über die Hilfe an Opfer von Straftaten
(Opferhilfegesetz, OHG)" />
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Bundesgesetz
über die Hilfe an Opfer von Straftaten
(Opferhilfegesetz, OHG)

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft,

gestützt auf die Artikel 123 und 124 der Bundesverfassung1,
nach Einsicht in die Botschaft des Bundesrates vom 9. November 20052,

beschliesst:

1. Kapitel: Allgemeine Bestimmungen

Art. 1 Grundsätze  

1 Je­de Per­son, die durch ei­ne Straf­tat in ih­rer kör­per­li­chen, psy­chi­schen oder se­xu­el­len In­te­gri­tät un­mit­tel­bar be­ein­träch­tigt wor­den ist (Op­fer), hat An­spruch auf Un­ter­stüt­zung nach die­sem Ge­setz (Op­fer­hil­fe).

2 An­spruch auf Op­fer­hil­fe ha­ben auch der Ehe­gat­te oder die Ehe­gat­tin des Op­fers, sei­ne Kin­der und El­tern so­wie an­de­re Per­so­nen, die ihm in ähn­li­cher Wei­se na­he­ste­hen (An­ge­hö­ri­ge).

3 Der An­spruch be­steht un­ab­hän­gig da­von, ob der Tä­ter oder die Tä­te­rin:

a.
er­mit­telt wor­den ist;
b.
sich schuld­haft ver­hal­ten hat;
c.
vor­sätz­lich oder fahr­läs­sig ge­han­delt hat.
Art. 2 Formen der Opferhilfe  

Die Op­fer­hil­fe um­fasst:

a.
Be­ra­tung und So­fort­hil­fe;
b.
län­ger­fris­ti­ge Hil­fe der Be­ra­tungs­stel­len;
c.
Kos­ten­bei­trä­ge für län­ger­fris­ti­ge Hil­fe Drit­ter;
d.
Ent­schä­di­gung;
e.
Ge­nug­tu­ung;
f.
Be­frei­ung von Ver­fah­rens­kos­ten;
g.
3

3 Auf­ge­ho­ben durch An­hang 1 Ziff. II 10 der Straf­pro­zess­ord­nung vom 5. Okt. 2007, mit Wir­kung seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 1881; BBl 2006 1085).

Art. 3 Örtlicher Geltungsbereich  

1 Op­fer­hil­fe wird ge­währt, wenn die Straf­tat in der Schweiz be­gan­gen wor­den ist.

2 Ist die Straf­tat im Aus­land be­gan­gen wor­den, so wer­den die Leis­tun­gen der Be­ra­tungs­stel­len un­ter den in die­sem Ge­setz ge­nann­ten be­son­de­ren Be­din­gun­gen ge­währt (Art. 17); Ent­schä­di­gun­gen und Ge­nug­tu­un­gen wer­den kei­ne ge­währt.

Art. 4 Subsidiarität der Opferhilfe  

1 Leis­tun­gen der Op­fer­hil­fe wer­den nur end­gül­tig ge­währt, wenn der Tä­ter oder die Tä­te­rin oder ei­ne an­de­re ver­pflich­te­te Per­son oder In­sti­tu­ti­on kei­ne oder kei­ne ge­nü­gen­de Leis­tung er­bringt.

2 Wer Kos­ten­bei­trä­ge für die län­ger­fris­ti­ge Hil­fe Drit­ter, ei­ne Ent­schä­di­gung oder ei­ne Ge­nug­tu­ung be­an­sprucht, muss glaub­haft ma­chen, dass die Vor­aus­set­zun­gen nach Ab­satz 1 er­füllt sind, es sei denn, es sei ihm oder ihr an­ge­sichts der be­son­de­ren Um­stän­de nicht zu­mut­bar, sich um Leis­tun­gen Drit­ter zu be­mü­hen.

Art. 5 Unentgeltliche Leistungen  

Die Be­ra­tung, die So­fort­hil­fe und die von den Be­ra­tungs­stel­len er­brach­te län­ger­fris­ti­ge Hil­fe sind für das Op­fer und sei­ne An­ge­hö­ri­gen un­ent­gelt­lich.

Art. 6 Berücksichtigung der Einnahmen bei den übrigen Leistungen  

1 An­spruch auf Kos­ten­bei­trä­ge für län­ger­fris­ti­ge Hil­fe Drit­ter und auf Ent­schä­di­gung be­steht nur, wenn die an­re­chen­ba­ren Ein­nah­men des Op­fers oder sei­ner An­ge­hö­ri­gen das Vier­fa­che des mass­ge­ben­den Be­trags für den all­ge­mei­nen Le­bens­be­darf nach Ar­ti­kel 10 Ab­satz 1 Buch­sta­be a des Bun­des­ge­set­zes vom 6. Ok­to­ber 20064 über Er­gän­zungs­leis­tun­gen zur Al­ters-, Hin­ter­las­se­nen- und In­va­li­den­ver­si­che­rung (ELG) nicht über­stei­gen.5

2 Die an­re­chen­ba­ren Ein­nah­men der an­spruchs­be­rech­tig­ten Per­son be­rech­nen sich nach Ar­ti­kel 11 ELG; mass­ge­blich sind die vor­aus­sicht­li­chen Ein­nah­men nach der Straf­tat.6

3 Die Ge­nug­tu­ung wird un­ab­hän­gig von den Ein­nah­men der an­spruchs­be­rech­tig­ten Per­son aus­ge­rich­tet.

4 SR 831.30

5 Sie­he Art. 49 (Ko­or­di­na­ti­on mit dem ELG)

6 Sie­he Art. 49 (Ko­or­di­na­ti­on mit dem ELG)

Art. 7 Übergang von Ansprüchen auf den Kanton  

1 Hat ein Kan­ton ge­stützt auf die­ses Ge­setz Op­fer­hil­fe ge­leis­tet, so ge­hen die An­sprü­che für Leis­tun­gen glei­cher Art, die dem Op­fer oder des­sen An­ge­hö­ri­gen auf Grund der Straf­tat zu­ste­hen, im Um­fang der kan­to­na­len Leis­tun­gen von der an­spruchs­be­rech­tig­ten Per­son auf den Kan­ton über.

2 Die­se An­sprü­che ha­ben Vor­rang vor den ver­blei­ben­den An­sprü­chen der an­spruchs­be­rech­tig­ten Per­son so­wie der Rück­griffs­an­sprü­che Drit­ter.

3 Der Kan­ton ver­zich­tet dar­auf, sei­nen An­spruch ge­gen­über dem Tä­ter oder der Tä­te­rin gel­tend zu ma­chen, wenn da­durch schüt­zens­wer­te In­ter­es­sen des Op­fers oder sei­ner An­ge­hö­ri­gen oder die Wie­der­ein­glie­de­rung des Tä­ters oder der Tä­te­rin ge­fähr­det wür­den.

Art. 8 Information über die Opferhilfe und Meldung 7  

1 Die Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den in­for­mie­ren das Op­fer über die Op­fer­hil­fe und lei­ten un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen Na­me und Adres­se an ei­ne Be­ra­tungs­stel­le wei­ter. Die ent­spre­chen­den Pflich­ten rich­ten sich nach der ein­schlä­gi­gen Ver­fah­rens­ord­nung.

2 Ei­ne in der Schweiz wohn­haf­te Per­son, die im Aus­land Op­fer ei­ner Straf­tat ge­wor­den ist, kann sich an ei­ne schwei­ze­ri­sche Ver­tre­tung oder an die mit dem schwei­ze­ri­schen kon­su­la­ri­schen Schutz be­trau­te Stel­le wen­den. Die­se Stel­len in­for­mie­ren das Op­fer über die Op­fer­hil­fe in der Schweiz. Sie mel­den Na­me und Adres­se des Op­fers ei­ner Be­ra­tungs­stel­le, so­fern die­ses da­mit ein­ver­stan­den ist.

3 Die Ab­sät­ze 1 und 2 fin­den auf An­ge­hö­ri­ge des Op­fers sinn­ge­mä­ss An­wen­dung.

7 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. II 8 des Straf­be­hör­den­or­ga­ni­sa­ti­ons­ge­set­zes vom 19. März 2010, in Kraft seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 3267; BBl 20088125).

Art. 8a Entfallen der Anzeigepflicht 8  

Die Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter der kan­to­na­len Stel­len oder Be­hör­den, die über fi­nan­zi­el­le Hil­fe, Ent­schä­di­gung oder Ge­nug­tu­ung ent­schei­den, un­ter­lie­gen kei­ner An­zei­ge­pflicht.

8 Ein­ge­fügt durch An­hang 1 Ziff. 7 des BG vom 17. Ju­ni 2022, in Kraft seit 1. Jan. 2024 (AS 2023 468; BBl 20196697).

2. Kapitel: Leistungen der Beratungsstellen

1. Abschnitt: Beratungsstellen

Art. 9 Angebot  

1 Die Kan­to­ne sor­gen da­für, dass fach­lich selbst­stän­di­ge öf­fent­li­che oder pri­va­te Be­ra­tungs­stel­len zur Ver­fü­gung ste­hen. Da­bei tra­gen sie den be­son­de­ren Be­dürf­nis­sen ver­schie­de­ner Op­fer­ka­te­go­ri­en Rech­nung.

2 Sie kön­nen ge­mein­sa­me Be­ra­tungs­stel­len be­trei­ben.

Art. 10 Akteneinsicht  

1 Die Be­ra­tungs­stel­len kön­nen Ein­sicht neh­men in Ak­ten von Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den und Ge­rich­ten aus Ver­fah­ren, an de­nen das Op­fer oder sei­ne An­ge­hö­ri­gen teil­neh­men, so­fern die­se ih­re Zu­stim­mung er­teilt ha­ben.

2 Das Ak­ten­ein­sichts­recht darf den Be­ra­tungs­stel­len nur so weit ver­wei­gert wer­den, als dies ge­mä­ss mass­ge­ben­dem Pro­zess­recht auch ge­gen­über der ge­schä­dig­ten Per­son zu­läs­sig wä­re.

Art. 11 Schweigepflicht  

1 Per­so­nen, die für ei­ne Be­ra­tungs­stel­le ar­bei­ten, ha­ben über ih­re Wahr­neh­mun­gen ge­gen­über Be­hör­den und Pri­va­ten zu schwei­gen. Die Schwei­ge­pflicht gilt auch nach Be­en­di­gung die­ser Mit­ar­beit. Vor­be­hal­ten blei­ben die Zeug­nis­pflich­ten nach der Straf­pro­zess­ord­nung9.10

2 Die Schwei­ge­pflicht ist auf­ge­ho­ben, wenn die be­ra­te­ne Per­son da­mit ein­ver­stan­den ist.

3 Ist die kör­per­li­che, psy­chi­sche oder se­xu­el­le In­te­gri­tät ei­ner min­der­jäh­ri­gen Per­son oder ei­ner Per­son un­ter um­fas­sen­der Bei­stand­schaft ernst­haft ge­fähr­det, so kann die Be­ra­tungs­stel­le die Kin­des- und Er­wach­se­nen­schutz­be­hör­de in­for­mie­ren oder bei der Straf­ver­fol­gungs­be­hör­de An­zei­ge er­stat­ten.11

4 Wer die Schwei­ge­pflicht ver­letzt, wird mit Frei­heits­s­tra­fe bis zu drei Jah­ren oder mit Geld­stra­fe be­straft.

9 SR 312.0

10 Fas­sung zwei­ter und drit­ter Satz ge­mä­ss An­hang 1 Ziff. II 10 der Straf­pro­zess­ord­nung vom 5. Okt. 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 1881; BBl 2006 1085).

11Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. 3 des BG vom 15. Dez. 2017 (Kin­des­schutz), in Kraft seit 1. Jan. 2019 (AS 2018 2947; BBl 2015 3431).

2. Abschnitt: Hilfe der Beratungsstellen und Kostenbeiträge

Art. 12 Beratung  

1 Die Be­ra­tungs­stel­len be­ra­ten das Op­fer und sei­ne An­ge­hö­ri­gen und un­ter­stüt­zen sie bei der Wahr­neh­mung ih­rer Rech­te.

2 Er­hal­ten die Be­ra­tungs­stel­len ei­ne Mel­dung nach Ar­ti­kel 8 Ab­satz 1 oder 2, so neh­men sie mit dem Op­fer oder sei­nen An­ge­hö­ri­gen Kon­takt auf.12

12 Fas­sung ge­mä­ss An­hang 1 Ziff. 7 des BG vom 17. Ju­ni 2022, in Kraft seit 1. Jan. 2024 (AS 2023 468; BBl 20196697).

Art. 13 Soforthilfe und längerfristige Hilfe  

1 Die Be­ra­tungs­stel­len leis­ten dem Op­fer und sei­nen An­ge­hö­ri­gen so­fort Hil­fe für die drin­gends­ten Be­dürf­nis­se, die als Fol­ge der Straf­tat ent­ste­hen (So­fort­hil­fe).

2 Sie leis­ten dem Op­fer und des­sen An­ge­hö­ri­gen so­weit nö­tig zu­sätz­li­che Hil­fe, bis sich der ge­sund­heit­li­che Zu­stand der be­trof­fe­nen Per­son sta­bi­li­siert hat und bis die üb­ri­gen Fol­gen der Straf­tat mög­lichst be­sei­tigt oder aus­ge­gli­chen sind (län­ger­fris­ti­ge Hil­fe).

3 Die Be­ra­tungs­stel­len kön­nen die So­fort­hil­fe und die län­ger­fris­ti­ge Hil­fe durch Drit­te er­brin­gen las­sen.

Art. 14 Umfang der Leistungen  

1 Die Leis­tun­gen um­fas­sen die an­ge­mes­se­ne me­di­zi­ni­sche, psy­cho­lo­gi­sche, so­zia­le, ma­te­ri­el­le und ju­ris­ti­sche Hil­fe in der Schweiz, die als Fol­ge der Straf­tat not­wen­dig ge­wor­den ist. Die Be­ra­tungs­stel­len be­sor­gen dem Op­fer oder sei­nen An­ge­hö­ri­gen bei Be­darf ei­ne Not­un­ter­kunft.

2 Ei­ne Per­son mit Wohn­sitz im Aus­land, die in der Schweiz Op­fer ei­ner Straf­tat wur­de, hat zu­dem An­spruch auf Kos­ten­bei­trä­ge an die Hei­lungs­kos­ten am Wohn­sitz.

Art. 15 Zugang zu den Beratungsstellen  

1 Die Kan­to­ne sor­gen da­für, dass das Op­fer und sei­ne An­ge­hö­ri­gen in­nert an­ge­mes­se­ner Frist So­fort­hil­fe er­hal­ten kön­nen.

2 Die Leis­tun­gen der Be­ra­tungs­stel­len kön­nen un­ab­hän­gig vom Zeit­punkt der Be­ge­hung der Straf­tat in An­spruch ge­nom­men wer­den.

3 Das Op­fer und sei­ne An­ge­hö­ri­gen kön­nen sich an ei­ne Be­ra­tungs­stel­le ih­rer Wahl wen­den.

Art. 16 Kostenbeiträge für längerfristige Hilfe Dritter 13  

Die Kos­ten für län­ger­fris­ti­ge Hil­fe Drit­ter wer­den wie folgt ge­deckt:

a.
ganz, wenn im Sin­ne von Ar­ti­kel 6 Ab­sät­ze 1 und 2 die an­re­chen­ba­ren Ein­nah­men der an­spruchs­be­rech­tig­ten Per­son den dop­pel­ten mass­ge­ben­den Be­trag für den all­ge­mei­nen Le­bens­be­darf nicht über­stei­gen;
b.
an­teils­mäs­sig, wenn im Sin­ne von Ar­ti­kel 6 Ab­sät­ze 1 und 2 die an­re­chen­ba­ren Ein­nah­men der an­spruchs­be­rech­tig­ten Per­son zwi­schen dem dop­pel­ten und dem vier­fa­chen mass­ge­ben­den Be­trag für den all­ge­mei­nen Le­bens­be­darf lie­gen.

13 Sie­he Art. 49 (Ko­or­di­na­ti­on mit dem ELG)

3. Abschnitt: Straftat im Ausland

Art. 17  

1 Bei ei­ner Straf­tat im Aus­land ha­ben An­spruch auf Hil­fe nach die­sem Ka­pi­tel:

a.
das Op­fer, wenn es im Zeit­punkt der Straf­tat und im Zeit­punkt der Ge­such­stel­lung Wohn­sitz in der Schweiz hat­te;
b.
die An­ge­hö­ri­gen des Op­fers, wenn so­wohl sie als auch das Op­fer im Zeit­punkt der Straf­tat und im Zeit­punkt der Ge­such­stel­lung Wohn­sitz in der Schweiz hat­ten.

2 Hil­fe wird nur ge­leis­tet, wenn der Staat, in dem die Straf­tat be­gan­gen wur­de, kei­ne oder kei­ne ge­nü­gen­den Leis­tun­gen er­bringt.

4. Abschnitt: Kostenverteilung zwischen den Kantonen

Art. 18  

1 Ein Kan­ton, der Leis­tun­gen nach die­sem Ka­pi­tel zu Guns­ten von Per­so­nen mit Wohn­sitz in ei­nem an­de­ren Kan­ton er­bringt, er­hält von die­sem ei­ne Ab­gel­tung.

2 So­fern die­se Ab­gel­tun­gen nicht im Rah­men ei­ner in­ter­kan­to­na­len Re­ge­lung er­fol­gen, gel­ten fol­gen­de Grund­sät­ze: Der Wohn­sitz­kan­ton leis­tet Pau­schal­bei­trä­ge an den leis­tungs­er­brin­gen­den Kan­ton. Be­rech­nungs­ba­sis ist der ge­sam­te Auf­wand der Kan­to­ne für die Leis­tun­gen nach die­sem Ka­pi­tel im Ver­hält­nis zur Zahl der Per­so­nen, die die­se Op­fer­hil­fe­leis­tun­gen er­hal­ten ha­ben.

3. Kapitel: Entschädigung und Genugtuung durch den Kanton

1. Abschnitt: Entschädigung

Art. 19 Anspruch  

1 Das Op­fer und sei­ne An­ge­hö­ri­gen ha­ben An­spruch auf ei­ne Ent­schä­di­gung für den er­lit­te­nen Scha­den in­fol­ge Be­ein­träch­ti­gung oder Tod des Op­fers.

2 Der Scha­den wird nach den Ar­ti­keln 45 (Scha­den­er­satz bei Tö­tung) und 46 (Scha­den­er­satz bei Kör­per­ver­let­zung) des Ob­li­ga­tio­nen­rechts14 fest­ge­legt. Vor­be­hal­ten blei­ben die Ab­sät­ze 3 und 4.

3 Nicht be­rück­sich­tigt wer­den Sach­scha­den so­wie Scha­den, wel­cher Leis­tun­gen der So­fort­hil­fe oder der län­ger­fris­ti­gen Hil­fe nach Ar­ti­kel 13 aus­lö­sen kann.

4 Haus­halt­scha­den und Be­treu­ungs­scha­den wer­den nur be­rück­sich­tigt, wenn sie zu zu­sätz­li­chen Kos­ten oder zur Re­duk­ti­on der Er­werbs­tä­tig­keit füh­ren.

Art. 20 Festsetzung  

1 Leis­tun­gen, wel­che die ge­such­stel­len­de Per­son von Drit­ten als Scha­den­er­satz er­hal­ten hat, wer­den für die Be­rech­nung der Ent­schä­di­gung auf den Scha­den an­ge­rech­net.

2 Die Ent­schä­di­gung deckt den Scha­den:

a.
ganz, wenn im Sin­ne von Ar­ti­kel 6 Ab­sät­ze 1 und 2 die an­re­chen­ba­ren Ein­nah­men der an­spruchs­be­rech­tig­ten Per­son den mass­ge­ben­den Be­trag für den all­ge­mei­nen Le­bens­be­darf nicht über­stei­gen;
b.
an­teils­mäs­sig, wenn im Sin­ne von Ar­ti­kel 6 Ab­sät­ze 1 und 2 die an­re­chen­ba­ren Ein­nah­men der an­spruchs­be­rech­tig­ten Per­son zwi­schen dem ein­fa­chen und dem vier­fa­chen mass­ge­ben­den Be­trag für den all­ge­mei­nen Le­bens­be­darf lie­gen.15

3 Die Ent­schä­di­gung be­trägt höchs­tens 120 000 Fran­ken; kei­ne Ent­schä­di­gung wird aus­ge­rich­tet, wenn sie we­ni­ger als 500 Fran­ken be­tra­gen wür­de.

4 Die Ent­schä­di­gung kann in meh­re­ren Teil­zah­lun­gen aus­ge­rich­tet wer­den.

15 Sie­he Art. 49 (Ko­or­di­na­ti­on mit dem ELG)

Art. 21 Vorschuss  

Die zu­stän­di­ge kan­to­na­le Be­hör­de ge­währt einen Vor­schuss, wenn:

a.
die an­spruchs­be­rech­tig­te Per­son so­for­ti­ge fi­nan­zi­el­le Hil­fe be­nö­tigt; und
b.
die Fol­gen der Straf­tat kurz­fris­tig nicht mit hin­rei­chen­der Si­cher­heit fest­zu­stel­len sind.

2. Abschnitt: Genugtuung

Art. 22 Anspruch  

1 Das Op­fer und sei­ne An­ge­hö­ri­gen ha­ben An­spruch auf ei­ne Ge­nug­tu­ung, wenn die Schwe­re der Be­ein­träch­ti­gung es recht­fer­tigt; die Ar­ti­kel 47 und 49 des Ob­li­ga­tio­nen­rechts16 sind sinn­ge­mä­ss an­wend­bar.

2 Der An­spruch auf Ge­nug­tu­ung ist nicht ver­erb­lich.

Art. 23 Festsetzung  

1 Die Ge­nug­tu­ung wird nach der Schwe­re der Be­ein­träch­ti­gung be­mes­sen.

2 Sie be­trägt höchs­tens:

a.
70 000 Fran­ken für das Op­fer;
b.
35 000 Fran­ken für An­ge­hö­ri­ge.

3 Ge­nug­tu­ungs­leis­tun­gen Drit­ter wer­den ab­ge­zo­gen.

3. Abschnitt: Gemeinsame Bestimmungen

Art. 24 Gesuch  

Wer An­spruch auf ei­ne Ent­schä­di­gung oder Ge­nug­tu­ung gel­tend ma­chen oder einen Vor­schuss auf Ent­schä­di­gung er­hal­ten will, muss bei der zu­stän­di­gen kan­to­na­len Be­hör­de ein Ge­such stel­len.

Art. 25 Fristen  

1 Das Op­fer und sei­ne An­ge­hö­ri­gen müs­sen das Ge­such um Ent­schä­di­gung und Ge­nug­tu­ung in­nert fünf Jah­ren nach der Straf­tat oder nach Kennt­nis der Straf­tat ein­rei­chen; an­dern­falls ver­wir­ken die An­sprü­che.

2 Das Op­fer kann bis zum vollen­de­ten 25. Le­bens­jahr ein Ge­such stel­len:

a.
bei Straf­ta­ten nach Ar­ti­kel 97 Ab­satz 2 des Straf­ge­setz­bu­ches17 und Ar­ti­kel 55 Ab­satz 2 des Mi­li­tär­straf­ge­set­zes vom 13. Ju­ni 192718;
b.
bei ver­such­tem Mord an ei­nem Kind un­ter 16 Jah­ren.

3 Ha­ben das Op­fer oder sei­ne An­ge­hö­ri­gen in ei­nem Straf­ver­fah­ren vor Ab­lauf der Fris­ten nach Ab­satz 1 oder 2 Zi­vil­an­sprü­che gel­tend ge­macht, so kön­nen sie in­nert ei­nem Jahr ab end­gül­ti­gem Ent­scheid über die Zi­vil­an­sprü­che oder die Ein­stel­lung des Straf­ver­fah­rens ein Ge­such um Ent­schä­di­gung und Ge­nug­tu­ung stel­len.

Art. 26 Zuständiger Kanton  

1 Zu­stän­dig ist der Kan­ton, in wel­chem die Straf­tat be­gan­gen wor­den ist.

2 Ist die Straf­tat an meh­re­ren Or­ten aus­ge­führt wor­den oder ist der Er­folg an meh­re­ren Or­ten ein­ge­tre­ten, so ist zu­stän­dig:

a.
der Kan­ton, in dem die Stra­fun­ter­su­chung zu­erst an­ge­ho­ben wur­de;
b.
falls kei­ne Stra­fun­ter­su­chung an­ge­ho­ben wur­de: der Wohn­sitz­kan­ton der an­spruchs­be­rech­tig­ten Per­son;
c.
falls kei­ne Stra­fun­ter­su­chung an­ge­ho­ben wur­de und die an­spruchs­be­rech­tig­te Per­son über kei­nen Wohn­sitz in der Schweiz ver­fügt: der Kan­ton, in dem das ers­te Ge­such um Ent­schä­di­gung oder Ge­nug­tu­ung ge­stellt wur­de.
Art. 27 Herabsetzung oder Ausschluss der Entschädigung und der Genugtuung  

1 Die Ent­schä­di­gung und die Ge­nug­tu­ung des Op­fers kön­nen her­ab­ge­setzt oder aus­ge­schlos­sen wer­den, wenn das Op­fer zur Ent­ste­hung oder zur Ver­schlim­me­rung der Be­ein­träch­ti­gung bei­ge­tra­gen hat.

2 Die Ent­schä­di­gung und die Ge­nug­tu­ung von An­ge­hö­ri­gen des Op­fers kön­nen her­ab­ge­setzt oder aus­ge­schlos­sen wer­den, wenn die­se oder das Op­fer zur Ent­ste­hung oder zur Ver­schlim­me­rung der Be­ein­träch­ti­gung bei­ge­tra­gen ha­ben.

3 Die Ge­nug­tu­ung kann her­ab­ge­setzt wer­den, wenn die an­spruchs­be­rech­tig­te Per­son Wohn­sitz im Aus­land hat und die Hö­he der Ge­nug­tu­ung auf Grund der Le­bens­hal­tungs­kos­ten am Wohn­sitz un­ver­hält­nis­mäs­sig wä­re.

Art. 28 Zinsen  

Für die Ent­schä­di­gung und die Ge­nug­tu­ung wer­den kei­ne Zin­sen ge­schul­det.

Art. 29 Verfahren  

1 Die Kan­to­ne se­hen ein ein­fa­ches und ra­sches Ver­fah­ren vor. Ein Ge­such um Vor­schuss auf Ent­schä­di­gung wird auf Grund ei­ner sum­ma­ri­schen Prü­fung des Ent­schä­di­gungs­ge­suchs be­ur­teilt.

2 Die zu­stän­di­ge kan­to­na­le Be­hör­de stellt den Sach­ver­halt von Am­tes we­gen fest.

3 Die Kan­to­ne be­stim­men ei­ne ein­zi­ge, von der Ver­wal­tung un­ab­hän­gi­ge Be­schwer­de­in­stanz; die­se hat freie Über­prü­fungs­be­fug­nis.

4. Kapitel: Befreiung von Verfahrenskosten

Art. 30  

1 Für ih­re Ver­fah­ren be­tref­fend die Ge­wäh­rung von Be­ra­tung, So­fort­hil­fe, län­ger­fris­ti­ger Hil­fe, Ent­schä­di­gung so­wie Ge­nug­tu­ung, er­he­ben die Ver­wal­tungs- und Ge­richts­be­hör­den vom Op­fer und sei­nen An­ge­hö­ri­gen kei­ne Kos­ten.

2 Vor­be­hal­ten bleibt die Kos­ten­auf­la­ge bei mut­wil­li­ger Pro­zess­füh­rung.

3 Das Op­fer und sei­ne An­ge­hö­ri­gen müs­sen die Kos­ten für einen un­ent­gelt­li­chen Rechts­bei­stand nicht zu­rück­er­stat­ten.

5. Kapitel: Finanzielle Leistungen und Aufgaben des Bundes

Art. 31 Ausbildung  

1 Der Bund ge­währt Fi­nanz­hil­fen zur För­de­rung der Fach­aus­bil­dung des Per­so­nals der Be­ra­tungs­stel­len und der mit der Op­fer­hil­fe Be­trau­ten.

2 Er trägt den be­son­de­ren Be­dürf­nis­sen be­stimm­ter Op­fer­ka­te­go­ri­en Rech­nung, ins­be­son­de­re den Be­dürf­nis­sen min­der­jäh­ri­ger Op­fer von Straf­ta­ten ge­gen die se­xu­el­le In­te­gri­tät.

Art. 32 Ausserordentliche Ereignisse  

1 Er­wach­sen ei­nem Kan­ton in­fol­ge aus­ser­or­dent­li­cher Er­eig­nis­se be­son­ders ho­he Auf­wen­dun­gen, so kann der Bund ihm Ab­gel­tun­gen ge­wäh­ren.

2 Im Fal­le aus­ser­or­dent­li­cher Er­eig­nis­se ko­or­di­niert der Bund in Zu­sam­men­ar­beit mit den Kan­to­nen so­weit nö­tig die Tä­tig­keit der Be­ra­tungs­stel­len und der zu­stän­di­gen kan­to­na­len Be­hör­den.

Art. 33 Evaluation  

Der Bun­des­rat sorgt da­für, dass Zweck­mäs­sig­keit, Wirk­sam­keit und Wirt­schaft­lich­keit der Mass­nah­men nach die­sem Ge­setz pe­ri­odisch über­prüft wer­den.

6. Kapitel: …

Art. 344419  

19 Auf­ge­ho­ben durch An­hang 1 Ziff. II 10 der Straf­pro­zess­ord­nung vom 5. Okt. 2007, mit Wir­kung seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 1881; BBl 2006 1085).

7. Kapitel: Schlussbestimmungen

Art. 45 Rechtsetzungsbefugnisse des Bundesrates  

1 Der Bun­des­rat passt die Höchst- und Min­dest­be­trä­ge nach Ar­ti­kel 20 Ab­satz 3 pe­ri­odisch der Teue­rung an; er kann die Höchst­be­trä­ge nach Ar­ti­kel 23 Ab­satz 2 der Teue­rung an­pas­sen.

2 Er er­lässt Vor­schrif­ten für die Be­rech­nung der kan­to­na­len Pau­schal­bei­trä­ge nach Ar­ti­kel 18 Ab­satz 2 und über die da­zu nö­ti­gen sta­tis­ti­schen Er­he­bun­gen.

3 Er kann Vor­schrif­ten zur Aus­ge­stal­tung der Kos­ten­bei­trä­ge für län­ger­fris­ti­ge Hil­fe Drit­ter, der Ent­schä­di­gung und der Ge­nug­tu­ung er­las­sen und ins­be­son­de­re Pau­scha­len oder Ta­ri­fe für die Ge­nug­tu­ung fest­set­zen. Er kann da­bei von der Re­ge­lung im ELG20 ab­wei­chen, um der be­son­de­ren Si­tua­ti­on des Op­fers und sei­ner An­ge­hö­ri­gen Rech­nung zu tra­gen.

Art. 46 Aufhebung bisherigen Rechts  

Das Op­fer­hil­fe­ge­setz vom 4. Ok­to­ber 199121 wird auf­ge­ho­ben.

21 [AS 1992 2465, 1997 2952Ziff. III, 2002 2997, 2005 5685An­hang Ziff. 20]

Art. 47 Änderung bisherigen Rechts  

Die Än­de­rung bis­he­ri­gen Rechts wird im An­hang ge­re­gelt.

Art. 48 Übergangsbestimmungen  

Das bis­he­ri­ge Recht gilt für:

a.
An­sprü­che auf Ent­schä­di­gung oder Ge­nug­tu­ung für Straf­ta­ten, die vor In­kraft­tre­ten die­ses Ge­set­zes ver­übt wor­den sind; für An­sprü­che aus Straf­ta­ten, die we­ni­ger als zwei Jah­re vor dem In­kraft­tre­ten die­ses Ge­set­zes ver­übt wor­den sind, gel­ten die Fris­ten nach Ar­ti­kel 25;
b.
hän­gi­ge Ge­su­che um Kos­ten­bei­trä­ge, die vor dem In­kraft­tre­ten die­ses Ge­set­zes ein­ge­reicht wur­den.
Art. 49 Koordination des vorliegenden Gesetzes (neues OHG) mit dem Bundesgesetz vom
6. Oktober 2006
über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (neues ELG) 22  

Un­ab­hän­gig da­von, ob das neue ELG oder das neue OHG zu­erst in Kraft tritt, lau­ten die nach­ste­hen­den Be­stim­mun­gen des neu­en OHG mit In­kraft­tre­ten des spä­ter in Kraft tre­ten­den Ge­set­zes so­wie bei gleich­zei­ti­gem In­kraft­tre­ten wie folgt:23

22 SR 831.30

23 Das ELG trat am 1. Jan. 2008 in Kraft.

Art. 50 Referendum und Inkrafttreten  

1 Die­ses Ge­setz un­ter­steht dem fa­kul­ta­ti­ven Re­fe­ren­dum.

2 Der Bun­des­rat be­stimmt das In­kraft­tre­ten.

Da­tum des In­kraft­tre­tens: 1. Ja­nu­ar 200924

24 BRB vom 27. Fe­br. 2008

Anhang

(Art. 47)

Änderung bisherigen Rechts

Die nachstehenden Erlasse werden wie folgt geändert:

25

25 Die Änderungen können unter AS 2008 1607konsultiert werden.

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