Verordnung
über die Wahrung der Lufthoheit
(VWL)
vom 23. März 2005 (Stand am 1. Januar 2018)
Der Schweizerische Bundesrat,
gestützt auf die Artikel 12 Absatz 1, 21 Absatz 1 und 40 Absatz 1 des Luftfahrtgesetzes vom 21. Dezember 1948 (LFG)1
und auf den Artikel 150 Absatz 1 des Militärgesetzes vom 3. Februar 19952
sowie in Ausführung der Artikel 1 und 3 Buchstabe c des Übereinkommens vom 7. Dezember 19443 über die internationale Zivilluftfahrt (Chicago‑Übereinkommen),4
verordnet:
1 SR 748.0
4 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 22. Nov. 2017, in Kraft seit 1. Jan. 2018 (AS 2017 7561).
1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen
Art. 1 Gegenstand
Diese Verordnung legt die Massnahmen zur Wahrung der schweizerischen Lufthoheit und zur Durchsetzung der Luftverkehrsregeln fest. Sie regelt überdies die Zuständigkeiten.
Art. 2 Begriffe
In dieser Verordnung bedeuten:
- a.
- Lufthoheit: Recht eines Staates, die Benützung des über seinem Staatsgebiet liegenden Luftraumes bindend zu regeln und diese Regelung durchzusetzen;
- b.
- nicht eingeschränkter Luftverkehr: freie Benützung des Luftraumes im Rahmen internationaler Vorschriften und des Bundesrechts;
- c.
- eingeschränkter Luftverkehr: durch den Bundesrat beschlossene Einschränkung der freien Benützung des Luftraumes;
- d.
- Zeiten erhöhter Spannung: Zeiten, in denen eine krisenhafte Lage besteht, ohne dass der Luftverkehr eingeschränkt ist;
- e.
- schwer wiegende Verletzung von Luftverkehrsregeln: Verletzung von Luftverkehrsregeln, die eine konkrete Gefährdung der Luftfahrt bewirkt;
- f.
- schwer wiegende Verletzung der Lufthoheit: Verletzung der Lufthoheit, die die Interessen der Gesamtverteidigung beeinträchtigt;
- g.
- Identifikation mit technischen Mitteln: Feststellung der Übereinstimmung zwischen Radar-, Funk- und Flugplandaten;
- h.
- Identifikation mit bemanntem Luftfahrzeug: Feststellung von Art, Zugehörigkeit und Kennzeichen eines Luftfahrzeugs dadurch, dass die Besatzung eines schweizerischen Luftfahrzeugs mit dem anderen Luftfahrzeug Sichtkontakt herstellt;
- i.
- Intervention: Eingriff in die Entscheidung einer Luftfahrzeugbesatzung über Flugwegwahl oder Fortführung eines Fluges mit Einschluss von Gewaltandrohung oder mit unmittelbarem Waffeneinsatz im Rahmen der jeweils gültigen Regelungen oder Auflagen;
- j.
- luftpolizeiliche Massnahmen: Beschaffung und Verbreitung von Nachrichten, Identifikation, Intervention;
- k.5
- nicht bewaffnete Kampfluftfahrzeuge: Luftfahrzeuge, die zwar grundsätzlich über eine Bewaffnung verfügen, diese jedoch mangels entsprechender Munition nicht einsetzen können.
5 Eingefügt durch Ziff. I der V vom 14. März 2014, in Kraft seit 1. April 2014 (AS 2014 701).
Art. 3 Zusammenarbeit
1 Das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) legt im Einvernehmen mit dem Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) fest, wie der Luftraum zu überwachen ist und welche Massnahmen zur Wahrung der Lufthoheit und gegen schwer wiegende Verletzungen der Luftverkehrsregeln zu treffen sind.
2 Bei der Umsetzung dieser Massnahmen arbeiten das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) und die Luftwaffe zusammen und unterstützen sich gegenseitig.
Art. 4 Ausländische Militär- und andere Staatsluftfahrzeuge 6
1 Ausländische Militär- und andere Staatsluftfahrzeuge dürfen nur mit einer Bewilligung (diplomatic clearance) schweizerisches Hoheitsgebiet überfliegen oder auf schweizerischem Hoheitsgebiet landen.
2 Das BAZL erteilt unter Vorbehalt von Absatz 4 die Bewilligungen für Überflüge und Landungen nach dem Anhang. Es erteilt sie in Absprache mit der Direktion für Völkerrecht, der Luftwaffe und dem Staatssekretariat für Wirtschaft, soweit diese Stellen betroffen sind.
3 Ausserhalb der Bürozeiten erteilt die Luftwaffe anstelle des BAZL die Bewilligungen. Die Voraussetzungen der Bewilligungserteilung gemäss Absatz 2 sind anwendbar. In nicht aufschiebbaren Fällen entscheidet die Luftwaffe und orientiert umgehend die beteiligten Stellen nach Absatz 2.
4 Gesuche von erheblicher politischer Tragweite, insbesondere Gesuche um Bewilligungen für Flüge, die der Vorbereitung oder Unterstützung von Kampfhandlungen dienen, legt das UVEK dem Bundesrat zum Entscheid vor. Die betroffenen Stellen der Departemente sind in die Entscheidvorbereitung einzubeziehen.
5 Bei Landungen und Abflügen bleiben die zollrechtlichen Bestimmungen vorbehalten.
6 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 14. März 2014, in Kraft seit 1. April 2014 (AS 2014 701).
2. Abschnitt: Überwachung, Kontrolle und Massnahmen
Art. 5 Überwachung
1 Die Luftwaffe überwacht zur Wahrung der Lufthoheit den Luftraum im Rahmen ihrer technischen und betrieblichen Möglichkeiten. Die Organe der Flugsicherung unterstützen die Luftwaffe, namentlich durch die Identifikation mit technischen Mitteln.
2 Die Luftwaffe sorgt rund um die Uhr für eine Darstellung der identifizierten Luftlage.
3 Sie meldet Luftfahrzeuge, von denen sie feststellt, dass sie die Lufthoheit verletzen oder die Luftverkehrsregeln in schwer wiegender Weise verletzen, unverzüglich den Organen der Flugsicherung.
Art. 6 Kontrolle
1 Das BAZL kontrolliert die Einhaltung der zivilen Luftverkehrsregeln.
2 Die Organe der Flugsicherung kontrollieren im Rahmen ihrer technischen und betrieblichen Möglichkeiten die Einhaltung der Luftverkehrsregeln durch den zivilen und den militärischen Flugverkehr. Sie informieren die Luftwaffe umgehend, wenn Hinweise dafür bestehen, dass die Lufthoheit verletzt wird oder die Luftverkehrsregeln in schwerer Weise missachtet werden.7
3 Bei Flügen, für die Flugverkehrsleitdienst gewährleistet wird, kontrollieren die Organe der Flugsicherung insbesondere, dass:
- a.
- die erteilten Freigaben zur Vermeidung des Überfluges von Gebieten mit militärischen Aktivitäten eingehalten werden;
- b.
- die mit den Überflugsrechten für ausländische Staatsluftfahrzeuge verknüpften Auflagen eingehalten werden.
7 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 22. Nov. 2017, in Kraft seit 1. Jan. 2018 (AS 2017 7561).
Art. 7 Luftpolizeiliche Massnahmen
1 Die Luftwaffe entscheidet über die Durchführung von luftpolizeilichen Massnahmen. Sie kann diese Befugnis ganz oder teilweise den Organen der Flugsicherung übertragen.
2 Das BAZL kann der Luftwaffe die Durchführung luftpolizeilicher Massnahmen beantragen.
3 Gegen Luftfahrzeuge, welche die Lufthoheit verletzen oder die Luftverkehrsregeln in schwer wiegender Weise verletzen, greift die Luftwaffe, falls andere Massnahmen nicht ausreichen, im Rahmen ihrer technischen und betrieblichen Möglichkeiten zu den Mitteln der Intervention; insbesondere fängt sie sie zur Identifikation ab und zwingt sie gegebenenfalls zum Verlassen des Luftraumes oder zur Landung auf einem geeigneten Flugplatz.
4 Beim Abfangen von Luftfahrzeugen ist der Flugsicherheit erhöhte Beachtung zu schenken. Gegenüber zivilen Luftfahrzeugen ist die Gefährdung von Menschenleben unter allen Umständen zu vermeiden.
5 Für luftpolizeiliche Massnahmen gelten die für die Schweiz verbindlichen Normen der Anhänge8 zum Übereinkommen vom 7. Dezember 19449 über die internationale Zivilluftfahrt. Im Übrigen ist der jeweilige Stand der Technik massgebend, wie er insbesondere aus den Empfehlungen des Anhanges 2 zum Übereinkommen ersichtlich ist.
6 Die Verfahren werden im Luftfahrthandbuch der Schweiz (AIP) veröffentlicht. Das BAZL kann Abweichungen mittels Veröffentlichung in den Nachrichten für Luftfahrer (NOTAM) als anwendbar erklären, bevor sie im AIP veröffentlicht werden.
7 Die Luftwaffe ist berechtigt, die Abfangverfahren zu üben. Die Übungsbedingungen werden in Absprache mit dem BAZL festgelegt.
8 Die Anhänge sind in der AS nicht veröffentlicht. Sie können beim Bundesamt für Zivilluftfahrt, 3003 Bern eingesehen oder bezogen werden.
Art. 8 Strafrechtliche und administrative Massnahmen
Das BAZL trifft bei Verletzung der Lufthoheit oder der Luftverkehrsregeln die notwendigen strafrechtlichen oder administrativen Massnahmen.
Art. 910
10 Aufgehoben durch Ziff. I der V vom 22. Nov. 2017, mit Wirkung seit 1. Jan. 2018 (AS 2017 7561).
3. Abschnitt: Massnahmen bei besonderen Vorkommnissen und in Zeiten erhöhter Spannung
Art. 10 Überwachung und Identifikation
1 Bei besonderen Vorkommnissen kann das Kommando der Luftwaffe Massnahmen für eine gezielte Überwachung des Luftraumes und für eine gezielte Identifikation der Luftfahrzeuge anordnen.
2 In Zeiten erhöhter Spannung kann das Kommando der Luftwaffe ausserordentliche Massnahmen zur permanenten Überwachung des gesamten Luftverkehrs und zur Identifikation aller Luftfahrzeuge über schweizerischem Hoheitsgebiet anordnen.
3 Die Luftwaffe informiert das BAZL über die angeordneten Massnahmen.
Art. 11 Verletzungen von Luftverkehrsregeln und der Lufthoheit
Kommt es zu einer Verletzung von Luftverkehrsregeln oder der Lufthoheit, so trifft die Luftwaffe die erforderlichen Massnahmen. Sie unterrichtet in schwer wiegenden Fällen die Direktion für Völkerrecht.
4. Abschnitt: Wahrung der Lufthoheit bei eingeschränktem Luftverkehr
Art. 12 Folgen der Einschränkungen
1 Hat der Bundesrat gestützt auf Artikel 7 LFG die Benützung des schweizerischen Luftraums eingeschränkt oder verboten, so ist für die Benützung dieses Luftraums eine Bewilligung des Kommandos der Luftwaffe erforderlich.
2 Das Kommando der Luftwaffe bestimmt in der Bewilligung die Einzelheiten der Benützung des Luftraumes und der Flugplätze. Es hört vorher die Direktion für Völkerrecht, das BAZL, das Transportamt der wirtschaftlichen Landesversorgung und die Eidgenössische Zollverwaltung an.
3 Die Verbote und Einschränkungen gelten nicht für schweizerische Militärluftfahrzeuge.
Art. 13 Bewilligungsverfahren
1 Ein Gesuch um Bewilligung ist dem Kommando der Luftwaffe einzureichen.
2 Für einen Durchflug ohne Landung sowie für Flüge vom und ins Ausland holt das Kommando der Luftwaffe die Stellungnahme der Direktion für Völkerrecht ein. Für Flüge im Interesse der wirtschaftlichen Landesversorgung holt es zusätzlich die Stellungnahme des Transportamtes der wirtschaftlichen Landesversorgung ein.
3 Das Kommando der Luftwaffe gibt dem Gesuchsteller den Entscheid bekannt und unterrichtet die interessierten Bundesstellen.
Art. 1411
11 Aufgehoben durch Ziff. I der V vom 22. Nov. 2017, mit Wirkung seit 1. Jan. 2018 (AS 2017 7561).
5. Abschnitt: Berichterstattung und Information
Art. 15 Berichterstattung bei Verletzungen der Lufthoheit oder der Luftverkehrsregeln
1 Die Luftwaffe und die Organe der Flugsicherung erstatten dem BAZL im Einzelfall Bericht über festgestellte oder vermutete Verletzungen der Lufthoheit oder der Luftverkehrsregeln sowie über Landeaufforderungen und Waffeneinsätze.
2 In schwer wiegenden Fällen unterrichtet das BAZL unverzüglich das UVEK zu handen des Bundesrates sowie gegebenenfalls die Direktion für Völkerrecht.
Art. 16 Information über Einschränkungen des Luftverkehrs
1 Über Einschränkungen des Luftverkehrs informiert das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) die ausländischen Regierungen.
2 Das BAZL informiert die Luftraumbenützer.
3 Das im Einzelfall zuständige Departement informiert die Öffentlichkeit.
6. Abschnitt: Schlussbestimmungen
Art. 17 Aufhebung bisherigen Rechts
Es werden aufgehoben:
- a.
- die Verordnung vom 17. Oktober 198412 über die Wahrung der Lufthoheit (VWL);
- b.
- die Verordnung vom 8. November 198913 über die Wahrung der Lufthoheit bei nicht eingeschränktem Luftverkehr.
12 [AS 1984 1195, 1997 814, 2001 509, 2003 253]
13 [AS 1989 2360, 2001 511]
Art. 18 Inkrafttreten
Diese Verordnung tritt am 1. Mai 2005 Kraft.
Anhang 1414 Eingefügt durch Ziff. II der V vom 14. März 2014, in Kraft seit 1. April 2014 (AS 2014 701).
14 Eingefügt durch Ziff. II der V vom 14. März 2014, in Kraft seit 1. April 2014 (AS 2014 701).