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Art. 70 Voraussetzungen
1 Der Untersuchungsrichter kann den Post- und den Fernmeldeverkehr überwachen lassen, wenn: - a.
- der dringende Verdacht besteht, eine in Absatz 2 genannte Straftat sei begangen worden;
- b.
- die Schwere der Straftat die Überwachung rechtfertigt; und
- c.
- die bisherigen Untersuchungshandlungen erfolglos geblieben sind oder die Ermittlungen sonst aussichtslos wären oder unverhältnismässig erschwert würden.
2 Die Überwachung kann zur Verfolgung der in den folgenden Artikeln des MStG73 aufgeführten Straftaten angeordnet werden: Artikel 86, 86a, 103 Ziffer 1, 106 Absätze 1 und 2, 108–114a, 115, 116, 121, 130–132, 134 Absatz 3, 135 Absätze 1 und 4, 137a, 137b, 141, 142, 151a–151d, 155, 156, 160 Absätze 1 und 2, 161 Ziffer 1, 162, 164–169, 169a Ziffer 1, 171b, 172 Ziffer 1 und 177.74 3 Wird die Beurteilung einer der zivilen Gerichtsbarkeit unterstehenden Straftat der militärischen Gerichtsbarkeit übertragen, so kann die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs auch zur Verfolgung der in Artikel 269 Absatz 2 der Strafprozessordnung vom 5. Oktober 200775 (StPO) aufgeführten Straftaten angeordnet werden.
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Art. 70bis Einsatz von besonderen technischen Geräten zur Überwachung des Fernmeldeverkehrs 76
1 Der Untersuchungsrichter kann den Einsatz besonderer technischer Geräte zur Überwachung des Fernmeldeverkehrs anordnen, um Gespräche mitzuhören oder aufzunehmen oder eine Person oder Sache zu identifizieren oder deren Standort zu ermitteln, wenn: - a.
- die Voraussetzungen von Artikel 70 erfüllt sind;
- b.
- die bisherigen Massnahmen zur Überwachung des Fernmeldeverkehrs nach Artikel 70 erfolglos geblieben sind oder die Überwachung mit diesen Massnahmen aussichtlos wäre oder unverhältnismässig erschwert würde;
- c.
- die für den Einsatz dieser Geräte aufgrund des Fernmelderechts nötigen Bewilligungen zum Zeitpunkt des Einsatzes vorliegen.
2 Der Untersuchungsrichter führt eine Statistik über diese Überwachungen. Der Bundesrat regelt die Einzelheiten. 76 Eingefügt durch Anhang Ziff. II 2 des BG vom 18. März 2016 betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs, in Kraft seit 1. März 2018 (AS 2018 117; BBl 2013 2683).
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Art. 70ter Einsatz von besonderen Informatikprogrammen zur Überwachung des Fernmeldeverkehrs 77
1 Der Untersuchungsrichter kann das Einschleusen von besonderen Informatikprogrammen in ein Datenverarbeitungssystem anordnen, um den Inhalt der Kommunikation und die Randdaten des Fernmeldeverkehrs in unverschlüsselter Form abzufangen und auszuleiten, wenn: - a.
- die Bedingungen von Artikel 70 Absätze 1 und 3 erfüllt sind;
- b.
- es sich um die Verfolgung einer in Artikel 73a Absatz 1 Buchstabe a genannten Straftat handelt oder, wenn die Beurteilung einer der zivilen Gerichtsbarkeit unterstehenden strafbaren Handlung der militärischen Gerichtsbarkeit übertragen worden ist, es sich um die Verfolgung einer in Artikel 286 Absatz 2 StPO78 genannten Straftat handelt;
- c.
- die bisherigen Massnahmen zur Überwachung des Fernmeldeverkehrs nach Artikel 70 erfolglos geblieben sind oder die Überwachung mit diesen Massnahmen aussichtlos wäre oder unverhältnismässig erschwert würde.
2 Der Untersuchungsrichter bezeichnet in der Überwachungsanordnung: - a.
- die gewünschten Datentypen; und
- b.
- die nicht öffentlichen Räumlichkeiten, in die allenfalls eingedrungen werden muss, um besondere Informatikprogramme in das betreffende Datenverarbeitungssystem einzuschleusen.
3 Durch Absatz 1 nicht gedeckte Daten, die beim Einsatz solcher Informatikprogramme gesammelt werden, sind sofort zu vernichten. Durch solche Daten erlangte Erkenntnisse dürfen nicht verwertet werden. 4 Der Untersuchungsrichter führt eine Statistik über diese Überwachungen. Der Bundesrat regelt die Einzelheiten. 77 Eingefügt durch Anhang Ziff. II 2 des BG vom 18. März 2016 betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs, in Kraft seit 1. März 2018 (AS 2018 117; BBl 2013 2683). 78 SR 312.0
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Art. 70quater Anforderungen an die besonderen Informatikprogramme zur Überwachung des Fernmeldeverkehrs 79
1 Es dürfen nur besondere Informatikprogramme eingesetzt werden, welche die Überwachung lückenlos und unveränderbar protokollieren. Das Protokoll gehört zu den Verfahrensakten. 2 Die Ausleitung aus dem überwachten Datenverarbeitungssystem bis zum zuständigen Untersuchungsrichter erfolgt gesichert. 3 Der Untersuchungsrichter stellt sicher, dass der Quellcode überprüft werden kann zwecks Prüfung, dass das Programm nur über gesetzlich zulässige Funktionen verfügt. 79 Eingefügt durch Anhang Ziff. II 2 des BG vom 18. März 2016 betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs, in Kraft seit 1. März 2018 (AS 2018 117; BBl 2013 2683).
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Art. 70a Gegenstand der Überwachung
Es dürfen Post- und Fernmeldeverkehr folgender Personen überwacht werden:80 - a.
- der beschuldigten Person;
- b.
- von Drittpersonen, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen angenommen werden muss, dass:
- 1.81
- die beschuldigte Person die Postadresse oder den Fernmeldedienst der Drittperson benutzt, oder
- 2.
- die Drittperson für die beschuldigte Person bestimmte Mitteilungen entgegennimmt oder von dieser stammende Mitteilungen an eine weitere Person weiterleitet.
80 Fassung gemäss Anhang Ziff. II 2 des BG vom 18. März 2016 betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs, in Kraft seit 1. März 2018 (AS 2018 117; BBl 2013 2683). 81 Fassung gemäss Anhang Ziff. II 2 des BG vom 18. März 2016 betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs, in Kraft seit 1. März 2018 (AS 2018 117; BBl 2013 2683).
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Art. 70b Schutz von Berufsgeheimnissen 82
1 Bei der Überwachung einer Person, die einer in Artikel 75 Buchstabe b genannten Berufsgruppe angehört, sind Informationen, die mit dem Gegenstand der Ermittlungen und dem Grund, aus dem diese Person überwacht wird, nicht in Zusammenhang stehen, unter der Leitung des Präsidenten des Militärgerichts auszusondern. Dabei dürfen dem Untersuchungsrichter keine Berufsgeheimnisse zur Kenntnis gelangen. Die ausgesonderten Daten sind sofort zu vernichten; sie dürfen im Strafverfahren nicht verwendet werden. 2 Informationen nach Absatz 1 müssen nicht vorgängig ausgesondert werden, wenn: - a.
- der dringende Tatverdacht gegen die Trägerin oder den Träger des Berufsgeheimnisses selber besteht; und
- b.
- besondere Gründe es erfordern.
3 Bei der Überwachung anderer Personen sind, sobald feststeht, dass diese mit einer in Artikel 75 Buchstabe b genannten Person Verbindung haben, Informationen zur Kommunikation mit dieser Person gemäss Absatz 1 auszusondern. Informationen, über welche eine in Artikel 75 Buchstabe b genannte Person das Zeugnis verweigern kann, sind aus den Verfahrensakten auszusondern und sofort zu vernichten; sie dürfen im Strafverfahren nicht verwendet werden. 82 Fassung gemäss Anhang Ziff. II 2 des BG vom 18. März 2016 betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs, in Kraft seit 1. März 2018 (AS 2018 117; BBl 2013 2683).
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Art. 70c Genehmigungspflicht und Rahmenbewilligung
1 Die Überwachung des Post- und des Fernmeldeverkehrs bedarf der Genehmigung durch den Präsidenten des Militärkassationsgerichts. 2 Ergeben die Ermittlungen, dass die zu überwachende Person in rascher Folge den Fernmeldedienst wechselt, so kann der Präsident des Militärkassationsgerichts ausnahmsweise die Überwachung aller identifizierten Dienste bewilligen, über welche die zu überwachende Person ihren Fernmeldeverkehr abwickelt, ohne dass jedes Mal eine Genehmigung im Einzelfall nötig ist (Rahmenbewilligung).83 Der Untersuchungsrichter unterbreitet dem Präsidenten des Militärkassationsgerichts monatlich und nach Abschluss der Überwachung einen Bericht zur Genehmigung. 3 Erfordert die Überwachung eines Dienstes im Rahmen einer Rahmenbewilligung Vorkehren zum Schutz von Berufsgeheimnissen und sind die Vorkehren in der Rahmenbewilligung nicht enthalten, so ist diese einzelne Überwachung dem Präsidenten des Militärkassationsgerichts zur Genehmigung zu unterbreiten.84 83 Fassung gemäss Anhang Ziff. II 2 des BG vom 18. März 2016 betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs, in Kraft seit 1. März 2018 (AS 2018 117; BBl 2013 2683). 84 Fassung gemäss Anhang Ziff. II 2 des BG vom 18. März 2016 betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs, in Kraft seit 1. März 2018 (AS 2018 117; BBl 2013 2683).
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Art. 70d Teilnehmeridentifikation, Standortermittlung und technische Merkmale des Verkehrs 85
1 Besteht der dringende Verdacht, ein Verbrechen oder ein Vergehen sei begangen worden, und sind die Voraussetzungen nach Artikel 70 Absatz 1 Buchstaben b und c erfüllt, so kann der Untersuchungsrichter die Randdaten des Fernmeldeverkehrs gemäss Artikel 8 Buchstabe b des Bundesgesetzes vom 18. März 201686 betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF) und die Randdaten des Postverkehrs gemäss Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe b BÜPF der überwachten Person verlangen. 2 Die Anordnung bedarf der Genehmigung durch den Präsidenten des Militärkassationsgerichts. 3 Auskünfte nach Absatz 1 können unabhängig von der Dauer der Überwachung und bis 6 Monate rückwirkend verlangt werden. 85 Fassung gemäss Anhang Ziff. II 2 des BG vom 18. März 2016 betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs, in Kraft seit 1. März 2018 (AS 2018 117; BBl 2013 2683). 86 SR 780.1
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Art. 70e Genehmigungsverfahren
1 Der Untersuchungsrichter reicht dem Präsidenten des Militärkassationsgerichts innert 24 Stunden seit der Anordnung der Überwachung oder der Auskunftserteilung folgende Unterlagen ein: - a.
- die Anordnung;
- b.
- die Begründung und die für die Genehmigung wesentlichen Verfahrensakten.
2 Der Präsident des Militärkassationsgerichts entscheidet mit kurzer Begründung innert fünf Tagen seit der Anordnung der Überwachung oder der Auskunftserteilung. Er kann die Genehmigung vorläufig oder mit Auflagen erteilen oder eine Ergänzung der Akten oder weitere Abklärungen verlangen. 3 Der Präsident des Militärkassationsgerichts eröffnet den Entscheid unverzüglich dem Untersuchungsrichter sowie dem Dienst für die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs nach Artikel 3 BÜPF87.88 4 Die Genehmigung äussert sich ausdrücklich darüber: - a.
- welche Vorkehren zum Schutz von Berufsgeheimnissen getroffen werden müssen;
- b.
- ob in nicht öffentliche Räumlichkeiten eingedrungen werden darf, um besondere Informatikprogramme zur Überwachung des Fernmeldeverkehrs in das betreffende Datenverarbeitungssystem einzuschleusen.89
87 SR 780.1 88 Fassung gemäss Anhang Ziff. II 2 des BG vom 18. März 2016 betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs, in Kraft seit 1. März 2018 (AS 2018 117; BBl 2013 2683). 89 Fassung gemäss Anhang Ziff. II 2 des BG vom 18. März 2016 betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs, in Kraft seit 1. März 2018 (AS 2018 117; BBl 2013 2683).
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Art. 70f Beendigung der Überwachung
1 Der Untersuchungsrichter beendet die Überwachung unverzüglich, wenn: - a.
- die Voraussetzungen nicht mehr erfüllt sind; oder
- b.
- die Genehmigung oder die Verlängerung verweigert wird.
2 Der Untersuchungsrichter teilt dem Präsidenten des Militärkassationsgerichts im Fall von Absatz 1 Buchstabe a die Beendigung der Überwachung mit.
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Art. 70g Nicht benötigte Ergebnisse aus genehmigten Überwachungen
1 Die aus genehmigten Überwachungen stammenden Aufzeichnungen, die für das Strafverfahren nicht notwendig sind, werden von den Verfahrensakten gesondert aufbewahrt und unmittelbar nach Abschluss des Verfahrens vernichtet. 2 Postsendungen können so lange sichergestellt werden, als dies für das Strafverfahren notwendig ist; sie sind den Adressatinnen und Adressaten herauszugeben, sobald es der Stand des Verfahrens erlaubt.
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Art. 70h Verwertbarkeit von Ergebnissen aus nicht genehmigten Überwachungen
1 Dokumente und Datenträger aus nicht genehmigten Überwachungen sind sofort zu vernichten. Postsendungen sind sofort den Adressatinnen und Adressaten zuzustellen. 2 Durch die Überwachung gewonnene Erkenntnisse dürfen weder für die Ermittlung noch zu Beweiszwecken verwendet werden.
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Art. 70i Zufallsfunde
1 Werden durch die Überwachung andere Straftaten als die in der Überwachungsanordnung aufgeführten bekannt, so können die Erkenntnisse gegen die beschuldigte Person verwendet werden, wenn zur Verfolgung dieser strafbaren Handlungen eine Überwachung hätte angeordnet werden dürfen. 2 Erkenntnisse über Straftaten einer Person, die in der Anordnung keiner Straftat beschuldigt wird, können verwendet werden, wenn die Voraussetzungen für eine Überwachung dieser Person erfüllt sind. 3 In den Fällen der Absätze 1 und 2 ordnet der Untersuchungsrichter unverzüglich die Überwachung an und leitet das Genehmigungsverfahren ein. 4 Aufzeichnungen, die nicht als Zufallsfunde verwendet werden dürfen, sind von den Verfahrensakten gesondert aufzubewahren und nach Abschluss des Verfahrens zu vernichten. 5 Für die Fahndung nach gesuchten Personen dürfen sämtliche Erkenntnisse einer Überwachung verwendet werden.
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Art. 70j Mitteilung
1 Der Untersuchungsrichter teilt der überwachten beschuldigten Person und den nach Artikel 70a Buchstabe b überwachten Drittpersonen spätestens mit Abschluss der Voruntersuchung Grund, Art und Dauer der Überwachung mit. 2 Die Mitteilung kann mit Zustimmung des Präsidenten des Militärkassationsgerichts aufgeschoben oder unterlassen werden, wenn: - a.
- die Erkenntnisse nicht zu Beweiszwecken verwendet werden; und
- b.
- der Aufschub oder das Unterlassen zum Schutze überwiegender öffentlicher oder privater Interessen notwendig ist.
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Art. 70k Beschwerde 90
Personen, deren Post- oder Fernmeldeverkehr überwacht wurde oder die die überwachte Postadresse oder den überwachten Fernmeldedienst mitbenutzt haben, können innert zehn Tagen nach der Mitteilung beim Militärkassationsgericht Beschwerde wegen fehlender Rechtsmässigkeit oder Unverhältnismässigkeit führen. 90 Fassung gemäss Anhang Ziff. II 2 des BG vom 18. März 2016 betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs, in Kraft seit 1. März 2018 (AS 2018 117; BBl 2013 2683).
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