Bei grossen Gesetzen wie OR und ZGB kann dies bis zu 30 Sekunden dauern

Kernenergiehaftpflichtgesetz
(KHG)

vom 13. Juni 2008 (Stand am 1. Januar 2022)

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft,

gestützt auf Artikel 90 der Bundesverfassung1,
in Ausführung des Übereinkommens vom 29. Juli 19602 über die Haftung gegenüber Dritten auf dem Gebiet der Kernenergie in der Fassung des Zusatzprotokolls
vom 28. Januar 1964, des Protokolls vom 16. November 1982 und des Protokolls vom 12. Februar 2004 (Pariser Übereinkommen),
des Zusatzübereinkommens vom 31. Januar 19633 zum Pariser Übereinkommen vom 29. Juli 1960 über die Haftung gegenüber Dritten auf dem Gebiet der Kernenergie in der Fassung des Zusatzprotokolls vom 28. Januar 1964, des Protokolls vom 16. November 1982 und des Protokolls vom 12. Februar 2004 (Brüsseler Zusatzübereinkommen) und
des Gemeinsamen Protokolls vom 21. September 19884 über die Anwendung des Wiener Übereinkommens und des Pariser Übereinkommens (Gemeinsames Protokoll),
nach Einsicht in die Botschaft des Bundesrates vom 8. Juni 20075,

beschliesst:

1. Kapitel: Gegenstand und Begriffe

Art. 1 Gegenstand  

1 Die­ses Ge­setz re­gelt in Er­gän­zung der im In­gress ge­nann­ten Über­ein­kom­men die Haf­tung für nu­klea­re Schä­den, die durch Ker­n­an­la­gen oder beim Trans­port von Kern­ma­te­ria­li­en ver­ur­sacht wer­den, so­wie de­ren De­ckung.

2 Bei ei­ner Be­en­di­gung oder Sus­pen­die­rung des Pa­ri­ser Über­ein­kom­mens gel­ten des­sen di­rekt an­wend­ba­ren Be­stim­mun­gen (Art. 1–15) als in­ner­staat­li­ches Recht wei­ter. Ab­wei­chen­de Be­stim­mun­gen des Bun­des­ge­set­zes vom 18. De­zem­ber 19876 über das In­ter­na­tio­na­le Pri­vat­recht sind vor­be­hal­ten.

3 So­weit die im In­gress ge­nann­ten Über­ein­kom­men und die­ses Ge­setz kei­ne ab­wei­chen­den Be­stim­mun­gen ent­hal­ten, gel­ten die Vor­schrif­ten des Ob­li­ga­tio­nen­rechts7.

Art. 2 Begriffe  

Die Be­griffs­be­stim­mun­gen nach Ar­ti­kel 1 Ab­satz (a) des Pa­ri­ser Über­ein­kom­mens gel­ten mit fol­gen­den Prä­zi­sie­run­gen:

a.
Als ei­ne ein­zi­ge Ker­n­an­la­ge gel­ten auch zwei oder meh­re­re Ker­n­an­la­gen ei­nes ein­zi­gen In­ha­bers, die sich auf dem­sel­ben Ge­län­de be­fin­den oder Ker­n­an­la­gen und an­de­re An­la­gen ei­nes ein­zi­gen In­ha­bers auf dem­sel­ben Ge­län­de, in de­nen sich Kern­brenn­stof­fe, ra­dio­ak­ti­ve Er­zeug­nis­se oder Ab­fäl­le be­fin­den (Ziff. (ii)).
b.
In­ha­ber ei­ner Ker­n­an­la­ge ist, wer in der Be­triebs- oder Trans­port­be­wil­li­gung aus­drück­lich als sol­cher be­zeich­net ist (Ziff. (vi)). Bei geo­lo­gi­schen Tie­fen­la­gern, die nicht mehr der Kern­ener­gie­ge­setz­ge­bung un­ter­ste­hen, gilt der Bund als In­ha­ber.

2. Kapitel: Haftpflicht

Art. 3 Grundsatz  

1 Der In­ha­ber ei­ner Ker­n­an­la­ge haf­tet oh­ne be­trags­mäs­si­ge Be­gren­zung für nu­klea­re Schä­den.

2 Er haf­tet auch für nu­klea­re Schä­den, die un­mit­tel­bar auf be­waff­ne­te Kon­flik­te, Feind­se­lig­kei­ten, Bür­ger­krie­ge, Auf­stän­de oder ter­ro­ris­ti­sche Ge­waltak­te zu­rück­zu­füh­ren sind.

3 Ist für den Tran­sit von Kern­ma­te­ria­li­en die Haf­tung nach aus­län­di­schem Recht sum­men­mäs­sig be­grenzt, so setzt der Bun­des­rat den Höchst­be­trag der Haf­tung des be­tref­fen­den aus­län­di­schen In­ha­bers ei­ner Ker­n­an­la­ge dem Ri­si­ko des Trans­ports ent­spre­chend hin­auf, wenn der Be­trag nach aus­län­di­schem Recht die Ri­si­ken ei­nes nu­klea­ren Er­eig­nis­ses im Ver­lau­fe des Tran­sits nicht an­ge­mes­sen deckt.

4 Die Kos­ten für Vor­sor­ge­mass­nah­men so­wie für Ver­lus­te oder Schä­den in­fol­ge sol­cher Mass­nah­men wer­den nur er­stat­tet, wenn das Bun­des­amt für Ener­gie (BFE) die Vor­sor­ge­mass­nah­men an­ge­ord­net oder nach­träg­lich ge­neh­migt hat (Art. 1 Abs. (a) Ziff. (ix) des Pa­ri­ser Über­ein­kom­mens).

Art. 4 Schadenersatz und Genugtuung  

1 So­weit sich aus den im In­gress ge­nann­ten Über­ein­kom­men nichts an­de­res er­gibt, rich­ten sich Art und Um­fang des Scha­den­er­sat­zes so­wie die Zu­spre­chung ei­ner Ge­nug­tu­ung nach den Be­stim­mun­gen des Ob­li­ga­tio­nen­rechts8 über un­er­laub­te Hand­lun­gen. Ar­ti­kel 44 Ab­satz 2 des Ob­li­ga­tio­nen­rechts ist nicht an­wend­bar.

2 Be­weist der In­ha­ber ei­ner Ker­n­an­la­ge, dass der nu­klea­re Scha­den ganz oder teil­wei­se durch gro­be Fahr­läs­sig­keit der ge­schä­dig­ten Per­son oder durch ei­ne mit Schä­di­gungs­ab­sicht be­gan­ge­ne Hand­lung oder Un­ter­las­sung die­ser Per­son ver­ur­sacht wur­de, so kann der Rich­ter den In­ha­ber der Ker­n­an­la­ge ganz oder teil­wei­se von der Scha­den­er­satz­pflicht ge­gen­über die­ser Per­son be­frei­en.

Art. 5 Verjährung und Verwirkung  

1 An­sprü­che auf Er­satz von nu­klea­rem Scha­den ver­jäh­ren drei Jah­re nach dem Tag, an dem der Ge­schä­dig­te Kennt­nis vom Scha­den und dem haft­pflich­ti­gen In­ha­ber ei­ner Ker­n­an­la­ge er­langt hat oder hät­te er­lan­gen müs­sen. Sie er­lö­schen, wenn die Kla­ge nicht bin­nen 30 Jah­ren nach dem nu­klea­ren Er­eig­nis er­ho­ben wird; ist der Scha­den auf ei­ne an­dau­ern­de Ein­wir­kung zu­rück­zu­füh­ren, so be­ginnt die­se Frist mit dem Auf­hö­ren die­ser Ein­wir­kung zu lau­fen.

2 Das Rück­griffs­recht des In­ha­bers ei­ner Ker­n­an­la­ge und je­nes nach Ar­ti­kel 5 des Brüs­se­ler Zu­satz­über­ein­kom­mens ver­jäh­ren drei Jah­re nach dem Tag, an dem der In­ha­ber oder der nach Ar­ti­kel 5 des Brüs­se­ler Zu­satz­über­ein­kom­mens Rück­griffs­be­rech­tig­te Kennt­nis von sei­ner Leis­tungs­pflicht er­langt hat, so­weit in den Fäl­len von Ar­ti­kel 6 Ab­satz (f) Zif­fer (ii) des Pa­ri­ser Über­ein­kom­mens nichts an­de­res ver­ein­bart wur­de.

3 An­sprü­che, die in­ner­halb von zehn Jah­ren nach dem nu­klea­ren Er­eig­nis we­gen an­de­rer Schä­den als der Tö­tung oder Ver­let­zung ei­nes Men­schen gel­tend ge­macht wer­den, ha­ben Vor­rang vor An­sprü­chen für Schä­den die­ser Art, die nach Ab­lauf die­ser Frist er­ho­ben wer­den.

4 So­lan­ge über die For­de­rung auf Er­satz von nu­klea­rem Scha­den ein Pro­zess im Gang ist, steht die Ver­jäh­rungs­frist still.

5 Wenn nach dem Ur­teil oder nach dem Ab­schluss ei­nes aus­ser­ge­richt­li­chen Ver­tra­ges über die Er­satz­leis­tung neue Tat­sa­chen oder Be­weis­mit­tel be­kannt wer­den, so kann in­nert drei Jah­ren seit dem Tag, an dem der Ge­schä­dig­te hier­von Kennt­nis er­langt hat, längs­tens je­doch in­nert 30 Jah­ren seit dem nu­klea­ren Er­eig­nis, ei­ne Re­vi­si­on des Ur­teils oder ei­ne Än­de­rung des Ver­trags ver­langt wer­den.

Art. 6 Vereinbarungen  

1 Ver­ein­ba­run­gen, wel­che die Haft­pflicht für nu­klea­re Schä­den weg­be­din­gen oder be­schrän­ken, sind nich­tig.

2 Ver­ein­ba­run­gen, die of­fen­sicht­lich un­zu­läng­li­che Ent­schä­di­gun­gen fest­set­zen, sind in­nert ei­nem Jahr nach ih­rem Ab­schluss an­fecht­bar.

Art. 7 Nicht obligatorische Versicherung  

Leis­tun­gen an den Ge­schä­dig­ten aus ei­ner nicht ob­li­ga­to­ri­schen Ver­si­che­rung, de­ren Prä­mi­en ganz oder teil­wei­se vom In­ha­ber der Ker­n­an­la­ge be­zahlt wur­den, sind im Ver­hält­nis sei­nes Prä­mi­en­an­teils auf sei­ne Er­satz­pflicht an­zu­rech­nen, wenn der Ver­si­che­rungs­ver­trag nichts an­de­res vor­sieht.

3. Kapitel: Deckung

1. Abschnitt: Grundsatz

Art. 8  

1 Der In­ha­ber ei­ner Ker­n­an­la­ge hat sei­ne Haft­pflicht nach dem Pa­ri­ser Über­ein­kom­men und die­sem Ge­setz durch Ver­si­che­rung oder sons­ti­ge fi­nan­zi­el­le Si­cher­heit zu de­cken. Ei­ne an­de­re fi­nan­zi­el­le Si­cher­heit als ei­ne Ver­si­che­rung muss wie bei ei­ner Ver­si­che­rung zur Ver­fü­gung ste­hen und ei­ne für den Ge­schä­dig­ten gleich­wer­ti­ge Si­cher­heit bie­ten.

2 Der Ge­samt­be­trag der De­ckung muss ins­ge­samt den in Ar­ti­kel 3 Ab­satz (b) Zif­fer (i) und (ii) des Brüs­se­ler Zu­satz­über­ein­kom­mens ge­nann­ten Be­trä­gen zu­züg­lich zehn Pro­zent des Ge­samt­be­tra­ges für Zin­sen und ge­richt­lich zu­er­kann­te Kos­ten je Ker­n­an­la­ge ent­spre­chen.

3 Der Bun­des­rat kann die Be­trä­ge nach Ab­satz 2 bis zu den in Ar­ti­kel 7 Ab­satz (b) des Pa­ri­ser Über­ein­kom­mens ge­nann­ten Be­trä­gen her­ab­set­zen, wenn die Art der Ker­n­an­la­ge oder der trans­por­tier­ten Kern­ma­te­ria­li­en so­wie die wahr­schein­li­chen Fol­gen ei­nes von sol­chen An­la­gen und Kern­ma­te­ria­li­en aus­ge­hen­den nu­klea­ren Er­eig­nis­ses dies recht­fer­ti­gen.

4 Durch die Er­satz­leis­tung für Schä­den an Trans­port­mit­teln darf der zur De­ckung sons­ti­ger nu­klea­rer Schä­den zur Ver­fü­gung ste­hen­de Be­trag um nicht mehr als fünf Pro­zent des Ge­samt­be­trags der De­ckung ge­min­dert wer­den (Art. 7 Abs. (c) Pa­ri­ser Über­ein­kom­men).

5 Der Bund ist als In­ha­ber von Ker­n­an­la­gen nicht zum Nach­weis ei­ner De­ckung sei­ner Haft­pflicht ver­pflich­tet.

2. Abschnitt: Private Deckung

Art. 9  

1 Der In­ha­ber ei­ner Ker­n­an­la­ge hat zur De­ckung sei­ner Haft­pflicht bei ei­nem zum Ge­schäfts­be­trieb in der Schweiz er­mäch­tig­ten Ver­si­che­rer oder sons­ti­gen De­ckungs­ge­ber im Fal­le von Ar­ti­kel 8 Ab­satz 2 für min­des­tens ei­ne Mil­li­ar­de Fran­ken zu­züg­lich zehn Pro­zent die­ses Be­tra­ges für Zin­sen und ge­richt­lich zu­er­kann­te Kos­ten je Ker­n­an­la­ge und im Fal­le von Ar­ti­kel 8 Ab­satz 3 bis zu dem vom Bun­des­rat fest­ge­leg­ten Be­trag einen De­ckungs­ver­trag ab­zu­sch­lies­sen.

2 Kön­nen hö­he­re Be­trä­ge zu zu­mut­ba­ren Be­din­gun­gen ge­deckt wer­den, hat der Bun­des­rat die Min­dest­be­trä­ge nach Ab­satz 1 zu er­hö­hen.

3 Der pri­va­te De­ckungs­ge­ber hat die Scha­den­re­gu­lie­rungs­kos­ten bis zu ei­ner Hö­he von zehn Pro­zent der in Ab­satz 1 ge­nann­ten Be­trä­ge zu tra­gen.

4 Der Bun­des­rat be­zeich­net die Ri­si­ken, die der pri­va­te De­ckungs­ge­ber von der De­ckung aus­sch­lies­sen darf.

3. Abschnitt: Deckung durch den Bund

Art. 10 Deckungspflicht  

1 So­weit die Ver­pflich­tung zum Er­satz ei­nes nu­klea­ren Scha­dens die pri­va­te De­ckung des In­ha­bers ei­ner Ker­n­an­la­ge über­steigt, ei­ne sol­che nicht vor­han­den ist oder aus ihr nicht er­füllt wer­den kann, deckt der Bund die­sen Scha­den bis zu den in Ar­ti­kel 8 ge­nann­ten Be­trä­gen.

2 Der Bund trägt die Kos­ten für die Scha­den­re­gu­lie­rung bis zu zehn Pro­zent der in Ar­ti­kel 8 ge­nann­ten Be­trä­ge, so­weit die­se Kos­ten vom pri­va­ten De­ckungs­ge­ber nicht ge­tra­gen wer­den müs­sen (Art. 9 Abs. 3).

3 Der Bund re­gelt mit An­stal­ten, die auf Grund ge­setz­li­cher Vor­schrif­ten oder ei­nes Leis­tungs­auf­tra­ges Ker­n­an­la­gen be­trei­ben, die fi­nan­zi­el­le Ab­gel­tung ih­rer Auf­wen­dun­gen für Ver­si­che­rungs­prä­mi­en so­wie für Scha­den­er­satz­leis­tun­gen im Fal­le ei­nes nu­klea­ren Er­eig­nis­ses.

Art. 11 Spätschäden  

Der Bund ent­schä­digt bis zu den in Ar­ti­kel 8 ge­nann­ten Be­trä­gen nu­klea­re Schä­den, die we­gen Ab­laufs der 30-jäh­ri­gen Frist nach Ar­ti­kel 5 Ab­satz 1 ge­gen den In­ha­ber der Ker­n­an­la­ge nicht mehr gel­tend ge­macht wer­den kön­nen.

Art. 12 Beiträge der Inhaber von Kernanlagen  

1 Zur Fi­nan­zie­rung sei­ner Ver­pflich­tun­gen aus den Ar­ti­keln 10 und 11 er­hebt der Bund von den In­ha­bern von Ker­n­an­la­gen Bei­trä­ge.

2 Der Bun­des­rat legt die Be­mes­sungs­grund­la­ge für die Hö­he der Bei­trä­ge fest. Die­se muss ver­si­che­rungs­tech­ni­schen Grund­sät­zen ent­spre­chen und das je­wei­li­ge Ri­si­ko der An­la­ge oder des Trans­ports be­rück­sich­ti­gen.

3 Das BFE ver­an­lagt und er­hebt die Bei­trä­ge. Ge­gen des­sen Ver­fü­gun­gen kann beim Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Be­schwer­de er­ho­ben wer­den.

Art. 13 Nuklearschadenfonds  

1 Der Bund führt einen Nu­klear­scha­den­fonds (Fonds), der aus den Bei­trä­gen nach Ar­ti­kel 12 und den Zah­lun­gen nach Ar­ti­kel 15 Ab­satz 1 so­wie de­ren Zins­er­trä­gen ge­spie­sen wird.

2 Leis­tun­gen für Ver­pflich­tun­gen nach den Ar­ti­keln 10 und 11 so­wie nach Ar­ti­kel 3 Ab­satz (b) Zif­fer (iii) des Brüs­se­ler Zu­satz­über­ein­kom­mens wer­den aus den Mit­teln des Fonds fi­nan­ziert.

Art. 14 Besondere Schadenfälle  

1 Der Bund ent­schä­digt aus all­ge­mei­nen Mit­teln bis zu den in Ar­ti­kel 8 ge­nann­ten Be­trä­gen aus­ser­dem nu­klea­re Schä­den:

a.
wenn der Haft­pflich­ti­ge nicht er­mit­telt wer­den kann;
b.
wenn ei­ne Per­son für einen in der Schweiz er­lit­te­nen nu­klea­ren Scha­den, für den der In­ha­ber ei­ner in ei­nem an­de­ren Land ge­le­ge­nen Ker­n­an­la­ge haft­pflich­tig ist, kei­ne die­sem Ge­setz ent­spre­chen­de Ent­schä­di­gung er­lan­gen kann.

2 Der Bund kann sei­ne Leis­tun­gen ver­wei­gern oder her­ab­set­zen, wenn der Ge­schä­dig­te den Scha­den vor­sätz­lich oder grob­fahr­läs­sig ver­ur­sacht hat.

3 Hat der Bund Leis­tun­gen nach Ab­satz 1 er­bracht, so kann er hier­für auf den Haft­pflich­ti­gen Rück­griff neh­men. Er tritt aus­ser­dem in des­sen Rück­griffs­rech­te ein.

4. Abschnitt: Internationale Deckung

Art. 15  

1 Über­steigt der nu­klea­re Scha­den den Be­trag nach Ar­ti­kel 3 Ab­satz (b) Zif­fer (ii) des Brüs­se­ler Zu­satz­über­ein­kom­mens, so un­ter­rich­tet der Bun­des­rat die üb­ri­gen Ver­trags­par­tei­en die­ses Über­ein­kom­mens und er­sucht die­se um Be­reit­stel­lung der Mit­tel ge­mä­ss Ar­ti­kel 3 Ab­satz (b) Zif­fer (iii) des Brüs­se­ler Zu­satz­über­ein­kom­mens.

2 Die Mit­tel nach Ab­satz 1 sind aus­sch­liess­lich und voll­um­fäng­lich zur Er­satz­leis­tung für Schä­den aus dem nu­klea­ren Er­eig­nis zu ver­wen­den, für das die Ver­trags­par­tei­en des Brüs­se­ler Zu­satz­über­ein­kom­mens die Mit­tel zur Ver­fü­gung ge­stellt ha­ben.

3 Das De­par­te­ment für Um­welt, Ver­kehr, Ener­gie und Kom­mu­ni­ka­ti­on übt die sich aus dem Brüs­se­ler Zu­satz­über­ein­kom­men er­ge­ben­den Rech­te und Pflich­ten aus, ins­be­son­de­re das Rück­griffs­recht nach Ar­ti­kel 10 Ab­satz (c) die­ses Über­ein­kom­mens.

4 Der Bund kann Vor­schüs­se auf die Be­trä­ge nach Ab­satz 1 ge­wäh­ren, wenn sich die Be­reit­stel­lung der Mit­tel der üb­ri­gen Ver­trags­par­tei­en ver­zö­gert.

5. Abschnitt: Weitere Bestimmungen über die Deckung

Art. 16 Wiederherstellung der vollen Deckung  

1 Hat der pri­va­te De­ckungs­ge­ber Leis­tun­gen er­bracht oder Rück­stel­lun­gen für ein ein­ge­tre­te­nes Scha­dener­eig­nis ge­macht und er­rei­chen die­se Leis­tun­gen oder Rück­stel­lun­gen einen Zehn­tel der De­ckungs­s­um­me, so hat der De­ckungs­ge­ber den De­ckungs­neh­mer und das BFE zu be­nach­rich­ti­gen.

2 Der In­ha­ber ei­ner Ker­n­an­la­ge hat in die­sen Fäl­len für ein künf­ti­ges Scha­den­er­eig­nis ei­ne zu­sätz­li­che De­ckung bis zur vol­len ur­sprüng­li­chen De­ckungs­s­um­me zu be­schaf­fen.

Art. 17 Unmittelbarer Anspruch, Einreden  

1 Der Ge­schä­dig­te hat im Rah­men der je­wei­li­gen De­ckung ein un­mit­tel­ba­res For­de­rungs­recht ge­gen den De­ckungs­ge­ber.

2 Ein­re­den aus dem De­ckungs­ver­trag oder aus den auf die­sen an­wend­ba­ren be­son­de­ren Ge­set­zen kön­nen dem Ge­schä­dig­ten nicht ent­ge­gen­ge­hal­ten wer­den.

Art. 18 Rückgriff der Deckungsgeber  

1 Die De­ckungs­ge­ber kön­nen ge­gen den In­ha­ber der Ker­n­an­la­ge Rück­griff neh­men, so­weit die­ser den Scha­den vor­sätz­lich oder grob­fahr­läs­sig ver­ur­sacht hat. Sie kön­nen ih­re Rück­griffs­rech­te nur so­weit gel­tend ma­chen, als da­durch die Ge­schä­dig­ten nicht be­nach­tei­ligt wer­den.

2 Die De­ckungs­ge­ber tre­ten so­weit in die Rück­griffs­rech­te des Haft­pflich­ti­gen ein, als da­durch die Ge­schä­dig­ten nicht be­nach­tei­ligt wer­den.

Art. 19 Aussetzen und Ende der privaten Deckung  

Aus­set­zen und En­de der pri­va­ten De­ckung sind vom pri­va­ten De­ckungs­ge­ber dem BFE zu mel­den. Sie wer­den, so­fern die pri­va­te De­ckung nicht vor­her durch ei­ne an­de­re er­setzt wur­de, erst sechs Mo­na­te nach dem Ein­gang der Mel­dung wirk­sam.

4. Kapitel: Verfahren

Art. 20 Beweissicherung  

Nach Ein­tritt ei­nes grös­se­ren nu­klea­ren Er­eig­nis­ses ord­net der Bun­des­rat ei­ne Er­he­bung über den Sach­ver­halt an.

Art. 219  

9 Auf­ge­ho­ben durch An­hang 1 Ziff. II 20 der Zi­vil­pro­zess­ord­nung vom 19. Dez. 2008, mit Wir­kung seit 1. Jan. 2022 (AS 2010 1739; BBl 2006 7221).

Art. 22 Verfahrensgrundsätze  

1 Das Ge­richt stellt den Sach­ver­halt von Am­tes we­gen fest. Es ist an die Be­geh­ren der Par­tei­en nicht ge­bun­den.10

2 Ist die Kla­ge ge­gen einen Haft­pflich­ti­gen oder einen De­ckungs­ge­ber ge­rich­tet, so gibt das Ge­richt dem an­de­ren Ge­le­gen­heit, sei­ne In­ter­es­sen im Ver­fah­ren zu wah­ren.

10 Fas­sung ge­mä­ss An­hang 1 Ziff. II 20 der Zi­vil­pro­zess­ord­nung vom 19. Dez. 2008, in Kraft seit seit 1. Jan. 2022 (AS 2010 1739; BBl 2006 7221).

Art. 23 Festsetzung der Gerichts- und Parteikosten  

Bei der Fest­set­zung der Ge­richts- und Par­tei­kos­ten kann das Ge­richt auf die fi­nan­zi­el­len Ver­hält­nis­se des Pflich­ti­gen Rück­sicht neh­men.

Art. 24 Vorläufige Zahlung  

Bei ei­ner Not­la­ge des Ge­schä­dig­ten kann das Ge­richt, wenn das Be­geh­ren nicht aus­sichts­los er­scheint, oh­ne Prä­ju­diz für den end­gül­ti­gen Ent­scheid vor­läu­fi­ge Zah­lun­gen zu­spre­chen.

5. Kapitel: Grossschäden

Art. 25 Grundsätze  

1 Im Fal­le ei­nes Gross­scha­dens kann die Bun­des­ver­samm­lung durch Ver­ord­nung ei­ne Ent­schä­di­gungs­ord­nung auf­stel­len.

2 Ein Gross­scha­den liegt vor, wenn bei ei­nem Scha­dener­eig­nis da­mit zu rech­nen ist, dass die für die De­ckung der Schä­den zur Ver­fü­gung ste­hen­den Mit­tel zur Be­frie­di­gung al­ler An­sprü­che nicht aus­rei­chen oder dass we­gen der gros­sen Zahl von Ge­schä­dig­ten das or­dent­li­che Ver­fah­ren nicht durch­ge­führt wer­den kann.

3 In der Ent­schä­di­gungs­ord­nung wer­den die all­ge­mei­nen Grund­sät­ze zur ge­rech­ten Ver­tei­lung al­ler ver­füg­ba­ren Mit­tel zur Be­frie­di­gung der Ge­schä­dig­ten fest­ge­legt.

4 In der Ent­schä­di­gungs­ord­nung kann:

a.
von den Be­stim­mun­gen die­ses Ge­set­zes oder von an­dern scha­den­er­satz-recht­li­chen Be­stim­mun­gen ab­ge­wi­chen wer­den; für die Ver­tei­lung der in den Ar­ti­keln 8 und 15 ge­nann­ten De­ckungs­s­um­men sind aber die im Pa­ri­ser Über­ein­kom­men und Brüs­se­ler Zu­satz­über­ein­kom­men ge­nann­ten Grund­sät­ze zu be­rück­sich­ti­gen;
b.
vor­ge­se­hen wer­den, dass der Bund zu­sätz­li­che Bei­trä­ge an den nicht ge­deck­ten Scha­den leis­tet;
c.
das Ver­fah­ren zum Voll­zug die­ser Ord­nung ge­re­gelt und ei­ne un­ab­hän­gi­ge In­stanz ein­ge­setzt wer­den, de­ren Ent­schei­de an das Bun­des­ge­richt wei­ter­ge­zo­gen wer­den kön­nen.

5 Der Bun­des­rat trifft vor­sorg­li­che Mass­nah­men.

Art. 26 Änderung der Leistungspflicht; Umlagebeiträge  

1 Im Fal­le ei­nes durch einen Gross­scha­den her­vor­ge­ru­fe­nen Not­stan­des kann der Bun­des­rat auf dem Ge­bie­te der pri­vat- und öf­fent­lichrecht­li­chen Ver­si­che­run­gen Vor­schrif­ten er­las­sen über:

a.
die Än­de­rung der Leis­tungs­pflicht der Ver­si­che­rer;
b.
die Er­he­bung von Um­la­ge­bei­trä­gen bei den Ver­si­che­rungs­neh­mern;
c.
den Ab­zug sol­cher Um­la­ge­bei­trä­ge von den Ver­si­che­rungs­leis­tun­gen.

2 Die­se Er­mäch­ti­gung er­streckt sich nicht auf die nach die­sem Ge­setz ab­zu­sch­lies­sen­den De­ckungs­ver­trä­ge.

6. Kapitel: Gegenrecht

Art. 27  

1 Der In­ha­ber ei­ner in der Schweiz ge­le­ge­nen Ker­n­an­la­ge haf­tet für nu­klea­re Schä­den im Aus­land:

a.
oh­ne be­trags­mäs­si­ge Be­gren­zung für Ver­trags­staa­ten, die in ih­rer na­tio­na­len Ge­setz­ge­bung im Ver­hält­nis zur Schweiz eben­falls ei­ne be­trags­mäs­sig un­be­grenz­te Haf­tung vor­se­hen, wenn die­se ent­we­der Ver­trags­staa­ten des Pa­ri­ser Über­ein­kom­mens und ge­ge­be­nen­falls des Brüs­se­ler Zu­satz­über­ein­kom­mens oder des Wie­ner Über­ein­kom­mens und des ge­mein­sa­men Pro­to­kolls sind;
b.
bis zu dem in Ar­ti­kel 3 Ab­satz (b) Zif­fer (iii) des Brüs­se­ler Zu­satz­über­ein­kom­mens ge­nann­ten Be­trag oder bis zum hö­he­ren Be­trag, den die na­tio­na­le Ge­setz­ge­bung des be­trof­fe­nen Staa­tes im Zeit­punkt des nu­klea­ren Er­eig­nis­ses im Ver­hält­nis zur Schweiz vor­sieht, für Ver­trags­staa­ten des Pa­ri­ser Über­ein­kom­mens und des Brüs­se­ler Zu­satz­über­ein­kom­mens, die ei­ne be­trags­mäs­sig be­grenz­te Haf­tung des In­ha­bers vor­se­hen;
c.
bis zum Be­trag, den die na­tio­na­le Ge­setz­ge­bung des be­trof­fe­nen Staa­tes im Zeit­punkt des nu­klea­ren Er­eig­nis­ses im Ver­hält­nis zur Schweiz vor­sieht, für Staa­ten, die ei­ne be­trags­mäs­sig be­grenz­te Haf­tung des In­ha­bers vor­se­hen, und die Ver­trags­staa­ten des Pa­ri­ser Über­ein­kom­mens nicht aber des Brüs­se­ler Zu­satz­über­ein­kom­mens sind oder die Ver­trags­staa­ten des Wie­ner Über­ein­kom­mens und des ge­mein­sa­men Pro­to­kolls sind.

2 Tritt der nu­klea­re Scha­den in an­de­ren Staa­ten als den in Ab­satz 1 ge­nann­ten ein, so wird Ent­schä­di­gung im Ver­hält­nis zu Staa­ten, die kei­ne Ker­n­an­la­gen in ih­rem Ho­heits­ge­biet oder in ih­ren nach dem Völ­ker­recht fest­ge­leg­ten Mee­res­zo­nen be­sit­zen, auf den in Ar­ti­kel 7 Ab­satz (a) des Pa­ri­ser Über­ein­kom­mens ge­nann­ten Min­dest­be­trag oder ge­ge­be­nen­falls auf den in die­sem Ge­setz in An­wen­dung von Ar­ti­kel 7 Ab­satz (b) bis (e) die­ses Über­ein­kom­mens vor­ge­se­he­nen Be­trag be­grenzt. Ge­gen­über Staa­ten, die in ih­rem Ho­heits­ge­biet oder in ih­ren nach dem Völ­ker­recht fest­ge­leg­ten Mee­res­zo­nen Ker­n­an­la­gen be­sit­zen, wird Ent­schä­di­gung nur un­ter den in Ar­ti­kel 2 Ab­satz (a) Zif­fer (iv) und 7 Ab­satz (g) des Pa­ri­ser Über­ein­kom­mens ge­nann­ten Vor­aus­set­zun­gen und bis zum Be­trag ge­schul­det, den die na­tio­na­le Ge­setz­ge­bung des be­trof­fe­nen Staa­tes im Zeit­punkt des nu­klea­ren Er­eig­nis­ses im Ver­hält­nis zur Schweiz vor­sieht, höchs­tens aber bis zu dem in Ar­ti­kel 7 Ab­satz (a) des Pa­ri­ser Über­ein­kom­mens ge­nann­ten Min­dest­be­trag oder ge­ge­be­nen­falls bis zu dem in die­sem Ge­setz in An­wen­dung von Ar­ti­kel 7 Ab­satz (b) bis (e) die­ses Über­ein­kom­mens vor­ge­se­he­nen Be­trag.

7. Kapitel: Strafbestimmungen

Art. 28 Nichterfüllen der Deckungspflicht  

1 Wer vor­sätz­lich oh­ne die nach die­sem Ge­setz vor­ge­schrie­be­ne De­ckung ei­ne Ker­n­an­la­ge be­treibt oder einen Trans­port durch­führt, wird mit Frei­heits­s­tra­fe bis zu drei Jah­ren oder Geld­stra­fe be­straft. Mit der Frei­heits­s­tra­fe ist ei­ne Geld­stra­fe zu ver­bin­den.

2 Wird die Tat fahr­läs­sig be­gan­gen, so ist die Stra­fe Frei­heits­s­tra­fe bis zu drei Jah­ren oder Geld­stra­fe.

Art. 29 Übertretungen  

1 Mit Bus­se bis zu 100 000 Fran­ken wird be­straft, wer vor­sätz­lich ei­ner Be­stim­mung die­ses Ge­set­zes oder ei­ner Aus­füh­rungs­vor­schrift, de­ren Über­tre­tung für straf­bar er­klärt wird, oder ei­ner un­ter Hin­weis auf die Straf­dro­hung die­ses Ar­ti­kels er­las­se­nen Ver­fü­gung zu­wi­der­han­delt, oh­ne dass ein straf­ba­res Ver­hal­ten nach ei­nem an­de­ren Straf­tat­be­stand vor­liegt.

2 Ver­such und Ge­hil­fen­schaft sind straf­bar.

3 Wird die Tat fahr­läs­sig be­gan­gen, so ist die Stra­fe Bus­se bis zu 40 000 Fran­ken.

Art. 30 Zuständigkeit und Verfahren  

Die Wi­der­hand­lun­gen nach Ar­ti­kel 28 und 29 wer­den vom BFE nach dem Bun­des­ge­setz vom 22. März 197411 über das Ver­wal­tungs­straf­recht ver­folgt und be­ur­teilt.

8. Kapitel: Schlussbestimmungen

Art. 31 Vollzug  

1 Der Bun­des­rat voll­zieht die­ses Ge­setz. Er kann den Er­lass tech­ni­scher oder ad­mi­nis­tra­ti­ver Vor­schrif­ten dem De­par­te­ment für Um­welt, Ver­kehr, Ener­gie und Kom­mu­ni­ka­ti­on über­tra­gen.

2 Er be­zeich­net die zu­stän­di­ge Stel­le, die Mass­nah­men zur Wie­der­her­stel­lung nach Ar­ti­kel 1 Ab­satz (a) Zif­fer (viii) des Pa­ri­ser Über­ein­kom­mens er­grei­fen oder ge­neh­mi­gen darf.

Art. 32 Aufhebung und Änderung bisherigen Rechts  

Die Auf­he­bung und Än­de­rung bis­he­ri­gen Rechts wer­den im An­hang ge­re­gelt.

Da­tum des In­kraft­tre­tens: 1. Ja­nu­ar 202212

12 BRB vom 25. Au­gust 2021 (sie­he AS 2022 42).

Anhang

(Art. 32)

Aufhebung und Änderung bisherigen Rechts

I

Das Kernenergiehaftpflichtgesetz vom 18. März 198313 wird aufgehoben.

II

Die nachstehenden Bundesgesetze werden wie folgt geändert:

14

13 [AS 1983 1886; 1993 3122Art. 12; 2000 2355Anhang Ziff. 16; 2002 3371Anhang Ziff. 3; 2004 4719Anhang Ziff. II 3; 2006 2197Anhang Ziff. 71; 2010 1739(Anhang 1 Ziff. II 19)].

14 Die Änderungen können unter AS 2022 43konsultiert werden.

Diese Seite ist durch reCAPTCHA geschützt und die Google Datenschutzrichtlinie und Nutzungsbedingungen gelten.

Feedback
Laden