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Art. 10 Genetische Untersuchungen bei Personen
1Genetische Untersuchungen dürfen bei Personen nur durchgeführt werden, wenn sie einem medizinischen Zweck dienen und das Selbstbestimmungsrecht nach Artikel 18 gewahrt wird. 2Bei einer urteilsunfähigen Person darf eine genetische Untersuchung nur durchgeführt werden, wenn sie zum Schutz ihrer Gesundheit notwendig ist. Ausnahmsweise ist eine solche Untersuchung zulässig, wenn sich eine schwere Erbkrankheit in der Familie oder eine entsprechende Anlageträgerschaft auf andere Weise nicht abklären lässt und die Belastung der betroffenen Person geringfügig ist.
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Art. 11 Pränatale Untersuchungen
Es ist verboten, pränatale Untersuchungen durchzuführen, die darauf abzielen: - a.
- Eigenschaften des Embryos oder des Fötus, welche dessen Gesundheit nicht direkt beeinträchtigen, zu ermitteln; oder
- b.
- das Geschlecht des Embryos oder des Fötus zu einem anderen Zweck als der Diagnose einer Krankheit festzustellen.
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Art. 12 Reihenuntersuchungen
1Reihenuntersuchungen dürfen nur durchgeführt werden, wenn die zuständige Bundesstelle das Anwendungskonzept bewilligt hat. 2Die Bewilligung kann erteilt werden, wenn: - a.
- eine Frühbehandlung oder eine Prophylaxe möglich ist;
- b.
- die Untersuchungsmethode nachweislich zuverlässige Ergebnisse liefert; und
- c.
- die angemessene genetische Beratung sichergestellt ist.
3Bevor die zuständige Bundesstelle die Bewilligung erteilt, hört sie die Expertenkommission für genetische Untersuchungen beim Menschen und, soweit nötig, die nationale Ethikkommission im Bereich der Humanmedizin an. 4Der Bundesrat kann weitere Voraussetzungen vorsehen. Er bezeichnet die zuständige Bundesstelle und regelt das Verfahren für die Erteilung der Bewilligung, die Aufsicht und die Gebühren.
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Art. 13 Veranlassen genetischer Untersuchungen
1Genetische Untersuchungen dürfen nur von Ärztinnen und Ärzten veranlasst werden, die zur selbstständigen Berufsausübung oder zur Berufsausübung unter Aufsicht befugt sind. 2Präsymptomatische und pränatale genetische Untersuchungen sowie Untersuchungen zur Familienplanung dürfen nur von Ärztinnen und Ärzten veranlasst werden, die über eine entsprechende Weiterbildung verfügen oder die im Rahmen ihrer Weiterbildung unter Aufsicht von Ärztinnen oder Ärzten arbeiten, die entsprechend weitergebildet sind. 3Ärztinnen und Ärzte, die eine genetische Untersuchung nach Absatz 2 veranlassen, sorgen für die genetische Beratung.
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Art. 14 Genetische Beratung im Allgemeinen
1Präsymptomatische und pränatale genetische Untersuchungen sowie Untersuchungen zur Familienplanung müssen vor und nach ihrer Durchführung von einer nichtdirektiven, fachkundigen genetischen Beratung begleitet sein. Das Beratungsgespräch ist zu dokumentieren. 2Die Beratung darf nur der individuellen und familiären Situation der betroffenen Person und nicht allgemeinen gesellschaftlichen Interessen Rechnung tragen. Sie muss die möglichen psychischen und sozialen Auswirkungen des Untersuchungsergebnisses auf die betroffene Person und ihre Familie berücksichtigen. 3Die betroffene Person oder, falls sie urteilsunfähig ist, ihr gesetzlicher Vertreter muss namentlich informiert werden über: - a.
- Zweck, Art und Aussagekraft der Untersuchung und die Möglichkeit von Folgemassnahmen;
- b.
- allfällige Risiken, die mit der Untersuchung verbunden sind, sowie Häufigkeit und Art der zu diagnostizierenden Störung;
- c.
- die Möglichkeit eines unerwarteten Untersuchungsergebnisses;
- d.
- mögliche physische und psychische Belastungen;
- e.
- Möglichkeiten der Übernahme der Untersuchungskosten und der Kosten für Folgemassnahmen;
- f.
- Möglichkeiten der Unterstützung im Zusammenhang mit dem Untersuchungsergebnis;
- g.
- die Bedeutung der festgestellten Störung sowie die sich anbietenden prophylaktischen oder therapeutischen Massnahmen.
4Zwischen der Beratung und der Durchführung der Untersuchung muss eine angemessene Bedenkzeit liegen. 5Bei Reihenuntersuchungen ist die Beratung den Umständen anzupassen.
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Art. 15 Genetische Beratung bei pränatalen genetischen Untersuchungen
1Die schwangere Frau ist vor und nach einer pränatalen genetischen Untersuchung ausdrücklich über ihr Selbstbestimmungsrecht zu informieren. 2Eröffnet die vorgeschlagene Untersuchung mit hoher Wahrscheinlichkeit keine therapeutische oder prophylaktische Möglichkeit, so ist die Frau im Voraus darauf hinzuweisen; sie muss zudem auf die Informations- und Beratungsstellen für pränatale Untersuchungen aufmerksam gemacht werden. 3Wird eine schwerwiegende unheilbare Störung festgestellt, so ist die Frau auch über Alternativen zum Schwangerschaftsabbruch zu informieren und auf Vereinigungen von Eltern behinderter Kinder sowie Selbsthilfegruppen aufmerksam zu machen. 4Der Ehegatte oder der Partner der Frau ist nach Möglichkeit in die genetische Beratung einzubeziehen.
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Art. 16 Information bei pränatalen Risikoabklärungen
Vor der Durchführung einer Laboruntersuchung, die Hinweise auf das Risiko einer genetischen Anomalie des Embryos oder des Fötus gibt, oder einer pränatalen Untersuchung mit bildgebendem Verfahren muss die schwangere Frau informiert werden über: - a.
- den Zweck und die Aussagekraft der Untersuchung;
- b.
- die Möglichkeit eines unerwarteten Untersuchungsergebnisses;
- c.
- mögliche Folgeuntersuchungen und -eingriffe; und
- d.
- Informations- und Beratungsstellen nach Artikel 17.
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Art. 17 Informations- und Beratungsstellen für pränatale Untersuchungen
1Die Kantone sorgen dafür, dass unabhängige Informations- und Beratungsstellen für pränatale Untersuchungen bestehen, die über das erforderliche fachkundige Personal verfügen. 2Sie können solche Stellen gemeinsam errichten oder deren Aufgaben den anerkannten Schwangerschaftsberatungsstellen (BG vom 9. Okt. 19811 über die Schwangerschaftsberatungsstellen) übertragen. 3Die Stellen informieren und beraten in allgemeiner Weise über pränatale Untersuchungen und vermitteln auf Wunsch Kontakte zu Vereinigungen von Eltern behinderter Kinder oder zu Selbsthilfegruppen.
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Art. 18 Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Person
1Nach hinreichender Aufklärung entscheidet die betroffene Person frei: - a.
- ob eine genetische oder eine pränatale Untersuchung und gegebenenfalls eine Folgeuntersuchung durchgeführt werden soll;
- b.
- ob sie das Untersuchungsergebnis zur Kenntnis nehmen will; und
- c.
- welche Folgerungen sie aus dem Untersuchungsergebnis ziehen will.
2Die Ärztin oder der Arzt muss die betroffene Person unverzüglich über das Untersuchungsergebnis informieren, wenn für sie oder für den Embryo oder den Fötus eine unmittelbar drohende physische Gefahr besteht, die abgewendet werden könnte. 3Für präsymptomatische oder pränatale genetische Untersuchungen sowie für Untersuchungen zur Familienplanung muss die Zustimmung schriftlich erteilt werden, nicht jedoch für Reihenuntersuchungen. 4Ist die betroffene Person urteilsunfähig, so entscheidet der gesetzliche Vertreter.
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Art. 19 Mitteilung genetischer Daten
1Die Ärztin oder der Arzt darf das Ergebnis einer genetischen Untersuchung nur der betroffenen Person oder, falls diese urteilsunfähig ist, ihrem gesetzlichen Vertreter mitteilen. 2Mit ausdrücklicher Zustimmung der betroffenen Person darf die Ärztin oder der Arzt das Untersuchungsergebnis den Verwandten, der Ehegattin oder dem Ehegatten, der Partnerin oder dem Partner mitteilen. 3Wird die Zustimmung verweigert, so kann die Ärztin oder der Arzt bei der zuständigen kantonalen Behörde nach Artikel 321 Ziffer 2 des Strafgesetzbuchs1 die Entbindung vom Berufsgeheimnis beantragen, sofern dies zur Wahrung überwiegender Interessen der Verwandten, der Ehegattin oder des Ehegatten, der Partnerin oder des Partners notwendig ist. Die Behörde kann die Expertenkommission für genetische Untersuchungen beim Menschen um Stellungnahme ersuchen.
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Art. 20 Weiterverwendung biologischen Materials
1Eine Probe darf nur zu den Zwecken weiterverwendet werden, denen die betroffene Person zugestimmt hat. 2und 3 …1
1 Augehoben durch Anhang Ziff. 3 des Humanforschungsgesetzes vom 30. Sept. 2011, mit Wirkung seit 1. Jan. 2014 (AS 2013 3215; BBl 2009 8045).
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