Bundesgesetz
über das Bundesgericht
(Bundesgerichtsgesetz, BGG)

vom 17. Juni 2005 (Stand am 1. Januar 2022)


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Art. 110 Beurteilung durch richterliche Behörde

So­weit die Kan­to­ne nach die­sem Ge­setz als letz­te kan­to­na­le In­stanz ein Ge­richt ein­zu­set­zen ha­ben, ge­währ­leis­ten sie, dass die­ses selbst oder ei­ne vor­gän­gig zu­stän­di­ge an­de­re rich­ter­li­che Be­hör­de den Sach­ver­halt frei prüft und das mass­ge­ben­de Recht von Am­tes we­gen an­wen­det.

BGE

133 III 634 (4A_232/2007) from 2. Oktober 2007
Regeste: Voraussetzungen, unter denen die Beschwerde in Zivilsachen gegen Zwischenentscheide der über die Nichtigkeitsbeschwerde gemäss nationalem Schiedsverfahren urteilenden Behörde zulässig ist (Art. 36 ff. KSG; Art. 93 Abs. 1 BGG). Ein Zwischenentscheid, der nicht die Zuständigkeit oder ein Ausstandsbegehren betrifft, kann nur nach Massgabe von Art. 93 Abs. 1 BGG Gegenstand einer Beschwerde in Zivilsachen bilden. Da die Nichtigkeitsbeschwerde in einem nationalen Schiedsverfahren kassatorischer Natur ist, kann das Bundesgericht bei Gutheissung der Beschwerde nur einen Endentscheid herbeiführen, wenn die für die Nichtigkeitsbeschwerde zuständige Behörde selbst hätte entscheiden können oder das Schiedsurteil von der Gutheissung nicht betroffen ist (E. 1.1 und 1.2).

134 II 318 (2C_443/2007) from 28. Juli 2008
Regeste: Art. 112 DBG, Art. 98a OG, Art. 86 Abs. 2 und Art. 130 Abs. 3 BGG; Amtshilfe anderer Behörden zugunsten der Steuerbehörden; Verfahren; Zuständigkeit; Tragweite der Pflicht zur Amtshilfe. Überblick über die Rechtsprechung zur Zuständigkeit von Behörden zur Prüfung von Ersuchen um Amtshilfe zugunsten der Steuerbehörden gemäss Art. 112 DBG (E. 4.2). Anforderungen gemäss Art. 98a OG und Art. 86 Abs. 2 BGG (E. 4.4). Bejaht eine kantonale Behörde ihre Zuständigkeit, so prüft das Bundesgericht zurzeit nur, ob dies auf einer willkürlichen Auslegung des kantonalen Rechts beruht (E. 4.5). Tragweite der Pflicht zur Amtshilfe gemäss Art. 112 DBG (E. 6.1). Geht es um die Ausscheidung von Dokumenten, so gelten die Grundsätze analog, die für die internationale Rechtshilfe anwendbar sind, wobei zu berücksichtigen ist, dass der auf Art. 112 DBG gestützte Informationsaustausch nicht Fragen der Gewährleistung der nationalen Souveränität aufwirft und eine umfassende Zusammenarbeit zwischen den Behörden garantiert ist (E. 6.4 und 6.5).

135 I 265 (1D_8/2008) from 7. Juli 2009
Regeste: Art. 7-9, 29 und 35 BV, Art. 92 und 115 BGG; Zuständigkeit zur Beurteilung von Einbürgerungsgesuchen, die von der kommunalen Bürgerversammlung zweimal ohne hinreichende Begründung abgewiesen wurden. Anfechtung eines Vor- oder Zwischenentscheids über die Zuständigkeit zur Einbürgerung (E. 1.2). Beschwerdeberechtigung der nicht eingebürgerten Gesuchsteller (E. 1.3). Anwendbares Recht (E. 2). Regelung des Einbürgerungsverfahrens im kan tonalen Recht (E. 3.1 und 3.2). Der im Beschwerdeverfahren zulässige Antrag auf Beurteilung der Einbürgerungsgesuche durch die Beschwerdeinstanz ist keine Angelegenheit der Staatsaufsicht (E. 3.4). Bindung staatlicher Organe an die Grundrechte (E. 4.2). Tragweite der Ansprüche auf Begründung und auf Beurteilung innert angemessener Frist im Einbürgerungsverfahren (E. 4.3-4.5).

135 II 94 (2C_25/2009) from 5. Februar 2009
Regeste: Art. 86 Abs. 2 und 3 BGG; Eintretensvoraussetzung des Erfordernisses eines oberen Gerichts als unmittelbare kantonale Vorinstanz des Bundesgerichts (hier im Zusammenhang mit einer ausländerrechtlichen Administrativhaft). Das Haftgericht der Untersuchungsregion Bern-Mittelland genügt den gesetzlichen Anforderungen an ein oberes Gericht nicht. Ebenfalls nicht erfüllt sind die Voraussetzungen für eine Ausnahme von diesem Erfordernis (E. 3-5). Rechtsfolgen des Fehlens eines oberen Gerichts als unmittelbare kantonale Vorinstanz des Bundesgerichts (E. 6).

135 II 369 (2C_607/2008) from 24. März 2009
Regeste: Art. 7 lit. d FZA, Art. 3 Abs. 2 lit. b Anhang I FZA, Art. 110 BGG; Anspruch auf Familiennachzug. Die Familiennachzugsbestimmung von Art. 3 Anhang I FZA ist anwendbar auf Personen, die neben der schweizerischen auch über die Staatsangehörigkeit einer anderen Vertragspartei verfügen (E. 2). Verwandte in aufsteigender Linie, denen Unterhalt gewährt wird (Art. 3 Abs. 2 lit. b Anhang I FZA): Unterhaltsbedarf und Unterstützung (E. 3.1) richten sich bei einem seit mehreren Jahren rechtmässig in der Schweiz lebenden Familienangehörigen nach den aktuellen Verhältnissen in der Schweiz (E. 3.2); dem kantonalen Gericht neu unterbreitete Tatsachen - hier die Unterhaltsgewährung - sind zu berücksichtigen (E. 3.3).

136 II 470 (2C_772/2009) from 31. August 2010
Regeste: a Art. 86 Abs. 2 BGG; Begriff des "oberen Gerichts" als unmittelbare Vorinstanz des Bundesgerichts. Die Rekurskommission der EDK und der GDK genügt den gesetzlichen Anforderungen an eine unmittelbare Vorinstanz des Bundesgerichts (E. 1.1).

136 V 395 (9C_334/2010) from 23. November 2010
Regeste: Art. 32 und 52 Abs. 1 lit. b KVG; Art. 34 und 64 ff. KVV; Art. 9 Abs. 4 und Art. 14 Abs. 1 lit. f HMG; Orphan Drug (Myozyme bei Morbus Pompe); Kostenübernahme ausserhalb der Spezialitätenliste; Wirtschaftlichkeitsprüfung. Dass arzneimittelrechtlich die Orphan-Drug-Zulassung für ein Medikament (hier: Myozyme) erfolgt ist, bedeutet nicht automatisch, dass dessen Einsatz einen hohen therapeutischen Nutzen darstellt, weil die Zulassung nach Art. 14 Abs. 1 lit. f HMG einen solchen nicht voraussetzt (E. 5.3). Die Frage, ob ein hoher therapeutischer Nutzen - als Voraussetzung für die Kostenübernahme ausserhalb der Spezialitätenliste (E. 5.1 und 5.2) - vorliegt, ist sowohl in allgemeiner Weise als auch bezogen auf den konkreten Einzelfall zu beurteilen (E. 6.4 und 6.5); in casu mangels Nachweises mittels klinischer Studien und im konkreten Einzelfall verneint (E. 6.6-6.10). Selbst wenn ein hoher therapeutischer Nutzen erwiesen wäre, müsste eine Leistungspflicht aus Wirtschaftlichkeitsgründen, d.h. mangels eines angemessenen Kosten-/Nutzen-Verhältnisses verneint werden (E. 7). Für die Beurteilung dieses Verhältnisses anwendbare Kriterien (E. 7.6), Notwendigkeit der Verallgemeinerungsfähigkeit derselben (E. 7.7), Anwendbarkeit auch auf Orphan-Disease-Fälle (E. 7.8).

142 I 155 (2C_655/2015) from 22. Juni 2016
Regeste: Art. 106 Abs. 1 BGG; Rechtsanwendung von Amtes wegen. Zulässigkeit von neuen rechtlichen Vorbringen vor Bundesgericht, insbesondere von Verfassungsrügen. Eingeschränkte Bedeutung des Grundsatzes, wonach der kantonale Instanzenzug für Rügen, die dem Bundesgericht vorgetragen werden, ausgeschöpft werden muss (Präzisierung der Rechtsprechung; E. 4.4).

142 II 49 (8C_376/2015) from 24. März 2016
Regeste: Art. 8 Abs. 3 Satz 3 BV; Art. 3 Abs. 2, Art. 6 GlG; Lohngleichstellung von Mann und Frau im Einzelfall. Kognition des Bundesgerichts und der kantonalen Verwaltungsgerichte hinsichtlich der Überprüfung des Lohngleichheitsgebots im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnisses (E. 4). Die gestützt auf Art. 8 Abs. 3 Satz 3 BV und Art. 3 Abs. 2 GlG geltend gemachten bundesrechtlichen Ansprüche dürfen nicht durch kantonalrechtliche Verwirkungs- und Verjährungsbestimmungen erschwert werden (E. 5.2). Glaubhaftmachung einer Lohndiskriminierung nach Art. 6 GlG im Vergleich mit dem Amtsvorgänger oder -nachfolger (E. 6.2). Berücksichtigung von Anfangs- und Schlusslöhnen im Rahmen der Glaubhaftmachung (E. 7.2).

144 I 181 (8C_903/2017) from 12. Juni 2018
Regeste: Art. 29a BV; Art. 17 Abs. 4 der Verordnung der Stadt Zürich vom 6. Februar 2002 über das Arbeitsverhältnis des städtischen Personals; § 27a Abs. 1 in Verbindung mit § 63 Abs. 3 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes des Kantons Zürich vom 24. Mai 1959; Anordnung der Weiterbeschäftigung einer unrechtmässig gekündigten Angestellten durch das kantonale Gericht. In Nachachtung der Rechtsweggarantie gemäss Art. 29a BV erstreckt sich die Entscheidungsbefugnis des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich - entgegen der Regelung im kantonalen Verwaltungsrechtspflegegesetz - auch auf die Anordnung der Weiterbeschäftigung einer unrechtmässig entlassenen Angestellten, da kraft kommunalen Rechts ein justiziabler Anspruch auf Weiterbeschäftigung besteht (E. 5.3.2).

144 V 153 (8C_440/2017) from 25. Juni 2018
Regeste: Art. 61 lit. d ATSG; reformatio in peius im erstinstanzlichen Beschwerdeverfahren. Seiner Zielsetzung und systematischen Stellung entsprechend setzt Art. 61 lit. d ATSG nicht voraus, dass ein kantonales Versicherungsgericht einen angefochtenen Entscheid nur dann in peius reformieren darf, wenn dieser zweifellos unrichtig und die Korrektur von erheblicher Bedeutung ist (Bereinigung der Rechtsprechung; E. 4).

147 I 153 (2C_410/2020) from 10. November 2020
Regeste: Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Anspruch auf eine öffentliche und mündliche Verhandlung bei der gerichtlichen Beurteilung der Rechtmässigkeit der Erhebung einer kantonalen Spitaltaxe. Zur Rechtsnatur einer kantonalrechtlich geregelten Abgabe, die ein öffentlich-rechtliches Spital von seinen Patientinnen und Patienten erhebt (Spitaltaxe als Kausalabgabe in Form einer Benutzungsgebühr; E. 3.3). Präzisierung der Rechtsprechung zum Anwendungsbereich von Art. 6 EMRK bei abgaberechtlichen Verpflichtungen (E. 3.4). Anspruch auf eine öffentliche und mündliche Verhandlung gemäss Art. 6 Ziff. 1 EMRK bei der Beurteilung der Rechtmässigkeit der Gebührenerhebung vorliegend bejaht (E. 3.5).

147 I 173 (2C_455/2020) from 2. Dezember 2020
Regeste: Art. 30 Abs. 1 BV; Beurteilung eines nach Fällung des letztinstanzlichen kantonalen Urteils, aber vor Ablauf der Beschwerdefrist beim Bundesgericht entdeckten Ausstandsgrunds in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts. Wird ein Ausstandsgrund erst nach der Fällung des letztinstanzlichen kantonalen Urteils, aber vor Ablauf der Beschwerdefrist beim Bundesgericht entdeckt, kann dieser erstmals in der Beschwerde vor Bundesgericht geltend gemacht werden (BGE 139 III 466 E. 3.4). Das gilt auch im kantonalen öffentlichen Recht, falls eine Beurteilung unter dem Gesichtspunkt von Art. 30 Abs. 1 BV möglich ist (E. 3 und 4). Wirkt ein Richter, der zugleich als Exekutivmitglied einer Gemeinde amtiert, in einem Verfahren betreffend den interkommunalen Finanzausgleich mit, welches auf Gesuch einer anderen Gemeinde des gleichen Kantons veranlasst wurde, liegt eine Verletzung von Art. 30 Abs. 1 BV vor (E. 5).

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