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Verordnung
zum Bundesgesetz über die Aufarbeitung
der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen vor 1981
(AFZFV)

vom 15. Februar 2017 (Stand am 1. Januar 2021)

Der Schweizerische Bundesrat,

gestützt auf die Artikel 10 Absatz 1, 18 und 19 des Bundesgesetzes vom 30. September 20161 über die Aufarbeitung der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen vor 1981 (AFZFG),

verordnet:

1. Abschnitt: Zuständige Behörde

Art. 1  

Die für den Voll­zug des AFZFG zu­stän­di­ge Be­hör­de des Bun­des ist das Bun­des­amt für Jus­tiz (BJ).

2. Abschnitt: Solidaritätsbeitrag

Art. 2 Einreichung der Gesuche  

1 Ge­su­che um Ge­wäh­rung des So­li­da­ri­täts­bei­trags sind beim BJ ein­zu­rei­chen.2

2 Für die Ge­such­sein­rei­chung stellt das BJ ein For­mu­lar und ei­ne Weg­lei­tung zur Ver­fü­gung.

2 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I der V vom 18. Nov. 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 5405).

Art. 3 Opfereigenschaft  

1 Zum Nach­weis ih­rer Op­fe­rei­gen­schaft be­schreibt die ge­such­stel­len­de Per­son im Ge­suchs­for­mu­lar die frü­he­ren Er­leb­nis­se.

2 Sie legt dem Ge­such zu­dem die Un­ter­la­gen bei, die ge­eig­net sind, ih­re Op­fe­rei­gen­schaft auf­zu­zei­gen, und die mit ver­tret­ba­rem Auf­wand be­schafft wer­den kön­nen.

3 Ge­eig­ne­te Un­ter­la­gen sind ins­be­son­de­re:

a.
Ak­ten von Hei­men;
b.
Ak­ten von Vor­mund­schafts­be­hör­den;
c.
Ak­ten von Er­zie­hungs- oder Stra­fein­rich­tun­gen;
d.
me­di­zi­ni­sche oder psych­ia­tri­sche Ak­ten;
e.
Aus­zü­ge aus Ge­mein­de­rat­spro­to­kol­len;
f.
Schul­zeug­nis­se;
g.3
Be­stä­ti­gun­gen des Wohn­sit­zes zur frag­li­chen Zeit.

4 Für die Be­schaf­fung der Un­ter­la­gen kann die ge­such­stel­len­de Per­son die Un­ter­stüt­zung durch die Ar­chi­ve und die kan­to­na­len An­lauf­stel­len in An­spruch neh­men.

5 Sind kei­ne Un­ter­la­gen vor­han­den, na­ment­lich weil sie zer­stört wor­den oder nicht mehr auf­find­bar sind oder Un­ter­la­gen gar nie er­stellt wur­den, so kön­nen auch münd­li­che Dar­le­gun­gen ge­nü­gen.

3 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I der V vom 18. Nov. 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 5405).

Art. 4 Prüfung der Gesuche  

1 Das BJ prüft Ge­su­che von Per­so­nen, die äl­ter als 75 Jah­re sind, die nach­weis­lich schwer krank sind oder de­ren Op­fe­rei­gen­schaft im Rah­men der So­fort­hil­fe be­reits an­er­kannt wor­den ist, prio­ri­tär.

2 Im Üb­ri­gen prüft es die Ge­su­che in der Rei­hen­fol­ge ih­res Ein­gangs.

Art. 5 Beratende Kommission  

1 Die Be­ra­ten­de Kom­mis­si­on für die Auf­ar­bei­tung der für­sor­ge­ri­schen Zwangs­mass­nah­men und Fremd­plat­zie­run­gen vor 1981 ist ei­ne aus­ser­par­la­men­ta­ri­sche Kom­mis­si­on nach Ar­ti­kel 57a des Re­gie­rungs- und Ver­wal­tungs­or­ga­ni­sa­ti­ons­ge­set­zes vom 21. März 19974.5

2 Sie be­steht aus 7–9 Per­so­nen, da­von 3–4 Per­so­nen, die selbst Be­trof­fe­ne oder Op­fer sind.6

3 Sie wird vom BJ für die Be­ur­tei­lung der Ge­su­che bei­ge­zo­gen und äus­sert sich ins­be­son­de­re zu Fra­gen des Vor­ge­hens, zu Grund­satz­fra­gen so­wie zu Ge­su­chen, die be­son­ders hei­kle Fra­gen auf­wer­fen.

4 SR 172.010

5 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I der V vom 18. Nov. 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 5405).

6 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I der V vom 18. Nov. 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 5405).

Art. 6 Entscheid und Auszahlung des Solidaritätsbeitrags  

1 Das BJ ent­schei­det mit­tels Ver­fü­gung über die An­spruchs­be­rech­ti­gung und nimmt die Aus­zah­lun­gen vor.

2 und 3 ...7

7 Auf­ge­ho­ben durch Ziff. I der V vom 18. Nov. 2020, mit Wir­kung seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 5405).

Art. 6a Solidaritätsbeitrag im Todesfall des Opfers 8  

Fällt der So­li­da­ri­täts­bei­trag ei­nes Op­fers im To­des­fall in die Erb­mas­se, so fin­den die Be­stim­mun­gen über die steu­er­recht­li­che, schuld­be­trei­bungs­recht­li­che so­wie so­zi­al- und so­zi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­che Pri­vi­le­gie­rung nach Ar­ti­kel 4 Ab­satz 6 AFZFG kei­ne An­wen­dung.

8 Ein­ge­fügt durch Ziff. I der V vom 18. Nov. 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 5405).

Art. 6b Rechtsschutz 9  

1 Die Ein­spra­che ist auch bei Ent­schei­den ge­gen of­fen­sicht­lich un­be­grün­de­te Ge­su­che zu­läs­sig.

2 Of­fen­sicht­lich un­be­grün­det ist ein Ge­such na­ment­lich dann, wenn:

a.
die an­ge­ge­be­ne für­sor­ge­ri­sche Zwangs­mass­nah­me oder Fremd­plat­zie­rung klar aus­ser­halb des zeit­li­chen Gel­tungs­be­reichs des AFZFG liegt;
b.
die ge­such­stel­len­de Per­son of­fen­sicht­lich kein Op­fer im Sin­ne von Ar­ti­kel 2 Buch­sta­be d AFZFG ist;
c.
ein Ge­such kei­ner­lei An­ga­ben ent­hält, die für die Be­ur­tei­lung der Op­fe­rei­gen­schaft not­wen­dig sind.

9 Ein­ge­fügt durch Ziff. I der V vom 18. Nov. 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 5405).

3. Abschnitt: Aufbewahrung und Archivierung

Art. 7 Aufbewahrung und Archivierung beim Bund  

Die Auf­be­wah­rung und die Ar­chi­vie­rung der Ak­ten zu den für­sor­ge­ri­schen Zwangs­mass­nah­men und Fremd­plat­zie­run­gen vor 1981 beim Bund rich­ten sich nach den Vor­schrif­ten der Ar­chi­vie­rungs­ge­setz­ge­bung des Bun­des10.

Art. 8 Administrative Aufbewahrung  

Ak­ten zu den für­sor­ge­ri­schen Zwangs­mass­nah­men und Fremd­plat­zie­run­gen vor 1981 sind, un­ab­hän­gig da­von, wo sie auf­be­wahrt wer­den, für ei­ne Dau­er von min­des­tens zehn Jah­ren nach In­kraft­tre­ten die­ser Ver­ord­nung wei­ter­hin auf­zu­be­wah­ren. Ei­ne Neu­be­wer­tung kann frü­he­s­tens nach Ab­lauf die­ser Frist vor­ge­nom­men wer­den.

Art. 9 Schutzfrist und Einsichtnahme während der Schutzfrist  

1 So­weit kei­ne kan­to­na­len Ar­chi­vie­rungs­vor­schrif­ten be­ste­hen, die ei­ne an­ge­mes­se­ne Re­ge­lung der Schutz­frist und der Ein­sicht­nah­me wäh­rend der Schutz­frist ent­hal­ten, gel­ten die Ab­sät­ze 2 und 3 die­ses Ar­ti­kels auch für:

a.
die kan­to­na­len Ar­chi­ve;
b.
die wei­te­ren staat­li­chen Ar­chi­ve, die der kan­to­na­len Ge­setz­ge­bung un­ter­ste­hen;
c.
die Ar­chi­ve der In­sti­tu­tio­nen nach Ar­ti­kel 10 Ab­satz 4 AFZFG.

2 Ak­ten mit Per­so­nen­da­ten un­ter­lie­gen ei­ner Schutz­frist von 80 Jah­ren. Die­se Schutz­frist en­det nach dem Tod der be­trof­fe­nen Per­son und, falls de­ren To­des­da­tum un­ge­wiss ist, 100 Jah­re nach ih­rer Ge­burt.

3 Be­trof­fe­ne ha­ben je­der­zeit An­spruch auf Zu­gang zu den sie be­tref­fen­den Ak­ten. An­ge­hö­ri­ge ha­ben An­spruch auf Zu­gang zu die­sen Ak­ten, wenn die be­trof­fe­ne Per­son:

a.
der Ein­sicht­nah­me zu­stimmt; oder
b.
ver­stor­ben ist.

4 Für Zwe­cke der For­schung oder der Sta­tis­tik kann der Zu­gang ge­währt wer­den, wenn die bei­den fol­gen­den Vor­aus­set­zun­gen er­füllt sind:

a.
Die Be­trof­fe­nen ha­ben in die Ver­wen­dung von Ak­ten mit ih­ren Per­so­nen­da­ten ein­ge­wil­ligt oder die Ak­ten wer­den, so­bald es der Be­ar­bei­tungs­zweck er­laubt, an­ony­mi­siert oder oh­ne di­rek­te Per­so­nen­kenn­zeich­nung ver­wen­det.
b.
Die Er­geb­nis­se wer­den so be­kannt ge­ge­ben, dass die be­trof­fe­nen Per­so­nen nicht be­stimm­bar sind.

4. Abschnitt: Fördermassnahmen11

11 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 18. Nov. 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 5405).

Art. 10 Förderung von Selbsthilfeprojekten  

1 Das BJ kann:

a.
Selbst­hil­fe­pro­jek­te von Or­ga­ni­sa­tio­nen von Op­fern und an­de­ren Be­trof­fe­nen för­dern, die zu ei­ner Ver­bes­se­rung der Si­tua­ti­on ei­ner Viel­zahl von Op­fern und Be­trof­fe­nen füh­ren kön­nen;
b.
Pro­jek­te an­de­rer Or­ga­ni­sa­tio­nen un­ter­stüt­zen, wel­che die Selbst­hil­fe von Op­fern und Be­trof­fe­nen för­dern.

2 Die För­de­rung er­folgt na­ment­lich durch die Leis­tung von Fi­nanz­hil­fen, durch Be­ra­tung, Ab­ga­be von Emp­feh­lun­gen oder in Form der Über­nah­me von Pa­tro­na­ten.

Art. 11 Gesuche um Finanzhilfen für Selbsthilfeprojekte  

1 Die Trä­ger­schaf­ten von Selbst­hil­fe­pro­jek­ten rei­chen Ge­su­che um fi­nan­zi­el­le Un­ter­stüt­zung des Bun­des beim BJ ein. Das BJ stellt hier­für ein For­mu­lar so­wie ei­ne Weg­lei­tung zur Ver­fü­gung.

2 Die Ge­su­che müs­sen min­des­tens ent­hal­ten:

a.
einen Pro­jekt­be­schrieb, der über die Zie­le des Pro­jekts, des­sen Durch­füh­rungs­mo­da­li­tä­ten so­wie über die zeit­li­che Pla­nung in­for­miert;
b.
einen Fi­nan­zie­rungs­plan so­wie das Bud­get des Pro­jekts mit An­ga­be der nach­ge­such­ten Fi­nanz­hil­fe des Bun­des;
c.
je nach Rechts­form der Pro­jekt­trä­ger­schaft die Sta­tu­ten, ein Leit­bild oder einen Or­ga­ni­sa­ti­ons­be­schrieb, aus de­nen die Ver­ant­wort­lich­kei­ten er­sicht­lich wer­den.

3 Das BJ prüft die Ge­su­che und ge­währt Fi­nanz­hil­fen im Rah­men der be­wil­lig­ten Kre­di­te.

4 Über­stei­gen die ein­ge­reich­ten Ge­su­che die ver­füg­ba­ren Mit­tel, so wer­den die­je­ni­gen Ge­su­che prio­ri­tär be­rück­sich­tigt, bei de­nen mit Blick auf die an­ge­streb­te Selbst­hil­fe der bes­te Wir­kungs­grad er­war­tet wer­den kann und die einen be­son­ders in­no­va­ti­ven Cha­rak­ter ha­ben.

5 Das BJ be­glei­tet die Pro­jek­te über ih­re gan­ze Dau­er und führt bei Be­darf auch Au­dits durch. Es be­treibt ein wirk­sa­mes Con­trol­ling al­ler Selbst­hil­fe­pro­jek­te und ver­öf­fent­licht jähr­lich ei­ne Lis­te der be­wil­lig­ten Pro­jek­te.

6 Die Pro­jekt­trä­ger­schaft be­rich­tet dem BJ re­gel­mäs­sig über den Pro­jekt­ver­lauf und reicht ihm spä­tes­tens sechs Mo­na­te nach Pro­jekt­ab­schluss einen Schluss­be­richt ein.

Art. 12 Informations- und Erfahrungsaustausch  

Das BJ or­ga­ni­siert oder för­dert den In­for­ma­ti­ons- und Er­fah­rungs­aus­tausch zwi­schen den Op­fern und an­de­ren Be­trof­fe­nen und trägt auf die­se Wei­se ins­be­son­de­re zur bes­se­ren Ent­wick­lung und Ent­fal­tung ih­rer per­sön­li­chen Res­sour­cen bei.

Art. 12a Plattform für Suchdienste  

Das BJ för­dert die Ein­rich­tung und den Be­trieb ei­ner ge­mein­sa­men Platt­form der ver­schie­de­nen Such­diens­te, die Be­trof­fe­nen bei ih­rer Su­che nach An­ge­hö­ri­gen oder an­de­ren ih­nen na­he­ste­hen­den Per­so­nen hel­fen.

5. Abschnitt: Inkrafttreten

Art. 13  

Die­se Ver­ord­nung tritt am 1. April 2017 in Kraft.

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