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Art. 130 Teilnahme
1 Die Richter, der Gerichtsschreiber, der Auditor, der Angeklagte und der Verteidiger müssen der ganzen Hauptverhandlung beiwohnen. 2 Der Präsident des Militärgerichts kann anordnen, dass sich der Angeklagte aus der Hauptverhandlung entfernt, insbesondere wenn dieser sich ungebührlich benimmt oder wenn zu befürchten ist, dass die Kenntnis eines ärztlichen Gutachtens diesem zum Nachteil gereichen würde. 3 Der Präsident kann ausnahmsweise den Angeklagten auf dessen Gesuch hin vom Erscheinen befreien oder ihm gestatten, sich aus der Hauptverhandlung zu entfernen. 4 Das ordentliche Verfahren kann auch dann fortgesetzt werden, wenn sich der Angeklagte ohne Erlaubnis des Präsidenten aus der Hauptverhandlung entfernte.
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Art. 131 Ausbleiben des Angeklagten
1 Bleibt der Angeklagte trotz ordnungsgemässer Vorladung ohne genügende Entschuldigung aus, so kann seine Vorführung angeordnet werden. 2 Kann der Angeklagte nicht vorgeführt werden oder wird auf seine Vorführung verzichtet, so wird das Abwesenheitsverfahren angewendet.
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Art. 132 Ausbleiben eines Zeugen
1 Bleibt ein Zeuge trotz ordnungsgemässer Vorladung aus, so kann seine Vorführung angeordnet werden. Ist diese nicht möglich, und hält das Gericht sein Erscheinen für notwendig, so vertagt es die Verhandlung auf Kosten des Ausgebliebenen. 2 Artikel 81 findet Anwendung.
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Art. 133 Ausbleiben des Verteidigers oder eines Sachverständigen
Muss die Verhandlung wegen nicht entschuldigten Ausbleibens des Verteidigers oder eines Sachverständigen verschoben werden, so kann ihm das Gericht die dadurch verursachten Kosten auferlegen.
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Art. 133a Teilnahme derPrivatklägerschaft und Dritter 178
1 Der Präsident des Militärgerichts kann die Privatklägerschaft auf ihr Gesuch hin vom persönlichen Erscheinen dispensieren, wenn ihre Anwesenheit nicht erforderlich ist. 2 Dem von einer beantragten Einziehung betroffenen Dritten ist das persönliche Erscheinen freigestellt. 3 Erscheint die Privatklägerschaft oder der von einer beantragten Einziehung betroffene Dritte nicht persönlich, so kann sie oder er sich vertreten lassen oder schriftliche Anträge stellen.
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Art. 134 Eröffnung der Hauptverhandlung
1 Der Präsident des Militärgerichts eröffnet die Hauptverhandlung. 2 Er gibt die Zusammensetzung des Gerichts bekannt und stellt die Anwesenheit der Parteien fest.
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Art. 135 Feststellung der Personalien; Verlesen der Anklageschrift
1 Der Präsident des Militärgerichts stellt die Personalien des Angeklagten fest. 2 Die Anklageschrift wird verlesen, sofern die Parteien nicht darauf verzichten.
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Art. 136 Erledigung von Einsprachen; Unzuständigkeit des Gerichts
1 Hierauf entscheidet das Gericht über Einsprachen gegen seine Besetzung oder sachliche Zuständigkeit, über Begehren um Ergänzung der Beweismittel sowie über Verjährungseinreden und Vorfragen, welche die Möglichkeit oder Zulässigkeit der Durchführung der Verhandlung betreffen. 2 Das Gericht lehnt von Amtes wegen seine Zuständigkeit ab, wenn der Straffall nicht der Militärgerichtsbarkeit unterliegt. Die nach Artikel 223 des MStG179 vom Bundesstrafgericht getroffenen Entscheidungen sind für das Gericht und die Parteien verbindlich.180
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Art. 137 Befragung des Angeklagten
1 Der Präsident des Militärgerichts befragt den Angeklagten über seine persönlichen und militärischen Verhältnisse sowie über die ihm in der Anklageschrift zur Last gelegte Tat. Er stellt auf Verlangen eines Richters, des Auditors oder des Verteidigers weitere Fragen zur Abklärung des Sachverhalts. 2 Gesteht der Angeklagte die Tat und ist sein Geständnis glaubwürdig, so kann das Gericht mit Zustimmung der Parteien ein abgekürztes Beweisverfahren durchführen.
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Art. 138 Vorlage von Beweisstücken: Einvernahme von Zeugen
1 Der Präsident des Militärgerichts legt dem Gericht die Beweisstücke vor und befragt die Zeugen in der von ihm bestimmten Reihenfolge. Vor der Einvernahme mahnt er sie zur Wahrheit und macht sie auf die Straffolgen eines falschen Zeugnisses aufmerksam. 2 Nach der Einvernahme eines jeden Zeugen können Richter und Parteien weitere Fragen zur Abklärung des Sachverhalts stellen lassen. 3 Zeugen, deren Aussagen sich widersprechen, können einander gegenübergestellt werden.
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Art. 139 Widersprüche: Gedächtnislücken
1 Zur Feststellung oder Behebung von Widersprüchen in den Aussagen können Einvernahmen wiederholt oder Protokolle der Untersuchung ganz oder teilweise verlesen werden. 2 Erinnert sich ein Zeuge nicht mehr oder nicht mehr genau an eine Wahrnehmung, über die er früher berichtet hat, so können die entsprechenden Protokolle ganz oder teilweise verlesen werden.
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Art. 140 Befragung von Sachverständigen
Die Sachverständigen werden in der Regel nach den Zeugen einvernommen.
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Art. 141 Verlesen von Beweisurkunden
1 Wesentliche Beweisurkunden sind zu verlesen. 2 Die Befragung von Zeugen, Sachverständigen und Mitangeklagten kann durch das Verlesen der Protokolle ihrer frühern Aussagen ersetzt werden, wenn - a.
- die Person inzwischen verstorben ist:
- b.
- eine Vorladung wegen unbekannten Aufenthalts nicht möglich war;
- c.
- die Einvernahme in der Hauptverhandlung aus andern Gründen nicht stattfinden kann;
- d.
- es sich um Aussagen handelt, die für die Urteilsfindung nicht entscheidend ins Gewicht fallen.
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Art. 142 Neue Beweisanträge
1 Die Parteien können bis zum Schluss des Beweisverfahrens neue Beweisanträge stellen. 2 Das Gericht sorgt jedoch dafür, dass die Verhandlung nicht unnötig verlängert wird.
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Art. 143 Unterbrechung oder Verschiebung der Hauptverhandlung
1 Das Gericht kann die Hauptverhandlung von sich aus oder auf Antrag einer Partei für neue Beweisaufnahmen, für die Neuerstellung oder Ergänzung der Anklageschrift oder aus andern wichtigen Gründen sowie für die dadurch bedingte Vorbereitung der Parteivorträge unterbrechen oder verschieben. 2 Bei längerer Unterbrechung muss die Hauptverhandlung wiederholt werden, sofern die Parteien nicht ausdrücklich darauf verzichten.
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Art. 144 Parteivorträge 181
1 Nach Abschluss des Beweisverfahrens stellen und begründen die Parteien ihre Anträge. Die Parteivorträge finden in folgender Reihenfolge statt: - a.
- Auditor;
- b.
- Privatklägerschaft;
- c.
- Dritte, die von einer beantragten Einziehung (Art. 51−53 MStG182) betroffen sind;
- d.
- Verteidiger des Angeklagten.
2 Die Parteien haben das Recht auf einen zweiten Parteivortrag. 3 Der Angeklagte hat nach Abschluss der Parteivorträge das Recht auf das letzte Wort.
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Art. 145 Urteil
1 Das Urteil lautet auf Freispruch oder Verurteilung. 2 Erweist sich die Beurteilung aus prozessrechtlichen Gründen als unzulässig, so wird das Verfahren eingestellt.
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Art. 146 Urteilsfällung
1 Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, in der Hauptverhandlung gewonnenen Überzeugung. 2 Das Urteil wird mit einfacher Stimmenmehrheit gefällt. Dies gilt auch für Zwischenentscheide. 3 …183
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Art. 147 Gegenstand des Urteils
Gegenstand des Urteils ist die in der Anklageschrift bezeichnete Tat. Bei deren Würdigung darf das Gericht nur die Ergebnisse der Hauptverhandlung berücksichtigen.
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Art. 148 Änderung des rechtlichen Gesichtspunkts
1 Das Gericht ist an die rechtliche Beurteilung, die der Anklage zugrunde liegt, nicht gebunden. 2 Eine Verurteilung aufgrund von Strafbestimmungen, die nicht in der Anklageschrift aufgeführt sind, darf nur erfolgen, wenn der Angeklagte zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist. 3 In gleicher Weise ist vorzugehen, wenn in der Hauptverhandlung Umstände vorgebracht werden, welche die Strafbarkeit erhöhen.
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Art. 149 Leichter Fall eines Verbrechens oder Vergehens
1 Nimmt das Gericht einen im MStG184 vorgesehenen leichten Fall einer Straftat an oder wertet es die Tat als blossen Disziplinarfehler, so spricht es den Angeklagten frei und verhängt eine Disziplinarstrafe185. Das Gericht kann dem disziplinarisch Bestraften reduzierte Kosten der Untersuchung und der Hauptverhandlung auferlegen.186 2 Das Gericht kann alle Disziplinarstrafen aussprechen. Für die Angehörigen des Grenzwachtkorps bleibt Artikel 183 Absatz 2 des MStG vorbehalten; gegebenenfalls wird die Angelegenheit an die zuständige Stelle zwecks Eröffnung eines Disziplinarverfahrens überwiesen.187 3 Hat das Gericht den Angeklagten verurteilt, disziplinarisch bestraft oder freigesprochen, so darf über ihn wegen der gleichen Tat keine Disziplinarstrafe mehr verhängt werden. 184 SR 321.0 185 Fassung erster Satzgemäss Ziff. II des BG vom 3. Okt. 2008 (Korrekturen infolge der Revision des AT MStG und weitere Anpassungen), in Kraft seit 1. März 2009 (AS 2009 701; BBl 2007 8353). 186 Zweiter Satz eingefügt durch Ziff. III des BG vom 3. Okt. 2003, in Kraft seit 1. März 2004 (AS 2004 921; BBl 2002 7859). 187 Fassung gemäss Ziff. III des BG vom 3. Okt. 2003, in Kraft seit 1. März 2004 (AS 2004 921; BBl 2002 7859).
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Art. 150 Sicherheitshaft
Das Gericht kann einen Verurteilten oder einen wegen Unzurechnungsfähigkeit freigesprochenen Angeklagten zur Sicherung des Vollzuges einer Freiheitsstrafe oder Massnahme in Haft setzen.
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Art. 151 Kosten und Entschädigung
1 Dem Verurteilten werden die Kosten der Untersuchung und der Hauptverhandlung auferlegt. Aus besondern Gründen kann ihm das Gericht die Kosten ganz oder teilweise erlassen. 2 Das Gericht bestimmt, ob und inwieweit mehrere Verurteilte solidarisch haften. 3 Dem Freigesprochenen können die Kosten ganz oder teilweise auferlegt werden, wenn er das Verfahren durch verwerfliches Verhalten verursacht oder erschwert hat. 4 Die Vergütungen an Richter, Angehörige der Militärjustiz, Dolmetscher und Übersetzer trägt der Bund.188 5 Das Gericht entscheidet über Entschädigungsbegehren nach den Regeln von Artikel 117 Absatz 3. 6 Der Privatklägerschaft können nach Artikel 165a die Verfahrenskosten auferlegt werden.189
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Art. 152 Mündliche Urteilseröffnung
1 Der Präsident des Militärgerichts eröffnet den Parteien das Urteil in öffentlicher Sitzung durch Verlesen des Urteilsspruchs und Mitteilung der wesentlichen Entscheidungsgründe. 2 Von der Mitteilung der Entscheidungsgründe wird soweit abgesehen, als diese mit Rücksicht auf die Landesverteidigung oder Staatssicherheit geheim gehalten werden müssen. 3 Der Präsident unterrichtet die Parteien über die möglichen Rechtsmittel.
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Art. 153 Form und Inhalt des Urteils
1 Das Urteil wird schriftlich ausgefertigt. Es enthält Ort und Zeit der Verhandlung, die Namen der Richter, des Gerichtsschreibers, des Auditors, des Angeklagten und seines Verteidigers, die in der Anklage bezeichneten strafbaren Handlungen, die Anträge der Parteien sowie - a.
- bei Verurteilung:
- 1.
- den Sachverhalt;
- 2.
- die Tatsachen, welche die einzelnen Merkmale der strafbaren Handlung erfüllen;
- 3.
- die Gründe für die Strafzumessung und die Massnahmen;
- 4.
- die gesetzlichen Bestimmungen;
- 5.
- den Urteilsspruch;
- b.
- bei Freispruch:
- 1.
- den Sachverhalt;
- 2.
- die Feststellung, dass die dem Angeklagten vorgeworfene Tat nicht erwiesen oder nicht strafbar ist;
- 3.
- die Gründe für allfällige Massnahmen;
- 4.
- den Urteilsspruch;
- c.
- bei Freispruch nach Artikel 149:
- 1.
- den Sachverhalt;
- 2.
- die Tatsache, welche die einzelnen Merkmale des Disziplinarfehlers erfüllen;
- 3.
- die Gründe für die Zumessung der Disziplinarstrafe;
- 4.
- den Urteilsspruch.
2 Das Urteil enthält überdies den begründeten Entscheid über Kosten und Entschädigung, allenfalls über die Aufhebung bestehender Zwangsmassnahmen, über die Einziehung von Gegenständen und Vermögenswerten und über den zivilrechtlichen Anspruch der Privatklägerschaft sowie eine Rechtsmittelbelehrung.190 3 Der Präsident des Militärgerichts und der Gerichtsschreiber unterzeichnen das Urteil. 4 Redaktions- oder Rechnungsfehler oder Kanzleiversehen, die keinen Einfluss auf den Urteilsspruch oder auf den erheblichen Inhalt der Begründung haben, werden von Amtes wegen berichtigt.
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Art. 154 Zustellung von Urteilsausfertigungen
1 Urteilsausfertigungen werden dem Verteidiger für sich und zuhanden des Verurteilten oder Freigesprochenen, der Privatklägerschaft191, dem Auditor, dem Oberauditor und dem Vollzugskanton sowie den vom Bundesrat zu bezeichnenden Empfängern zugestellt. 2 Urteilsausfertigungen, die mit Rücksicht auf die Landesverteidigung oder die Staatssicherheit geheim zu haltende Tatsachen enthalten, werden lediglich dem Eidgenössischen Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport und dem Oberauditor zugestellt. Dem Auditor und dem Verteidiger werden auf Gesuch hin eine Urteilsausfertigung zur Einsichtnahme überlassen. Der Verurteilte und die Privatklägerschaft erhalten auf Gesuch hin Einsicht in die Urteilsausfertigung, die Geschädigte jedoch nur so weit, als das Urteil seine zivilrechtlichen Ansprüche betrifft oder sich auf deren Beurteilung auswirken kann.192 3 Für die öffentliche Bekanntmachung des Urteils gilt Artikel 125a. Es wird nur das Dispositiv veröffentlicht.193 4 Das Opfer, das sich nicht als Privatklägerschaft konstituiert hat, kann eine Kopie des Urteils verlangen. 194
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