|
Art. 64 Unentgeltliche Rechtspflege
1 Das Bundesgericht befreit eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Gerichtskosten und von der Sicherstellung der Parteientschädigung, sofern ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. 2 Wenn es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, bestellt das Bundesgericht der Partei einen Anwalt oder eine Anwältin. Der Anwalt oder die Anwältin hat Anspruch auf eine angemessene Entschädigung aus der Gerichtskasse, soweit der Aufwand für die Vertretung nicht aus einer zugesprochenen Parteientschädigung gedeckt werden kann. 3 Über das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege entscheidet die Abteilung in der Besetzung mit drei Richtern oder Richterinnen. Vorbehalten bleiben Fälle, die im vereinfachten Verfahren nach Artikel 108 behandelt werden. Der Instruktionsrichter oder die Instruktionsrichterin kann die unentgeltliche Rechtspflege selbst gewähren, wenn keine Zweifel bestehen, dass die Voraussetzungen erfüllt sind. 4 Die Partei hat der Gerichtskasse Ersatz zu leisten, wenn sie später dazu in der Lage ist. BGE
133 IV 142 (6F_1/2007) from 9. Mai 2007
Regeste: Revisionsbegehren; Art. 121 ff. BGG. Begriff der Anträge im Sinne von Art. 121 lit. c BGG. Antrag auf Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege (E. 2).
134 I 166 (9C_422/2007) from 4. April 2008
Regeste: Art. 29 Abs. 3 BV; § 61 baselstädtisches Gesetz vom 20. März 1980 betreffend die Pensionskasse Basel-Stadt; unentgeltliche Verbeiständung im internen Verfahren der Vorsorgeeinrichtung? Mangels hoheitlicher Befugnisse der Pensionskasse besteht im Rahmen des Verfahrens einer öffentlich-rechtlich konstituierten Vorsorgeeinrichtung auch insoweit kein Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung (BGE 125 V 32) respektive Parteientschädigung (BGE 130 V 570), als das kantonale Recht die Möglichkeit einer (fakultativen) "Einsprache" vorsieht (E. 2).
135 I 1 (9C_342/2008) from 20. November 2008
Regeste: Art. 29 Abs. 3 BV; Art. 61 lit. f ATSG; Art. 64 Abs. 2 BGG; Art. 8 Abs. 2 BGFA; Voraussetzungen zur Bestellung der für eine gemeinnützige Organisation tätigen Rechtsanwältin als unentgeltliche Rechtsbeiständin. Der Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung ist zu bejahen, wenn eine Organisation durch ihre Rechtsanwältin Rechtsbeistand gewährt, falls neben den allgemeinen Anforderungen der Bedürftigkeit, fehlenden Aussichtslosigkeit und Notwendigkeit der Vertretung zusätzlich die folgenden Bedingungen erfüllt sind: - die Organisation muss einen gemeinnützigen Zweck verfolgen; - sie muss das Angebot der Rechtsverbeiständung ohne erheblichen Kostenersatz zur Verfügung stellen; - und die spezifische Interessenwahrung im sozialrechtlichen Bereich bezwecken (E. 7.4.1).
135 I 91 (6B_611/2008) from 5. Dezember 2008
Regeste: Unentgeltliche Rechtspflege im Strafverfahren; Art. 29 Abs. 3 BV, Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK. Weder Art. 29 Abs. 3 BV noch Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK verpflichten den Staat, endgültig auf die Rückzahlung von Kostenvorschüssen zu verzichten, die dem Empfänger der unentgeltlichen Rechtspflege für die amtliche Verteidigung gewährt worden sind. Voraussetzungen, unter denen die letzte kantonale Instanz diese Kosten dem Empfänger der unentgeltlichen Rechtspflege auferlegen kann (E. 2).
135 I 221 (4D_30/2009) from 1. Juli 2009
Regeste: Art. 29 Abs. 3 BV; Recht auf unentgeltliche Rechtspflege; Berücksichtigung von Steuerrückständen bei der Beurteilung der Bedürftigkeit des Gesuchstellers. Die verfallenen Steuerschulden, deren Höhe und deren Fälligkeitsdatum feststehen, sind bei der Beurteilung der Bedürftigkeit der um unentgeltliche Rechtspflege nachsuchenden Person zu berücksichtigen, soweit sie tatsächlich bezahlt werden (Klärung der Rechtsprechung; E. 5.2).
139 III 396 (4A_105/2013) from 5. August 2013
Regeste: Art. 64 BGG; teilweise Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. Werden in der Beschwerde mehrere selbstständige Rechtsbegehren gestellt, die unabhängig voneinander beurteilt werden können, kann der bedürftigen Partei die unentgeltliche Rechtspflege für das Beschwerdeverfahren vor Bundesgericht auch nur teilweise in Bezug auf die nicht aussichtslosen Rechtsbegehren gewährt werden (E. 4).
139 III 475 (4A_314/2013) from 6. August 2013
Regeste: Art. 29 Abs. 3 BV, Art. 117 lit. b ZPO; unentgeltliche Rechtspflege, Voraussetzung der Nichtaussichtslosigkeit. Einfluss der Parteirolle des um unentgeltliche Rechtspflege Ersuchenden auf die Beurteilung der Prozessaussichten. Gesuch des Rechtsmittelbeklagten in einem Fall, bei dem der angefochtene Entscheid an einem offensichtlichen, krassen Verfahrensfehler leidet (E. 2).
140 III 12 (4A_589/2013) from 16. Januar 2014
Regeste: Art. 29 Abs. 3 BV; Art. 117 ZPO; Art. 64 BGG; Art. 158 Abs. 1 lit. b ZPO; unentgeltliche Rechtspflege; vorsorgliche Beweisführung. In einem Verfahren der vorsorglichen Beweisführung zwecks Abklärung der Prozessaussichten besteht kein Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege (E. 3.3 und 3.4).
140 V 521 (9C_369/2013) from 2. September 2014
Regeste: a Art. 25 Abs. 2 erster Satz und Art. 31 Abs. 2 ATSG; Art. 321a Abs. 1 OR; Art. 20 Abs. 1 BPG; Art. 65 Abs. 2 AHVG; Art. 116 Abs. 1 in fine AHVV; Art. 7 Abs. 1 und 5 des Einführungsgesetzes des Kantons Bern vom 23. Juni 1993 zum AHVG (EG AHVG); Art. 9 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 10 Abs. 1 der regierungsrätlichen Verordnung vom 4. November 1998 über die Ausgleichskasse des Kantons Bern und ihre Zweigstellen (AKBV); Art. 55 des Personalgesetzes des Kantons Bern vom 16. September 2004 (PG/BE); unterlassene Meldung der Wiederverheiratung eines Witwerrentenbezügers; Rückerstattung der unrechtmässig bezogenen Rentenleistungen; Auslösung der einjährigen Verwirkungsfrist durch ausserdienstlich erfolgte Kenntnisnahme? Das bei einer AHV-Gemeindezweigstelle vorhandene, aber nicht an den Hauptsitz weitergeleitete Wissen um eine leistungsrelevante Zivilstandsänderung ist der Ausgleichskasse des Kantons Bern grundsätzlich zuzurechnen (E. 6). Dies gilt indes nicht, wenn Zweigstellenmitarbeiter nicht im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit, sondern auf privatem Wege von der neuerlichen Verehelichung eines Witwerrentenbezügers erfahren. Weder aus Art. 31 Abs. 2 ATSG (E. 7.1) noch aufgrund der aus dem Arbeitsverhältnis fliessenden allgemeinen Treuepflicht (E. 7.2) lässt sich für die Mitarbeiter eines Sozialversicherers die Verpflichtung ableiten, ausserdienstlich erlangtes Wissen in ihre behördliche Tätigkeit einzubringen.
141 IV 262 (6B_1000/2014) from 23. Juni 2015
Regeste: Pflicht des Opfers, dem Staat die Entschädigung des unentgeltlichen Rechtsbeistandes zurückzuzahlen; Art. 8 BV; Art. 135 Abs. 4 und Art. 138 Abs. 1 StPO; Art. 30 Abs. 1 und 3 OHG. Die in Art. 30 Abs. 3 OHG vorgesehene Befreiung des Opfers und seiner Angehörigen von der Pflicht, die Kosten für einen unentgeltlichen Rechtsbeistand zu erstatten, gilt auch im Rahmen eines Straf- und/oder Zivilverfahrens gegen den Täter (E. 2). Art. 30 Abs. 3 OHG geht als lex specialis Art. 135 Abs. 4 und Art. 138 Abs. 1 StPO vor. Es ist nicht zulässig, vom Opfer die Rückzahlung der Entschädigung des unentgeltlichen Rechtsbeistandes an den Staat zu verlangen (E. 3).
142 III 138 (4D_62/2015) from 9. März 2016
Regeste: Art. 118 Abs. 2 ZPO; teilweise Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. Für ein einzelnes Rechtsbegehren kann die unentgeltliche Rechtspflege wegen fehlender Aussichtslosigkeit in der Regel nicht teilweise gewährt werden. Vorgehen bei einem offensichtlichen Überklagen bzw. -bestreiten (E. 5).
143 III 617 (5A_857/2016) from 8. November 2017
Regeste: Art. 9 BV; Art. 179 ZGB; Abänderung des Unterhaltsbeitrages an den Ehegatten für die Dauer des Scheidungsverfahrens; Prozesskostenvorschusspflicht. Abänderungsvoraussetzungen (E. 3.1). Glaubhaftmachen der dauerhaften Veränderung des Einkommens in einem Fall, wo ein unselbstständig erwerbstätiger Ehegatte während des Getrenntlebens seine Stelle verliert und eine selbstständige Erwerbstätigkeit aufnimmt (E. 5). Verhältnis des Anspruchs auf unentgeltliche Rechtspflege im Beschwerdeverfahren zum materiell-rechtlichen Anspruch auf Leistung eines Prozesskostenvorschusses durch Ehegatten (E. 7).
144 III 531 (4A_362/2018) from 5. Oktober 2018
Regeste: Art. 117 lit. a ZPO; unentgeltliche Rechtspflege; Bedürftigkeit. Der Kapitalbezug der beruflichen Vorsorge nach Eintritt des Versicherungsfalls ist bei der Ermittlung der Mittellosigkeit nach Art. 117 lit. a ZPO dem Vermögen des Gesuchstellers um unentgeltliche Rechtspflege anzurechnen (E. 2-4).
144 IV 302 (6B_56/2018) from 2. August 2018
Regeste: Art. 3 Abs. 2 lit. c, Art. 107 Abs. 1 lit. a, Art. 141 Abs. 3 und Art. 185 Abs. 3 StPO, Art. 29 Abs. 2 BV; selbstständiger Aktenbeizug durch die sachverständige Person, rechtliches Gehör. Der Beizug von Akten einer Behörde oder einer Klinik ist keine einfache Erhebung, welche die sachverständige Person gemäss Art. 185 Abs. 4 StPO selbst vornehmen kann, sondern eine Ergänzung der Akten im Sinne von Art. 185 Abs. 3 StPO, die sie bei der Verfahrensleitung zu beantragen hat. Da es sich bei letztgenannter Bestimmung aufgrund der konkreten Umstände um eine Ordnungsvorschrift handelt, hat das Vorgehen der sachverständigen Person keine Folgen hinsichtlich der Verwertbarkeit ihres Gutachtens. Jedoch verletzt der Entscheid der Vorinstanz, die betreffenden Akten nicht zu edieren, den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör (E. 3.3-3.5).
144 V 97 (9C_827/2017) from 7. Mai 2018
Regeste: Art. 37 Abs. 4 und Art. 55 Abs. 1 ATSG; Art. 65 Abs. 4 VwVG; rückwirkender Entzug der unentgeltlichen Rechtsvertretung für das Verwaltungsverfahren. Kommt die früher bedürftige Partei später zu hinreichenden Mitteln, kann deswegen weder die Nachzahlung der Kosten der unentgeltlichen Rechtsvertretung für das Verwaltungsverfahren verlangt noch die unentgeltliche Rechtsvertretung rückwirkend entzogen werden. Dafür fehlt eine gesetzliche Grundlage (E. 3.5).
146 IV 364 (6B_639/2020) from 15. September 2020
Regeste: Art. 40 Abs. 2 und 41 Abs. 1 BGG; notwendige Verteidigung, fehlende Vollmacht. Das BGG kennt das Institut der notwendigen Verteidigung im Sinne von Art. 130 f. StPO nicht. Ohne entsprechenden Auftrag kann ein Anwalt nicht geltend machen, er sei zur Vertretung eines Beschuldigten berechtigt, weil es sich bei der Strafsache im kantonalen Verfahren um einen Fall notwendiger Verteidigung gehandelt hat. Ein Anwalt, der nicht entsprechend beauftragt wurde, ist nicht zur Beschwerdeführung befugt, wenn er beim Betroffenen weder Instruktionen noch eine Vollmacht erhältlich machen konnte. Das BGG weist diesbezüglich keine Lücke auf. Art. 41 Abs. 1 BGG ermächtigt das Bundesgericht lediglich, eine Partei, die selbständig Beschwerde erhoben hat und offensichtlich nicht imstande ist, ihre Sache selber zu führen, zu verpflichten, einen Vertreter oder eine Vertreterin beizuziehen. Diese Bestimmung ist jedoch nicht anwendbar, wenn das Bundesgericht von einem Anwalt im Namen eines Betroffenen angerufen wird, von dem er keine Instruktionen erhältlich machen konnte (E. 1.1 und 1.2). |