­men kann in­nert zehn Ta­gen nach de­ren Mit­tei­lung Be­schwer­de er­ho­ben wer­den.

Art. 446  

D. Ver­fah­rens­grund­sät­ze

 

1 Die Er­wach­se­nen­schutz­be­hör­de er­forscht den Sach­ver­halt von Am­tes we­gen.

2 Sie zieht die er­for­der­li­chen Er­kun­di­gun­gen ein und er­hebt die not­wen­di­gen Be­wei­se. Sie kann ei­ne ge­eig­ne­te Per­son oder Stel­le mit Ab­klä­run­gen be­auf­tra­gen. Nö­ti­gen­falls ord­net sie das Gut­ach­ten ei­ner sach­ver­stän­di­gen Per­son an.

3 Sie ist nicht an die An­trä­ge der am Ver­fah­ren be­tei­lig­ten Per­so­nen ge­bun­den.

4 Sie wen­det das Recht von Am­tes we­gen an.

Art. 447  

E. An­hö­rung

 

1 Die be­trof­fe­ne Per­son wird per­sön­lich an­ge­hört, so­weit dies nicht als un­ver­hält­nis­mäs­sig er­scheint.

2 Im Fall ei­ner für­sor­ge­ri­schen Un­ter­brin­gung hört die Er­wach­se­nen­schutz­be­hör­de die be­trof­fe­ne Per­son in der Re­gel als Kol­le­gi­um an.

Art. 448  

F. Mit­wir­kungs­pflich­ten und Amts­hil­fe

 

1 Die am Ver­fah­ren be­tei­lig­ten Per­so­nen und Drit­te sind zur Mit­wir­kung bei der Ab­klä­rung des Sach­ver­halts ver­pflich­tet. Die Er­wach­se­nen­schutz­be­hör­de trifft die zur Wah­rung schutz­wür­di­ger In­ter­es­sen er­for­der­li­chen An­ord­nun­gen. Nö­ti­gen­falls ord­net sie die zwangs­wei­se Durch­set­zung der Mit­wir­kungs­pflicht an.

2 Ärz­tin­nen und Ärz­te, Zahn­ärz­tin­nen und Zahn­ärz­te, Apo­the­ke­rin­nen und Apo­the­ker, Heb­am­men und Ent­bin­dungs­pfle­ger, Chi­ro­prak­to­ren, Psy­cho­lo­gen so­wie ih­re Hilfs­per­so­nen sind nur dann zur Mit­wir­kung ver­pflich­tet, wenn die ge­heim­nis­be­rech­tig­te Per­son sie da­zu er­mäch­tigt hat oder die vor­ge­setz­te Be­hör­de oder die Auf­sichts­be­hör­de sie auf ei­ge­nes Ge­such oder auf Ge­such der Er­wach­se­nen­schutz­be­hör­de vom Be­rufs­ge­heim­nis ent­bun­den hat.473

3 Nicht zur Mit­wir­kung ver­pflich­tet sind Geist­li­che, Rechts­an­wäl­tin­nen und Rechts­an­wäl­te, Ver­tei­di­ge­rin­nen und Ver­tei­di­ger, Me­dia­to­rin­nen und Me­dia­to­ren so­wie ehe­ma­li­ge Bei­stän­din­nen und Bei­stän­de, die für das Ver­fah­ren er­nannt wur­den.

4 Ver­wal­tungs­be­hör­den und Ge­rich­te ge­ben die not­wen­di­gen Ak­ten her­aus, er­stat­ten Be­richt und er­tei­len Aus­künf­te, so­weit nicht schutz­wür­di­ge In­ter­es­sen ent­ge­gen­ste­hen.

473Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I des BG vom 15. Dez. 2017 (Kin­des­schutz), in Kraft seit 1. Jan. 2019 (AS 2018 2947; BBl 2015 3431).

Art. 449  

G. Be­gut­ach­tung in ei­ner Ein­rich­tung

 

1 Ist ei­ne psych­ia­tri­sche Be­gut­ach­tung un­er­läss­lich und kann die­se nicht am­bu­lant durch­ge­führt wer­den, so weist die Er­wach­se­nen­schutz­be­hör­de die be­trof­fe­ne Per­son zur Be­gut­ach­tung in ei­ne ge­eig­ne­te Ein­rich­tung ein.

2 Die Be­stim­mun­gen über das Ver­fah­ren bei für­sor­ge­ri­scher Un­ter­brin­gung sind sinn­ge­mä­ss an­wend­bar.

Art. 449a  

H. An­ord­nung ei­ner Ver­tre­tung

 

Die Er­wach­se­nen­schutz­be­hör­de ord­net wenn nö­tig die Ver­tre­tung der be­trof­fe­nen Per­son an und be­zeich­net als Bei­stand oder Bei­stän­din ei­ne in für­sor­ge­ri­schen und recht­li­chen Fra­gen er­fah­re­ne Per­son.

Art. 449b  

I. Ak­ten­ein­sicht

 

1 Die am Ver­fah­ren be­tei­lig­ten Per­so­nen ha­ben An­spruch auf Ak­ten­ein­sicht, so­weit nicht über­wie­gen­de In­ter­es­sen ent­ge­gen­ste­hen.

2 Wird ei­ner am Ver­fah­ren be­tei­lig­ten Per­son die Ein­sicht­nah­me in ein Ak­ten­stück ver­wei­gert, so wird auf die­ses nur ab­ge­stellt, wenn ihr die Be­hör­de von sei­nem für die Sa­che we­sent­li­chen In­halt münd­lich oder schrift­lich Kennt­nis ge­ge­ben hat.

Art. 449c  

J. Mit­tei­lungs­pflicht

 

Die Er­wach­se­nen­schutz­be­hör­de macht dem Zi­vil­stands­amt Mit­tei­lung, wenn:

1.
sie ei­ne Per­son we­gen dau­ern­der Ur­teil­s­un­fä­hig­keit un­ter um­fas­sen­de Bei­stand­schaft stellt;
2.
für ei­ne dau­ernd ur­teil­s­un­fä­hi­ge Per­son ein Vor­sor­ge­auf­trag wirk­sam wird.

Zweiter Unterabschnitt: Vor der gerichtlichen Beschwerdeinstanz

Art. 450  

A. Be­schwer­de­ob­jekt und Be­schwer­de­be­fug­nis

 

1 Ge­gen Ent­schei­de der Er­wach­se­nen­schutz­be­hör­de kann Be­schwer­de beim zu­stän­di­gen Ge­richt er­ho­ben wer­den.

2 Zur Be­schwer­de be­fugt sind:

1.
die am Ver­fah­ren be­tei­lig­ten Per­so­nen;
2.
die der be­trof­fe­nen Per­son na­he­ste­hen­den Per­so­nen;
3.
Per­so­nen, die ein recht­lich ge­schütz­tes In­ter­es­se an der Auf­he­bung oder Än­de­rung des an­ge­foch­te­nen Ent­scheids ha­ben.

3 Die Be­schwer­de ist beim Ge­richt schrift­lich und be­grün­det ein­zu­rei­chen.

Art. 450a  

B. Be­schwer­de­grün­de

 

1 Mit der Be­schwer­de kann ge­rügt wer­den:

1.
Rechts­ver­let­zung;
2.
un­rich­ti­ge oder un­voll­stän­di­ge Fest­stel­lung des recht­s­er­heb­li­chen Sach­ver­halts;
3.
Un­an­ge­mes­sen­heit.

2 Fer­ner kann we­gen Rechts­ver­wei­ge­rung und Rechts­ver­zö­ge­rung Be­schwer­de ge­führt wer­den.

Art. 450b  

C. Be­schwer­de­frist

 

1 Die Be­schwer­de­frist be­trägt dreis­sig Ta­ge seit Mit­tei­lung des Ent­scheids. Die­se Frist gilt auch für be­schwer­de­be­rech­tig­te Per­so­nen, de­nen der Ent­scheid nicht mit­ge­teilt wer­den muss.

2 Bei ei­nem Ent­scheid auf dem Ge­biet der für­sor­ge­ri­schen Un­ter­brin­gung be­trägt die Be­schwer­de­frist zehn Ta­ge seit Mit­tei­lung des Ent­scheids.

3 We­gen Rechts­ver­wei­ge­rung und Rechts­ver­zö­ge­rung kann je­der­zeit Be­schwer­de ge­führt wer­den.

Art. 450c  

D. Auf­schie­ben­de Wir­kung

 

Die Be­schwer­de hat auf­schie­ben­de Wir­kung, so­fern die Er­wach­se­nen­schutz­be­hör­de oder die ge­richt­li­che Be­schwer­de­in­stanz nichts an­de­res ver­fügt.

Art. 450d  

E. Ver­nehm­las­sung der Vor­in­stanz und Wie­der­er­wä­gung

 

1 Die ge­richt­li­che Be­schwer­de­in­stanz gibt der Er­wach­se­nen­schutz­be­hör­de Ge­le­gen­heit zur Ver­nehm­las­sung.

2 Statt ei­ne Ver­nehm­las­sung ein­zu­rei­chen, kann die Er­wach­se­nen­schutz­be­hör­de den Ent­scheid in Wie­der­er­wä­gung zie­hen.

Art. 450e  

F. Be­son­de­re Be­stim­mun­gen bei für­sor­ge­ri­scher Un­ter­brin­gung

 

1 Die Be­schwer­de ge­gen einen Ent­scheid auf dem Ge­biet der für­sor­ge­ri­schen Un­ter­brin­gung muss nicht be­grün­det wer­den.

2 Die Be­schwer­de hat kei­ne auf­schie­ben­de Wir­kung, so­fern die Er­wach­se­nen­schutz­be­hör­de oder die ge­richt­li­che Be­schwer­de­in­stanz nichts an­de­res ver­fügt.

3 Bei psy­chi­schen Stö­run­gen muss ge­stützt auf das Gut­ach­ten ei­ner sach­ver­stän­di­gen Per­son ent­schie­den wer­den.

4 Die ge­richt­li­che Be­schwer­de­in­stanz hört die be­trof­fe­ne Per­son in der Re­gel als Kol­le­gi­um an. Sie ord­net wenn nö­tig de­ren Ver­tre­tung an und be­zeich­net als Bei­stand oder Bei­stän­din ei­ne in für­sor­ge­ri­schen und recht­li­chen Fra­gen er­fah­re­ne Per­son.

5 Sie ent­schei­det in der Re­gel in­nert fünf Ar­beits­ta­gen seit Ein­gang der Be­schwer­de.

Dritter Unterabschnitt: Gemeinsame Bestimmung

Art. 450f  
 

Im Üb­ri­gen sind die Be­stim­mun­gen der Zi­vil­pro­zess­ord­nung sinn­ge­mä­ss an­wend­bar, so­weit die Kan­to­ne nichts an­de­res be­stim­men.

Vierter Unterabschnitt: Vollstreckung

Art. 450g  
 

1 Die Er­wach­se­nen­schutz­be­hör­de voll­streckt die Ent­schei­de auf An­trag oder von Am­tes we­gen.

2 Hat die Er­wach­se­nen­schutz­be­hör­de oder die ge­richt­li­che Be­schwer­de­in­stanz im Ent­scheid be­reits Voll­stre­ckungs­mass­nah­men an­ge­ord­net, so kann die­ser di­rekt voll­streckt wer­den.

3 Die mit der Voll­stre­ckung be­trau­te Per­son kann nö­ti­gen­falls po­li­zei­li­che Hil­fe be­an­spru­chen. Un­mit­tel­ba­re Zwangs­mass­nah­men sind in der Re­gel vor­gän­gig an­zu­dro­hen.

Dritter Abschnitt: Verhältnis zu Dritten und Zusammenarbeitspflicht

Art. 451  

A. Ver­schwie­gen­heits­pflicht und Aus­kunft

 

1 Die Er­wach­se­nen­schutz­be­hör­de ist zur Ver­schwie­gen­heit ver­pflich­tet, so­weit nicht über­wie­gen­de In­ter­es­sen ent­ge­gen­ste­hen.

2 Wer ein In­ter­es­se glaub­haft macht, kann von der Er­wach­se­nen­schutz­be­hör­de Aus­kunft über das Vor­lie­gen und die Wir­kun­gen ei­ner Mass­nah­me des Er­wach­se­nen­schut­zes ver­lan­gen.

Art. 452  

B. Wir­kung der Mass­nah­men ge­gen­über Drit­ten

 

1 Ei­ne Mass­nah­me des Er­wach­se­nen­schut­zes kann Drit­ten, auch wenn sie gut­gläu­big sind, ent­ge­gen­ge­hal­ten wer­den.

2 Schränkt die Bei­stand­schaft die Hand­lungs­fä­hig­keit der be­trof­fe­nen Per­son ein, so ist den Schuld­nern mit­zu­tei­len, dass ih­re Leis­tung nur be­frei­en­de Wir­kung hat, wenn sie die­se dem Bei­stand oder der Bei­stän­din er­brin­gen. Vor­her kann die Bei­stand­schaft gut­gläu­bi­gen Schuld­nern nicht ent­ge­gen­ge­hal­ten wer­den.

3 Hat ei­ne Per­son, für die ei­ne Mass­nah­me des Er­wach­se­nen­schut­zes be­steht, an­de­re zur irr­tüm­li­chen An­nah­me ih­rer Hand­lungs­fä­hig­keit ver­lei­tet, so ist sie ih­nen für den da­durch ver­ur­sach­ten Scha­den ver­ant­wort­lich.

Art. 453  

C. Zu­sam­men­ar­beits­pflicht

 

1 Be­steht die ernst­haf­te Ge­fahr, dass ei­ne hilfs­be­dürf­ti­ge Per­son sich selbst ge­fähr­det oder ein Ver­bre­chen oder Ver­ge­hen be­geht, mit dem sie je­man­den kör­per­lich, see­lisch oder ma­te­ri­ell schwer schä­digt, so ar­bei­ten die Er­wach­se­nen­schutz­be­hör­de, die be­trof­fe­nen Stel­len und die Po­li­zei zu­sam­men.

2 Per­so­nen, die dem Amts- oder Be­rufs­ge­heim­nis un­ter­ste­hen, sind in ei­nem sol­chen Fall be­rech­tigt, der Er­wach­se­nen­schutz­be­hör­de Mit­tei­lung zu ma­chen.

Vierter Abschnitt: Verantwortlichkeit

Art. 454  

A. Grund­satz

 

1 Wer im Rah­men der be­hörd­li­chen Mass­nah­men des Er­wach­se­nen­schut­zes durch wi­der­recht­li­ches Han­deln oder Un­ter­las­sen ver­letzt wird, hat An­spruch auf Scha­den­er­satz und, so­fern die Schwe­re der Ver­let­zung es recht­fer­tigt, auf Ge­nug­tu­ung.

2 Der glei­che An­spruch be­steht, wenn sich die Er­wach­se­nen­schutz­be­hör­de oder die Auf­sichts­be­hör­de in den an­de­ren Be­rei­chen des Er­wach­se­nen­schut­zes wi­der­recht­lich ver­hal­ten hat.

3 Haft­bar ist der Kan­ton; ge­gen die Per­son, die den Scha­den ver­ur­sacht hat, steht der ge­schä­dig­ten Per­son kein Er­satz­an­spruch zu.

4 Für den Rück­griff des Kan­tons auf die Per­son, die den Scha­den ver­ur­sacht hat, ist das kan­to­na­le Recht mass­ge­bend.

Art. 455  

B. Ver­jäh­rung

 

1 Der An­spruch auf Scha­den­er­satz oder Ge­nug­tu­ung ver­jährt nach den Be­stim­mun­gen des Ob­li­ga­tio­nen­rechts474 über die un­er­laub­ten Hand­lun­gen.475

2 Hat die Per­son, die den Scha­den ver­ur­sacht hat, durch ihr Ver­hal­ten ei­ne straf­ba­re Hand­lung be­gan­gen, so ver­jährt der An­spruch auf Scha­den­er­satz oder Ge­nug­tu­ung frü­he­s­tens mit Ein­tritt der straf­recht­li­chen Ver­fol­gungs­ver­jäh­rung. Tritt die­se in­fol­ge ei­nes ers­tin­stanz­li­chen Stra­f­ur­teils nicht mehr ein, so ver­jährt der An­spruch frü­he­s­tens mit Ab­lauf von drei Jah­ren seit Er­öff­nung des Ur­teils.476

3 Be­ruht die Ver­let­zung auf der An­ord­nung oder Durch­füh­rung ei­ner Dau­er­mass­nah­me, so be­ginnt die Ver­jäh­rung des An­spruchs ge­gen­über dem Kan­ton nicht vor dem Weg­fall der Dau­er­mass­nah­me oder ih­rer Wei­ter­füh­rung durch einen an­de­ren Kan­ton.

474 SR 220

475 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. 3 des BG vom 15. Ju­ni 2018 (Re­vi­si­on des Ver­jäh­rungs­rechts), in Kraft seit 1. Jan. 2020 (AS 2018 5343; BBl 2014 235).

476 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. 3 des BG vom 15. Ju­ni 2018 (Re­vi­si­on des Ver­jäh­rungs­rechts), in Kraft seit 1. Jan. 2020 (AS 2018 5343; BBl 2014 235).

Art. 456  

C. Haf­tung nach Auf­trags­recht

 

Die Haf­tung der vor­sor­ge­be­auf­trag­ten Per­son so­wie die­je­ni­ge des Ehe­gat­ten, der ein­ge­tra­ge­nen Part­ne­rin oder des ein­ge­tra­ge­nen Part­ners ei­ner ur­teil­s­un­fä­hi­gen Per­son oder des Ver­tre­ters oder der Ver­tre­te­rin bei me­di­zi­ni­schen Mass­nah­men, so­weit es sich nicht um den Bei­stand oder die Bei­stän­din han­delt, rich­tet sich nach den Be­stim­mun­gen des Ob­li­ga­tio­nen­rechts477 über den Auf­trag.

Dritter Teil: Das Erbrecht

Erste Abteilung: Die Erben

Dreizehnter Titel: Die gesetzlichen Erben

Art. 457  

A. Ver­wand­te

I. Nach­kom­men

 

1 Die nächs­ten Er­ben ei­nes Erb­las­sers sind sei­ne Nach­kom­men.

2 Die Kin­der er­ben zu glei­chen Tei­len.

3 An die Stel­le vor­ver­stor­be­ner Kin­der tre­ten ih­re Nach­kom­men, und zwar in al­len Gra­den nach Stäm­men.

Art. 458  

II. El­ter­li­cher Stamm

 

1 Hin­ter­lässt der Erb­las­ser kei­ne Nach­kom­men, so ge­langt die Erb­schaft an den Stamm der El­tern.

2 Va­ter und Mut­ter er­ben nach Hälf­ten.

3 An die Stel­le von Va­ter oder Mut­ter, die vor­ver­stor­ben sind, tre­ten ih­re Nach­kom­men, und zwar in al­len Gra­den nach Stäm­men.

4 Fehlt es an Nach­kom­men auf ei­ner Sei­te, so fällt die gan­ze Erb­schaft an die Er­ben der an­dern Sei­te.

Art. 459  

III. Gros­sel­ter­li­cher Stamm

 

1 Hin­ter­lässt der Erb­las­ser we­der Nach­kom­men noch Er­ben des el­ter­li­chen Stam­mes, so ge­langt die Erb­schaft an den Stamm der Gros­s­el­tern.

2 Über­le­ben die Gros­s­el­tern der vä­ter­li­chen und die der müt­ter­li­chen Sei­te den Erb­las­ser, so er­ben sie auf je­der Sei­te zu glei­chen Tei­len.

3 An die Stel­le ei­nes vor­ver­stor­be­nen Gross­va­ters oder ei­ner vor­ver­stor­be­nen Gross­mut­ter tre­ten ih­re Nach­kom­men, und zwar in al­len Gra­den nach Stäm­men.

4 Ist der Gross­va­ter oder die Gross­mut­ter auf der vä­ter­li­chen oder der müt­ter­li­chen Sei­te vor­ver­stor­ben, und fehlt es auch an Nach­kom­men des Vor­ver­stor­be­nen, so fällt die gan­ze Hälf­te an die vor­han­de­nen Er­ben der glei­chen Sei­te.

5 Fehlt es an Er­ben der vä­ter­li­chen oder der müt­ter­li­chen Sei­te, so fällt die gan­ze Erb­schaft an die Er­ben der an­dern Sei­te.

Art. 460479  

IV. Um­fang der Erb­be­rech­ti­gung

 

Mit dem Stamm der Gros­s­el­tern hört die Erb­be­rech­ti­gung der Ver­wand­ten auf.

479Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I 2 des BG vom 5. Okt. 1984, in Kraft seit 1. Jan. 1988 (AS 1986 122153Art. 1; BBl 1979 II 1191).

Art. 461480  
 

480Auf­ge­ho­ben durch Ziff. I 2 des BG vom 25. Ju­ni 1976, mit Wir­kung seit 1. Jan. 1978 (AS 1977 237; BBl 1974 II 1).

Art. 462481  

B. Über­le­ben­de Ehe­gat­ten und über­le­ben­de ein­ge­tra­ge­ne Part­ne­rin­nen oder Part­ner

 

Über­le­ben­de Ehe­gat­ten und über­le­ben­de ein­ge­tra­ge­ne Part­ne­rin­nen oder Part­ner er­hal­ten:

1.
wenn sie mit Nach­kom­men zu tei­len ha­ben, die Hälf­te der Erb­schaft;
2.
wenn sie mit Er­ben des el­ter­li­chen Stam­mes zu tei­len ha­ben, drei Vier­tel der Erb­schaft;
3.
wenn auch kei­ne Er­ben des el­ter­li­chen Stam­mes vor­han­den sind, die gan­ze Erb­schaft.

481 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. 8 des Part­ner­schafts­ge­set­zes vom 18. Ju­ni 2004, in Kraft seit 1. Jan. 2007 (AS 2005 5685; BBl 2003 1288).

Art. 463–464482  
 

482Auf­ge­ho­ben durch Ziff. I 2 des BG vom 5. Okt. 1984, mit Wir­kung seit 1. Jan. 1988 (AS 1986 122; BBl 1979 II 1191).

Art. 465483  

C. …

 

483Auf­ge­ho­ben durch Ziff. I 3 des BG vom 30. Ju­ni 1972, mit Wir­kung seit 1. April 1973 (AS 1972 2819; BBl 1971 I 1200). Sie­he je­doch Art. 12a SchlT hier­nach.

Art. 466484  

D. Ge­mein­we­sen

 

Hin­ter­lässt der Erb­las­ser kei­ne Er­ben, so fällt die Erb­schaft an den Kan­ton, in dem der Erb­las­ser den letz­ten Wohn­sitz ge­habt hat, oder an die Ge­mein­de, die von der Ge­setz­ge­bung die­ses Kan­tons als be­rech­tigt be­zeich­net wird.

484Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I 2 des BG vom 5. Okt. 1984, in Kraft seit 1. Jan. 1988 (AS 1986 122153Art. 1; BBl 1979 II 1191).

Vierzehnter Titel: Die Verfügungen von Todes wegen

Erster Abschnitt: Die Verfügungsfähigkeit

Art. 467  

A. Letzt­wil­li­ge Ver­fü­gung

 

Wer ur­teils­fä­hig ist und das 18. Al­ters­jahr zu­rück­ge­legt hat, ist be­fugt, un­ter Be­ob­ach­tung der ge­setz­li­chen Schran­ken und For­men über sein Ver­mö­gen letzt­wil­lig zu ver­fü­gen.

Art. 468485  

B. Erb­ver­trag

 

1 Wer ur­teils­fä­hig ist und das 18. Al­ters­jahr zu­rück­ge­legt hat, kann als Erb­las­ser einen Erb­ver­trag ab­sch­lies­sen.

2 Per­so­nen un­ter ei­ner Bei­stand­schaft, die den Ab­schluss ei­nes Erb­ver­trags um­fasst, be­dür­fen der Zu­stim­mung ih­res ge­setz­li­chen Ver­tre­ters.

485 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I 2 des BG vom 19. Dez. 2008 (Er­wach­se­nen­schutz, Per­so­nen­recht und Kin­des­recht), in Kraft seit 1. Jan. 2013 (AS 2011 725; BBl 20067001).

Art. 469  

C. Man­gel­haf­ter Wil­le

 

1 Ver­fü­gun­gen, die der Erb­las­ser un­ter dem Ein­fluss von Irr­tum, arg­lis­ti­ger Täu­schung, Dro­hung oder Zwang er­rich­tet hat, sind un­gül­tig.

2 Sie er­lan­gen je­doch Gül­tig­keit, wenn sie der Erb­las­ser nicht bin­nen Jah­res­frist auf­hebt, nach­dem er von dem Irr­tum oder von der Täu­schung Kennt­nis er­hal­ten hat oder der Ein­fluss von Zwang oder Dro­hung weg­ge­fal­len ist.

3 Ent­hält ei­ne Ver­fü­gung einen of­fen­ba­ren Irr­tum in Be­zug auf Per­so­nen oder Sa­chen, und lässt sich der wirk­li­che Wil­le des Erb­las­sers mit Be­stimmt­heit fest­stel­len, so ist die Ver­fü­gung in die­sem Sin­ne rich­tig zu stel­len.

Zweiter Abschnitt: Die Verfügungsfreiheit

Art. 470  

A. Ver­füg­ba­rer Teil

I. Um­fang der Ver­fü­gungs­be­fug­nis

 

1 Wer Nach­kom­men, den Ehe­gat­ten, die ein­ge­tra­ge­ne Part­ne­rin oder den ein­ge­tra­ge­nen Part­ner hin­ter­lässt, kann bis zu de­ren Pflicht­teil über sein Ver­mö­gen von To­des we­gen ver­fü­gen.486

2 Wer kei­ne der ge­nann­ten Er­ben hin­ter­lässt, kann über sein gan­zes Ver­mö­gen von To­des we­gen ver­fü­gen.

486 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I des BG vom 18. Dez. 2020 (Erbrecht), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2021 312; BBl 2018 5813).

Art. 471487  

II. Pflicht­teil

 

Der Pflicht­teil be­trägt die Hälf­te des ge­setz­li­chen Erban­spruchs.

487Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I des BG vom 18. Dez. 2020 (Erbrecht), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2021 312; BBl 2018 5813).

Art. 472488  

III. Ver­lust des Pflicht­teils­an­spruchs im Schei­dungs­ver­fah­ren

 

1 Ist beim Tod des Erb­las­sers ein Schei­dungs­ver­fah­ren hän­gig, so ver­liert der über­le­ben­de Ehe­gat­te sei­nen Pflicht­teils­an­spruch, wenn:

1.
das Ver­fah­ren auf ge­mein­sa­mes Be­geh­ren ein­ge­lei­tet oder nach den Vor­schrif­ten über die Schei­dung auf ge­mein­sa­mes Be­geh­ren fort­ge­setzt wur­de; oder
2.
die Ehe­gat­ten min­des­tens zwei Jah­re ge­trennt ge­lebt ha­ben.

2 In ei­nem sol­chen Fall gel­ten die Pflicht­tei­le, wie wenn der Erb­las­ser nicht ver­hei­ra­tet wä­re.

3 Die Ab­sät­ze 1 und 2 gel­ten bei Ver­fah­ren zur Auf­lö­sung ei­ner ein­ge­tra­ge­nen Part­ner­schaft sinn­ge­mä­ss.

488Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I des BG vom 18. Dez. 2020 (Erbrecht), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2021 312; BBl 2018 5813).

Art. 473489  

IV. Nutz­nies­sung

 

1 Un­ab­hän­gig von ei­ner all­fäl­li­gen Ver­fü­gung über den ver­füg­ba­ren Teil kann der Erb­las­ser dem über­le­ben­den Ehe­gat­ten, der über­le­ben­den ein­ge­tra­ge­nen Part­ne­rin oder dem über­le­ben­den ein­ge­tra­ge­nen Part­ner durch Ver­fü­gung von To­des we­gen ge­gen­über den ge­mein­sa­men Nach­kom­men die Nutz­nies­sung am gan­zen ih­nen zu­fal­len­den Teil der Erb­schaft zu­wen­den.

2 Die­se Nutz­nies­sung tritt an die Stel­le des dem Ehe­gat­ten, der ein­ge­tra­ge­nen Part­ne­rin oder dem ein­ge­tra­ge­nen Part­ner ne­ben die­sen Nach­kom­men zu­ste­hen­den ge­setz­li­chen Erbrechts. Ne­ben die­ser Nutz­nies­sung be­trägt der ver­füg­ba­re Teil die Hälf­te des Nach­las­ses.

3 Hei­ra­tet der über­le­ben­de Ehe­gat­te wie­der oder be­grün­det er ei­ne ein­ge­tra­ge­ne Part­ner­schaft, so ent­fällt die Nutz­nies­sung auf je­nem Teil der Erb­schaft, der im Zeit­punkt des Erb­gangs nach den or­dent­li­chen Be­stim­mun­gen über den Pflicht­teil der Nach­kom­men nicht hät­te mit der Nutz­nies­sung be­las­tet wer­den kön­nen. Die­se Be­stim­mung gilt sinn­ge­mä­ss, wenn die über­le­ben­de ein­ge­tra­ge­ne Part­ne­rin oder der über­le­ben­de ein­ge­tra­ge­ne Part­ner ei­ne neue ein­ge­tra­ge­ne Part­ner­schaft be­grün­det oder hei­ra­tet.

489 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I des BG vom 18. Dez. 2020 (Erbrecht), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2021 312; BBl 2018 5813).

Art. 474  

V. Be­rech­nung des ver­füg­ba­ren Teils

1. Schul­den­ab­zug

 

1 Der ver­füg­ba­re Teil be­rech­net sich nach dem Stan­de des Ver­mö­gens zur Zeit des To­des des Erb­las­sers.

2 Bei der Be­rech­nung sind die Schul­den des Erb­las­sers, die Aus­la­gen für das Be­gräb­nis, für die Sie­ge­lung und In­ven­tar­auf­nah­me so­wie die An­sprü­che der Haus­ge­nos­sen auf Un­ter­halt wäh­rend ei­nes Mo­nats von der Erb­schaft ab­zu­zie­hen.

Art. 475  

2. Zu­wen­dun­gen un­ter Le­ben­den

 

Die Zu­wen­dun­gen un­ter Le­ben­den wer­den in­so­weit zum Ver­mö­gen hin­zu­ge­rech­net, als sie der Her­ab­set­zungs­kla­ge un­ter­stellt sind.

Art. 476490  

3. Ver­si­che­rung und ge­bun­de­ne Selbst­vor­sor­ge

 

1 Ist ein auf den Tod des Erb­las­sers ge­stell­ter Ver­si­che­rungs­an­spruch, ein­sch­liess­lich ei­nes sol­chen An­spruchs aus der ge­bun­de­nen Selbst­vor­sor­ge, mit Ver­fü­gung un­ter Le­ben­den oder von To­des we­gen zu­guns­ten ei­nes Drit­ten be­grün­det oder bei Leb­zei­ten des Erb­las­sers un­ent­gelt­lich auf einen Drit­ten über­tra­gen wor­den, so wird der Rück­kaufs­wert des Ver­si­che­rungs­an­spruchs im Zeit­punkt des To­des des Erb­las­sers zu des­sen Ver­mö­gen hin­zu­ge­rech­net.

2 Eben­falls zum Ver­mö­gen des Erb­las­sers hin­zu­ge­rech­net wer­den An­sprü­che von Be­güns­tig­ten aus der ge­bun­de­nen Selbst­vor­sor­ge des Erb­las­sers bei ei­ner Bank­stif­tung.

490 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I des BG vom 18. Dez. 2020 (Erbrecht), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2021 312; BBl 2018 5813).

Art. 477  

B. Enter­bung

I. Grün­de

 

Der Erb­las­ser ist be­fugt, durch Ver­fü­gung von To­des we­gen ei­nem Er­ben den Pflicht­teil zu ent­zie­hen:

1.491
wenn der Er­be ge­gen den Erb­las­ser oder ge­gen ei­ne die­sem na­he ver­bun­de­ne Per­son ei­ne schwe­re Straf­tat be­gan­gen hat;
2.
wenn er ge­gen­über dem Erb­las­ser oder ei­nem von des­sen An­ge­hö­ri­gen die ihm ob­lie­gen­den fa­mi­li­en­recht­li­chen Pflich­ten schwer ver­letzt hat.

491 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I 4 des BG vom 26. Ju­ni 1998, in Kraft seit 1. Jan. 2000 (AS 1999 1118; BBl 1996 I 1).

Art. 478  

II. Wir­kung

 

1 Der Ent­erb­te kann we­der an der Erb­schaft teil­neh­men noch die Her­ab­set­zungs­kla­ge gel­tend ma­chen.

2 Der An­teil des Ent­erb­ten fällt, so­fern der Erb­las­ser nicht an­ders ver­fügt hat, an die ge­setz­li­chen Er­ben des Erb­las­sers, wie wenn der Ent­erb­te den Erb­fall nicht er­lebt hät­te.

3 Die Nach­kom­men des Ent­erb­ten be­hal­ten ihr Pflicht­teils­recht, wie wenn der Ent­erb­te den Erb­fall nicht er­lebt hät­te.

Art. 479  

III. Be­weis­last

 

1 Ei­ne Enter­bung ist nur dann gül­tig, wenn der Erb­las­ser den Enter­bungs­grund in sei­ner Ver­fü­gung an­ge­ge­ben hat.

2 Ficht der Ent­erb­te die Enter­bung we­gen Un­rich­tig­keit die­ser An­ga­be an, so hat der Er­be oder Be­dach­te, der aus der Enter­bung Vor­teil zieht, de­ren Rich­tig­keit zu be­wei­sen.

3 Kann die­ser Nach­weis nicht er­bracht wer­den oder ist ein Enter­bungs­grund nicht an­ge­ge­ben, so wird die Ver­fü­gung in­so­weit auf­recht er­hal­ten, als sich dies mit dem Pflicht­teil des Ent­erb­ten ver­trägt, es sei denn, dass der Erb­las­ser die Ver­fü­gung in ei­nem of­fen­ba­ren Irr­tum über den Enter­bungs­grund ge­trof­fen hat.

Art. 480  

IV. Enter­bung ei­nes Zah­lungs­un­fä­hi­gen

 

1 Be­ste­hen ge­gen einen Nach­kom­men des Erb­las­sers Ver­lust­schei­ne, so kann ihm der Erb­las­ser die Hälf­te sei­nes Pflicht­teils ent­zie­hen, wenn er die­se den vor­han­de­nen und spä­ter ge­bo­re­nen Kin­dern des­sel­ben zu­wen­det.

2 Die­se Enter­bung fällt je­doch auf Be­geh­ren des Ent­erb­ten da­hin, wenn bei der Er­öff­nung des Erb­gan­ges Ver­lust­schei­ne nicht mehr be­ste­hen, oder wenn de­ren Ge­samt­be­trag einen Vier­teil des Erb­teils nicht über­steigt.

Dritter Abschnitt: Die Verfügungsarten

Art. 481  

A. Im All­ge­mei­nen

 

1 Der Erb­las­ser kann in den Schran­ken der Ver­fü­gungs­frei­heit über sein Ver­mö­gen mit letzt­wil­li­ger Ver­fü­gung oder mit Erb­ver­trag ganz oder teil­wei­se ver­fü­gen.

2 Der Teil, über den er nicht ver­fügt hat, fällt an die ge­setz­li­chen Er­ben.

Art. 482  

B. Auf­la­gen und Be­din­gun­gen

 

1 Der Erb­las­ser kann sei­nen Ver­fü­gun­gen Auf­la­gen oder Be­din­gun­gen an­fü­gen, de­ren Voll­zie­hung, so­bald die Ver­fü­gung zur Aus­füh­rung ge­langt ist, je­der­mann ver­lan­gen darf, der an ih­nen ein In­ter­es­se hat.

2 Un­sitt­li­che oder rechts­wid­ri­ge Auf­la­gen und Be­din­gun­gen ma­chen die Ver­fü­gung un­gül­tig.

3 Sind sie le­dig­lich für an­de­re Per­so­nen läs­tig oder sind sie un­sin­nig, so wer­den sie als nicht vor­han­den be­trach­tet.

4 Wird ein Tier mit ei­ner Zu­wen­dung von To­des we­gen be­dacht, so gilt die ent­spre­chen­de Ver­fü­gung als Auf­la­ge, für das Tier tier­ge­recht zu sor­gen.492

492 Ein­ge­fügt durch Ziff. I des BG vom 4. Okt. 2002 (Grund­satz­ar­ti­kel Tie­re), in Kraft seit 1. April 2003 (AS 2003 463; BBl 2002 41645806).

Art. 483  

C. Erb­ein­set­zung

 

1 Der Erb­las­ser kann für die gan­ze Erb­schaft oder für einen Bruch­teil einen oder meh­re­re Er­ben ein­set­zen.

2 Als Erb­ein­set­zung ist je­de Ver­fü­gung zu be­trach­ten, nach der ein Be­dach­ter die Erb­schaft ins­ge­samt oder zu ei­nem Bruch­teil er­hal­ten soll.

Art. 484  

D. Ver­mächt­nis

I. In­halt

 

1 Der Erb­las­ser kann ei­nem Be­dach­ten, oh­ne ihn als Er­ben ein­zu­set­zen, einen Ver­mö­gens­vor­teil als Ver­mächt­nis zu­wen­den.

2 Er kann ihm ei­ne ein­zel­ne Erb­schaftssa­che oder die Nutz­nies­sung an der Erb­schaft im gan­zen oder zu ei­nem Teil ver­ma­chen oder die Er­ben oder Ver­mächt­nis­neh­mer be­auf­tra­gen, ihm Leis­tun­gen aus dem Wer­te der Erb­schaft zu ma­chen oder ihn von Ver­bind­lich­kei­ten zu be­frei­en.

3 Ver­macht der Erb­las­ser ei­ne be­stimm­te Sa­che, so wird der Be­schwer­te, wenn sich die­se in der Erb­schaft nicht vor­fin­det und kein an­de­rer Wil­le des Erb­las­sers aus der Ver­fü­gung er­sicht­lich ist, nicht ver­pflich­tet.

Art. 485  

II. Ver­pflich­tung des Be­schwer­ten

 

1 Die Sa­che ist dem Be­dach­ten in dem Zu­stan­de und in der Be­schaf­fen­heit, mit Scha­den und mit Zu­wachs, frei oder be­las­tet aus­zu­lie­fern, wie sie sich zur Zeit der Er­öff­nung des Erb­gan­ges vor­fin­det.

2 Für Auf­wen­dun­gen, die der Be­schwer­te seit der Er­öff­nung des Erb­gan­ges auf die Sa­che ge­macht hat, so­wie für Ver­schlech­te­run­gen, die seit­her ein­ge­tre­ten sind, steht er in den Rech­ten und Pflich­ten ei­nes Ge­schäfts­füh­rers oh­ne Auf­trag.

Art. 486  

III. Ver­hält­nis zur Erb­schaft

 

1 Über­stei­gen die Ver­mächt­nis­se den Be­trag der Erb­schaft oder der Zu­wen­dung an den Be­schwer­ten oder den ver­füg­ba­ren Teil, so kann ih­re ver­hält­nis­mäs­si­ge Her­ab­set­zung ver­langt wer­den.

2 Er­le­ben die Be­schwer­ten den Tod des Erb­las­sers nicht, oder sind sie er­bun­wür­dig, oder er­klä­ren sie die Aus­schla­gung, so blei­ben die Ver­mächt­nis­se gleich­wohl in Kraft.

3 Hat der Erb­las­ser ein Ver­mächt­nis zu­guns­ten ei­nes der ge­setz­li­chen oder ein­ge­setz­ten Er­ben auf­ge­stellt, so kann die­ser es auch dann be­an­spru­chen, wenn er die Erb­schaft aus­schlägt.

Art. 487  

E. Er­satz­ver­fü­gung

 

Der Erb­las­ser kann in sei­ner Ver­fü­gung ei­ne oder meh­re­re Per­so­nen be­zeich­nen, de­nen die Erb­schaft oder das Ver­mächt­nis für den Fall des Vor­ab­ster­bens oder der Aus­schla­gung des Er­ben oder Ver­mächt­nis­neh­mers zu­fal­len soll.

Art. 488  

F. Nach­er­ben­ein­set­zung

I. Be­zeich­nung des Nach­er­ben

 

1 Der Erb­las­ser ist be­fugt, in sei­ner Ver­fü­gung den ein­ge­setz­ten Er­ben als Vor­er­ben zu ver­pflich­ten, die Erb­schaft ei­nem an­dern als Nach­er­ben aus­zu­lie­fern.

2 Dem Nach­er­ben kann ei­ne sol­che Pflicht nicht auf­er­legt wer­den.

3 Die glei­chen Be­stim­mun­gen gel­ten für das Ver­mächt­nis.

Art. 489  

II. Zeit­punkt der Aus­lie­fe­rung

 

1 Als Zeit­punkt der Aus­lie­fe­rung ist, wenn die Ver­fü­gung es nicht an­ders be­stimmt, der Tod des Vor­er­ben zu be­trach­ten.

2 Wird ein an­de­rer Zeit­punkt ge­nannt, und ist die­ser zur Zeit des To­des des Vor­er­ben noch nicht ein­ge­tre­ten, so geht die Erb­schaft ge­gen Si­cher­stel­lung auf die Er­ben des Vor­er­ben über.

3 Kann der Zeit­punkt aus ir­gend­ei­nem Grun­de nicht mehr ein­tre­ten, so fällt die Erb­schaft vor­be­halt­los an die Er­ben des Vor­er­ben.

Art. 490  

III. Si­che­rungs­mit­tel

 

1 In al­len Fäl­len der Nach­er­ben­ein­set­zung hat die zu­stän­di­ge Be­hör­de die Auf­nah­me ei­nes In­ven­tars an­zu­ord­nen.

2 Die Aus­lie­fe­rung der Erb­schaft an den Vor­er­ben er­folgt, so­fern ihn der Erb­las­ser nicht aus­drück­lich von die­ser Pflicht be­freit hat, nur ge­gen Si­cher­stel­lung, die bei Grund­stücken durch Vor­mer­kung der Aus­lie­fe­rungs­pflicht im Grund­buch ge­leis­tet wer­den kann.

3 Ver­mag der Vor­er­be die­se Si­cher­stel­lung nicht zu leis­ten, oder ge­fähr­det er die An­wart­schaft des Nach­er­ben, so ist die Erb­schafts­ver­wal­tung an­zu­ord­nen.

Art. 491  

IV. Rechts­stel­lung

1. Des Vor­er­ben

 

1 Der Vor­er­be er­wirbt die Erb­schaft wie ein an­de­rer ein­ge­setz­ter Er­be.

2 Er wird Ei­gen­tü­mer der Erb­schaft un­ter der Pflicht zur Aus­lie­fe­rung.

Art. 492  

2. Des Nach­er­ben

 

1 Der Nach­er­be er­wirbt die Erb­schaft des Erb­las­sers, wenn er den für die Aus­lie­fe­rung be­stimm­ten Zeit­punkt er­lebt hat.

2 Er­lebt er die­sen Zeit­punkt nicht, so ver­bleibt die Erb­schaft, wenn der Erb­las­ser nicht an­ders ver­fügt hat, dem Vor­er­ben.

3 Er­lebt der Vor­er­be den Tod des Erb­las­sers nicht, oder ist er er­bun­wür­dig, oder schlägt er die Erb­schaft aus, so fällt sie an den Nach­er­ben.

Art. 492a493  

V. Ur­teil­s­un­fä­hi­ge Nach­kom­men

 

1 Ist ein Nach­kom­me dau­ernd ur­teil­s­un­fä­hig und hin­ter­lässt er we­der Nach­kom­men noch einen Ehe­gat­ten, so kann der Erb­las­ser ei­ne Nach­er­ben­ein­set­zung auf den Über­rest an­ord­nen.

2 Die Nach­er­ben­ein­set­zung fällt von Ge­set­zes we­gen da­hin, wenn der Nach­kom­me wi­der Er­war­ten ur­teils­fä­hig wird.

493 Ein­ge­fügt durch Ziff. I 2 des BG vom 19. Dez. 2008 (Er­wach­se­nen­schutz, Per­so­nen­recht und Kin­des­recht), in Kraft seit 1. Jan. 2013 (AS 2011 725; BBl 20067001).

Art. 493  

G. Stif­tun­gen

 

1 Der Erb­las­ser ist be­fugt, den ver­füg­ba­ren Teil sei­nes Ver­mö­gens ganz oder teil­wei­se für ir­gend­ei­nen Zweck als Stif­tung zu wid­men.

2 Die Stif­tung ist je­doch nur dann gül­tig, wenn sie den ge­setz­li­chen Vor­schrif­ten ent­spricht.

Art. 494  

H. Erb­ver­trä­ge

I. Erb­ein­set­zungs- und Ver­mächt­nis­ver­trag

 

1 Der Erb­las­ser kann sich durch Erb­ver­trag ei­nem an­dern ge­gen­über ver­pflich­ten, ihm oder ei­nem Drit­ten sei­ne Erb­schaft oder ein Ver­mächt­nis zu hin­ter­las­sen.

2 Er kann über sein Ver­mö­gen frei ver­fü­gen.

3 Ver­fü­gun­gen von To­des we­gen und Zu­wen­dun­gen un­ter Le­ben­den, mit Aus­nah­me der üb­li­chen Ge­le­gen­heits­ge­schen­ke, un­ter­lie­gen je­doch der An­fech­tung, so­weit sie:

1.
mit den Ver­pflich­tun­gen aus dem Erb­ver­trag nicht ver­ein­bar sind, na­ment­lich wenn sie die erb­ver­trag­li­chen Be­güns­ti­gun­gen schmä­lern; und
2.
im Erb­ver­trag nicht vor­be­hal­ten wor­den sind.494

494 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I des BG vom 18. Dez. 2020 (Erbrecht), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2021 312; BBl 2018 5813).

Art. 495  

II. Erb­ver­zicht

1. Be­deu­tung

 

1 Der Erb­las­ser kann mit ei­nem Er­ben einen Erb­ver­zicht­ver­trag oder Er­baus­kauf ab­sch­lies­sen.

2 Der Ver­zich­ten­de fällt beim Erb­gang als Er­be aus­ser Be­tracht.

3 Wo der Ver­trag nicht et­was an­de­res an­ord­net, wirkt der Erb­ver­zicht auch ge­gen­über den Nach­kom­men des Ver­zich­ten­den.

Art. 496  

2. Le­di­ger An­fall

 

1 Sind im Erb­ver­trag be­stimm­te Er­ben an Stel­le des Ver­zich­ten­den ein­ge­setzt, so fällt der Ver­zicht da­hin, wenn die­se die Erb­schaft aus ir­gend­ei­nem Grun­de nicht er­wer­ben.

2 Ist der Ver­zicht zu­guns­ten von Mit­er­ben er­folgt, so wird ver­mu­tet, dass er nur ge­gen­über den Er­ben des Stam­mes, der sich vom nächs­ten ih­nen ge­mein­sa­men Vor­fah­ren ab­lei­tet, aus­ge­spro­chen sei und ge­gen­über ent­fern­te­ren Er­ben nicht be­ste­he.

Art. 497  

3. Rech­te der Erb­schafts­gläu­bi­ger

 

Ist der Erb­las­ser zur Zeit der Er­öff­nung des Erb­gan­ges zah­lungs­un­fä­hig, und wer­den sei­ne Gläu­bi­ger von den Er­ben nicht be­frie­digt, so kön­nen der Ver­zich­ten­de und sei­ne Er­ben in­so­weit in An­spruch ge­nom­men wer­den, als sie für den Erb­ver­zicht in­ner­halb der letz­ten fünf Jah­re vor dem To­de des Erb­las­sers aus des­sen Ver­mö­gen ei­ne Ge­gen­leis­tung er­hal­ten ha­ben und hieraus zur Zeit des Erb­gan­ges noch be­rei­chert sind.

Vierter Abschnitt: Die Verfügungsformen

Art. 498  

A. Letzt­wil­li­ge Ver­fü­gun­gen

I. Er­rich­tung

1. Im All­ge­mei­nen

 

Der Erb­las­ser kann ei­ne letzt­wil­li­ge Ver­fü­gung ent­we­der mit öf­fent­li­cher Be­ur­kun­dung oder ei­gen­hän­dig oder durch münd­li­che Er­klä­rung er­rich­ten.

Art. 499  

2. Öf­fent­li­che Ver­fü­gung

a. Er­rich­tungs­form

 

Die öf­fent­li­che letzt­wil­li­ge Ver­fü­gung er­folgt un­ter Mit­wir­kung von zwei Zeu­gen vor dem Be­am­ten, No­tar oder ei­ner an­de­ren Ur­kunds­per­son, die nach kan­to­na­lem Recht mit die­sen Ge­schäf­ten be­traut sind.

Art. 500  

b. Mit­wir­kung des Be­am­ten

 

1 Der Erb­las­ser hat dem Be­am­ten sei­nen Wil­len mit­zu­tei­len, wor­auf die­ser die Ur­kun­de auf­setzt oder auf­set­zen lässt und dem Erb­las­ser zu le­sen gibt.

2 Die Ur­kun­de ist vom Erb­las­ser zu un­ter­schrei­ben.

3 Der Be­am­te hat die Ur­kun­de zu da­tie­ren und eben­falls zu un­ter­schrei­ben.

Art. 501  

c. Mit­wir­kung der Zeu­gen

 

1 Der Erb­las­ser hat un­mit­tel­bar nach der Da­tie­rung und Un­ter­zeich­nung den zwei Zeu­gen in Ge­gen­wart des Be­am­ten zu er­klä­ren, dass er die Ur­kun­de ge­le­sen ha­be und dass sie sei­ne letzt­wil­li­ge Ver­fü­gung ent­hal­te.

2 Die Zeu­gen ha­ben auf der Ur­kun­de mit ih­rer Un­ter­schrift zu be­stä­ti­gen, dass der Erb­las­ser vor ih­nen die­se Er­klä­rung ab­ge­ge­ben und dass er sich nach ih­rer Wahr­neh­mung da­bei im Zu­stan­de der Ver­fü­gungs­fä­hig­keit be­fun­den ha­be.

3 Es ist nicht er­for­der­lich, dass die Zeu­gen vom In­halt der Ur­kun­de Kennt­nis er­hal­ten.

Art. 502  

d. Er­rich­tung oh­ne Le­sen und Un­ter­schrift des Erb­las­sers

 

1 Wenn der Erb­las­ser die Ur­kun­de nicht selbst liest und un­ter­schreibt, so hat sie ihm der Be­am­te in Ge­gen­wart der bei­den Zeu­gen vor­zu­le­sen, und der Erb­las­ser hat dar­auf­hin zu er­klä­ren, die Ur­kun­de ent­hal­te sei­ne Ver­fü­gung.

2 Die Zeu­gen ha­ben in die­sem Fal­le nicht nur die Er­klä­rung des Erb­las­sers und ih­re Wahr­neh­mung über sei­ne Ver­fü­gungs­fä­hig­keit zu be­zeu­gen, son­dern auch mit ih­rer Un­ter­schrift zu be­stä­ti­gen, dass die Ur­kun­de in ih­rer Ge­gen­wart dem Erb­las­ser vom Be­am­ten vor­ge­le­sen wor­den sei.

Art. 503  

e. Mit­wir­ken­de Per­so­nen

 

1 Per­so­nen, die nicht hand­lungs­fä­hig sind, die sich in­fol­ge ei­nes straf­ge­richt­li­chen Ur­teils nicht im Be­sitz der bür­ger­li­chen Eh­ren und Rech­te495 be­fin­den, oder die des Schrei­bens und Le­sens un­kun­dig sind, so­wie die Ver­wand­ten496 in ge­ra­der Li­nie und Ge­schwis­ter des Erb­las­sers und de­ren Ehe­gat­ten und der Ehe­gat­te des Erb­las­sers selbst kön­nen bei der Er­rich­tung der öf­fent­li­chen Ver­fü­gung we­der als be­ur­kun­den­der Be­am­ter noch als Zeu­gen mit­wir­ken.

2 Der be­ur­kun­den­de Be­am­te und die Zeu­gen so­wie die Ver­wand­ten in ge­ra­der Li­nie und die Ge­schwis­ter oder Ehe­gat­ten die­ser Per­so­nen dür­fen in der Ver­fü­gung nicht be­dacht wer­den.

495Die Ein­stel­lung in der bür­ger­li­chen Eh­ren­fä­hig­keit in­fol­ge ei­nes straf­ge­richt­li­chen Ur­teils ist ab­ge­schafft (sie­he AS 1971 777; BBl 1965 I 561und AS 1974 55; BBl 1974 I 1457).

496Fas­sung die­ses Wor­tes ge­mä­ss Ziff. I 3 des BG vom 30. Ju­ni 1972, in Kraft seit 1. April 1973 (AS 1972 2819; BBl 1971 I 1200).

Art. 504  

f. Auf­be­wah­rung der Ver­fü­gung

 

Die Kan­to­ne ha­ben da­für zu sor­gen, dass die mit der Be­ur­kun­dung be­trau­ten Be­am­ten die Ver­fü­gun­gen im Ori­gi­nal oder in ei­ner Ab­schrift ent­we­der selbst auf­be­wah­ren oder ei­ner Amts­stel­le zur Auf­be­wah­rung über­ge­ben.

Art. 505  

3. Ei­gen­hän­di­ge Ver­fü­gung

 

1 Die ei­gen­hän­di­ge letzt­wil­li­ge Ver­fü­gung ist vom Erb­las­ser von An­fang bis zu En­de mit Ein­schluss der An­ga­be von Jahr, Mo­nat und Tag der Er­rich­tung von Hand nie­der­zu­schrei­ben so­wie mit sei­ner Un­ter­schrift zu ver­se­hen.497

2 Die Kan­to­ne ha­ben da­für zu sor­gen, dass sol­che Ver­fü­gun­gen of­fen oder ver­schlos­sen ei­ner Amts­stel­le zur Auf­be­wah­rung über­ge­ben wer­den kön­nen.

497Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I des BG vom 23. Ju­ni 1995, in Kraft seit 1. Jan. 1996 (AS 1995 4882; BBl 1994 III 516, V 607).

Art. 506  

4. Münd­li­che Ver­fü­gung

a. Ver­fü­gung

 

1 Ist der Erb­las­ser in­fol­ge aus­ser­or­dent­li­cher Um­stän­de, wie na­he To­des­ge­fahr, Ver­kehrs­s­per­re, Epi­de­mi­en oder Kriegs­er­eig­nis­se ver­hin­dert, sich ei­ner der an­dern Er­rich­tungs­for­men zu be­die­nen, so ist er be­fugt, ei­ne münd­li­che letzt­wil­li­ge Ver­fü­gung zu er­rich­ten.

2 Zu die­sem Zwe­cke hat er sei­nen letz­ten Wil­len vor zwei Zeu­gen zu er­klä­ren und sie zu be­auf­tra­gen, sei­ner Ver­fü­gung die nö­ti­ge Be­ur­kun­dung zu ver­schaf­fen.

3 Für die Zeu­gen gel­ten die glei­chen Aus­sch­lies­sungs­vor­schrif­ten wie bei der öf­fent­li­chen Ver­fü­gung.


Art. 507  

b. Be­ur­kun­dung

 

1 Die münd­li­che Ver­fü­gung ist so­fort von ei­nem der Zeu­gen un­ter An­ga­be von Ort, Jahr, Mo­nat und Tag der Er­rich­tung in Schrift zu ver­fas­sen, von bei­den Zeu­gen zu un­ter­schrei­ben und hier­auf mit der Er­klä­rung, dass der Erb­las­ser ih­nen im Zu­stan­de der Ver­fü­gungs­fä­hig­keit un­ter den ob­wal­ten­den be­son­de­ren Um­stän­den die­sen sei­nen letz­ten Wil­len mit­ge­teilt ha­be, oh­ne Ver­zug bei ei­ner Ge­richts­be­hör­de nie­der­zu­le­gen.

2 Die bei­den Zeu­gen kön­nen statt­des­sen die Ver­fü­gung mit der glei­chen Er­klä­rung bei ei­ner Ge­richts­be­hör­de zu Pro­to­koll ge­ben.

3 Er­rich­tet der Erb­las­ser die münd­li­che Ver­fü­gung im Mi­li­tär­dienst, so kann ein Of­fi­zier mit Haupt­manns- oder hö­he­rem Rang die Ge­richts­be­hör­de er­set­zen.

Art. 508  

c. Ver­lust der Gül­tig­keit

 

Wird es dem Erb­las­ser nach­träg­lich mög­lich, sich ei­ner der an­dern Ver­fü­gungs­for­men zu be­die­nen, so ver­liert nach 14 Ta­gen, von die­sem Zeit­punkt an ge­rech­net, die münd­li­che Ver­fü­gung ih­re Gül­tig­keit.

Art. 509  

II. Wi­der­ruf und Ver­nich­tung

1. Wi­der­ruf

 

1 Der Erb­las­ser kann sei­ne letzt­wil­li­ge Ver­fü­gung je­der­zeit in ei­ner der For­men wi­der­ru­fen, die für die Er­rich­tung vor­ge­schrie­ben sind.

2 Der Wi­der­ruf kann die Ver­fü­gung ganz oder zum Teil be­schla­gen.

Art. 510  

2. Ver­nich­tung

 

1 Der Erb­las­ser kann sei­ne letzt­wil­li­ge Ver­fü­gung da­durch wi­der­ru­fen, dass er die Ur­kun­de ver­nich­tet.

2 Wird die Ur­kun­de durch Zu­fall oder aus Ver­schul­den an­de­rer ver­nich­tet, so ver­liert die Ver­fü­gung un­ter Vor­be­halt der An­sprü­che auf Scha­den­er­satz gleich­falls ih­re Gül­tig­keit, in­so­fern ihr In­halt nicht ge­nau und voll­stän­dig fest­ge­stellt wer­den kann.

Art. 511  

3. Spä­te­re Ver­fü­gung

 

1 Er­rich­tet der Erb­las­ser ei­ne letzt­wil­li­ge Ver­fü­gung, oh­ne ei­ne frü­her er­rich­te­te aus­drück­lich auf­zu­he­ben, so tritt sie an die Stel­le der frü­he­ren Ver­fü­gung, so­weit sie sich nicht zwei­fel­los als de­ren blos­se Er­gän­zung dar­stellt.

2 Eben­so wird ei­ne letzt­wil­li­ge Ver­fü­gung über ei­ne be­stimm­te Sa­che da­durch auf­ge­ho­ben, dass der Erb­las­ser über die Sa­che nach­her ei­ne Ver­fü­gung trifft, die mit je­ner nicht ver­ein­bar ist.

Art. 512  

B. Erb­ver­trä­ge

I. Er­rich­tung

 

1 Der Erb­ver­trag be­darf zu sei­ner Gül­tig­keit der Form der öf­fent­li­chen letzt­wil­li­gen Ver­fü­gung.

2 Die Ver­trag­sch­lies­sen­den ha­ben gleich­zei­tig dem Be­am­ten ih­ren Wil­len zu er­klä­ren und die Ur­kun­de vor ihm und den zwei Zeu­gen zu un­ter­schrei­ben.

Art. 513  

II. Auf­he­bung

1. Un­ter Le­ben­den

a. Durch Ver­trag und letzt­wil­li­ge Ver­fü­gung

 

1 Der Erb­ver­trag kann von den Ver­trag­sch­lies­sen­den je­der­zeit durch schrift­li­che Über­ein­kunft auf­ge­ho­ben wer­den.

2 Der Erb­las­ser kann ein­sei­tig einen Erb­ein­set­zungs- oder Ver­mächt­nis­ver­trag auf­he­ben, wenn sich der Er­be oder Be­dach­te nach dem Ab­schluss des Ver­tra­ges dem Erb­las­ser ge­gen­über ei­nes Ver­hal­tens schul­dig macht, das einen Enter­bungs­grund dar­stellt.

3 Die ein­sei­ti­ge Auf­he­bung hat in ei­ner der For­men zu er­fol­gen, die für die Er­rich­tung der letzt­wil­li­gen Ver­fü­gun­gen vor­ge­schrie­ben sind.

Art. 514  

b. Durch Rück­tritt vom Ver­trag

 

Wer auf Grund ei­nes Erb­ver­tra­ges Leis­tun­gen un­ter Le­ben­den zu for­dern hat, kann, wenn sie nicht ver­trags­ge­mä­ss er­füllt oder si­cher­ge­stellt wer­den, nach den Be­stim­mun­gen des Ob­li­ga­tio­nen­rech­tes498 den Rück­tritt er­klä­ren.

Art. 515  

2. Vor­ab­ster­ben des Er­ben

 

1 Er­lebt der Er­be oder Ver­mächt­nis­neh­mer den Tod des Erb­las­sers nicht, so fällt der Ver­trag da­hin.

2 Ist der Erb­las­ser zur Zeit des To­des des Er­ben aus dem Ver­tra­ge be­rei­chert, so kön­nen die Er­ben des Ver­stor­be­nen, wenn es nicht an­ders be­stimmt ist, die­se Be­rei­che­rung her­aus­ver­lan­gen.

Art. 516  

C. Ver­fü­gungs­be­schrän­kung

 

Tritt für den Erb­las­ser nach Er­rich­tung ei­ner Ver­fü­gung von To­des we­gen ei­ne Be­schrän­kung der Ver­fü­gungs­frei­heit ein, so wird die Ver­fü­gung nicht auf­ge­ho­ben, wohl aber der Her­ab­set­zungs­kla­ge un­ter­stellt.

Fünfter Abschnitt: Die Willensvollstrecker

Art. 517  

A. Er­tei­lung des Auf­tra­ges

 

1 Der Erb­las­ser kann in ei­ner letzt­wil­li­gen Ver­fü­gung ei­ne oder meh­re­re hand­lungs­fä­hi­ge Per­so­nen mit der Voll­stre­ckung sei­nes Wil­lens be­auf­tra­gen.

2 Die­ser Auf­trag ist ih­nen von Am­tes we­gen mit­zu­tei­len, und sie ha­ben sich bin­nen 14 Ta­gen, von die­ser Mit­tei­lung an ge­rech­net, über die An­nah­me des Auf­tra­ges zu er­klä­ren, wo­bei ihr Still­schwei­gen als An­nah­me gilt.

3 Sie ha­ben An­spruch auf an­ge­mes­se­ne Ver­gü­tung für ih­re Tä­tig­keit.

Art. 518  

B. In­halt des Auf­tra­ges

 

1 Die Wil­lens­voll­stre­cker ste­hen, so­weit der Erb­las­ser nichts an­de­res ver­fügt, in den Rech­ten und Pflich­ten des amt­li­chen Erb­schafts­ver­wal­ters.

2 Sie ha­ben den Wil­len des Erb­las­sers zu ver­tre­ten und gel­ten ins­be­son­de­re als be­auf­tragt, die Erb­schaft zu ver­wal­ten, die Schul­den des Erb­las­sers zu be­zah­len, die Ver­mächt­nis­se aus­zu­rich­ten und die Tei­lung nach den vom Erb­las­ser ge­trof­fe­nen An­ord­nun­gen oder nach Vor­schrift des Ge­set­zes aus­zu­füh­ren.

3 Sind meh­re­re Wil­lens­voll­stre­cker be­stellt, so ste­hen ih­nen die­se Be­fug­nis­se un­ter Vor­be­halt ei­ner an­de­ren An­ord­nung des Erb­las­sers ge­mein­sam zu.

Sechster Abschnitt: Die Ungültigkeit und Herabsetzung der Verfügungen

Art. 519  

A. Un­gül­tig­keits­kla­ge

I. Bei Ver­fü­gungs­un­fä­hig­keit, man­gel­haf­tem Wil­len, Rechts­wid­rig­keit und Un­sitt­lich­keit

 

1 Ei­ne Ver­fü­gung von To­des we­gen wird auf er­ho­be­ne Kla­ge für un­gül­tig er­klärt:

1.
wenn sie vom Erb­las­ser zu ei­ner Zeit er­rich­tet wor­den ist, da er nicht ver­fü­gungs­fä­hig war;
2.
wenn sie aus man­gel­haf­tem Wil­len her­vor­ge­gan­gen ist;
3.
wenn ihr In­halt oder ei­ne ihr an­ge­füg­te Be­din­gung un­sitt­lich oder rechts­wid­rig ist.

2 Die Un­gül­tig­keits­kla­ge kann von je­der­mann er­ho­ben wer­den, der als Er­be oder Be­dach­ter ein In­ter­es­se dar­an hat, dass die Ver­fü­gung für un­gül­tig er­klärt wer­de.

Art. 520  

II. Bei Form­man­gel

1. Im All­ge­mei­nen

 

1 Lei­det die Ver­fü­gung an ei­nem Form­man­gel, so wird sie auf er­ho­be­ne Kla­ge für un­gül­tig er­klärt.

2 Liegt die Form­wid­rig­keit in der Mit­wir­kung von Per­so­nen, die sel­ber oder de­ren An­ge­hö­ri­ge in der Ver­fü­gung be­dacht sind, so wer­den nur die­se Zu­wen­dun­gen für un­gül­tig er­klärt.

3 Für das Recht zur Kla­ge gel­ten die glei­chen Vor­schrif­ten wie im Fal­le der Ver­fü­gungs­un­fä­hig­keit.

Art. 520a500  

2. Bei ei­gen­hän­di­ger letzt­wil­li­ger Ver­fü­gung

 

Liegt der Man­gel ei­ner ei­gen­hän­di­gen letzt­wil­li­gen Ver­fü­gung dar­in, dass Jahr, Mo­nat oder Tag nicht oder un­rich­tig an­ge­ge­ben sind, so kann sie nur dann für un­gül­tig er­klärt wer­den, wenn sich die er­for­der­li­chen zeit­li­chen An­ga­ben nicht auf an­de­re Wei­se fest­stel­len las­sen und das Da­tum für die Be­ur­tei­lung der Ver­fü­gungs­fä­hig­keit, der Rei­hen­fol­ge meh­re­rer Ver­fü­gun­gen oder ei­ner an­de­ren, die Gül­tig­keit der Ver­fü­gung be­tref­fen­den Fra­ge not­wen­dig ist.

500Ein­ge­fügt durch Ziff. I des BG vom 23. Ju­ni 1995, in Kraft seit 1. Jan. 1996 (AS 1995 4882; BBl 1994 III 516, V 607).

Art. 521  

III. Ver­jäh­rung

 

1 Die Un­gül­tig­keits­kla­ge ver­jährt mit Ab­lauf ei­nes Jah­res, von dem Zeit­punkt an ge­rech­net, da der Klä­ger von der Ver­fü­gung und dem Un­gül­tig­keits­grund Kennt­nis er­hal­ten hat, und in je­dem Fal­le mit Ab­lauf von zehn Jah­ren, vom Ta­ge der Er­öff­nung der Ver­fü­gung an ge­rech­net.

2 Ge­gen­über ei­nem bös­gläu­bi­gen Be­dach­ten ver­jährt sie im Fal­le der Ver­fü­gungs­un­fä­hig­keit des Erb­las­sers oder der Rechts­wid­rig­keit oder Un­sitt­lich­keit un­ter al­len Um­stän­den erst mit dem Ab­lauf von 30 Jah­ren.

3 Ein­re­de­wei­se kann die Un­gül­tig­keit ei­ner Ver­fü­gung je­der­zeit gel­tend ge­macht wer­den.

Art. 522501  

B. Her­ab­set­zungs­kla­ge

I. Vor­aus­set­zun­gen

1. Im All­ge­mei­nen

 

1 Die Er­ben, die dem Wer­te nach we­ni­ger als ih­ren Pflicht­teil er­hal­ten, kön­nen die Her­ab­set­zung der fol­gen­den Er­wer­bun­gen und Zu­wen­dun­gen ver­lan­gen, bis der Pflicht­teil her­ge­stellt ist:

1.
der Er­wer­bun­gen ge­mä­ss der ge­setz­li­chen Erb­fol­ge;
2.
der Zu­wen­dun­gen von To­des we­gen;
3.
der Zu­wen­dun­gen un­ter Le­ben­den.

2 Ent­hält ei­ne Ver­fü­gung von To­des we­gen Be­stim­mun­gen über die Tei­le der ge­setz­li­chen Er­ben, so sind sie als blos­se Tei­lungs­vor­schrif­ten auf­zu­fas­sen, wenn kein an­de­rer Wil­le des Erb­las­sers aus der Ver­fü­gung er­sicht­lich ist.

501 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I des BG vom 18. Dez. 2020 (Erbrecht), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2021 312; BBl 2018 5813).

Art. 523502  

2.Pflicht­teils­be­rech­tig­te

 

Bei pflicht­teils­be­rech­tig­ten Er­ben wer­den Er­wer­bun­gen ge­mä­ss der ge­setz­li­chen Erb­fol­ge und Zu­wen­dun­gen von To­des we­gen im Ver­hält­nis der Be­trä­ge her­ab­ge­setzt, die ih­ren Pflicht­teil über­stei­gen.

502 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I des BG vom 18. Dez. 2020 (Erbrecht), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2021 312; BBl 2018 5813).

Art. 524  

3. Rech­te der Gläu­bi­ger

 

1 Die Kon­kurs­ver­wal­tung ei­nes Er­ben oder des­sen Gläu­bi­ger die zur Zeit des Erb­gan­ges Ver­lust­schei­ne be­sit­zen, kön­nen, wenn der Erb­las­ser den ver­füg­ba­ren Teil zum Nach­teil des Er­ben über­schrit­ten hat und die­ser auf ih­re Auf­for­de­rung hin die Her­ab­set­zungs­kla­ge nicht an­hebt, in­ner­halb der dem Er­ben ge­ge­be­nen Frist die Her­ab­set­zung ver­lan­gen, so­weit dies zu ih­rer De­ckung er­for­der­lich ist.

2 Die glei­che Be­fug­nis be­steht auch ge­gen­über ei­ner Enter­bung, die der Ent­erb­te nicht an­ficht.

Art. 525  

II. Wir­kung

1. Her­ab­set­zung im All­ge­mei­nen

 

1 Die Her­ab­set­zung er­folgt für al­le ein­ge­setz­ten Er­ben und Be­dach­ten im glei­chen Ver­hält­nis, so­weit nicht aus der Ver­fü­gung ein an­de­rer Wil­le des Erb­las­sers er­sicht­lich ist.

2 Wird die Zu­wen­dung an einen Be­dach­ten, der zu­gleich mit Ver­mächt­nis­sen be­schwert ist, her­ab­ge­setzt, so kann er un­ter dem glei­chen Vor­be­halt ver­lan­gen, dass auch die­se Ver­mächt­nis­se ver­hält­nis­mäs­sig her­ab­ge­setzt wer­den.

Art. 526  

2. Ver­mächt­nis ei­ner ein­zel­nen Sa­che

 

Ge­langt das Ver­mächt­nis ei­ner ein­zel­nen Sa­che, die oh­ne Schä­di­gung ih­res Wer­tes nicht ge­teilt wer­den kann, zur Her­ab­set­zung, so kann der Be­dach­te ent­we­der ge­gen Ver­gü­tung des Mehr­be­tra­ges die Sa­che selbst oder an­statt der Sa­che den ver­füg­ba­ren Be­trag be­an­spru­chen.


Art. 527  

3. Bei Ver­fü­gun­gen un­ter Le­ben­den

a. Fäl­le

 

Der Her­ab­set­zung un­ter­lie­gen wie die Ver­fü­gun­gen von To­des we­gen:

1.
die Zu­wen­dun­gen auf An­rech­nung an den Erb­teil, als Hei­rats­gut, Aus­stat­tung oder Ver­mö­gens­ab­tre­tung, wenn sie nicht der Aus­glei­chung un­ter­wor­fen sind;
2.
die Er­b­ab­fin­dun­gen und Aus­kaufs­be­trä­ge;
3.
die Schen­kun­gen, die der Erb­las­ser frei wi­der­ru­fen konn­te, oder die er wäh­rend der letz­ten fünf Jah­re vor sei­nem To­de aus­ge­rich­tet hat, mit Aus­nah­me der üb­li­chen Ge­le­gen­heits­ge­schen­ke;
4.
die En­täus­se­rung von Ver­mö­gens­wer­ten, die der Erb­las­ser of­fen­bar zum Zwe­cke der Um­ge­hung der Ver­fü­gungs­be­schrän­kung vor­ge­nom­men hat.
Art. 528  

b. Rück­leis­tung

 

1 Wer sich in gu­tem Glau­ben be­fin­det, ist zu Rück­leis­tun­gen nur in­so­weit ver­bun­den, als er zur Zeit des Erb­gan­ges aus dem Rechts­ge­schäf­te mit dem Erb­las­ser noch be­rei­chert ist.

2 Muss sich der durch Erb­ver­trag Be­dach­te ei­ne Her­ab­set­zung ge­fal­len las­sen, so ist er be­fugt, von der dem Erb­las­ser ge­mach­ten Ge­gen­leis­tung einen ent­spre­chen­den Be­trag zu­rück­zu­for­dern.

Art. 529503  

4. Ver­si­che­rung und ge­bun­de­ne Selbst­vor­sor­ge

 

1 Ver­si­che­rungs­an­sprü­che auf den Tod des Erb­las­sers, ein­sch­liess­lich sol­cher An­sprü­che aus der ge­bun­de­nen Selbst­vor­sor­ge, die durch Ver­fü­gung un­ter Le­ben­den oder von To­des we­gen zu­guns­ten ei­nes Drit­ten be­grün­det oder bei Leb­zei­ten des Erb­las­sers un­ent­gelt­lich auf einen Drit­ten über­tra­gen wor­den sind, un­ter­lie­gen der Her­ab­set­zung mit ih­rem Rück­kaufs­wert.

2 Eben­falls der Her­ab­set­zung un­ter­lie­gen An­sprü­che von Be­güns­tig­ten aus der ge­bun­de­nen Selbst­vor­sor­ge des Erb­las­sers bei ei­ner Bank­stif­tung.

503 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I des BG vom 18. Dez. 2020 (Erbrecht), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2021 312; BBl 2018 5813).

Art. 530  

5. Bei Nutz­nies­sung und Ren­ten

 

Hat der Erb­las­ser sei­ne Erb­schaft mit Nutz­nies­sungs­an­sprü­chen und Ren­ten der­art be­schwert, dass de­ren Ka­pi­tal­wert nach der mut­mass­li­chen Dau­er der Leis­tungs­pflicht den ver­füg­ba­ren Teil der Erb­schaft über­steigt, so kön­nen die Er­ben ent­we­der ei­ne ver­hält­nis­mäs­si­ge Her­ab­set­zung der An­sprü­che oder, un­ter Über­las­sung des ver­füg­ba­ren Tei­les der Erb­schaft an die Be­dach­ten, de­ren Ab­lö­sung ver­lan­gen.

Art. 531504  

6. Bei Nach­er­ben­ein­set­zung

 

Ei­ne Nach­er­ben­ein­set­zung ist ge­gen­über ei­nem pflicht­teils­be­rech­tig­ten Er­ben im Um­fang des Pflicht­teils un­gül­tig; vor­be­hal­ten bleibt die Be­stim­mung über ur­teil­s­un­fä­hi­ge Nach­kom­men.

504 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I 2 des BG vom 19. Dez. 2008 (Er­wach­se­nen­schutz, Per­so­nen­recht und Kin­des­recht), in Kraft seit 1. Jan. 2013 (AS 2011 725; BBl 20067001).

Art. 532505  

III. Durch­füh­rung

 

1 Der Her­ab­set­zung un­ter­lie­gen wie folgt der Rei­he nach, bis der Pflicht­teil her­ge­stellt ist:

1.
die Er­wer­bun­gen ge­mä­ss der ge­setz­li­chen Erb­fol­ge;
2.
die Zu­wen­dun­gen von To­des we­gen;
3.
die Zu­wen­dun­gen un­ter Le­ben­den.

2 Die Zu­wen­dun­gen un­ter Le­ben­den wer­den wie folgt der Rei­he nach her­ab­ge­setzt:

1.
die der Hin­zu­rech­nung un­ter­lie­gen­den Zu­wen­dun­gen aus Ehe­ver­trag oder Ver­mö­gens­ver­trag;
2.
die frei wi­der­ruf­li­chen Zu­wen­dun­gen und die Leis­tun­gen aus der ge­bun­de­nen Selbst­vor­sor­ge, im glei­chen Ver­hält­nis;
3.
die wei­te­ren Zu­wen­dun­gen, und zwar die spä­te­ren vor den frü­he­ren.

505 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I des BG vom 18. Dez. 2020 (Erbrecht), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2021 312; BBl 2018 5813).

Art. 533  

IV. Ver­jäh­rung

 

1 Die Her­ab­set­zungs­kla­ge ver­jährt mit Ab­lauf ei­nes Jah­res von dem Zeit­punkt an ge­rech­net, da die Er­ben von der Ver­let­zung ih­rer Rech­te Kennt­nis er­hal­ten ha­ben, und in je­dem Fall mit Ab­lauf von zehn Jah­ren, die bei den letzt­wil­li­gen Ver­fü­gun­gen von dem Zeit­punk­te der Er­öff­nung, bei den an­dern Zu­wen­dun­gen aber vom To­de des Erb­las­sers an ge­rech­net wer­den.

2 Ist durch Un­gül­ti­g­er­klä­rung ei­ner spä­te­ren Ver­fü­gung ei­ne frü­he­re gül­tig ge­wor­den, so be­gin­nen die Fris­ten mit die­sem Zeit­punk­te.

3 Ein­re­de­wei­se kann der Her­ab­set­zungs­an­spruch je­der­zeit gel­tend ge­macht wer­den.

Siebenter Abschnitt: Klagen aus Erbverträgen

Art. 534  

A. An­sprü­che bei Aus­rich­tung zu Leb­zei­ten des Erb­las­sers

 

1 Über­trägt der Erb­las­ser sein Ver­mö­gen bei Leb­zei­ten auf den Ver­trags­er­ben, so kann die­ser ein öf­fent­li­ches In­ven­tar auf­neh­men las­sen.

2 Hat der Erb­las­ser nicht al­les Ver­mö­gen über­tra­gen oder nach der Über­tra­gung Ver­mö­gen er­wor­ben, so be­zieht sich der Ver­trag un­ter Vor­be­halt ei­ner an­de­ren An­ord­nung nur auf das über­tra­ge­ne Ver­mö­gen.

3 So­weit die Über­ga­be bei Leb­zei­ten statt­ge­fun­den hat, ge­hen Rech­te und Pflich­ten aus dem Ver­trag un­ter Vor­be­halt ei­ner an­de­ren An­ord­nung auf die Er­ben des ein­ge­setz­ten Er­ben über.

Art. 535  

B. Aus­glei­chung beim Erb­ver­zicht

I. Her­ab­set­zung

 

1 Hat der Erb­las­ser dem ver­zich­ten­den Er­ben bei Leb­zei­ten Leis­tun­gen ge­macht, die den ver­füg­ba­ren Teil sei­ner Erb­schaft über­stei­gen, so kön­nen die Mit­er­ben die Her­ab­set­zung ver­lan­gen.

2 Der Her­ab­set­zung un­ter­liegt die Ver­fü­gung je­doch nur für den Be­trag, um den sie den Pflicht­teil des Ver­zich­ten­den über­steigt.

3 Die An­rech­nung der Leis­tun­gen er­folgt nach den glei­chen Vor­schrif­ten wie bei der Aus­glei­chung.

Art. 536  

II. Rück­leis­tung

 

Wird der Ver­zich­ten­de auf Grund der Her­ab­set­zung zu ei­ner Rück­leis­tung an die Erb­schaft ver­pflich­tet, so hat er die Wahl, ent­we­der die­se Rück­leis­tung auf sich zu neh­men oder die gan­ze Leis­tung in die Tei­lung ein­zu­wer­fen und an die­ser teil­zu­neh­men, als ob er nicht ver­zich­tet hät­te.

Zweite Abteilung: Der Erbgang

Fünfzehnter Titel: Die Eröffnung des Erbganges

Art. 537  

A. Vor­aus­set­zung auf Sei­te des Erb­las­sers

 

1 Der Erb­gang wird durch den Tod des Erb­las­sers er­öff­net.

2 In­so­weit den Zu­wen­dun­gen und Tei­lun­gen, die bei Leb­zei­ten des Erb­las­sers er­folgt sind, erbrecht­li­che Be­deu­tung zu­kommt, wer­den sie nach dem Stan­de der Erb­schaft be­rück­sich­tigt, wie er beim To­de des Erb­las­sers vor­han­den ist.

Art. 538  

B. Ort der Er­öff­nung

 

1 Die Er­öff­nung des Erb­gan­ges er­folgt für die Ge­samt­heit des Ver­mö­gens am letz­ten Wohn­sit­ze des Erb­las­sers.

2507

507 Auf­ge­ho­ben durch An­hang Ziff. 2 des Ge­richts­stands­ge­set­zes vom 24. März 2000, mit Wir­kung seit 1. Jan. 2001 (AS 2000 2355; BBl 1999 2829).

Art. 539  

C. Vor­aus­set­zun­gen auf Sei­te des Er­ben

I. Fä­hig­keit

1. Rechts­fä­hig­keit

 

1 Je­der­mann ist fä­hig, Er­be zu sein und aus Ver­fü­gun­gen von To­des we­gen zu er­wer­ben, so­bald er nicht nach Vor­schrift des Ge­set­zes er­b­un­fä­hig ist.

2 Zu­wen­dun­gen mit Zweck­be­stim­mung an ei­ne Mehr­heit von Per­so­nen ins­ge­samt wer­den, wenn die­ser das Recht der Per­sön­lich­keit nicht zu­kommt, von al­len Zu­ge­hö­ri­gen un­ter der vom Erb­las­ser auf­ge­stell­ten Zweck­be­stim­mung er­wor­ben oder gel­ten, wo die­ses nicht an­geht, als Stif­tung.

Art. 540  

2. Er­bun­wür­dig­keit

a. Grün­de

 

1 Un­wür­dig, Er­be zu sein oder aus ei­ner Ver­fü­gung von To­des we­gen ir­gen­det­was zu er­wer­ben, ist:

1.
wer vor­sätz­lich und rechts­wid­rig den Tod des Erb­las­sers her­bei­ge­führt oder her­bei­zu­füh­ren ver­sucht hat;
2.
wer den Erb­las­ser vor­sätz­lich und rechts­wid­rig in einen Zu­stand blei­ben­der Ver­fü­gungs­un­fä­hig­keit ge­bracht hat;
3.
wer den Erb­las­ser durch Arg­list, Zwang oder Dro­hung da­zu ge­bracht oder dar­an ver­hin­dert hat, ei­ne Ver­fü­gung von To­des we­gen zu er­rich­ten oder zu wi­der­ru­fen;
4.
wer ei­ne Ver­fü­gung von To­des we­gen vor­sätz­lich und rechts­wid­rig un­ter Um­stän­den, die dem Erb­las­ser de­ren Er­neue­rung nicht mehr er­mög­lich­ten, be­sei­tigt oder un­gül­tig ge­macht hat.

2 Durch Ver­zei­hung des Erb­las­sers wird die Er­bun­wür­dig­keit auf­ge­ho­ben.

Art. 541  

b. Wir­kung auf Nach­kom­men

 

1 Die Un­fä­hig­keit be­steht nur für den Un­wür­di­gen selbst.

2 Sei­ne Nach­kom­men be­er­ben den Erb­las­ser, wie wenn er vor dem Erb­las­ser ge­stor­ben wä­re.

Art. 542  

II. Er­le­ben des Erb­gan­ges

1. Als Er­be

 

1 Um die Erb­schaft er­wer­ben zu kön­nen, muss der Er­be den Erb­gang in erb­fä­hi­gem Zu­stand er­le­ben.

2 Stirbt ein Er­be, nach­dem er den Erb­gang er­lebt hat, so ver­erbt sich sein Recht an der Erb­schaft auf sei­ne Er­ben.

Art. 543  

2. Als Ver­mächt­nis­neh­mer

 

1 Der Ver­mächt­nis­neh­mer er­wirbt den An­spruch auf das Ver­mächt­nis, wenn er den Erb­gang in erb­fä­hi­gem Zu­stand er­lebt hat.

2 Stirbt er vor dem Erb­las­ser, so fällt sein Ver­mächt­nis, wenn kein an­de­rer Wil­le aus der Ver­fü­gung nach­ge­wie­sen wer­den kann, zu­guns­ten des­je­ni­gen weg, der zur Aus­rich­tung ver­pflich­tet ge­we­sen wä­re.

Art. 544  

3. Das Kind vor der Ge­burt

 

1 Das Kind ist vom Zeit­punkt der Emp­fäng­nis an un­ter dem Vor­be­halt erb­fä­hig, dass es le­ben­dig ge­bo­ren wird.

1bis Er­for­dert es die Wah­rung sei­ner In­ter­es­sen, so er­rich­tet die Kin­des­schutz­be­hör­de ei­ne Bei­stand­schaft.508

2 Wird das Kind tot ge­bo­ren, so fällt es für den Erb­gang aus­ser Be­tracht.509

508 Ein­ge­fügt durch Ziff. I 2 des BG vom 19. Dez. 2008 (Er­wach­se­nen­schutz, Per­so­nen­recht und Kin­des­recht), in Kraft seit 1. Jan. 2013 (AS 2011 725; BBl 20067001).

509 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I 2 des BG vom 19. Dez. 2008 (Er­wach­se­nen­schutz, Per­so­nen­recht und Kin­des­recht), in Kraft seit 1. Jan. 2013 (AS 2011 725; BBl 20067001).

Art. 545  

4. Nach­er­ben

 

1 Auf dem We­ge der Nach­er­ben­ein­set­zung oder des Nach­ver­mächt­nis­ses kann die Erb­schaft oder ei­ne Erb­schaftssa­che ei­ner Per­son zu­ge­wen­det wer­den, die zur Zeit des Erb­fal­les noch nicht lebt.

2 Ist kein Vor­er­be ge­nannt, so gel­ten die ge­setz­li­chen Er­ben als Vor­er­ben.

Art. 546  

D. Ver­schol­len­heit

I. Be­er­bung ei­nes Ver­schol­le­nen

1. Erb­gang ge­gen Si­cher­stel­lung

 

1 Wird je­mand für ver­schol­len er­klärt, so ha­ben die Er­ben oder Be­dach­ten vor der Aus­lie­fe­rung der Erb­schaft für die Rück­ga­be des Ver­mö­gens an bes­ser Be­rech­tig­te oder an den Ver­schol­le­nen selbst Si­cher­heit zu leis­ten.

2 Die­se Si­cher­heit ist im Fal­le des Ver­schwin­dens in ho­her To­des­ge­fahr auf fünf Jah­re und im Fal­le der nach­richt­lo­sen Ab­we­sen­heit auf 15 Jah­re zu leis­ten, in kei­nem Fal­le aber län­ger als bis zu dem Ta­ge, an dem der Ver­schol­le­ne 100 Jah­re alt wä­re.

3 Die fünf Jah­re wer­den vom Zeit­punk­te der Aus­lie­fe­rung der Erb­schaft und die 15 Jah­re von der letz­ten Nach­richt an ge­rech­net.

Art. 547  

2. Auf­he­bung der Ver­schol­len­heit und Rück­er­stat­tung

 

1 Kehrt der Ver­schol­le­ne zu­rück, oder ma­chen bes­ser Be­rech­tig­te ih­re An­sprü­che gel­tend, so ha­ben die Ein­ge­wie­se­nen die Erb­schaft nach den Be­sit­zes­re­geln her­aus­zu­ge­ben.

2 Den bes­ser Be­rech­tig­ten haf­ten sie, wenn sie in gu­tem Glau­ben sind, nur wäh­rend der Frist der Erb­schafts­kla­ge.

Art. 548  

II. Erbrecht des Ver­schol­le­nen

 

1 Kann für den Zeit­punkt des Erb­gan­ges Le­ben oder Tod ei­nes Er­ben nicht nach­ge­wie­sen wer­den, weil die­ser ver­schwun­den ist, so wird sein An­teil un­ter amt­li­che Ver­wal­tung ge­stellt.

2 Die Per­so­nen, de­nen bei Nicht­vor­han­den­sein des Ver­schwun­de­nen sein Erb­teil zu­ge­fal­len wä­re, ha­ben das Recht, ein Jahr seit dem Ver­schwin­den in ho­her To­des­ge­fahr oder fünf Jah­re seit der letz­ten Nach­richt über den Ver­schwun­de­nen beim Ge­richt um die Ver­schol­le­n­er­klä­rung und, nach­dem die­se er­folgt ist, um die Aus­hän­di­gung des An­teils nach­zu­su­chen.

3 Die Aus­lie­fe­rung des An­teils er­folgt nach den Vor­schrif­ten über die Aus­lie­fe­rung an die Er­ben ei­nes Ver­schol­le­nen.

Art. 549  

III. Ver­hält­nis der bei­den Fäl­le zu­ein­an­der

 

1 Ha­ben die Er­ben des Ver­schol­le­nen die Ein­wei­sung in sein Ver­mö­gen be­reits er­wirkt, so kön­nen sich sei­ne Mit­er­ben, wenn ihm ei­ne Erb­schaft an­fällt, hier­auf be­ru­fen und die an­ge­fal­le­nen Ver­mö­gens­wer­te her­aus­ver­lan­gen, oh­ne dass es ei­ner neu­en Ver­schol­le­n­er­klä­rung be­darf.

2 Eben­so kön­nen die Er­ben des Ver­schol­le­nen sich auf die Ver­schol­le­n­er­klä­rung be­ru­fen, die von sei­nen Mit­er­ben er­wirkt wor­den ist.

Art. 550  

IV. Ver­fah­ren von Am­tes we­gen

 

1 Stand das Ver­mö­gen oder der Erb­teil ei­nes Ver­schwun­de­nen wäh­rend zehn Jah­ren in amt­li­cher Ver­wal­tung, oder hät­te die­ser ein Al­ter von 100 Jah­ren er­reicht, so wird auf Ver­lan­gen der zu­stän­di­gen Be­hör­de die Ver­schol­le­n­er­klä­rung von Am­tes we­gen durch­ge­führt.

2 Mel­den sich als­dann in­ner­halb der Aus­kün­dungs­frist kei­ne Be­rech­tig­ten, so fal­len die Ver­mö­gens­wer­te an das erb­be­rech­tig­te Ge­mein­we­sen oder, wenn der Ver­schol­le­ne nie­mals in der Schweiz ge­wohnt hat, an den Hei­mat­kan­ton.

3 Ge­gen­über dem Ver­schol­le­nen selbst und den bes­ser Be­rech­tig­ten be­steht die glei­che Pflicht zur Rück­er­stat­tung wie für die ein­ge­wie­se­nen Er­ben.

Sechzehnter Titel: Die Wirkung des Erbganges

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