Bundesgesetz
über die Ausländerinnen und Ausländer
und über die Integration
(Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG)1

1 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 16. Dez. 2016 (Integration), in Kraft seit 1. Jan. 2019 (AS 2017 6521, 2018 3171; BBl 2013 2397, 2016 2821).


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Art. 76a Haft im Rahmen des Dublin-Verfahrens 207

1 Die zu­stän­di­ge Be­hör­de kann die be­trof­fe­ne aus­län­di­sche Per­son zur Si­cher­stel­lung der Weg­wei­sung in den für das Asyl­ver­fah­ren zu­stän­di­gen Du­blin-Staat in Haft neh­men, wenn im Ein­zel­fall:

a.
kon­kre­te An­zei­chen be­fürch­ten las­sen, dass die Per­son sich der Durch­füh­rung der Weg­wei­sung ent­zie­hen will;
b.
die Haft ver­hält­nis­mäs­sig ist; und
c.
sich we­ni­ger ein­schnei­den­de Mass­nah­men nicht wirk­sam an­wen­den las­sen (Art. 28 Abs. 2 der Ver­ord­nung [EU] Nr. 604/2013208).

2 Fol­gen­de kon­kre­te An­zei­chen las­sen be­fürch­ten, dass sich die be­trof­fe­ne Per­son der Durch­füh­rung der Weg­wei­sung ent­zie­hen will:

a.
Die be­trof­fe­ne Per­son miss­ach­tet im Asyl- oder Weg­wei­sungs­ver­fah­ren An­ord­nun­gen der Be­hör­den, ins­be­son­de­re in­dem sie sich wei­gert, ih­re Iden­ti­tät of­fen­zu­le­gen, und da­mit ih­rer Mit­wir­kungs­pflicht nach Ar­ti­kel 8 Ab­satz 1 Buch­sta­be a AsylG209 nicht nach­kommt oder wie­der­holt ei­ner Vor­la­dung oh­ne aus­rei­chen­de Grün­de nicht Fol­ge leis­tet.
b.
Ihr Ver­hal­ten in der Schweiz oder im Aus­land lässt dar­auf schlies­sen, dass sie sich be­hörd­li­chen An­ord­nun­gen wi­der­setzt.
c.
Sie reicht meh­re­re Asyl­ge­su­che un­ter ver­schie­de­nen Iden­ti­tä­ten ein.
d.
Sie ver­lässt ein ihr zu­ge­wie­se­nes Ge­biet oder be­tritt ein ihr ver­bo­te­nes Ge­biet nach Ar­ti­kel 74.
e.
Sie be­tritt trotz Ein­rei­se­ver­bot das Ge­biet der Schweiz und kann nicht so­fort weg­ge­wie­sen wer­den.
f.
Sie hält sich rechts­wid­rig in der Schweiz auf, reicht ein Asyl­ge­such ein und bezweckt da­mit of­fen­sicht­lich, den dro­hen­den Voll­zug ei­ner Weg­wei­sung zu ver­mei­den.
g.
Sie be­droht Per­so­nen ernst­haft oder ge­fähr­det die­se er­heb­lich an Leib und Le­ben und wird des­halb straf­recht­lich ver­folgt oder ist des­halb ver­ur­teilt wor­den.
h.
Sie ist we­gen ei­nes Ver­bre­chens ver­ur­teilt wor­den.
i.
Sie ver­neint der zu­stän­di­gen Be­hör­de ge­gen­über, dass sie in ei­nem Du­blin-Staat einen Auf­ent­halts­ti­tel be­zie­hungs­wei­se ein Vi­sum be­sitzt oder be­ses­sen oder ein Asyl­ge­such ein­ge­reicht hat;
j.210
Sie ge­fähr­det Er­kennt­nis­sen von fed­pol oder des NDB zu­fol­ge die in­ne­re oder äus­se­re Si­cher­heit der Schweiz.

3 Die be­trof­fe­ne Per­son kann in Haft be­las­sen oder in Haft ge­nom­men wer­den ab Haft­an­ord­nung für die Dau­er von höchs­tens:

a.
sie­ben Wo­chen wäh­rend der Vor­be­rei­tung des Ent­schei­des über die Zu­stän­dig­keit für das Asyl­ge­such; da­zu ge­hört die Stel­lung des Über­nah­me­er­su­chens an den an­de­ren Du­blin-Staat, die War­te­frist bis zur Ant­wort oder bis zur still­schwei­gen­den An­nah­me so­wie die Ab­fas­sung des Ent­schei­des und des­sen Er­öff­nung;
b.
fünf Wo­chen wäh­rend ei­nes Ver­fah­rens ge­mä­ss Ar­ti­kel 5 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 1560/2003211;
c.
sechs Wo­chen zur Si­cher­stel­lung des Voll­zugs zwi­schen der Er­öff­nung des Weg- oder Aus­wei­sungs­ent­schei­des be­zie­hungs­wei­se nach Be­en­di­gung der auf­schie­ben­den Wir­kung ei­nes all­fäl­lig ein­ge­reich­ten Rechts­mit­tels ge­gen einen ers­tin­stanz­lich er­gan­ge­nen Weg- oder Aus­wei­sungs­ent­scheid und der Über­stel­lung der be­trof­fe­nen Per­son an den zu­stän­di­gen Du­blin-Staat.

4 Wei­gert sich ei­ne Per­son, ein Trans­port­mit­tel zur Durch­füh­rung der Über­stel­lung in den zu­stän­di­gen Du­blin-Staat zu be­stei­gen, oder ver­hin­dert sie auf ei­ne an­de­re Art und Wei­se durch ihr per­sön­li­ches Ver­hal­ten die Über­stel­lung, so kann sie, um die Über­stel­lung si­cher­zu­stel­len, in Haft ge­nom­men wer­den, so­fern die An­ord­nung der Haft nach Ab­satz 3 Buch­sta­be c nicht mehr mög­lich ist und ei­ne we­ni­ger ein­schnei­den­de Mass­nah­me nicht zum Ziel führt. Die Haft darf nur so lan­ge dau­ern, bis die er­neu­te Über­stel­lung mög­lich ist, je­doch höchs­tens sechs Wo­chen. Sie kann mit Zu­stim­mung der rich­ter­li­chen Be­hör­de ver­län­gert wer­den, so­fern die be­trof­fe­ne Per­son wei­ter­hin nicht be­reit ist, ihr Ver­hal­ten zu än­dern. Die Höchst­dau­er die­ser Haft be­trägt drei Mo­na­te.

5 Die Haft­ta­ge sind an die Höchst­dau­er nach Ar­ti­kel 79 an­zu­rech­nen.

207 Ein­ge­fügt durch An­hang Ziff. I 1 des BB vom 26. Sept. 2014 (Über­nah­me der V[EU] Nr. 604/2013 zur Fest­le­gung der Kri­te­ri­en und Ver­fah­ren zur Be­stim­mung des Mit­glied­staats, der für die Prü­fung ei­nes An­trags auf in­ter­na­tio­na­len Schutz zu­stän­dig ist), in Kraft seit 1. Ju­li 2015 (AS 2015 1841; BBl 2014 2675).

208 Sie­he Fuss­no­te zu Art. 64a Abs. 1.

209 SR 142.31

210 Ein­ge­fügt durch Ziff. I 2 des BG vom 25. Sept. 2020 über po­li­zei­li­che Mass­nah­men zur Be­kämp­fung von Ter­ro­ris­mus, in Kraft seit 1. Ju­ni 2022 (AS 2021 565; 2022 300; BBl 2019 4751).

211 Ver­ord­nung (EG) Nr. 1560/2003 der Kom­mis­si­on vom 2. Sept. 2003 mit Durch­füh­rungs­be­stim­mun­gen zur Ver­ord­nung (EG) Nr. 343/2003 des Ra­tes zur Fest­le­gung der Kri­te­ri­en und Ver­fah­ren zur Be­stim­mung des Mit­glied­staats, der für die Prü­fung ei­nes von ei­nem Dritt­staats­an­ge­hö­ri­gen in ei­nem Mit­glied­staat ge­stell­ten Asy­lan­trags zu­stän­dig ist, ABl. L 222 vom 5.9.2003, S. 3.

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