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Art. 52a Verfahren
1 Bei begründeter Aussicht auf Sanierung des Versicherungsunternehmens oder auf Weiterführung einzelner Versicherungsdienstleistungen kann die FINMA ein Sanierungsverfahren einleiten. 2 Sie erlässt die für die Durchführung des Sanierungsverfahrens notwendigen Verfügungen. 3 Sie kann eine Person mit der Ausarbeitung und Umsetzung eines Sanierungsplans beauftragen (Sanierungsbeauftragte oder Sanierungsbeauftragter). 4 Sie kann das Verfahren näher regeln.
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Art. 52b Sanierungsplan
1 Der Sanierungsplan stellt dar, wie die Insolvenzgefahr des Versicherungsunternehmens beseitigt wird und welche Massnahmen hierzu angeordnet werden. Insbesondere kann er vorsehen: - a.
- die Übertragung des Versicherungsbestandes oder von Teilen davon sowie weiterer Teile des Versicherungsunternehmens mit Aktiven und Passiven auf andere Rechtsträger;
- b.
- die Herabsetzung des bisherigen und die Schaffung neuen Eigenkapitals, die Wandlung von Fremd- in Eigenkapital sowie die Reduktion von Forderungen;
- c.
- die materielle Anpassung von Versicherungsverträgen, namentlich die Einschränkung der Rechte der Versicherten aus dem Versicherungsvertrag oder den Ausschluss solcher Rechte.
2 Er muss sicherstellen, dass das Versicherungsunternehmen nach Durchführung der Sanierung die Bewilligungsvoraussetzungen und die übrigen gesetzlichen Vorschriften einhält. 3 Der Sanierungsplan kann von Absatz 2 abweichen, wenn sich die Sanierung auf die geordnete Abwicklung des bestehenden Versicherungsbestandes ohne den Abschluss von Neugeschäften beschränkt.
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Art. 52c Übertragung des Versicherungsbestandes oder von Teilen davon sowie weiterer Teile des Versicherungsunternehmens
1 Bei Übertragungen nach Artikel 52b Absatz 1 Buchstabe a tritt der Übernehmer mit Genehmigung des Sanierungsplans an die Stelle des Versicherungsunternehmens. Das Fusionsgesetz vom 3. Oktober 200396 ist nicht anwendbar. 2 Die FINMA kann dem Übernehmer in begründeten Fällen für eine befristete Zeit Erleichterungen von den aufsichtsrechtlichen Anforderungen mit Bezug auf den übertragenen Bestand gewähren, soweit die Interessen der Versicherten gewahrt bleiben. 3 Werden Aktiven, Passiven und Verträge nur teilweise auf einen anderen Rechtsträger übertragen, so regelt die FINMA den Ausgleich unter den betroffenen Rechtsträgern. 4 Bei Übertragungen nach Artikel 52b Absatz 1 Buchstabe a ist die Erhebung von kantonalen und kommunalen Handänderungsabgaben ausgeschlossen. Kostendeckende Gebühren bleiben vorbehalten.
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Art. 52d Herabsetzung des bisherigen und Schaffung von neuem Eigenkapital sowie Wandlung von Fremd- in Eigenkapital und Forderungsreduktion
1 Bei der Schaffung von neuem Eigenkapital kann den bisherigen Eignerinnen und Eignern das Bezugsrecht entzogen werden, sofern dessen Ausübung die Sanierung gefährden könnte. 2 Von der Wandlung und der Forderungsreduktion ausgenommen sind: - a.
- verrechenbare sowie gesicherte Forderungen;
- b.
- Forderungen aus Verbindlichkeiten, welche das Versicherungsunternehmen während der Dauer der Massnahmen nach Artikel 51 Absatz 2 Buchstaben a, b, d, e und i oder während eines Sanierungsverfahrens mit Genehmigung der FINMA oder einer oder eines von dieser eingesetzten Untersuchungs- oder Sanierungsbeauftragten eingehen durfte;
- c.
- Forderungen aus Versicherungsverträgen, für die ein gebundenes Vermögen nach Artikel 17 vorgeschrieben ist, soweit dieses zur Sicherstellung der Ansprüche ausreicht.
3 Die Wandlung von Fremd- in Eigenkapital und die Reduktion von Forderungen ist erst dann möglich, wenn: - a.
- das Gesellschaftskapital vollständig herabgesetzt wurde;
- b.
- risikoabsorbierende Kapitalinstrumente, die bei Eintritt vertraglich definierter Ereignisse eine Wandlung in Eigenkapital oder eine Forderungsreduktion vorsehen, vollständig herabgesetzt oder in Eigenkapital gewandelt wurden.
4 Die Wandlung von Fremd- in Eigenkapital und die Reduktion von Forderungen sind in folgender Reihenfolge vorzunehmen: - a.
- die Kapitalforderung und Zinszahlungen von Fremdkapitalinstrumenten, die von der FINMA als risikoabsorbierende Kapitalinstrumente zur Anrechnung an das risikotragende Kapital gemäss Artikel 9aoder zur Berücksichtigung im Zielkapital gemäss Artikel 9agenehmigt sind;
- b.
- übrige nachrangige Forderungen;
- c.
- Forderungen der dritten Klasse nach Artikel 219 Absatz 4 SchKG97;
- d.
- Forderungen aus Versicherungsverträgen, für welche kein gebundenes Vermögen nach Artikel 17 vorgeschrieben ist;
- e.
- Forderungen aus Versicherungsverträgen, für welche ein gebundenes Vermögen nach Artikel 17 vorgeschrieben ist, soweit sie nicht gedeckt sind;
- f.
- Forderungen der zweiten Klasse nach Artikel 219 Absatz 4 SchKG;
- g.
- Forderungen der ersten Klasse nach Artikel 219 Absatz 4 SchKG.
5 Besteht nach der Wandlung eine qualifizierte Beteiligung gemäss Artikel 21 Absatz 2, so ist der Anteil der Stimmen, der 10 Prozent übersteigt, bis zur Beurteilung der qualifizierten Beteiligung durch die FINMA suspendiert.
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Art. 52e Anpassung von Versicherungsverträgen
1 Für die Anpassung von Versicherungsverträgen gelten dieselben Voraussetzungen sowie dieselbe Reihenfolge wie für die Wandlung von Fremd- in Eigenkapital und die Reduktion von Forderungen (Art. 52d). 2 Sofern der Sanierungsplan dies vorsieht und dies im Gesamtinteresse der Versicherten liegt, können die Versicherungsverträge verschiedener Kategorien unterschiedlich angepasst werden. 3 Das Gesamtinteresse der Versicherten ist gegeben, wenn durch die unterschiedliche Anpassung: - a.
- eine Sanierung des gesamten Versicherungsunternehmens oder von Teilen davon ermöglicht wird; oder
- b.
- ein grösserer Sanierungsbeitrag geleistet wird als bei einer Gleichbehandlung der Versicherten.
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Art. 52f Rechte der Versicherten bei der Wandlung von Fremd- in Eigenkapital, bei der Forderungsreduktion sowie bei der Anpassung von Versicherungsverträgen
1 Das Versicherungsunternehmen ist verpflichtet, die Versicherungsnehmerinnen und -nehmer innerhalb von 30 Tagen nach Rechtskraft des Sanierungsplans individuell über die Eingriffe in die Rechte der Versicherten sowie über das Kündigungsrecht zu informieren. 2 Die Versicherungsnehmerinnen und -nehmer haben das Recht, den Versicherungsvertrag innerhalb von drei Monaten, nachdem sie diese Informationen erhalten haben, mit sofortiger Wirkung zu kündigen. 3 Erfolgt der Eingriff in die Rechte der Versicherten im Rahmen einer Übertragung auf einen anderen Rechtsträger nach Artikel 52b Absatz 1 Buchstabe a, so steht den Versicherten eine gleichrangige Ersatzforderung gegenüber dem zu sanierenden Versicherungsunternehmen im Umfang der finanziellen Einbusse zu.
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Art. 52g Aufschub der Beendigung von Verträgen
1 Mit der Anordnung oder Genehmigung von Massnahmen nach den Artikeln 51a–52m kann die FINMA aufschieben: - a.
- die Beendigung von Verträgen und die Ausübung von Rechten zu deren Beendigung;
- b.
- die Ausübung von Aufrechnungs-, Verwertungs- und Übertragungsrechten nach Artikel 51b.
2 Sie kann den Aufschub nur anordnen, wenn die Beendigung oder die Ausübung der Rechte nach Absatz 1 durch die Massnahmen begründet ist. 3 Sie kann ihn für längstens zwei Arbeitstage anordnen. Sie bezeichnet den Beginn und das Ende des Aufschubs. 4 Vom Aufschub der Beendigung von Verträgen nach diesem Artikel bleiben laufende Zahlungs- und Lieferverpflichtungen, insbesondere aus Derivaten, Effektenleihen und Pensionsgeschäften gegenüber Gegenparteien an einer Finanzmarktinfrastruktur, unberührt. 5 Der Aufschub ist ausgeschlossen oder wird hinfällig, wenn die Beendigung oder die Ausübung eines Rechts nach Absatz 1: - a.
- nicht mit den Massnahmen zusammenhängt; und
- b.
- zurückzuführen ist auf das Verhalten des Versicherungsunternehmens, das sich in einem Insolvenzverfahren befindet, oder des Rechtsträgers, der die Verträge ganz oder teilweise übernimmt.
6 Werden nach Ablauf des Aufschubs die Bewilligungsvoraussetzungen und die übrigen gesetzlichen Vorschriften eingehalten, so besteht der Vertrag fort und die mit den Massnahmen zusammenhängenden Rechte nach Absatz 1 können nicht mehr ausgeübt werden.
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Art. 52h Aufschub der Beendigung von Rückversicherungsverträgen
1 Mit der Anordnung oder Genehmigung von Massnahmen nach den Artikeln 52a–52m gegenüber einem Direktversicherungsunternehmen kann die FINMA die Beendigung von Rückversicherungsverträgen oder die Ausübung von Rechten zu deren Beendigung aufschieben. 2 Sie kann den Aufschub nur anordnen, wenn die Beendigung oder die Ausübung der Rechte nach Absatz 1 durch die Massnahmen begründet ist. 3 Sie kann den Aufschub längstens für vier Monate anordnen. Sie bezeichnet den Beginn und das Ende des Aufschubs. Hat sie einen Sanierungsplan nach Artikel 52b genehmigt, so endet der Aufschub spätestens zwei Monate nach dieser Genehmigung. 4 Zur Wahrung der Interessen der betroffenen Rückversicherungsunternehmen kann die FINMA diesen Einsichtsrechte in das Direktversicherungsunternehmen während des Aufschubs gewähren.
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Art. 52i Auswirkung der Sanierung eines Direktversicherungsunternehmens auf den Rückversicherungsvertrag
1 Forderungen aus Rückversicherungsverträgen gegen das Rückversicherungsunternehmen bemessen sich nach den Versicherungsleistungen, die das Direktversicherungsunternehmen an die Versicherten ohne Kürzung nach den Artikeln 52d und 52e hätte leisten müssen. 2 Die FINMA kann: - a.
- Einsicht in die Schadenregulierung der reduzierten Direktversicherungsleistungen nehmen und geeignete organisatorische Massnahmen anordnen, damit in der Schadenregulierung der reduzierten Direktversicherungsleistungen die nötige Sorgfalt dauerhaft eingehalten wird; oder
- b.
- betroffenen Rückversicherungsunternehmen zusätzliche Einsichtsrechte gewähren.
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Art. 52j Genehmigung des Sanierungsplans
1 Die FINMA genehmigt den Sanierungsplan, wenn er namentlich: - a.
- die Vorgaben nach Artikel 52b erfüllt;
- b.
- auf einer Bewertung der Aktiven und Passiven des Versicherungsunternehmens und einer vorsichtigen Schätzung des Sanierungsbedarfs beruht, die den Grundsätzen ordnungsmässiger Rechnungslegung entspricht;
- c.
- die Gläubigerinnen und Gläubiger voraussichtlich wirtschaftlich nicht schlechterstellt als die sofortige Eröffnung des Konkurses;
- d.
- den Vorrang der Interessen der Gläubigerinnen und Gläubiger vor denjenigen der Eignerinnen und Eigner und die Rangfolge der Gläubigerinnen und Gläubiger berücksichtigt;
- e.
- die rechtliche oder wirtschaftliche Verbundenheit unter Aktiven, Passiven und Vertragsverhältnissen angemessen berücksichtigt.
2 Die Zustimmung der Eignerinnen und Eigner des Versicherungsunternehmens ist nicht notwendig. 3 Die FINMA macht die Grundzüge des Sanierungsplans öffentlich bekannt. Sie orientiert dabei gleichzeitig darüber, wie die betroffenen Gläubigerinnen und Gläubiger und Eignerinnen und Eigner Einsicht nehmen können.
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Art. 52k Ablehnung des Sanierungsplans
1 Sieht der Sanierungsplan einen Eingriff in die Rechte der Gläubigerinnen und Gläubiger vor, so setzt die FINMA diesen spätestens mit dessen Genehmigung eine Frist, innert der sie den Sanierungsplan ablehnen können. 2 Lehnt mindestens die Hälfte der bekannten Gläubigerinnen und Gläubiger den Sanierungsplan ab, so ordnet die FINMA den Konkurs an.
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Art. 52l Rechtswirkung des Sanierungsplans
1 Verstreicht die Frist zur Ablehnung des Sanierungsplans unbenutzt, so werden die Anordnungen des Sanierungsplans nach Artikel 52k Absatz 1 wirksam. 2 Eintragungen in das Grundbuch, das Handelsregister oder andere Register haben lediglich deklaratorische Wirkung. Sie sind so rasch wie möglich vorzunehmen.
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Art. 52m Geltendmachung von Ansprüchen
1 Sobald die FINMA den Sanierungsplan genehmigt hat, ist das Versicherungsunternehmen zur Anfechtung von Rechtsgeschäften nach den Artikeln 285–292 SchKG98 befugt. 2 Schliesst der Sanierungsplan für das Versicherungsunternehmen die Anfechtung von Rechtsgeschäften aus, so ist jede Gläubigerin und jeder Gläubiger zur Anfechtung in dem Umfang berechtigt, in dem der Sanierungsplan in ihre oder seine Rechte eingreift. 3 Die Anfechtung nach den Artikeln 285–292 SchKG ist ausgeschlossen gegen Rechtshandlungen, mit denen ein von der FINMA genehmigter Sanierungsplan ausgeführt wird. 4 Massgebend für die Berechnung der Fristen nach den Artikeln 286–288 SchKG ist anstelle des Zeitpunkts der Konkurseröffnung der Zeitpunkt der Genehmigung des Sanierungsplans. Hat die FINMA vorher eine Schutzmassnahme nach Artikel 51 Absatz 2 Buchstaben a, b, d, e oder i verfügt, so gilt der Zeitpunkt des Erlasses dieser Verfügung als massgebend. 5 Das Anfechtungsrecht verjährt drei Jahre nach der Genehmigung des Sanierungsplans. 6 Für die Geltendmachung von Verantwortlichkeitsansprüchen nach den Artikeln 752–760 OR99 gelten die Absätze 1–3 sinngemäss.
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