Bundesgesetz
über die obligatorische Arbeitslosenver­sicherung
und die Insolvenzentschädigung
(Arbeitslosenversicherungsgesetz, AVIG)

vom 25. Juni 1982 (Stand am 1. Januar 2023)


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Art. 17 Pflichten des Versicherten und Kontrollvorschriften 69

1 Der Ver­si­cher­te, der Ver­si­che­rungs­leis­tun­gen be­an­spru­chen will, muss mit Un­ter­stüt­zung des zu­stän­di­gen Ar­beitsam­tes al­les Zu­mut­ba­re un­ter­neh­men, um Ar­beits­­lo­sig­keit zu ver­mei­den oder zu ver­kür­zen. Ins­be­son­de­re ist er ver­pflich­tet, Ar­beit zu su­chen, nö­ti­gen­falls auch aus­ser­halb sei­nes bis­he­ri­gen Be­ru­fes. Er muss sei­ne Be­mü­hun­gen nach­wei­sen kön­nen.

2 Die ver­si­cher­te Per­son muss sich mög­lichst früh­zei­tig, spä­tes­tens je­doch am ers­ten Tag, für den sie Ar­beits­lo­sen­ent­schä­di­gung be­an­sprucht, per­sön­lich zur Ar­beits­ver­mitt­lung an­mel­den und von da an die Kon­troll­vor­schrif­ten des Bun­des­ra­tes be­fol­gen.70

2bis Die An­mel­dung zur Ar­beits­ver­mitt­lung wird durch die zu­stän­di­gen Be­hör­den nach den Ar­ti­keln 85 und 85b be­ar­bei­tet.71

3 Der Ver­si­cher­te muss ei­ne ver­mit­tel­te zu­mut­ba­re Ar­beit an­neh­men. Er hat auf Wei­sung der zu­stän­di­gen Amts­stel­le:

a.72
an ar­beits­markt­li­chen Mass­nah­men teil­zu­neh­men, die sei­ne Ver­mitt­lungs­fä­hig­keit för­dern;
b.73
an Be­ra­tungs­ge­sprä­chen und In­for­ma­ti­ons­ver­an­stal­tun­gen so­wie an Fach­­be­ra­tungs­ge­sprä­chen nach Ab­satz 5 teil­zu­neh­men; und
c.
die Un­ter­la­gen für die Be­ur­tei­lung sei­ner Ver­mitt­lungs­fä­hig­keit oder der Zu­mut­bar­keit ei­ner Ar­beit zu lie­fern.

4 Der Bun­des­rat kann äl­te­re ver­si­cher­te Lang­zeit­ar­beits­lo­se teil­wei­se von den Ver­si­cher­ten­pflich­ten ent­bin­den.

5 Das Ar­beitsamt kann in Ein­zel­fäl­len ei­ne ver­si­cher­te Per­son ei­ner ge­eig­ne­ten öf­fent­li­chen oder ge­mein­nüt­zi­gen Ein­rich­tung zur be­ruf­li­chen, so­zia­len, mi­gra­ti­onss­pe­zi­fi­schen oder psy­cho­lo­gi­schen Fach­be­ra­tung zu­wei­sen, so­fern sich die­se Mass­nah­me auf­grund er­folg­ter Ab­klä­run­gen als sinn­voll er­weist. Die­se Ein­rich­tun­gen er­hal­ten da­für ei­ne von der Aus­gleichs­stel­le fest­zu­le­gen­de Ent­schä­di­gung.74

69Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I des BG vom 23. Ju­ni 1995, in Kraft seit 1. Jan. 1996 (AS 1996 273; BBl 1994 I 340).

70 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I des BG vom 19. Ju­ni 2020, in Kraft seit 1. Ju­li 2021 (AS 2021 338; BBl 2019 4413).

71 Ein­ge­fügt durch Ziff. I des BG vom 19. Ju­ni 2020, in Kraft seit 1. Ju­li 2021 (AS 2021 338; BBl 2019 4413).

72 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I des BG vom 22. März 2002, in Kraft seit 1. Ju­li 2003 (AS 2003 1728; BBl 2001 2245).

73 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I des BG vom 22. März 2002, in Kraft seit 1. Ju­li 2003 (AS 2003 1728; BBl 2001 2245).

74 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. 6 des BG vom 16. Dez. 2016 (In­te­gra­ti­on), in Kraft seit 1. Jan. 2019 (AS 2017 6521, 2018 3171; BBl 2013 2397, 2016 2821).

BGE

111 V 279 () from 19. August 1985
Regeste: Art. 68 Abs. 1 AVIG, Art. 129 Abs. 1 lit. c OG. Art. 68 Abs. 1 AVIG räumt einen Anspruch auf Beiträge ein, weshalb die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht ausgeschlossen ist (Erw. 2). Art. 71 Abs. 2 AVIG, Art. 94 AVIV: Finanzielle Einbusse bei Aufnahme einer Arbeit ausserhalb der Wohnortsregion. - Die Regelung in Art. 71 Abs. 2 AVIG ist nicht lückenhaft (Erw. 4). - Art. 94 AVIV ist gesetzmässig; ob dem Versicherten durch Aufnahme einer auswärtigen Arbeit im Vergleich zu seiner bisherigen Tätigkeit eine finanzielle Einbusse entsteht, bemisst sich aufgrund einer Gegenüberstellung der tatsächlich erzielten Verdienste (Erw. 5).

112 V 136 () from 24. Januar 1986
Regeste: Art. 15 Abs. 1, Art. 81 Abs. 2 lit. a, Art. 85 Abs. 1 lit. d und e AVIG, Art. 14 Abs. 1 AVIV: Vermittlungsfähigkeit. - Ist die Kasse im Zweifel über die Berechnungsart der Entschädigung und hat sie den Fall deshalb der zuständigen kantonalen Amtsstelle zum Entscheid unterbreitet, so hat diese von Amtes wegen zu prüfen, ob der Versicherte die Voraussetzungen des Anspruchs auf Arbeitslosenentschädigung erfüllt, insbesondere ob er vermittlungsfähig ist (Erw. 2). - Begriff der Vermittlungsfähigkeit; Fall eines Versicherten, der teilzeitlich eine selbständige Erwerbstätigkeit ausübt (Erw. 3).

112 V 215 () from 14. April 1986
Regeste: Art. 15 Abs. 1, Art. 17 Abs. 1 AVIG: Vermittlungsfähigkeit. - Begriff der Vermittlungsfähigkeit; Fall eines Versicherten, dem bei der Auswahl des Arbeitsplatzes so enge Grenzen gesetzt sind, dass das Finden einer Stelle sehr ungewiss ist. - Für die Beurteilung der Frage, ob sich ein Versicherter genügend um zumutbare Arbeit bemüht hat, ist nicht nur die Quantität, sondern auch die Qualität seiner Bewerbungen von Bedeutung. - Fortdauernd ungenügende Bemühungen oder eine wiederholte Ablehnung zumutbarer Arbeit können zur Annahme von Vermittlungsunfähigkeit führen, ebenso die Beschränkung der Bewerbungen auf einen Erwerbszweig, in welchem der Arbeitslose aufgrund der konkreten Umstände nur eine minimale Chance auf eine Anstellung hat.

112 V 326 () from 7. Oktober 1986
Regeste: Art. 15 Abs. 1, Art. 17 Abs. 1 AVIG: Vermittlungsfähigkeit bei Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit? - Vermittlungsunfähigkeit liegt unter anderem vor, wenn der Versicherte nicht bereit oder in der Lage ist, eine Arbeitnehmertätigkeit auszuüben, weil er eine selbständige Erwerbstätigkeit aufgenommen hat oder aufzunehmen gedenkt, sofern er dadurch nicht mehr als Arbeitnehmer vermittelt werden bzw. seine Arbeitskraft in dieser Eigenschaft nicht so einsetzen kann oder will, wie es ein Arbeitgeber normalerweise verlangt (Erw. 1a). - Die Bereitschaft zur Aufnahme lediglich selbständiger Erwerbstätigkeit schliesst die Vermittlungsfähigkeit grundsätzlich aus. Die Bemühungen um den Aufbau eines eigenen Geschäfts stellen keine Arbeitssuche im Sinne von Art. 17 Abs. 1 AVIG dar (Erw. 3a und d).

114 V 350 () from 15. August 1988
Regeste: Art. 30 Abs. 3 AVIG, Art. 45 Abs. 1 AVIV: Einstellung in der Anspruchsberechtigung. - Eine Einstellung kann auch nach Ablauf der Vollstreckungsfrist von sechs Monaten verfügt werden, sofern die Einstellungstage bereits während dieser Frist bestanden wurden und damit der Vollzug der Einstellung rechtzeitig innerhalb der Verwirkungsfrist von sechs Monaten erfolgte (Bestätigung der Rechtsprechung; Erw. 2b). - Die Einstellungsfrist von sechs Monaten beginnt unabhängig davon zu laufen, ob der Versicherte in diesem Zeitpunkt die Anspruchsvoraussetzungen für Arbeitslosenentschädigung erfüllt (Erw. 2c).

117 V 244 () from 26. August 1991
Regeste: Art. 28 Abs. 1 und 3 AVIG, Art. 42 Abs. 1 und 2 AVIV. Art. 42 Abs. 1 AVIV ist gesetzmässig. Die einwöchige Frist zur Meldung der Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit, Unfall oder Mutterschaft ist eine Verwirkungsfrist mit der Folge, dass der Arbeitslose bei verspäteter Meldung - sofern dafür kein entschuldbarer Grund vorliegt - keinen Taggeldanspruch für die Tage vor der Meldung hat.

120 V 74 () from 21. Februar 1994
Regeste: Art. 17 und 30 Abs. 1 lit. c AVIG, Art. 20 Abs. 1 AVIV. - Die Auflage an einen Versicherten, die erfolgten Stellenbewerbungen auf dem Formular "Nachweis der persönlichen Arbeitsbemühungen" nicht mittels Firmenstempel, sondern handschriftlich nachzuweisen, verbunden mit der generellen Androhung, dass er widrigenfalls in der Anspruchsberechtigung eingestellt werde, verletzt Bundesrecht (Erw. 3). - Ob das blosse Anbringen von Firmenstempeln auf dem Nachweisformular mit dem Erfordernis der Qualität der Stellenbewerbungen vereinbar ist, beurteilt sich aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalles (Erw. 4).

120 V 233 () from 31. Mai 1994
Regeste: Art. 24 AVIG in der seit 1. Januar 1992 gültigen Fassung, Art. 24 und Art. 25 AVIG in der bis 31. Dezember 1991 gültig gewesenen Fassung, Art. 16 und Art. 18 AVIG. - Sämtliche Formen unselbständiger Erwerbstätigkeit, welche bisher unter die verschiedenen Bemessungsnormen oder -grundsätze der Teilzeitarbeit (Art. 18 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 22 ff. AVIG), des Zwischenverdienstes (alt Art. 24 AVIG) und der Ersatzarbeit (alt Art. 25 AVIG) subsumiert wurden, sind Gegenstand des revidierten Art. 24 AVIG (Erw. 5b). - Der Versicherte hat so lange Anspruch auf Ersatz des Verdienstausfalles nach Art. 24 Abs. 1 bis 3 AVIG, als er in der fraglichen Kontrollperiode nicht eine zumutbare Arbeit im Sinne von Art. 16 AVIG aufnimmt. An den übrigen von der Rechtsprechung aufgestellten Erfordernissen für das Vorliegen von Zwischenverdienstarbeit (Vorläufigkeit, Übergangscharakter, leichte Auflösbarkeit) ist nicht mehr festzuhalten (Erw. 5c; Änderung der Rechtsprechung). - Nimmt der Versicherte während der streitigen Kontrollperiode eine - insbesondere lohnmässig - zumutbare Arbeit auf, mithin eine Tätigkeit, die ihm ein Einkommen verschafft, welches zumindest dem Betrag der Arbeitslosenentschädigung entspricht, bleibt für die Annahme eines Zwischenverdienstes kein Raum (Erw. 5c). - Allfällige Ersatzeinkommen sind entgegen Rz. 188 des BIGA-Kreisschreibens über die Arbeitslosenentschädigung nicht zu berücksichtigen. Hingegen ist das in der genannten Rz. erwähnte Erfordernis des Mindestarbeitsausfalles insofern gesetzmässig, als Tätigkeiten geringeren Arbeitsausfalls unter Art. 24 Abs. 4 AVIG zu subsumieren sind (Erw. 5c). - Die Frage der - lohnmässigen - Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit beurteilt sich nur in bezug auf ein Arbeitsverhältnis (Erw. 5d). - Das in Art. 24 Abs. 3 AVIG erwähnte Erfordernis der Berufs- und Ortsüblichkeit muss auch für die Ersatzarbeit gemäss Art. 24 Abs. 4 AVIG gelten. Die Nichteinhaltung des Kriteriums der Berufs- und Ortsüblichkeit führt aber weder im Bereich von Art. 24 Abs. 1 bis 3 AVIG noch nach Art. 24 Abs. 4 AVIG zum Dahinfallen des Anspruchs auf Differenzausgleich. Vielmehr wird der vom Versicherten erzielte effektive Lohn in masslicher Hinsicht bis zu dem als berufs- und ortsüblich zu qualifizierenden Ansatz angehoben, und es erfolgt nur auf dieser Grundlage ein Differenzausgleich (Erw. 5e). - Ist der Versicherte im Verlaufe einer Kontrollperiode durch Ausübung einer oder mehrerer Tätigkeiten in zeitlicher Hinsicht über eine Vollzeitbeschäftigung hinaus erwerbstätig, sind jene Einkünfte, die er aus dem über das normale Arbeitnehmerpensum hinausgehenden Einsatz erzielt, bei der Anwendung der Zwischenverdienstregelung unbeachtlich (Erw. 5f).

120 V 502 () from 15. November 1994
Regeste: Art. 24 AVIG, in Kraft seit 1. Januar 1992, Art. 24 und 25 AVIG in der bis 31. Dezember 1991 gültigen Fassung, Art. 16 und 18 AVIG. - Begriff des Zwischenverdienstes (altes und neues Recht). - Anwendungsfall (Erw. 9).

121 V 58 () from 31. März 1995
Regeste: Art. 17 Abs. 3, Art. 30 Abs. 1 lit. d und Art. 60 Abs. 1 lit. c AVIG: Einstellung in der Anspruchsberechtigung. Eine Einstellung in der Anspruchsberechtigung kann nicht in Anwendung von Art. 30 Abs. 1 lit. d AVIG ausgesprochen werden, wenn der Versicherte aus einem Kurs gewiesen wird, den er aus eigenem Antrieb und mit Zustimmung der kantonalen Amtsstelle besucht hat.

121 V 336 () from 28. Dezember 1995
Regeste: Art. 8 Abs. 1, Art. 10 Abs. 2, Art. 11 Abs. 1, Art. 13 AVIG. Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung bei gewünschter Erweiterung einer Teilzeitbeschäftigung. Art. 14 Abs. 1 und 2 AVIG. Befreiung von der Erfüllung der Beitragszeit verneint, mangels eines Kausalzusammenhangs zwischen dem Befreiungsgrund und der Notwendigkeit der Erweiterung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit.

121 V 345 () from 19. Dezember 1995
Regeste: Art. 18 Abs. 1, Art. 19 und 21 AVIG. Im Kanton Solothurn haben Arbeitslose an Oster- und Pfingstmontag Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung.

121 V 377 () from 27. November 1995
Regeste: Art. 51 und 52 Abs. 1 AVIG: Insolvenzentschädigung. Die Insolvenzentschädigung deckt weder Ansprüche aus fristloser und ungerechtfertigter Entlassung des Arbeitnehmers noch solche bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses zur Unzeit, wenn der Arbeitnehmer keine Arbeit geleistet hat.

122 V 34 () from 24. Januar 1996
Regeste: Art. 16 Abs. 1bis AVIG, Art. 30 Abs. 1 lit. d AVIG (in der bis 31. Dezember 1995 gültig gewesenen Fassung). Zum Gegenstand der Einstellung in der Anspruchsberechtigung bei Ablehnung einer Zwischenverdienstarbeit. Art. 30 AVIG (in der bis 31. Dezember 1995 gültig gewesenen Fassung); Art. 103 Abs. 4 AVIG, Art. 114 Abs. 1 OG, Art. 103 Abs. 6 AVIG, Art. 4 Abs. 1 BV. Streitgegenstand bei Anfechtung von Einstellungsverfügungen. Richterliche Überprüfungsbefugnis. Präzisierung der Rechtsprechung.

122 V 249 () from 10. Juli 1996
Regeste: Art. 8 Abs. 1 lit. e, Art. 9 Abs. 3, Art. 13 Abs. 1, Art. 16 Abs. 1bis, Art. 23 Abs. 4, Art. 24 Abs. 1 AVIG, Art. 11 Abs. 1 und 4 AVIV. Rz. 54 des Kreisschreibens des BIGA über die Arbeitslosenentschädigung (KS-ALE; in der ab 1. Januar 1992 gültigen Fassung), wonach bei der Ermittlung der Beitragszeit bei Erzielung eines Zwischenverdienstes nur die einzelnen Tage, an welchen der Versicherte effektiv zum Einsatz gelangte, und nicht die gesamte Dauer der beitragspflichtigen Arbeitnehmerbeschäftigung zu berücksichtigen sind, ist gesetzeswidrig.

122 V 256 () from 17. Mai 1996
Regeste: Art. 8 Abs. 1 lit. e,Art. 9 Abs. 3, Art. 13 Abs. 1 AVIG, Art. 11 Abs. 1 und 2 AVIV. - Eine Aufrundung der als Beitragszeit anrechenbaren Kalendertage auf die gesetzliche Mindestbeitragszeit fällt auch dann nicht in Betracht, wenn diese nur um den Bruchteil eines Tages nicht erreicht wird. - Umrechnung von Beschäftigungstagen in Kalendertage. Ermittlung des Umrechnungsfaktors.

122 V 435 () from 22. November 1996
Regeste: Art. 17 Abs. 2 AVIG, Art. 27 Abs. 1 AVIV. Art. 27 Abs. 1 AVIV ist gesetz- und verfassungswidrig. Der Anspruch auf kontrollfreie Tage ist nicht aufgrund bezogener Taggelder, sondern aufgrund einer zeitmässigen Berechnung, nach Massgabe der Tage zurückgelegter Arbeitslosigkeit, zu bestimmen.

124 V 215 () from 27. April 1998
Regeste: Art. 8 Abs. 1 lit. g in Verbindung mit Art. 17 AVIG und Art. 18 ff. AVIV, insbesondere Art. 19 Abs. 4 AVIV (in den bis 31. Dezember 1995 resp. 1996 gültig gewesenen Fassungen); Art. 4 Abs. 1 BV. Nichtbefolgung der Kontrollvorschriften während eines vom Versicherten eingeleiteten Beschwerdeverfahrens nach aus andern Gründen erfolgter Ablehnung der Taggeldbezugsberechtigung. Berufung auf den öffentlichrechtlichen Vertrauensschutz. Auslegung der Informationspflichten im Lichte von Treu und Glauben. Nachträgliche Befreiung von der Kontrollpflicht aufgrund besonderer Verhältnisse, z.B. mit Blick auf im Anspruchszeitraum in Betracht gefallene Präventivmassnahmen.

125 V 197 () from 19. April 1999
Regeste: Art. 30 Abs. 1 lit. d, Art. 72 Abs. 1 und Art. 75 Abs. 1 AVIG; Art. 97 Abs. 1 lit. b AVIV: Sanktion bei Verweigerung der Teilnahme an einem Beschäftigungsprogramm. Die für den Fall der Ablehnung einer Zwischenverdienstarbeit geltende Rechtsprechung, wonach die Einstellung in der Anspruchsberechtigung lediglich die Differenz zwischen dem Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung und demjenigen auf Kompensationszahlung betrifft (BGE 122 V 34), ist nicht übertragbar auf den Fall von Versicherten, welche die Teilnahme an einem Beschäftigungsprogramm verweigern.

125 V 362 () from 21. Juni 1999
Regeste: Art. 30a Abs. 1, Art. 85 Abs. 1 lit. i und Art. 85b Abs. 1 AVIG: Verfügungskompetenz der regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV). Übertragung einer Aufgabe der kantonalen Amtsstelle (Entzug des Leistungsanspruchs gemäss Art. 30a Abs. 1 AVIG) auf das RAV. Art. 16 Abs. 2 lit. i, Art. 24 Abs. 2, Art. 30a Abs. 1 und Art. 72 Abs. 1 AVIG: Zwischenverdienst; wiederholte Widersetzlichkeit gegen die Teilnahme an einer arbeitsmarktlichen Massnahme; Entzug des Leistungsanspruchs. Widersetzt sich ein Versicherter, welcher eine Zwischenverdiensttätigkeit ausübt, wiederholt der Teilnahme an einem Beschäftigungsprogramm, so besteht kein Raum für den Entzug des Leistungsanspruchs. Denn der Ausübung einer ausgleichsberechtigenden Zwischenverdienstarbeit kommt Priorität vor einer vorübergehenden Beschäftigung im Sinne von Art. 72 Abs. 1 AVIG zu.

125 V 492 () from 15. Juni 1999
Regeste: Art. 51 Abs. 1 und Art. 52 Abs. 1 AVIG: Anspruch auf Insolvenzentschädigung bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit des Versicherten. Der Anspruch auf Insolvenzentschädigung setzt eine Lohnforderung des Versicherten gegenüber dem zahlungsunfähigen Arbeitgeber voraus. Daran fehlt es einem krankheitsbedingt arbeitsunfähigen Versicherten, welcher kein Krankentaggeld beziehen kann, weil es sein Arbeitgeber entgegen der ihm auf Grund eines Gesamtarbeitsvertrages obliegenden Verpflichtung unterlassen hat, ihn gegen dieses Risiko zu versichern; dieser Versicherte verfügt über eine Schadenersatzforderung gegenüber dem Arbeitgeber.

126 V 130 () from 5. Juni 2000
Regeste: Art. 30 Abs. 1 AVIG; Art. 16 Abs. 2 AVIV; Art. 4 aBV; Art. 29 Abs. 2 BV: Rechtliches Gehör. Vor Erlass einer Verfügung über die Einstellung in der Anspruchsberechtigung ist der versicherten Person das rechtliche Gehör zur beabsichtigten Sanktion zu gewähren.

126 V 407 () from 22. September 2000
Regeste: Art. 1 Abs. 3, Art. 55 Abs. 2 und 3 VwVG; Art. 8 Abs. 1 lit. f, Art. 15 Abs. 1 AVIG: Suspensiveffekt. Keine aufschiebende Wirkung von Beschwerden gegen Verfügungen, mit welchen die Vermittlungsfähigkeit verneint wird.

131 V 472 () from 14. September 2005
Regeste: Art. 27 Abs. 2 ATSG: Beratungspflicht der Versicherungsträger. Der Versicherungsträger hat die versicherte Person darauf aufmerksam zu machen, dass ihr Verhalten eine der Voraussetzungen des Leistungsanspruches gefährden kann. (Erw. 4) Folgen der Verletzung der Beratungspflicht. (Erw. 5)

132 V 82 () from 21. November 2005
Regeste: Art. 51 Abs. 1 und Art. 52 Abs. 1, Art. 121 AVIG; Art. 21 und 53 EFTA-Übereinkommen; Art. 8, 16 Abs. 2 und Art. 18 Anhang K des EFTA-Übereinkommens; Art. 1 Abs. 1 Anhang K Anlage 2 des EFTA-Übereinkommens; Art. 4 Abs. 1 Bst. g und Art. 71 Abs. 1 Bst. a Ziff. ii der Verordnung Nr. 1408/71; Art. 9 Abs. 2 Anhang K Anlage 1 des EFTA-Übereinkommens; Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über die Arbeitslosenversicherung: Anspruch einer Grenzgängerin auf Insolvenzentschädigung. Arbeitnehmern, welche in Liechtenstein wohnen und als Grenzgänger in der Schweiz arbeiten, steht, wenn sie vom insolventen Arbeitgeber freigestellt werden und somit vermittlungsfähig sind und die Kontrollvorschriften erfüllen können, für diese Zeit ein Anspruch auf Insolvenzentschädigung weder nach Art. 51 ff. AVIG noch auf Grund des EFTA-Übereinkommens und seiner Anhänge oder des Abkommens zwischen der Schweiz und Liechtenstein über die Arbeitslosenversicherung zu.

133 V 89 () from 28. September 2006
Regeste: Art. 40 und 43 ATSG; Art. 17 Abs. 1 und Art. 30 Abs. 1 lit. c AVIG; Art. 26 Abs. 2bis AVIV: Verspäteter Nachweis der persönlichen Arbeitsbemühungen. Art. 26 Abs. 2bis AVIV ist gesetzmässig (E. 6).

139 V 524 (8C_278/2013) from 22. Oktober 2013
Regeste: Art. 16 Abs. 2 lit. b und d, Art. 17 Abs. 1 und 2, Art. 30 lit. c AVIG; Art. 26 AVIV. Die in Art. 17 Abs. 1 Satz 2 AVIG statuierte Pflicht zur Stellensuche ausserhalb des bisherigen Berufes ist zu Beginn der Stellensuche mit Blick auf Art. 16 Abs. 2 lit. b und d AVIG noch nicht allzu streng zu handhaben, weshalb qualifizierten Berufsleuten in gekündigter Stellung das Recht zuzubilligen ist, ihre persönlichen Bemühungen zunächst auf ihren bisherigen Berufszweig zu beschränken, sofern dieser offene Stellen anbietet (E. 2.1.3). Die Pflicht der Versicherungsleistungen beanspruchenden Person, sich regelmässig um Stellen zu bewerben, ergibt sich für die Zeit vor der Anmeldung bei der Arbeitslosenversicherung nicht aus Art. 26 AVIV, sondern aus der in Art. 17 Abs. 1 AVIG verankerten allgemeinen Schadenminderungspflicht (E. 4).

139 V 579 (9C_337/2013) from 12. November 2013
Regeste: Art. 10 Abs. 1, Art. 23 lit. a und Art. 60 Abs. 2 lit. e BVG; Art. 8 AVIG; Art. 1 Abs. 1 lit. a der Verordnung vom 3. März 1997 über die obligatorische berufliche Vorsorge von arbeitslosen Personen; Anspruch einer nach Anmeldung bei der Arbeitslosenversicherung, aber vor dem Bezug von Taggeldern invalid gewordenen Versicherten auf Invalidenleistungen nach BVG. Die Versicherte, die nach Anmeldung bei der Arbeitslosenversicherung, aber noch vor dem Bezug von Taggeldern infolge einer Erkrankung arbeitsunfähig und später invalid wird, ist bei der Stiftung Auffangeinrichtung BVG für die berufliche Vorsorge versichert, wenn sie die in Art. 8 AVIG aufgezählten Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung erfüllt; sie hat diesfalls Anspruch auf Invalidenleistungen nach BVG (E. 2-4).

142 V 502 (9C_577/2015) from 16. August 2016
Regeste: Art. 16b Abs. 3 EOG; Art. 29 lit. b EOV; Art. 9 Abs. 3 und Art. 9a Abs. 2 AVIG; Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung bei Arbeitslosigkeit. Die für den Bezug eines Taggeldes nach dem AVIG erforderliche Beitragsdauer, deren Erfüllung Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung gibt, wenn die Mutter nicht bis zur Geburt des Kindes Arbeitslosentaggelder bezogen hat (Art. 29 lit. b EOV), muss nicht in jedem Fall während der ordentlichen zweijährigen Rahmenfrist für die Beitragszeit nach Art. 9 Abs. 3 AVIG zurückgelegt worden sein. Bei früher selbständigerwerbenden Müttern, die den seinerzeitigen Wechsel zur selbständigen Erwerbstätigkeit ohne Bezug von Leistungen der Arbeitslosenversicherung vollzogen haben, wird die Rahmenfrist gemäss Art. 9a Abs. 2 AVIG um die Dauer der selbständigen Erwerbstätigkeit, höchstens jedoch um zwei Jahre verlängert (E. 4.3).

143 III 617 (5A_857/2016) from 8. November 2017
Regeste: Art. 9 BV; Art. 179 ZGB; Abänderung des Unterhaltsbeitrages an den Ehegatten für die Dauer des Scheidungsverfahrens; Prozesskostenvorschusspflicht. Abänderungsvoraussetzungen (E. 3.1). Glaubhaftmachen der dauerhaften Veränderung des Einkommens in einem Fall, wo ein unselbstständig erwerbstätiger Ehegatte während des Getrenntlebens seine Stelle verliert und eine selbstständige Erwerbstätigkeit aufnimmt (E. 5). Verhältnis des Anspruchs auf unentgeltliche Rechtspflege im Beschwerdeverfahren zum materiell-rechtlichen Anspruch auf Leistung eines Prozesskostenvorschusses durch Ehegatten (E. 7).

145 V 90 (8C_239/2018) from 12. Februar 2019
Regeste: Art. 17 Abs. 1 AVIG; Art. 26 Abs. 2 AVIV; Art. 39 Abs. 1 ATSG; Einreichung des Nachweises der Arbeitsbemühungen mittels elektronischer Post; Einhaltung der Frist. Die Übermittlung der Liste der Arbeitsbemühungen an die Behörde mittels elektronischer Post ist zulässig. In einem solchen Fall hat der Versicherte zu beweisen, dass die Liste spätestens am letzten Tag der Frist in den Machtbereich der Behörde gelangt ist (E. 2-6).

146 V 112 (8C_778/2019) from 11. März 2020
Regeste: Art. 8 Abs. 1 lit. a und b, Art. 10 Abs. 2 lit. b und Art. 11 AVIG; anrechenbarer Arbeitsausfall. Die Vorgehensweise, den anrechenbaren Arbeitsausfall bei einer Arbeit auf Abruf mit Überbrückungscharakter aufgrund des davor ausgeübten festen Arbeitsverhältnisses (als letztes Arbeitsverhältnis im Sinne von Art. 4 Abs. 1 AVIV) zu bejahen, ist aus gesetzessystematischer Sicht und unter dem Aspekt des Gebots der Gleichbehandlung der Versicherten auf die Dauer einer ersten Leistungsrahmenfrist zu begrenzen (Präzisierung der Rechtsprechung; E. 3-5).

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