Verordnung des WBF
über Mindestvorschriften für die Anerkennung
von Bildungsgängen und Nachdiplomstudien
der höheren Fachschulen
(MiVo-HF)
vom 11. September 2017 (Stand am 1. Januar 2020)
Das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF),
gestützt auf Artikel 29 Absatz 3 des Berufsbildungsgesetzes vom
13. Dezember 20021 (BBG)
und auf Artikel 46 Absatz 2 BBG in Verbindung mit Artikel 41 der
Berufsbildungsverordnung vom 19. November 20032 (BBV),
verordnet:
1. Abschnitt: Bildungsgänge
Art. 1 Ausbildungsziele
1 Die Bildungsgänge der höheren Fachschulen vermitteln den Studierenden Kompetenzen, die sie befähigen, in ihrem Bereich selbstständig Fach- und Führungsverantwortung zu übernehmen.
2 Sie sind praxisorientiert und fördern insbesondere die Fähigkeit zu methodischem und vernetztem Denken, zur Analyse von berufsbezogenen Aufgabenstellungen und zur praktischen Umsetzung der erworbenen Kenntnisse.
3 Sie erweitern und vertiefen die allgemeinbildenden Kompetenzen.
Art. 2 Grundlagen
1 Die Bildungsgänge beruhen auf Rahmenlehrplänen gemäss dem 3. Abschnitt.
2 Sie bauen in der Regel auf eidgenössischen Fähigkeitszeugnissen auf.
Art. 3 Angebotsformen und Umfang
1 Bildungsgänge können vollzeitlich oder berufsbegleitend angeboten werden.
2 Es gelten für die folgenden Bildungsgänge die nachstehenden Mindestzahlen an Lernstunden im Sinne von Artikel 42 Absatz 1 BBV (Lernstunden):
- a.
- für Bildungsgänge, die auf einem einschlägigen eidgenössischen Fähigkeitszeugnis aufbauen: 3600 Lernstunden; davon müssen mindestens 2880 Lernstunden ausserhalb von praktischen Bildungsbestandteilen stattfinden;
- b.
- für Bildungsgänge, die auf einem anderen Abschluss der Sekundarstufe II aufbauen: 5400 Lernstunden; davon müssen mindestens 3600 Lernstunden ausserhalb von praktischen Bildungsbestandteilen stattfinden.
3 Praktische Bildungsbestandteile umfassen Praktika oder eine begleitende einschlägige Berufstätigkeit. Eine begleitende einschlägige Berufstätigkeit gilt nur als solche, wenn sie mindestens 50 Prozent beträgt.
Art. 4 Unterrichtssprachen
Unterrichtssprachen sind die Landessprachen und Englisch.
Art. 5 Abschliessende Qualifikationsverfahren
1 Die abschliessenden Qualifikationsverfahren bestehen mindestens aus:
- a.
- einer praxisorientierten Diplom- oder Projektarbeit; und
- b.
- mündlichen oder schriftlichen Prüfungen.
2 Weitere Anforderungen an die abschliessenden Qualifikationsverfahren werden in den Rahmenlehrplänen geregelt.
3 In den abschliessenden Qualifikationsverfahren wirken Expertinnen und Experten aus der Praxis mit. Die Expertinnen und Experten können von den Organisationen der Arbeitswelt gestellt werden.
Art. 6 Diplom und Titel
Im Diplom werden der Bildungsgang und der entsprechende Titel mit «dipl.» und der Ergänzung «HF» gemäss Anhang 1 aufgeführt.
2. Abschnitt: Nachdiplomstudien
Art. 7
1 Die Nachdiplomstudien sind praxisbezogen und ermöglichen es den Absolventinnen und Absolventen, bestehende Kenntnisse in einem Spezialgebiet zu vertiefen, neue Kenntnisse für die Anwendung auf einem neuen Betätigungsfeld zu erwerben oder sich mit dem Einsatz neuer Technologien und Methoden vertraut zu machen.
2 Die Zulassung zu einem Nachdiplomstudium setzt einen Abschluss auf der Tertiärstufe voraus.
3 Die Nachdiplomstudien dauern mindestens 900 Lernstunden.
4 Sie können auf Rahmenlehrplänen beruhen.
5 Im Diplom werden das Nachdiplomstudium und der entsprechende Titel mit «dipl.» und der Ergänzung «NDS HF» aufgeführt.
6 Die Nachdiplomstudien, die auf einem Rahmenlehrplan beruhen, sind mit den entsprechenden geschützten Titeln in Anhang 2 aufgeführt.
3. Abschnitt: Rahmenlehrpläne
Art. 8 Erlass und Genehmigung
1 Die Organisationen der Arbeitswelt entwickeln und erlassen in Zusammenarbeit mit den Bildungsanbietern die Rahmenlehrpläne. Die Organisationen der Arbeitswelt und die Bildungsanbieter bilden gemeinsam die Trägerschaft der Rahmenlehrpläne.
2 Das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) genehmigt die Rahmenlehrpläne.3
3 Die geltenden Rahmenlehrpläne sind mit ihrem Genehmigungsdatum in den Anhängen 1 und 2 aufgeführt.
4 Das SBFI führt die Anhänge entsprechend seinen Genehmigungsbeschlüssen zu Rahmenlehrplänen nach.
3 Fassung gemäss Ziff. I der V des WBF vom 26. Nov. 2019, in Kraft seit 1. Jan. 2020 (AS 2019 4753).
Art. 9 Erneuerung der Genehmigung
Der Rahmenlehrplan verliert seine Genehmigung, sofern die Trägerschaft nicht innerhalb von sieben Jahren nach der Genehmigung beim SBFI die Erneuerung der Genehmigung beantragt.
Art. 10 Inhalt
1 Die Rahmenlehrpläne legen fest:
- a.
- die Bezeichnung des jeweiligen Bildungsgangs oder Nachdiplomstudiums sowie den zu schützenden Titel und die englische Titelbezeichnung;
- b.
- das Berufsprofil und die zu erreichenden Kompetenzen;
- c.
- die Angebotsformen mit den Lernstunden und deren Aufteilung;
- d.
- die Koordination von schulischen und praktischen Bildungsbestandteilen;
- e.
- die Inhalte und die Anforderungen des Qualifikationsverfahrens;
- f.
- die im Rahmen von praktischen Bildungsbestandteilen zu erwerbenden Kompetenzen;
- g.
- die allgemeinbildenden Kompetenzen, insbesondere in den Bereichen Gesellschaft, Umwelt und Wirtschaft.
2 Sie legen für die Zulassung zu den Bildungsgängen fest:
- a.
- welche Fähigkeitszeugnisse oder anderen Abschlüsse der Sekundarstufe II Voraussetzung sind;
- b.
- ob zusätzlich zum Fähigkeitszeugnis oder zum anderen Abschluss der Sekundarstufe II Berufserfahrung oder eine Eignungsabklärung Voraussetzung ist.
3 Sie können die Kriterien für die Anrechenbarkeit von Bildungsleistungen festlegen.
4 Sie berücksichtigen international gültige Standards der Berufsausübung.
Art. 11 Voraussetzungen für die Genehmigung
Das SBFI genehmigt einen Rahmenlehrplan unter den folgenden Voraussetzungen:
- a.
- Die Vorgaben der vorliegenden Verordnung sind eingehalten.
- b.
- Es besteht ein ausgewiesener Bedarf.
- c.
- Es besteht kein bildungspolitischer Konflikt.
- d.
- Der Rahmenlehrplan ist gesamtschweizerisch abgestützt.
- e.
- Der Inhalt des Rahmenlehrplans orientiert sich an den für die entsprechende Berufstätigkeit erforderlichen Kompetenzen.
- f.
- Der vorgesehene Titel ist klar, nicht irreführend und von anderen Titeln unterscheidbar.
- g.
- Die Trägerschaft hat die Kantone sowie die weiteren relevanten Kreise konsultiert und legt die Ergebnisse der Konsultation dem Gesuch bei.
4. Abschnitt: Bildungsanbieter
Art. 12 Leitung sowie Einrichtungen, Lehrmittel und Unterrichtshilfen
1 Die Leitung der Bildungsgänge und der Nachdiplomstudien verfügt über die nötigen Fach- und Führungsqualifikationen.
2 Die Einrichtungen, Lehrmittel und Unterrichtshilfen entsprechen den Anforderungen an einen fachlich und berufspädagogisch hochstehenden Unterricht.
Art. 13 Lehrpersonen
1 Die Lehrpersonen verfügen über:
- a.
- einen Hochschulabschluss, einen Abschluss der höheren Berufsbildung oder eine gleichwertige Qualifikation in denjenigen Fächern, in denen sie unterrichten; und
- b.
- eine berufspädagogische und didaktische Bildung:
- 1.
- von 1800 Lernstunden bei hauptberuflicher Lehrtätigkeit,
- 2.
- von 300 Lernstunden bei nebenberuflicher Lehrtätigkeit.
2 Besteht in einem Bereich kein Bildungsabschluss nach Absatz 1 Buchstabe a, so kann der Bildungsanbieter für diesen spezifischen Unterricht Personen einsetzen, die über entsprechende Praxiserfahrung und entsprechende Kenntnisse verfügen.
3 Als nebenberufliche Lehrtätigkeit gilt eine Bildungstätigkeit nach Artikel 47 Absätze 1 und 2 BBV.
4 Wer weniger als durchschnittlich vier Wochenstunden unterrichtet, unterliegt nicht den Vorschriften nach Absatz 1 Buchstabe b.
5 Das SBFI erlässt Rahmenlehrpläne für die Qualifikation der Lehrpersonen. Es richtet sich dabei nach den Artikeln 48 und 49 Absatz 1 BBV.
Art. 14 Lehrplan, Regelung des abschliessenden Qualifikationsverfahrens und Studienreglement
1 Der Bildungsanbieter erarbeitet, aufbauend auf den Bestimmungen dieser Verordnung und dem entsprechenden Rahmenlehrplan, einen Lehrplan, regelt das abschliessende Qualifikationsverfahren im Detail und erlässt ein Studienreglement.
2 Das Studienreglement regelt insbesondere das Zulassungsverfahren, die Struktur des Bildungsgangs, die Promotion und den Rechtsmittelweg.
Art. 15 Praktika und einschlägige Berufstätigkeit
1 In Bildungsgängen mit Praktika sind die Bildungsanbieter für die Auswahl der Praktikumsbetriebe verantwortlich.
2 Die Praktika werden von Fachkräften begleitet und stehen unter der Aufsicht der Bildungsanbieter.
3 Die Bildungsanbieter überprüfen in geeigneter Weise, dass mittels Praktika oder einschlägiger Berufstätigkeit die im Rahmenlehrplan festgelegten Kompetenzen erworben werden.
5. Abschnitt: Anerkennung von Bildungsgängen und Nachdiplomstudien
Art. 16 Gesuch um Anerkennung von Bildungsgängen
1 Bildungsanbieter, die einen Bildungsgang anerkennen lassen wollen, müssen ein Gesuch stellen. Das Gesuch muss Auskunft geben über:
- a.
- den zugrunde liegenden Rahmenlehrplan;
- b.
- die Finanzierung;
- c.
- die Organisation und die Unterrichtsformen;
- d.
- die Einrichtung sowie die Lehrmittel und Unterrichtshilfen;
- e.
- die Qualifikationen der Lehrpersonen und der Leitung des Bildungsanbieters;
- f.
- den Lehrplan, das abschliessende Qualifikationsverfahren im Detail und das Studienreglement;
- g.
- das Qualitätssicherungs- und Qualitätsentwicklungssystem;
- h.
- die Gestaltung der Diplome.
2 Das Gesuch ist der zuständigen kantonalen Behörde einzureichen. Diese nimmt zum Gesuch Stellung und leitet ihre Stellungnahme zusammen mit dem Gesuch an das SBFI weiter.
Art. 17 Gesuch um Anerkennung von Nachdiplomstudien
1 Bildungsanbieter, die ein Nachdiplomstudium anerkennen lassen wollen, das auf einem Rahmenlehrplan beruht, müssen ein Gesuch gemäss Artikel 16 stellen.
2 Beruht das Nachdiplomstudium auf keinem Rahmenlehrplan, so stellt der Bildungsanbieter ein Gesuch, das über die Punkte gemäss Artikel 16 Absatz 1 Buchstaben b–h Auskunft gibt. Zusätzlich ist nachzuweisen, dass:
- a.
- ein ausgewiesener Bedarf an dem Nachdiplomstudium besteht;
- b.
- kein bildungspolitischer Konflikt besteht;
- c.
- sich der Inhalt des Lehrplans an den für die entsprechende Berufstätigkeit erforderlichen Kompetenzen orientiert;
- d.
- der vorgesehene Titel klar, nicht irreführend und von anderen Titeln unterscheidbar ist;
- e.
- der Bildungsanbieter einen anerkannten Bildungsgang am geplanten Standort anbietet.
3 Das Gesuch ist der zuständigen kantonalen Behörde einzureichen. Diese nimmt zum Gesuch Stellung und leitet ihre Stellungnahme zusammen mit dem Gesuch an das SBFI weiter.
Art. 18 Eintreten auf das Gesuch
Das SBFI prüft, ob das Gesuch die nötigen Unterlagen und Nachweise gemäss Artikel 16 beziehungsweise 17 enthält, und entscheidet mit einer Verfügung über die Eröffnung des Anerkennungsverfahrens.
Art. 19 Anerkennungsverfahren
1 Das Anerkennungsverfahren umfasst in der Regel die Überprüfung der Durchführung eines vollständigen Bildungsgangs oder Nachdiplomstudiums durch zwei unabhängige Expertinnen oder Experten.
2 Die Expertinnen oder Experten überprüfen zuhanden des SBFI die Einhaltung der Bestimmungen dieser Verordnung und die Einhaltung des entsprechenden Rahmenlehrplans.4
3 Das SBFI kann Vereinfachungen des Anerkennungsverfahrens nach den Absätzen 1 und 2 vorsehen.
4 Fassung gemäss Ziff. I der V des WBF vom 26. Nov. 2019, in Kraft seit 1. Jan. 2020 (AS 2019 4753).
Art. 20 Entscheid und Rechtsfolge der Anerkennung
1 Das SBFI entscheidet über die Anerkennung.5
2 Mit der Anerkennung ist der Bildungsanbieter berechtigt, als höhere Fachschule den eidgenössisch geschützten Titel zu verleihen.
5 Fassung gemäss Ziff. I der V des WBF vom 26. Nov. 2019, in Kraft seit 1. Jan. 2020 (AS 2019 4753).
Art. 21 Frist zur Mängelbehebung und Entzug der Anerkennung
1 Werden bei anerkannten Bildungsgängen oder Nachdiplomstudien die Vorschriften dieser Verordnung oder die Bestimmungen des Rahmenlehrplans nicht eingehalten, so setzt das SBFI dem Bildungsanbieter eine Frist zur Mängelbehebung.
2 Verstreicht diese Frist ungenutzt oder werden die Mängel nicht behoben, so entzieht das SBFI die Anerkennung. Es hört vor einem Entzug die zuständige kantonale Behörde an.6
6 Fassung gemäss Ziff. I der V des WBF vom 26. Nov. 2019, in Kraft seit 1. Jan. 2020 (AS 2019 4753).
Art. 22 Überprüfung und Befristung der Anerkennung
1 Ändert der Rahmenlehrplan, so überprüft das SBFI die Anerkennung der darauf beruhenden anerkannten Bildungsgänge und Nachdiplomstudien.
2 Die Anerkennung von Nachdiplomstudien, die nicht auf Rahmenlehrplänen beruhen, wird auf sieben Jahre befristet.
6. Abschnitt: Schlussbestimmungen
Art. 23 Aufhebung eines anderen Erlasses
Die Verordnung des WBF vom 11. März 20057 über Mindestvorschriften für die Anerkennung von Bildungsgängen und Nachdiplomstudien der höheren Fachschulen (MiVo-HF 2005) wird aufgehoben.
7 [AS 2005 1389, 2010 4555, 2014 594575]
Art. 24 Übergangsbestimmungen
1 Bildungsgänge und Nachdiplomstudien von höheren Fachschulen, die vor Inkrafttreten der MiVo-HF 20058 anerkannt wurden, gelten bis längstens zwei Jahre nach Inkrafttreten dieser Verordnung weiterhin als anerkannt.
2 Rahmenlehrpläne, die gestützt auf die MiVo-HF 2005 vom SBFI genehmigt wurden, gelten bis längstens fünf Jahre nach Inkrafttreten dieser Verordnung weiterhin als genehmigt.
3 Nachdiplomstudien, die nicht auf Rahmenlehrplänen beruhen und gestützt auf die MiVo-HF 2005 anerkannt wurden, gelten bis längstens sieben Jahre nach Inkrafttreten dieser Verordnung weiterhin als anerkannt.
4 Lehrpersonen, die vor dem 1. April 2005 bereits mindestens fünf Jahre im Rahmen eines Bildungsgangs an höheren Fachschulen oder in der Ausbildungspraxis unterrichtet haben, erfüllen die Anforderungen nach Artikel 13.
5 Die Inhaberinnen und Inhaber von Titeln, die erworben wurden nach der MiVo-HF 2005 an einer höheren Fachschule, die nach bisherigem Bundesrecht anerkannt oder nach bisherigem interkantonalem Recht geregelt war, sind berechtigt, die entsprechenden neuen Titel zu führen, sofern dies in den entsprechenden Rahmenlehrplänen vorgesehen ist.
8 [AS 2005 1389, 2010 4555, 2014 594575]
Art. 25 Inkrafttreten
Diese Verordnung tritt am 1. November 2017 in Kraft.