Bundesgesetz
über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte
(Anwaltsgesetz, BGFA)

vom 23. Juni 2000 (Stand am 23. Januar 2023)


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Art. 4 Grundsatz der interkantonalen Freizügigkeit

An­wäl­tin­nen und An­wäl­te, die in ei­nem kan­to­na­len An­walts­re­gis­ter ein­ge­tra­gen sind, kön­nen in der Schweiz oh­ne wei­te­re Be­wil­li­gung Par­tei­en vor Ge­richts­be­hör­den ver­tre­ten.

BGE

130 II 87 () from 29. Januar 2004
Regeste: Art. 4-8, 12 sowie 36 BGFA; Eintragung ins kantonale Anwaltsregister, Voraussetzung der anwaltlichen Unabhängigkeit. Gegen letztinstanzliche kantonale Beschlüsse über die Eintragung ins kantonale Anwaltsregister kann der Anwaltsverband des betreffenden Kantons Verwaltungsgerichtsbeschwerde erheben (E. 1). Anwaltstätigkeit im Monopolbereich fällt unter das Grundrecht der Wirtschaftsfreiheit; Verweigerung des Registereintrags (wegen fehlender Unabhängigkeit) tangiert dieses Grundrecht, was bei der Auslegung des Begriffs der Unabhängigkeit zu berücksichtigen ist (E. 3). Unabhängigkeit des Anwalts als weltweit anerkannte Berufspflicht, im Umfeld des (veränderten) Berufsbilds (E. 4.1). Inhalt der Unabhängigkeit (E. 4.2), bundesgerichtliche Rechtsprechung (E. 4.3) und Literatur (E. 4.4) zur Frage der Unabhängigkeit von Anwälten im Angestelltenverhältnis. Entstehungsgeschichte von Art. 8 Abs. 1 lit. d und Art. 8 Abs. 2 BGFA; bei angestellten Anwälten besteht Vermutung für Fehlen der Unabhängigkeit (E. 5.1), die widerlegbar ist (E. 5.2). Verhältnis der gesetzlichen Regelung zum Freizügigkeitsabkommen, keine Inländerdiskriminierung (E. 5.1.2). Voraussetzungen, unter denen ein angestellter Anwalt den Registereintrag beanspruchen kann; Pflicht zur Schaffung klarer Verhältnisse (E. 6). In casu hat der Anwalt ungenügende Angaben zu seinem Angestelltenverhältnis gemacht und die Vermutung des Fehlens der Unabhängigkeit nicht widerlegt (E. 7). Art. 36 BGFA entbindet gegebenenfalls von der Erfüllung der fachlichen, nicht aber der persönlichen Voraussetzungen; bei fehlender Unabhängigkeit kann die Eintragung ins Register nicht übergangsrechtlich beansprucht werden (E. 8).

130 II 270 () from 18. Juni 2004
Regeste: Art. 12 lit. a BGFA; Rechtsmittelweg im Übergangsrecht; Bedeutung von Standesregeln der kantonalen Anwaltsverbände für die Auslegung der Berufsregeln des eidgenössischen Anwaltsgesetzes; Disziplinarverstoss eines Rechtsanwalts durch Betreibung ohne Vorwarnung? Nach Inkrafttreten des eidgenössischen Anwaltsgesetzes ergangene kantonale Disziplinarentscheide können mit eidgenössischer Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden, auch wenn sie sich gemäss dem Prinzip der lex mitior auf kantonales Recht stützen (E. 1). Auf kantonale Standesregeln kann seit Inkrafttreten des eidgenössischen Anwaltsgesetzes nur noch abgestellt werden, soweit sie eine landesweit geltende Auffassung zum Ausdruck bringen (E. 3.1). Durch die Einleitung einer Betreibung ohne vorgängige Androhung verstösst ein Rechtsanwalt nicht gegen das Gebot der sorgfältigen und gewissenhaften Berufsausübung (E. 3.2 und 3.3).

131 II 639 () from 24. August 2005
Regeste: a Art. 5 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 BGFA; Rechtsanwälte können sich nur in das kantonale Anwaltsregister eines einzigen Kantons eintragen lassen. Ein gleichzeitiger Eintrag in verschiedene kantonale Anwaltsregister ist ausgeschlossen. Rechtsanwälte, die über mehrere Geschäftsadressen verfügen, haben sich im Register jenes Kantons eintragen zu lassen, in welchem sie überwiegend tätig sind (E. 3).

134 II 329 (2C_85/2008, 2C_94/2008) from 24. September 2008
Regeste: Art. 2 Abs. 4 und Art. 3 BGBM; Art. 3 BGFA; Art. 18 des Waadtländer Anwaltsgesetzes; Aufnahme in die kantonale Liste der Anwaltskandidaten. Verhältnis zwischen dem BGFA, dessen Art. 3 Abs. 1 das Recht der Kantone, die Anforderungen für den Erwerb des Anwaltspatents festzulegen, vorbehält, und dem Binnenmarktgesetz, welches in Art. 2 Abs. 4 Satz 1 jedermann - unter Vorbehalt der Beschränkungen nach Art. 3 - nach den Vorschriften am Ort der Erstniederlassung freien Zugang zum Markt gewährleistet. Schranken der durch Art. 3 Abs. 1 BGFA vorbehaltenen kantonalen Regelungsbefugnis (E. 5). Prüfung, ob das gegenüber einem Anwalt ausgesprochene Verbot, einen Anwaltskandidaten anzustellen, mit dem Binnenmarktgesetz vereinbar ist. Eine Auslegung des kantonalen Rechts in dem Sinn, dass dieses die Ausübung der Anwaltstätigkeit während fünf Jahren im Kanton verlange, verletzt das Verhältnismässigkeitsprinzip (E. 6). Die in Art. 3 Abs. 4 BGBM vorgesehene Unentgeltlichkeit des Verfahrens gilt nicht für Beschwerdeverfahren (E. 7).

138 II 440 (2C_237/2011) from 7. September 2012
Regeste: Art. 27 BV; Art. 8 Abs. 1 lit. d, Art. 12 lit. b und Art. 13 BGFA; Zulässigkeit körperschaftlich organisierter Anwaltskanzleien. Allgemeine Bedeutung von Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA unter Berücksichtigung von Lehre und Praxis sowie der gesetzgeberischen Entwicklungen in der Schweiz und im Ausland (E. 3-12). Tragweite der Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV) und der institutionellen Unabhängigkeit (Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA) mit Bezug auf Anwaltskörperschaften (E. 13-22). Die institutionelle Unabhängigkeit ist gewahrt, wenn eine Anwaltskörperschaft vollständig durch registrierte Anwälte beherrscht wird (E. 17); Frage offengelassen hinsichtlich Multidisciplinary Partnerships (E. 23). Vereinbarkeit von Anwaltskörperschaften mit der Berufsausübung unter eigener fachlicher Verantwortung gemäss Art. 12 lit. b BGFA (E. 19) und dem Berufsgeheimnis des Art. 13 BGFA (E. 20). Vorkehren zur Wahrung der Unabhängigkeit in der zu beurteilenden Anwalts-AG (E. 23).

144 II 147 (2C_1054/2016, 2C_1059/2016) from 15. Dezember 2017
Regeste: Art. 27 BV; Art. 321 StGB; Art. 8 Abs. 1 lit. d, Art. 12 lit. b und Art. 13 BGFA; Art. 2 Abs. 4 und Abs. 6 sowie Art. 3 BGBM; Zulässigkeit einer Anwaltskanzlei in der Form einer juristischen Person, wenn einer der Teilhaber, der Anteilsrechte hält und im Verwaltungsrat über einen Sitz verfügt, nicht im kantonalen Anwaltsregister eingetragen ist. Verhältnis zwischen BGFA und BGBM. Soweit das BGFA in seinem gesamten räumlichen Geltungsbereich einheitlich zur Anwendung gelangt (Art. 4-8 BGFA), ist das BGBM grundsätzlich nicht anwendbar. Ausnahme von diesem Grundsatz im Falle unterschiedlicher kantonaler Interpretationen des BGFA im Zusammenhang mit dem Recht auf Marktzugang gemäss Art. 2 Abs. 4 und Art. 2 Abs. 6 BGBM (E. 4.2). Fall einer Unternehmung, der gestützt auf eine vom Kanton der Erstniederlassung abweichende Auslegung von Bundesrecht das Recht auf Niederlassung in einem anderen Kanton verweigert wird. Prüfung unter dem Gesichtswinkel von Art. 2 Abs. 4 BGBM und nicht von Art. 2 Abs. 6 BGBM (E. 4.4). Zusammenfassung der Rechtsprechung zu Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA (E. 5.2). Überblick über die Lehrmeinungen zur Frage der Zulässigkeit einer Anwaltskanzlei in der Form einer juristischen Person, wenn einer der Teilhaber, der Anteilsrechte hält und/oder im Verwaltungsrat der Gesellschaft Einsitz hat, nicht im kantonalen Anwaltsregister eingetragen ist (E. 5.3.1). Die Frage ist mit Blick auf das BGFA zu verneinen (E. 5.3.2). Eine solche Struktur gefährdet ebenfalls das anwaltliche Berufsgeheimnis (E. 5.3.3). Keine Anwendung von Art. 3 BGBM, wenn sich die Einschränkung auf Bundesrecht stützt (E. 6). Vereinbarkeit der Verweigerung der Zulassung mit der Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV; E. 7).

145 II 229 (2C_1083/2017) from 4. Juni 2019
Regeste: Art. 27 BV; Art. 5 Abs. 2 lit. d, Art. 8 Abs. 1 lit. d und Art. 13 BGFA; Eintragung der Geschäftsadresse eines Anwalts bei einer Aktiengesellschaft, die als Plattform für Anwälte fungiert; strukturelle Unabhängigkeit; Risiko der Irreführung; Berufsgeheimnis; Begriff der Hilfsperson; Geschäftsadresse; neue Technologien. Eintragung der Geschäftsadresse eines Anwalts bei einer Aktiengesellschaft, deren Zweck darin besteht, als Plattform für unabhängige Anwälte zu fungieren und ihnen ein Geschäftsdomizil und/oder Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Benutzung der Räumlichkeiten anzubieten. Prüfung der Vereinbarkeit dieser Art der Ausübung des Anwaltsberufs mit dem Erfordernis der strukturellen Unabhängigkeit (E. 6) und der Wahrung des Berufsgeheimnisses (E. 7). Anforderungen an die Geschäftsadresse, namentlich mit Blick auf das Fehlen eines zugeteilten Büros in den Räumlichkeiten der Gesellschaft (E. 8). Verpflichtung, im konkreten Fall Anpassungen vorzunehmen, um an der gewünschten Geschäftsadresse praktizieren zu können. Diese Massnahmen stellen Einschränkungen der Wirtschaftsfreiheit dar, die die Voraussetzungen von Art. 36 BV erfüllen (E. 9).

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