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Bundesgesetz über die Produktehaftpflicht

vom 18. Juni 1993 (Stand am 1. Juli 2010)

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft,

gestützt auf Artikel 64 der Bundesverfassung1, nach Einsicht in die Botschaft des Bundesrates vom 24. Februar 19932,

beschliesst:

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Art. 1 Grundsatz

1Die her­stel­len­de Per­son (Her­stel­le­rin)1 haf­tet für den Scha­den, wenn ein feh­ler­haf­tes Pro­dukt da­zu führt, dass:

a.
ei­ne Per­son ge­tö­tet oder ver­letzt wird;
b.
ei­ne Sa­che be­schä­digt oder zer­stört wird, die nach ih­rer Art ge­wöhn­lich zum pri­va­ten Ge­brauch oder Ver­brauch be­stimmt und vom Ge­schä­dig­ten2 haupt­säch­lich pri­vat ver­wen­det wor­den ist.

2Die Her­stel­le­rin haf­tet nicht für den Scha­den am feh­ler­haf­ten Pro­dukt.


1 Die Per­so­nen­be­zeich­nung ist weib­lich, weil sie sich nach dem gram­ma­ti­schen Ge­schlecht des vor­an­ste­hen­den Sub­stan­tivs rich­tet.
2 Da es sich um einen fest­ste­hen­den Rechts­be­griff han­delt, wird dem Grund­satz der sprach­li­chen Gleich­be­hand­lung nicht Rech­nung ge­tra­gen.

Art. 2 Herstellerin

1Als Her­stel­le­rin im Sin­ne die­ses Ge­set­zes gilt:

a.
die Per­son, die das End­pro­dukt, einen Grund­stoff oder ein Teil­pro­dukt her­ge­stellt hat;
b.
je­de Per­son, die sich als Her­stel­le­rin aus­gibt, in­dem sie ih­ren Na­men, ihr Wa­ren­zei­chen oder ein an­de­res Er­ken­nungs­zei­chen auf dem Pro­dukt an­bringt;
c.
je­de Per­son, die ein Pro­dukt zum Zweck des Ver­kaufs, der Ver­mie­tung, des Miet­kaufs oder ei­ner an­dern Form des Ver­triebs im Rah­men ih­rer ge­schäft­li­chen Tä­tig­keit ein­führt; da­bei blei­ben ab­wei­chen­de Be­stim­mun­gen in völ­ker­recht­li­chen Ver­trä­gen vor­be­hal­ten.

2Kann die Her­stel­le­rin des Pro­dukts nicht fest­ge­stellt wer­den, so gilt je­de Per­son als Her­stel­le­rin, wel­che das Pro­dukt ge­lie­fert hat, so­fern sie dem Ge­schä­dig­ten nach ei­ner ent­spre­chen­den Auf­for­de­rung nicht in­ner­halb ei­ner an­ge­mes­se­nen Frist die Her­stel­le­rin oder die Per­son nennt, die ihr das Pro­dukt ge­lie­fert hat.

3Ab­satz 2 gilt auch für Pro­duk­te, bei de­nen nicht fest­ge­stellt wer­den kann, wer sie ein­ge­führt hat, selbst wenn der Na­me der Her­stel­le­rin an­ge­ge­ben ist.

Art. 3 Produkt

1Als Pro­duk­te im Sin­ne die­ses Ge­set­zes gel­ten:

a.
je­de be­weg­li­che Sa­che, auch wenn sie einen Teil ei­ner an­de­ren be­weg­li­chen Sa­che oder ei­ner un­be­weg­li­chen Sa­che bil­det, und
b.
Elek­tri­zi­tät.

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1 Auf­ge­ho­ben durch Art. 20 Abs. 2 Ziff. 1 des BG vom 12. Ju­ni 2010 über die Pro­duk­te-si­cher­heit, mit Wir­kung seit 1. Ju­li 2010 (AS 2010 2573; BBl 2008 7407).

Art. 4 Fehler

1Ein Pro­dukt ist feh­ler­haft, wenn es nicht die Si­cher­heit bie­tet, die man un­ter Be­rück­sich­ti­gung al­ler Um­stän­de zu er­war­ten be­rech­tigt ist; ins­be­son­de­re sind zu be­rück­sich­ti­gen:

a.
die Art und Wei­se, in der es dem Pu­bli­kum prä­sen­tiert wird;
b.
der Ge­brauch, mit dem ver­nünf­ti­ger­wei­se ge­rech­net wer­den kann;
c.
der Zeit­punkt, in dem es in Ver­kehr ge­bracht wur­de.

2Ein Pro­dukt ist nicht al­lein des­halb feh­ler­haft, weil spä­ter ein ver­bes­ser­tes Pro­dukt in Ver­kehr ge­bracht wur­de.

Art. 5 Ausnahmen von der Haftung

1Die Her­stel­le­rin haf­tet nicht, wenn sie be­weist, dass:

a.
sie das Pro­dukt nicht in Ver­kehr ge­bracht hat;
b.
nach den Um­stän­den da­von aus­zu­ge­hen ist, dass der Feh­ler, der den Scha­den ver­ur­sacht hat, noch nicht vor­lag, als sie das Pro­dukt in Ver­kehr brach­te;
c.
sie das Pro­dukt we­der für den Ver­kauf oder ei­ne an­de­re Form des Ver­triebs mit wirt­schaft­li­chem Zweck her­ge­stellt noch im Rah­men ih­rer be­ruf­li­chen Tä­tig­keit her­ge­stellt oder ver­trie­ben hat;
d.
der Feh­ler dar­auf zu­rück­zu­füh­ren ist, dass das Pro­dukt ver­bind­li­chen, ho­heit­lich er­las­se­nen Vor­schrif­ten ent­spricht;
e.
der Feh­ler nach dem Stand der Wis­sen­schaft und Tech­nik im Zeit­punkt, in dem das Pro­dukt in Ver­kehr ge­bracht wur­de, nicht er­kannt wer­den konn­te.

1bisDie Aus­nah­me von der Haf­tung nach Ab­satz 1 Buch­sta­be e gilt nicht für tie­ri­sche Or­ga­ne, Ge­we­be oder Zel­len oder dar­aus her­ge­stell­te Trans­plan­tat­pro­duk­te, die zur Trans­plan­ta­ti­on auf den Men­schen be­stimmt sind.1

2Die Her­stel­le­rin ei­nes Grund­stoffs oder ei­nes Teil­pro­dukts haf­tet fer­ner nicht, wenn sie be­weist, dass der Feh­ler durch die Kon­struk­ti­on des Pro­dukts, in das der Grund­stoff oder das Teil­pro­dukt ein­ge­ar­bei­tet wur­de, oder durch die An­lei­tun­gen der Her­stel­le­rin die­ses Pro­dukts ver­ur­sacht wor­den ist.


1 Ein­ge­fügt durch Art. 73 Ziff. 1 des Trans­plan­ta­ti­ons­ge­set­zes vom 8. Okt. 2004, in Kraft seit 1. Ju­li 2007 (AS 2007 1935; BBl 2002 29).

Art. 6 Selbstbehalt bei Sachschäden

1Der Ge­schä­dig­te muss Sach­schä­den bis zur Hö­he von 900 Fran­ken sel­ber tra­gen.

2Der Bun­des­rat kann den Be­trag ge­mä­ss Ab­satz 1 den ver­än­der­ten Ver­hält­nis­sen an­pas­sen.

Art. 7 Solidarhaftung

Sind für den Scha­den, der durch ein feh­ler­haf­tes Pro­dukt ver­ur­sacht wor­den ist, meh­re­re Per­so­nen er­satz­pflich­tig, so haf­ten sie so­li­da­risch.

Art. 8 Wegbedingung der Haftung

Ver­ein­ba­run­gen, wel­che die Haft­pflicht nach die­sem Ge­setz ge­gen­über dem Ge­schä­dig­ten be­schrän­ken oder weg­be­din­gen, sind nich­tig.

Art. 9 Verjährung

An­sprü­che nach die­sem Ge­setz ver­jäh­ren drei Jah­re nach dem Tag, an dem der Ge­schä­dig­te Kennt­nis vom Scha­den, dem Feh­ler und von der Per­son der Her­stel­le­rin er­langt hat oder hät­te er­lan­gen müs­sen.

Art. 10 Verwirkung

1An­sprü­che nach die­sem Ge­setz ver­wir­ken zehn Jah­re nach dem Tag, an dem die Her­stel­le­rin das Pro­dukt, das den Scha­den ver­ur­sacht hat, in Ver­kehr ge­bracht hat.

2Die Ver­wir­kungs­frist gilt als ge­wahrt, wenn ge­gen die Her­stel­le­rin bin­nen zehn Jah­ren ge­klagt wird.

Art. 11 Verhältnis zu anderen Bestimmungen des eidgenössischen oder kantonalen Rechts

1So­weit die­ses Ge­setz nichts an­de­res vor­sieht, gel­ten die Be­stim­mun­gen des Ob­li­ga­tio­nen­rechts1.

2Scha­den­er­satz­an­sprü­che auf­grund des Ob­li­ga­tio­nen­rechts oder an­de­rer Be­stim­mun­gen des eid­ge­nös­si­schen oder des kan­to­na­len öf­fent­li­chen Rechts blei­ben dem Ge­schä­dig­ten ge­wahrt.

3Die­ses Ge­setz ist nicht an­wend­bar auf Schä­den in­fol­ge ei­nes nu­klea­ren Zwi­schen­falls. Ab­wei­chen­de Be­stim­mun­gen in völ­ker­recht­li­chen Ver­trä­gen sind vor­be­hal­ten.


1 SR 220

Art. 12 Änderung bisherigen Rechts

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1 Die Änd. kann un­ter AS 1993 3122 kon­sul­tiert wer­den.

Art. 13 Übergangsbestimmung

Die­ses Ge­setz gilt nur für Pro­duk­te, die nach sei­nem In­kraft­tre­ten in Ver­kehr ge­bracht wur­den.

Art. 14 Referendum und Inkrafttreten

1Die­ses Ge­setz un­ter­steht dem fa­kul­ta­ti­ven Re­fe­ren­dum.

2Der Bun­des­rat be­stimmt das In­kraft­tre­ten.